Index
L22006 Landesbedienstete Steiermark;Norm
BDG 1979 §125a Abs3 Z5 impl;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Graf und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, über die Beschwerde des P in B, vertreten durch Dr. Martin Holzer, Rechtsanwalt in 8600 Bruck an der Mur, Herzog Ernst Gasse 2a, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung vom 23. August 2001, Zl. LAD-15.10-24/99-2, betreffend Disziplinarstrafe der Geldbuße, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der im Jahr 1940 geborene Beschwerdeführer stand (bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand) als Amtsrat in einem öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis zum Land Steiermark. Er war seit 1971 im Landesdienst und seit 1979 in der Bezirkshauptmannschaft B als Strafreferent tätig. Seit März 2000 steht der Beschwerdeführer als Amtsrat in Ruhe in einem öffentlich-rechtlichen Pensionsverhältnis zum Land Steiermark.
Mit Erkenntnis vom 5. Oktober 1999 hat die Disziplinarkommission beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung den Beschwerdeführer nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung wie folgt schuldig erkannt und disziplinär bestraft:
"P ist schuldig, daß er durch folgenden Verhaltensweisen Dienstpflichtverletzungen begangen hat:
1. Besuch des Lokales L, B, Rgerstraße, am 3.6.1999, um ca. 5.10 Uhr, trotz eines vom Wirt W ausgesprochenen Lokalverbotes. Bei Verweigerung des Ausschankes, Drohung an W, die Einhaltung der Sperrstunde überprüfen zu lassen.
2. Beschimpfung der Gäste mit dem Wort 'Gesindel' da, seiner Aussage nach, ja nur solches in dieses Lokal gehe.
3. Beschimpfung des W mit den Worten 'feiges Arschloch' und 'schwarzes Schaf der Familie W'.
4. Für alle Anwesenden gut hörbare Bezeichnung des L als Haschlokal.
5. Anschuldigung W habe seinen Sohn zum Umgang mit Drogen verleitet und drogensüchtig gemacht.
6. Drohung an den Vorgenannten ihn bzw. das Lokal L behördlich fertig zu machen bzw. dieses von seiner Behörde schließen zu lassen, wozu er seine beruflichen und privaten Beziehungen nutzen werde.
P hat durch sein Verhalten gegen § 21 der Dienstpragmatik und § 24 Abs. 2 der Dienstpragmatik in der Fassung der Landesbeamtengesetz-Novelle 1989 verstoßen.
Gemäß § 88 Abs. 1 Zif. 2 der Dienstpragmatik in der Fassung der Landesbeamtengesetz-Novelle 1984 wird über P die Disziplinarstrafe der Geldbuße in Höhe eines Viertels eines Monatsbezuges unter Ausschluß der Kinderzulage verhängt."
Zur Begründung ihrer Entscheidung führte die Disziplinarkommission hinsichtlich der Tatfrage (als erwiesen angenommener Sachverhalt und Beweiswürdigung) folgendes aus:
"Der beschuldigte Beamte hat erklärt, daß er am 3.6.1999 um ca. 5.10 Uhr gemeinsam mit seiner Bekannten K das Lakol L in B betreten hat und daß bei Betreten des Lokales die Musik laut eingeschaltet war, so daß ein Wahrnehmen einer Stimme nicht möglich war. Der beschuldigte Beamte hat zugegeben, daß die Worte 'Schwarzes Schaf der Familie W' gefallen sind. Die sonstigen o.a. Punkte hat der beschuldigte Beamte zur Gänze bestritten. Als Zeugen wurden W, H und G vernommen. Die Zeugen W und H haben die o. a. 6 Punkte vollinhaltlich bestätigt. Der Zeuge G hat dargelegt, daß er zu diesem Zeitpunkt alkoholisiert war und sich nicht an alle Vorgänge erinnern könne. Er hat aber - soweit es sein Erinnerungsvermögen vermochte - den o.a. Sachverhalt bestätigt.
