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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AnerkennungsG 1874 §1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofer, über die Beschwerde 1. des F A, 2. des K B, 3. des K K und 4. des J R, sowie 5. der Jehovas Zeugen staatlich eingetragene religiöse Bekenntnisgemeinschaft, alle in Wien und vertreten durch Dr. Reinhard Kohlhofer, Rechtsanwalt in 1130 Wien, Fasangartengasse 35, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten (nunmehr: Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur) vom 1. Dezember 1998, Zl. 12.101/3-9c/98, betreffend Anerkennung als Religionsgesellschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag der Beschwerdeführer vom 22. Juli 1998 auf Anerkennung der staatlich eingetragenen religiösen Bekenntnisgemeinschaft "Jehovas Zeugen" als Religionsgesellschaft gemäß § 2 des Gesetzes vom 20. Mai 1874, RGBl. Nr. 68 (AnerkennunsG 1874), unter Berufung auf § 11 Abs. 1 Z. 1 des Bundesgesetzes über die Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften, BGBl. I Nr. 19/1998 (BekGG), abgewiesen.
Nach der Begründung hätten die Beschwerdeführer am 22. Juli 1998 einen Antrag auf Anerkennung als Religionsgesellschaft gemäß § 2 des Anerkennungsgesetzes 1874 gestellt. Bei den Beschwerdeführern handle es sich um die zur Vertretung nach außen befugten Mitglieder des Vorstandes der religiösen Bekenntnisgemeinschaft "Jehovas Zeugen" (Beschwerdeführer zu 1) bis 4)) sowie die staatlich eingetragene religiöse Bekenntnisgemeinschaft Jehovas Zeugen selbst (Beschwerdeführer zu 5)), welche gemäß § 2 Abs. 1 BekGG mit Wirksamkeit vom 11. Juli 1998 Rechtspersönlichkeit erlangt habe. Nach § 2 Abs. 3 BekGG sei dieser Bekenntnisgemeinschaft mit Datum vom 20. Juli 1998 ein Feststellungsbescheid über den Erwerb der Rechtspersönlichkeit zugestellt worden. § 11 Abs. 1 Z. 1 BekGG bestimme als zusätzliche Voraussetzung für eine Anerkennung nach dem Anerkennungsgesetz 1874 den Bestand als Religionsgemeinschaft durch mindestens 20 Jahre, davon mindestens 10 Jahre als religiöse Bekenntnisgemeinschaft mit Rechtspersönlichkeit im Sinne dieses Bundesgesetzes. Wenn auch die Religionsgemeinschaft der "Zeugen Jehovas" bereits seit vielen Jahren öffentlich und für jedermann erkennbar tätig sei, so sei dennoch im Hinblick auf den eindeutigen und klaren Wortlaut der genannten Bestimmung kein Raum für eine einschränkende Auslegung dieser Bestimmung, zumal die Verfassungskonformität der Regelung bei der in diesem Zusammenhang gebotenen Durchschnittsbetrachtung zweifelsfrei gegeben sei. Da im Beschwerdefall das Erfordernis des zehnjährigen Bestandes als religiöse Bekenntnisgemeinschaft mit Rechtspersönlichkeit nicht gegeben sei, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
Gegen diesen Bescheid haben die Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben. Dieser hat die Beschwerde mit Erkenntnis vom 14. März 2001, B 98/99-13, gemäß Art. 144 B-VG abgewiesen, da die Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch in Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden seien. Über nachträglichen Antrag der Beschwerdeführer wurde die Beschwerde mit Beschluss vom 2. Mai 2001, B 98/99-15, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
In der auftragsgemäß ergänzten Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof erachten sich die Beschwerdeführer zunächst in ihrem Recht auf Anerkennung als Religionsgesellschaft nach § 1 des Anerkennungsgesetzes 1874 verletzt. Darüber hinaus erachten sie sich in den "verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art. 2 StGG, Art. 7 B-VG), auf (religiöse) Vereinsfreiheit (Art. 12 StGG; Z 3 des Beschlusses der provisorischen Nationalversammlung vom 30. 10. 1919, StGBl 3; Art. 67 StvStGermain, Art. 11 MRK), sowie auf Religionsfreiheit (Art. 63 StvStGermain, Art. 9 MRK)" verletzt. Sie beantragen, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Die Beschwerdeführer haben darauf repliziert.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 1 des Anerkennungsgesetzes 1874 wird den Anhängern eines bisher gesetzlich nicht anerkannten Religionsbekenntnisses die Anerkennung als Religionsgesellschaft unter nachfolgenden Voraussetzungen erteilt:
1. Dass ihre Religionslehre, ihr Gottesdienst, ihre Verfassung, sowie die gewählte Benennung nichts Gesetzwidriges oder sittlich Anstößiges enthält;
2. dass die Errichtung und der Bestand wenigstens einer nach den Anforderungen dieses Gesetzes eingerichteten Kultusgemeinde gesichert ist.
