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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
BDG 1979 §125a Abs3 Z5;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Graf und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, über die Beschwerde des E in M, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundesministerium für öffentliche Leistung und Sport vom 20. November 2002, Zl. 65/7-DOK/02, betreffend Verhängung der Disziplinarstrafe des Verweises, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer steht als Chefinspektor in einem öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis zum Bund, seine Dienststelle ist das Bezirksgendarmeriekommando M.
Mit Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres, Senat 45a, vom 13. Juni 2002 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 12. Dezember 2000 nach 19.00 Uhr, außer Dienst und in Zivil, im Zuge einer Jägerversammlung im Jägerkeller der Jagdgesellschaft W, seine ihm als Gendarmeriebeamten obliegende Verschwiegenheitspflicht dadurch verletzt, dass er eine von GrInsp. T des Gendarmeriepostens P mit B aufgenommene Niederschrift, die im Zuge einer Strafanzeige gegen den Jagdleiter FK aufgenommen worden sei, auszugsweise vor den Anwesenden (mehr als 10 Personen) verlesen habe. Obwohl die gegen den Beschwerdeführer wegen des Verdachtes nach § 310 StGB erstattete Strafanzeige von der Staatsanwaltschaft Korneuburg gemäß § 90 Abs. 1 StPO zurückgelegt worden sei, habe der Beschwerdeführer seine Dienstpflichten nach § 43 Abs. 2 BDG 1979 hinsichtlich der Verpflichtung zur Erhaltung des Vertrauens der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben sowie nach § 46 Abs. 1 BDG 1979 bezüglich der Pflichten zur Amtsverschwiegenheit im Sinne des § 91 BDG 1979 schuldhaft verletzt. Wegen dieser Dienstvergehen wurde über ihn gemäß § 92 Abs. 1 Z. 2 BDG 1979 die Disziplinarstrafe der Geldbuße in der Höhe von EUR 200,-- verhängt.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, in welcher er sowohl den Schuld- als auch den Strafausspruch zur Gänze anfocht und ausdrücklich die Anberaumung einer mündlichen Berufungsverhandlung beantragte.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 20. November 2002 wurde der Schuldberufung keine Folge, der Strafberufung jedoch insofern teilweise Folge gegeben, als über den Beschwerdeführer die Disziplinarstrafe des Verweises gemäß § 92 Abs. 1 Z. 1 BDG 1979 verhängt wurde.
Nach detaillierter Wiedergabe der Begründung des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses sowie der Berufungsausführungen und Zitierung des § 46 Abs. 1 BDG 1979 führte die belangte Behörde unter Abstandnahme von der Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung aus:
"Als Objekte der Verschwiegenheitspflicht sieht § 46 Abs. 1 BDG 1979 nur 'Tatsachen' vor, die dem Beamten 'ausschließlich aus seiner amtlichen Tätigkeit bekannt geworden' sind.
Den Begriff der 'Tatsachen' hat der Verfassungsgerichtshof insofern weit interpretiert, als er nach seiner Meinung auch 'Akten und Aktenteile', also Schriftstücke, umfasst. Dies entspricht dem Zweck der Amtsverschwiegenheit; wesentlich ist nur, dass es sich um eine Angelegenheit handelt, über die eine Aussage gemacht werden kann. Als Gegenstand der Amtsverschwiegenheit kommen somit nicht nur Ereignisse in der Außenwelt, wie z. B. mündliche Äußerungen, sondern auch innere Vorgänge, wie - etwa aus Gesprächen erschließbare - Absichten, Ansichten und Ideen oder nicht kundgemachte Normen (z.B. noch nicht zugestellte Bescheide) oder Schriftstücke in Betracht. Auch die Äußerung von Meinungen, die zweifelsfreie Rückschlüsse auf bestimmte Tatsachen zulassen, ist unzulässig; insofern ist § 46 Abs. 1 BDG 1979 iZm Art. 20 Abs. 3 B-VG als Einschränkung der Meinungsfreiheit zu verstehen.