Das Lokal L hat um 5.00 Uhr Sperrstunde. Dies bedeutet, daß zu diesem Zeitpunkt u.a. die Musik auszuschalten ist. Die Aussagen der o.a. Zeugen waren glaubwürdig, daß um 5.00 Uhr keine Musik mehr eingeschalten war.
Der beschuldigte Beamte hat die Einvernahme seiner Begleiterin K beantragt zum Beweis dafür, daß die diskriminierenden Äußerungen mit Ausnahme der vom Beschuldigten eingestandenen Äußerung nicht gefallen sind und durch die Lautstärke der Musik Wahrnehmungen der Zeugen nicht stattgefunden haben konnten.
Die Disziplinarkommission hat die Ladung von K als nicht notwendig erachtet, da die Aussagen der vernommenen Zeugen glaubwürdig waren. Es konnte daher die Disziplinarkommission als erwiesen annehmen, daß zum Zeitpunkt des Betretens des Lokals durch den Beschuldigten im Lokal keine Musik eingeschalten war und daß die o.a. Äußerungen gemacht worden sind."
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Disziplinarerkenntnis vom 23. August 2001 hat die belangte Behörde die gegen das genannte Erkenntnis erhobene Berufung des Beschwerdeführers abgewiesen und das erstinstanzliche Erkenntnis der Disziplinarkommission bestätigt.
Zur Tatfrage (erwiesener Sachverhalt und Beweiswürdigung) führte die belangte Behörde folgendes aus:
"Es geht daher in erster Linie darum, daß die im Zuge des bisherigen Verfahrens gemachten Aussagen der Zeugen einer genauen Prüfung unterzogen werden. Da ist die Aussage des Zeugen (und Gastwirtes) W, der den Vorfall zum Anlaß nahm eine Sachverhaltsdarstellung an die zuständige Staatsanwaltschaft vorzulegen. Das zeigt einerseits von einer tiefen Betroffenheit, andererseits handelt es sich dabei nicht gerade um die übliche Vorgangsweise. Erklärung findet dieses Verhalten aber dadurch, daß der Zeuge bereits zu einem länger zurückliegenden Zeitpunkt Schwierigkeiten mit dem Berufungswerber hatte und aus diesem Grunde ein 'privates' Lokalverbot aussprach. In Fortsetzung dieses Verbotes verweigerte er den Ausschank von Getränken, als der Berufungswerber das Lokal betrat. Die Disziplinaroberkommission sah keinen Grund den Angaben dieses Zeugen nicht Glauben zu schenken. Weiters liegt die Aussage des Zeugen H vor, der vom Berufungswerber im Zuge des ergänzenden Ermittlungsverfahrens als deshalb nicht besonders glaubwürdig eingestuft wird, weil er gegen ihn im Jahre 1998 eine Strafe ausgesprochen hätte. Die Berufungsbehörde sah jedoch auch beim Zeugen H keinen Grund, der es gerechtfertigt hätte, seinen Aussagen nicht Glauben zu schenken. Der Zeuge beschrieb sowohl bei seiner Einvernahme durch Beamte des zuständigen Gendarmeriepostens als auch im Zuge der mündlichen Verhandlung vor der Disziplinarkommission sehr detailliert den damaligen Vorfall. Bleibt noch der Zeuge G, der von vornherein darauf hinwies, daß er sich aufgrund seiner Alkoholisierung nur eingeschränkt erinnern könne. Dennoch bestätigte er im wesentlichen den Vorfall.
Abweichend dazu verhält sich die Aussage der Zeugin K, die im Zuge des ergänzenden Ermittlungsverfahrens zum Sachverhalt einvernommen wurde. Unterschiede liegen darin, daß sie die von ihrem Lebensgefährten gemachten Aussagen nicht gehört hat und im Lokal Musik gespielt wurde. Auch die direkte Auseinandersetzung zwischen ihrem Lebensgefährten und seinem Sohn habe sie nicht mitbekommen. Auch nach dem sie im Zuge der Einvernahme auf die Widersprüche zu den anderen Zeugenaussagen aufmerksam gemacht wurde, blieb sie bei ihren Angaben.