Das am 10. Jänner 1998 in Kraft getretene Bundesgesetz über die Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften sieht in seinem § 11 "zusätzliche Voraussetzungen für eine Anerkennung nach dem Anerkennungsgesetz" vor.
§ 11 Abs. 1 Z. 1 BekGG nennt als eine solche Voraussetzung "Bestand als Religionsgemeinschaft durch mindestens zwanzig
Jahre, davon mindestens 10 Jahre als religiöse Bekenntnisgemeinschaft mit Rechtspersönlichkeit im Sinne dieses Bundesgesetzes".
Nach § 11 Abs. 2 BekGG findet dieses Bundesgesetz auf laufende Verwaltungsverfahren auf Grund des Gesetzes betreffend die gesetzliche Anerkennung von Religionsgesellschaften Anwendung. Anträge auf Anerkennung als Religionsgesellschaft sind als Anträge gemäß § 3 zu werten, wobei der Tag des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes als Tag der Einbringung gilt.
Gemäß § 1 BekGG sind religiöse Bekenntnisgemeinschaften im Sinne dieses Bundesgesetzes Vereinigungen von Anhängern einer Religion, die gesetzlich nicht anerkannt sind.
Religiöse Bekenntnisgemeinschaften erwerben gemäß § 2 Abs. 1 BekGG die Rechtspersönlichkeit nach diesem Bundesgesetz durch Antrag beim Bundesminister für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten (nunmehr: Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur) nach Ablauf einer Frist von sechs Monaten nach dem Einlangen dieses Antrages, wenn nicht innerhalb dieser Frist ein Bescheid über die Versagung der Rechtspersönlichkeit (§ 5) zugestellt worden ist.
Über den Erwerb der Rechtspersönlichkeit ist gemäß § 2 Abs. 3 BekGG ein Feststellungsbescheid zu erlassen, der den Namen der religiösen Bekenntnisgemeinschaft sowie die nach außen vertretungsbefugten Organe in allgemeiner Bezeichnung zu enthalten hat.
Gemäß § 3 Abs. 1 BekGG hat der Antrag der religiösen Bekenntnisgemeinschaft auf Erwerb der Rechtspersönlichkeit durch die Vertretung der religiösen Bekenntnisgemeinschaft zu erfolgen.
Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist unbestritten, dass aufgrund des (ursprünglichen) Antrages der Beschwerdeführer zu 1) bis 4) auf Anerkennung der Religionsgemeinschaft "Jehovas Zeugen" als gesetzlich anerkannte Religionsgemeinschaft im Sinne des Anerkennungsgesetzes 1874 dieser Antrag in Anwendung des § 11 Abs. 2 BekGG von der belangten Behörde als Antrag nach § 3 BekGG gewertet worden ist. Mit dem - unbekämpft gebliebenen - Bescheid vom 20. Juli 1998 stellte die belangte Behörde fest, dass die Religionsgemeinschaft "Jehovas Zeugen" als religiöse Bekenntnisgemeinschaft gemäß § 3 Abs. 1 BekGG Rechtspersönlichkeit erworben habe.
Den daraufhin von den Proponenten sowie der religiösen Bekenntnisgemeinschaft "Jehovas Zeugen" eingebrachten weiteren Antrag vom 22. Juli 1998 auf gesetzliche Anerkennung als Religionsgesellschaft gemäß § 2 AnerkennungsG 1874 hat die belangte Behörde mit dem vorliegend angefochtenen Bescheid unter Berufung auf § 11 Abs. 1 Z. 1 BekGG abgewiesen, da die in dieser Gesetzesstelle festgelegte zusätzliche Voraussetzung für eine Anerkennung, nämlich der 10-jährige Bestand als religiöse Bekenntnisgemeinschaft mit Rechtspersönlichkeit, nicht erfüllt sei.
