TE Vwgh Erkenntnis 2004/9/15 2002/09/0084

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Veröffentlicht am 15.09.2004
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §71 Abs1 Z1;
VStG §24;
VwGG §46 Abs1;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn): 2002/09/0085 E 15. September 2004 2002/09/0086 E 15. September 2004

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Graf und die Hofräte Dr. Blaschek und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, über die Beschwerde des K in W, vertreten durch Mag. Stephan Hemetsberger, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Plankengasse 2/9, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Burgenland vom 6. November 2001, Zl. K 19/05/98.052/10, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist in einem Verwaltungsstrafverfahren nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom 21. August 2001, Zl. 99/09/0068, verwiesen.

Mit diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof den damals angefochtenen Bescheid vom 17. Februar 1999, mit dem die belangte Behörde - ohne Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung - der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Oberwart, mit dem der Wiedereinsetzungsantrag des Beschwerdeführers (gegen die Versäumung der Berufungsfrist) abgewiesen worden war, keine Folge gegeben hatte, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die belangte Behörde hat im fortgesetzten Verfahren am 24. Oktober 2001 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt.

Mit dem (als Ersatzbescheid ergangenen) angefochtenen Bescheid vom 6. November 2001 hat die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers (ein weiteres Mal) gemäß § 66 Abs. 4 in Verbindung mit § 71 AVG keine Folge gegeben und damit den erstinstanzlichen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Oberwart vom 19. Oktober 1998 bestätigt.

Der Bescheidbegründung ist vorerst zu entnehmen, warum der zur Verhandlung geladen gewesene Beschwerdeführer am 24. Oktober 2001 nicht einvernommen wurde und die von ihm vorgebrachten Gründe sein Nichterscheinen zu dieser Verhandlung nicht hinreichend rechtfertigen konnten. Die als Zeugin angebotene MS sei ebenfalls nicht erschienen. Die Einvernahme dieser Zeugin MS halte die belangte Behörde jedoch deshalb für entbehrlich, weil die belangte Behörde "jenen Sachverhaltselementen, die der Antragsteller durch Einvernahme dieser Zeugin unter Beweis stellen wollte, in sachverhaltsmäßiger Hinsicht folgt".

Zu diesen somit als bescheinigt angenommenen Sachverhaltselementen führte die belangte Behörde in rechtlicher Hinsicht folgendes aus:

"Den Ausführungen des Berufungswerbers folgend erkrankte die genannte Büroangestellte demnach am 24.09.1998 und befand sich bis einschließlich 28.09.1998 im Krankenstand. Der Wiedereinsetzungswerber durfte daher bei gebotener Sorgfaltsübung nicht davon ausgehen, dass diese Bürokraft, die ihr am 24.09.1998 übergebene Berufung auftragsgemäß an diesem Tage, an dem sie zugleich erkrankte, der Post zur Beförderung übergeben würde. Ebenso wäre es dem Rechtsmittelwerber bei Anwendung eines Mindestmaßes an von ihm einzufordernder Sorgfaltsübung zuzumuten und möglich gewesen, im Wissen um die am 24.09.1998 erfolgte Erkrankung seiner Büroangestellten die von ihm verfasste Berufung während der Zeit der Erkrankung der Büroangestellten selbst zur Post zu bringen, eine allfällige andere Kanzleikraft damit zu betrauen oder seine Mitarbeiterin MS zumindest am 29.09.1998, dem ersten Arbeitstag dieser Büroangestellten nach ihrer mehrfach genannten Erkrankung, überwachend anzuleiten, die Berufung an diesem Tag, dem letzten der Berufungsfrist, zur Post zu geben. Dazu hätte es genügt, wenn der Berufungswerber die Bürokraft zumindest telefonisch kontaktiert hätte, was ihm auch wenn man seinem Vorbringen, er sei wegen Baustellenbesuchen nicht im Büro gewesen, folgt, ohne weiteres möglich gewesen wäre. Es liegt daher kein unvorhersehbares Ereignis vor, das den Wiedereinsetzungswerber hinderte, die Frist zur Einbringung der Berufung einzuhalten und hat ihn zugleich bei den anzulegenden Sorgfaltsmaßstäben ein Verschulden daran getroffen."