Die Disziplinaroberkommission ist der Meinung, daß den übereinstimmenden Aussagen von W, H und G mehr Glauben zu schenken ist als der Aussage der Zeugin K. Dementsprechend ist der Sachverhalt als erwiesen anzunehmen, weshalb eine Bestrafung gerechtfertigt ist."
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde, zu der die belangte Behörde eine Gegenschrift erstattete, hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Auf Bedienstete, die im öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Steiermark stehen (Landesbeamte), war bis zum Inkrafttreten des Stmk. L-DBR, LGBl. Nr. 29/2003 mit 1. Jänner 2003 das Steiermärkische Landesbeamtengesetz (LGBl. Nr. 124/1974) anzuwenden. Nach § 2 Abs. 1 dieses Landesgesetzes war auf Landesbeamte unter anderem die Dienstpragmatik 1914 (RGBl. Nr. 15 in der Fassung BGBl. Nr. 213/1972) als Landesgesetz mit landesgesetzlichen Abweichungen sinngemäß anzuwenden (DP/Stmk).
Die maßgeblichen, im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (6. September 2001) in Geltung gestandenen und im Beschwerdefall daher in Betracht zu ziehenden Bestimmungen der DP/Stmk lauten:
"Einstellung des Disziplinarverfahrens
§ 112
(1) Das Disziplinarverfahren ist mit Bescheid einzustellen, wenn
1. der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Dienstpflichtverletzung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit ausschließen,
2. die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Dienstpflichtverletzung darstellt,
3.
Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen, oder
4.
die Schuld des Beschuldigten gering ist, die Tat keine oder nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat und überdies eine Bestrafung nicht geboten ist, um den Beschuldigten von der Verletzung der Dienstpflichten abzuhalten oder der Verletzung von Dienstpflichten durch andere Beamte entgegen zu wirken.
...
Bestimmungen für Beamte des Ruhestandes
Verantwortlichkeit
§ 127
Beamte des Ruhestandes sind nach den Bestimmungen dieses Landesgesetzes wegen einer im Dienststand begangenen Dienstpflichtverletzung oder wegen gröblicher Verletzung der ihnen im Ruhestand obliegenden Verpflichtungen zur Verantwortung zu ziehen.
Disziplinarstrafen
§ 128
Disziplinarstrafen sind
1.
der Verweis,
2.
die Geldstrafe bis zur Höhe von fünf Ruhebezügen, unter Ausschluss der Haushaltszulage und der Hilflosenzulage,
3. der Verlust aller aus dem Dienstverhältnis fließenden Rechte und Ansprüche.
(§§ 112, 127 und 128 in der Fassung der Landesbeamtengesetz-Novelle 1984, LGBl. Nr. 33).
§ 119a
Absehen von der mündlichen Verhandlung
(1) Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor der Disziplinaroberkommission kann Abstand genommen werden, wenn der Sachverhalt nach der Aktenlage hinreichend geklärt ist und die Parteien nicht ausdrücklich in der Berufung die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt haben.
(2) Ungeachtet eines Parteienantrages kann die Disziplinarkommission von einer mündlichen Verhandlung absehen, wenn die Berufung zurückzuweisen, die Angelegenheit an die erste Instanz zu verweisen oder ausschließlich über einen Berufung gegen die Auferlegung eines Kostenersatzes zu entscheiden ist.
Disziplinarerkenntnis
§ 120
(1) Die Disziplinarkommission hat bei der Beschlussfassung über das Disziplinarerkenntnis nur auf das Rücksicht zu nehmen, was in der mündlichen Verhandlung vorgekommen ist. Dies gilt auch für die Disziplinaroberkommission, wenn eine mündliche Verhandlung durchgeführt worden ist.
...
(§§ 119a und 120 in der Fassung der Landesbeamtengesetz-Novelle 1989, LGBl. Nr. 87)"
Die belangte Behörde hat die im Beschwerdefall strittige Tatfrage - ob der Beschwerdeführer die ihm vorgeworfenen Äußerungen abgegeben hat - ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu lösen versucht. Sie hat dabei angenommen, von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 119a DP/Stmk Abstand nehmen zu können.