In der Beschwerde wird im Wesentlichen die Auffassung vertreten, dass im speziellen Fall der "Zeugen Jehovas" die belangte Behörde bei teleologischer Interpretation des § 11 Abs. 1 Z. 1 BekGG eine Anerkennung nach dem Anerkennungsgesetz 1874 hätte aussprechen müssen. Die Religionsgemeinschaft der "Zeugen Jehovas" sei bereits seit vielen Jahrzehnten öffentlich und für jedermann erkennbar tätig; sie sei auch seit vielen Jahrzehnten in Österreich in vielen Vereinen organisiert. Auch um die staatliche Anerkennung sei bereits jahrelang gekämpft worden. Ihre Tätigkeit sei daher seit vielen Jahrzehnten einer intensiven detaillierten staatlichen Überprüfung zugänglich gewesen. Da ein Antrag auf Anerkennung nach dem Anerkennungsgesetz 1874 seit fast fünfzehn Jahren bei der Behörde behänge, hätte diese die Anerkennungsvoraussetzungen bereits während einer längeren als der im BekGG vorgesehenen Frist überprüfen können. Die Auslegung einer einfachgesetzlichen Bestimmung dürfe auch den Grundprinzipien der österreichischen Verfassung nicht widersprechen. Die Auslegung des § 11 Abs. 1 Z. 1 BekGG durch die belangte Behörde widerspreche aber dem Verfassungsprinzip der "Säkularität" des österreichischen Staates. Die Behörde messe der Bestimmung einen Inhalt bei, welcher den Grundprinzipien des österreichischen Verfassungsrechtes widerspreche und daher als Gesamtänderung der Bundesverfassung im Sinne des Art. 44 Abs. 3 B-VG anzusehen sei. Der Verfassungsgerichtshof habe sich in seinem (abweisenden) Erkenntnis weder mit dieser Frage noch mit der Frage einer restriktiven Interpretation der anzuwendenden Norm im Sinne einer teleologischen Reduktion auseinander gesetzt, weshalb angeregt werde, der Verwaltungsgerichtshof möge gemäß Art. 89 Abs. 2 B-VG beim Verfassungsgerichtshof einen Antrag auf Aufhebung des § 11 Abs. 1 Z. 1 BekGG stellen.
Mit diesem Vorbringen sind die Beschwerdeführer aus folgenden Erwägungen nicht im Recht:
1. Soweit sich die Beschwerdeführer - unter Hinweis auf ihr Vorbringen vor dem Verfassungsgerichtshof - weiterhin in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt erachten, ist zunächst darauf zu verweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof nicht dazu berufen ist, Bescheide auf die Verletzung verfassungsrechtlich gewährleisteter Rechte hin zu überprüfen (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 18. März 1994, Zl. 91/07/0162).
2. Auf den Einwand der Beschwerdeführer, § 11 Abs. 1 Z. 1 BekGG hätte auf Grund der bereits viele Jahre währenden Tätigkeit der "Zeugen Jehovas" von der belangten Behörde einschränkend ausgelegt werden müssen, ist zu erwidern, dass bereits der Verfassungsgerichtshof zu diesem Vorbringen die Auffassung vertreten hat, die Beschwerde verkenne dabei, dass § 11 Abs. 1 Z. 1 BekGG nicht bloß die Beobachtung des faktischen Verhaltens von der religiösen Gemeinschaften genügen lässt, sondern an die Möglichkeit der Beobachtung einer mit Rechtspersönlichkeit ausgestatteten, bestimmten rechtlichen Pflichten und einer dementsprechenden Rechtsaufsicht unterliegenden Gemeinschaft anknüpft. Gegen eine Vorschrift dieses Inhalts bestünden aber keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. das Erkenntnis vom 4. März 2001, B 98/99-13, unter Hinweis auf das Erkenntnis vom 3. März 2001, B 1713/98 ua. = öarr 2001, S. 253 ff, mit Kommentar von Schinkele). Rechtspersönlichkeit hat die gegenständliche religiöse Bekenntnisgemeinschaft aber erst mit dem bereits genannten Bescheid vom 20. Juli 1998 erlangt.
3. Zu den in die Verfassungssphäre reichenden Beschwerdegründen der Beschwerdeführer ist auf die Ablehnung der Beschwerde durch den Verfassungsgerichtshof zu verweisen wonach das Verfahren auch nicht ergeben hat, dass die Beschwerdeführer in von ihnen nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden wären.
4. Da die religiöse Bekenntnisgemeinschaft "Jehovas Zeugen" zum Zeitpunkt ihrer Antragstellung vom 22. Juli 1998 noch nicht zehn Jahre als religiöse Bekenntnisgemeinschaft mit Rechtspersönlichkeit Bestand hatte, wurde ihr Antrag auf Anerkennung nach dem Anerkennungsgesetz 1874 von der belangten Behörde zu Recht abgewiesen. Für eine vom Wortlaut des § 11 Abs. 1 Z. 1 BekGG abweichende Auslegung war insbesondere im Hinblick auf das genannte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes kein Raum. Im Hinblick auf dieses Erkenntnis sieht sich auch der Verwaltungsgerichtshof nicht veranlasst, der Anregung der Beschwerdeführer zu entsprechen, einen Normenprüfungsantrag beim Verfassungsgerichtshof zu stellen.
5. Die vorliegende Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
6. Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm. der VwGH-Kostenersatzverordnung 2003.
7. Im Beschwerdefall stand lediglich die Auslegung des § 11 Abs. 1 Z. 1 BekGG in Rede. Diese Frage konnte aufgrund der Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakten gelöst werden. Von der beantragten mündlichen Verhandlung wurde somit gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen, zumal kein Fall des Art. 6 MRK vorliegt.
Wien, am 14. September 2004
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2001100091.X00Im RIS seit
02.11.2004