Die weitere Bescheidbegründung behandelt die mündliche bzw. fernmündliche Berufungserhebung und die behauptete psychische Erkrankung des Beschwerdeführers.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

§ 71 Abs. 1 AVG (diese Bestimmung gilt zufolge § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren) lautet:

"Gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn:

1. die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder

2. die Partei die Rechtsmittelfrist versäumt hat, weil der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung, keine Rechtsmittelfrist oder fälschlich die Angabe enthält, dass kein Rechtsmittel zulässig sei."

Die belangte Behörde hat den Sachverhalt, der durch Einvernahme von MS hätte nachgewiesen werden sollen, als bescheinigt angesehen. Von daher war der Beschwerdeführer in diesem Umfang seiner Bescheinigungspflicht entbunden. Die belangte Behörde hatte in sachverhaltsmäßiger Hinsicht somit vom Vorbringen unter Punkt 2. des Wiedereinsetzungsantrages auszugehen.

Die belangte Behörde gelangte zu dem Ergebnis, der Beschwerdeführer habe damit keinen geeigneten Wiedereinsetzungsgrund behauptet, sodass seinem Antrag selbst auf Grundlage dieser Sachverhaltsbehauptungen (aus rechtlichen Erwägungen) nicht stattzugeben sei.

Die belangte Behörde stellt zutreffend die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dar (vgl. etwa die Beschlüsse vom 11. Mai 1992, Zl. 92/18/0140, und vom 15. März 1995, Zl. 94/13/0215), dass mechanische Vorgänge, wie das Kuvertieren oder die Postaufgabe regelmäßig zu den einfachen Arbeitsverrichtungen gehören, die grundsätzlich der alleinigen Erledigung der Kanzlei überlassen werden kann und auf deren auftragsgemäße Erfüllung ein beruflicher Parteienvertreter (Rechtsanwalt, Notar, Wirtschaftstreuhänder) vertrauen darf. Die Sorgfaltspflicht etwa eines Rechtsanwaltes umfasst nämlich zwar die Überwachung der Fristvormerkung und des Umstandes, ob Schriftstücke in gesetzmäßiger Anzahl und Form, versehen mit notwendigen Unterschriften, zur Post gegeben werden, nicht jedoch die näheren Umstände der Postaufgabe solcher Schriftstücke oder die Kuvertierung von Beilagen (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I, zweite Auflage 1998, Seite 1584, E 214 ff wiedergegebene Judikatur).

Der Verwaltungsgerichtshof hat auch wiederholt dargelegt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. August 1998, Zl. 96/09/0093, und die darin angegebene Judikatur), dass an berufliche rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen ist als an rechtsunkundige oder an bisher noch nie am Verfahren beteiligte Personen.

Im vorliegenden Fall ist der Beschwerdeführer nicht als beruflicher (rechtskundiger) Parteienvertreter tätig gewesen. Für ihn bzw. seine Büroorganisation durften daher nicht die strengeren Sorgfalts- und Überwachungspflichten, wie sie für rechtskundige Vertreter gelten, angenommen werden.

Der belangten Behörde ist, ausgehend von den Antragsangaben - die Bürokraft (MS) sei am 24. September 1998 erkrankt und habe sich bis (einschließlich) 28. September 1998 im Krankenstand befunden - darin zuzustimmen, dass der Beschwerdeführer nicht ohne weiteres annehmen durfte, die Erkrankte habe die Berufung (noch) zur Post gegeben, weil der Beschwerdeführer, dem diese Erkrankung nicht unbekannt geblieben sein kann, von daher prüfen ( bzw. überwachen) hätte müssen, ob die Bürokraft die am 24. September 1998 übergebenen Fristsachen trotz Erkrankung (noch) bearbeitet (erledigt) hatte (vgl. hiezu den hg. Beschluss vom 27. April 2004, Zl. 2003/05/0246). Diese dem Beschwerdeführer vorwerfbare Verletzung der Überwachungspflicht kann jedoch (unter Bedachtnahme auf den vorliegend anzuwendenden Maßstab) fallbezogen nicht als über einen minderen Grad des Versehens hinausreichend gewertet werden (vgl. das genannte Erkenntnis Zl. 96/09/0093).

Dadurch, dass die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage zu einer negativen Sachentscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag gelangte, belastete sie schon aus den dargelegten Erwägungen den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG unterbleiben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 15. September 2004

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2002090084.X00

Im RIS seit

25.11.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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