Der belangten Behörde ist nur darin zuzustimmen, dass der Beschwerdeführer die Durchführung einer mündlichen Verhandlung in seiner Berufungsschrift nicht beantragte. Inwieweit jedoch die gemäß § 119a Abs. 1 DP/Stmk für das Absehen von der mündlichen Verhandlung erforderliche weitere Voraussetzung (arg. "und"), nämlich ein nach der Aktenlage hinreichend geklärter Sachverhalt, fallbezogen vorgelegen ist, hat die belangte Behörde nicht begründet bzw. ist dies nach dem aus den vorgelegten Verwaltungsakten entnehmbaren Verfahrensverlauf nicht nachvollziehbar.
Die belangte Behörde durfte den Sachverhalt nur dann als nach der Aktenlage hinreichend geklärt ansehen, wenn er nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens und schlüssiger Beweiswürdigung der Disziplinarkommission erster Instanz festgestellt wurde und in der Berufung kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der Behörde erster Instanz entgegenstehender oder darüber hinausgehender Sachverhalt - erstmalig und mangels Bestehen eines Neuerungsverbotes zulässigerweise - neu und in konkreter Weise behauptet wird (vgl. die zur vergleichbaren Rechtslage des BDG 1979 ergangenen hg. Erkenntnisse vom 29. November 2000, Zl. 2000/09/0079, vom 16. Mai 2001, Zl. 99/09/0187, und vom 20. November 2001, Zl. 98/09/0316).
Diese Voraussetzungen sind jedoch im Beschwerdefall nicht erfüllt. Das erstinstanzliche Verfahren (der Disziplinarkommission) war mangelhaft. Der Beschwerdeführer hat die Einvernahme einer Entlastungszeugin (K) beantragt; die Disziplinarkommission hat jedoch die Vernehmung dieser Entlastungszeugin abgelehnt bzw. aufgrund vorgreifender Beweiswürdigung nicht für notwendig erachtet.
Schon von daher durfte die belangte Behörde von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht absehen. Die belangte Behörde hat diese Zeugin im Zuge eines "ergänzenden Ermittlungsverfahrens" (durch eine Bezirkshauptmannschaft) vernehmen lassen. Diese Entlastungszeugin - deren Einvernahme die Disziplinarkommission erster Instanz zu Unrecht ablehnte - wäre allerdings gemäß §§ 119a und 120 Abs. 1 DP/Stmk von der belangten Behörde in einer mündlichen Verhandlung unter Wahrung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes zu vernehmen gewesen.
In diesem Zusammenhang ist zu bemerken, dass die belangte Behörde ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung keine eigenständige Beweiswürdigung vornehmen durfte. Wäre sie jedoch ihrer Verpflichtung zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung nachgekommen, hätte sie gemäß § 120 Abs. 1 DP/Stmk nur auf das Rücksicht zu nehmen, was in dieser mündlichen Verhandlung vorgekommen ist. Von daher braucht auf eine eigenständige Beweiswürdigung der belangten Behörde nicht weiter eingegangen zu werden.
Der Schuldspruch erweist sich somit als rechtswidrig. Dies zieht notwendigerweise die Aufhebung des Strafausspruches nach sich.
Zum Strafausspruch einer "Geldbuße" (der sich auf § 88 Abs. 1 Z. 2 DP/Stmk stützt) ist zu ergänzen, dass der Beschwerdeführer - wie im angefochtenen Bescheid unter anderem dargelegt wurde - ein Beamter des Ruhestandes ist. Von daher hätte die belangte Behörde aber - wäre ein Schuldspruch rechtmäßig zustande gekommen - nur die in § 128 Z 1 bis Z 3 DP/Stmk vorgesehenen Disziplinarstrafen über den Beschwerdeführer verhängen dürfen. § 128 leg. cit. sieht weder eine Geldbuße als Disziplinarstrafe vor, noch sind Disziplinarstrafen auf Grundlage von "Monatsbezügen" zu bemessen. Auch in dieser Hinsicht hat die belangte Behörde die Rechtslage verkannt.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 15. September 2004
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2001090185.X00Im RIS seit
20.10.2004