Aus der Verpflichtung zur 'Geheimhaltung' dieser Tatsachen ist abzuleiten, dass nur 'geheime' Tatsachen als Schutzobjekt von § 46 BDG 1979 in Frage kommen. 'Geheim' ist eine Tatsache erst dann nicht mehr, wenn sie 'allgemein bekannt' ist. Dafür, dass eine Tatsache als 'bekannt' bezeichnet werden darf, reichen Gerüchte jedenfalls nicht aus. 'Allgemein' bekannt ist eine Tatsache auch nicht schon dann, wenn sie einem größeren Personenkreis bekannt ist; es kommt zunächst darauf an, ob es sich um einen 'geschlossenen' oder 'schließbaren' Kreis von Personen handelt.
Die geheimen Tatsachen müssen dem Beamten 'ausschließlich aus seiner amtlichen Tätigkeit bekannt geworden' sein. Dies bedeutet, dass keine Verschwiegenheitspflicht besteht, wenn der betreffende Beamte dieselbe Tatsache schon vorher unabhängig von seiner amtlichen Tätigkeit erfahren hat. Die Wendung 'bekannt gewordene' Tatsachen - sie unterscheidet sich deutlich von der Wendung 'bekannte' Tatsachen - bedeutet, dass dann, wenn dem Beamten in seiner amtlichen Tätigkeit etwas einmal bekannt geworden ist, durch nachträgliches Erfahren von anderer Seite die Pflicht zur Amtsverschwiegenheit nicht aufgehoben werden kann: Durch das nachträgliche Erfahren einer schon bekannten Tatsache wird nämlich kein 'Bekanntwerden' mehr begründet. Erfährt ein Beamter somit nach der eigenen amtlichen Wahrnehmung etwa von einem Kollegen anlässlich einer privaten Veranstaltung ebenfalls davon, so ist damit seine Verschwiegenheitspflicht nicht aufgehoben; es sei denn, die Tatsache hat bereits einen solchen Bekanntheitsgrad erreicht, dass sie nicht mehr als geheim bezeichnet werden kann. Die Pflicht zur Amtsverschwiegenheit kann somit nicht dadurch umgangen werden, dass ein Beamter amtlich erfahrene Tatsachen nachträglich privat in Erfahrung bringt.
'Aus' der amtlichen Tätigkeit kann eine Tatsache nur dann bekannt geworden sein, wenn dies sowohl bei dieser Tätigkeit als auch im Zusammenhang mit dieser Tätigkeit erfolgt ist. Zur 'amtlichen Tätigkeit' gehört freilich nicht nur die unmittelbare Amtsausübung; auch informelle Gespräche, Mittagessen im Kollegenkreis oder Gespräche anlässlich von Ausbildungsseminaren gehören dazu. Auf die Kenntnis der Tatsache aus der Tätigkeit als Beamter kommt es an, nicht darauf, ob der Beamte diese Kenntnis im Rahmen der Besorgung seiner dienstlichen Aufgaben oder einer Nebentätigkeit erfahren hat.
Nicht nur jene Tatsachen, deren Kenntnis sich der Beamte zur Erfüllung seiner dienstlichen Aufgaben verschafft, sondern auch alles, was er bloß durch Zufall aus Anlass einer amtlichen Tätigkeit erfährt, unterliegt der Amtsverschwiegenheit.
Bei den in § 46 Abs. 1 BDG 1979 genannten Interessen handelt es sich einerseits um eine Gruppe taxativ aufgezählter öffentlicher Interessen, andererseits um das - private - Interesse von 'Parteien'.
Worin das 'Interesse' der Parteien bestehen muss, bestimmt § 46 BDG 1979 nicht näher. Grundsätzlich erscheint jedes beliebige - politische, rechtliche, wirtschaftliche oder rein persönliche - Interesse geschützt.
Da sich § 46 BDG 1979 auf die gesamte Amtstätigkeit eines Beamten bezieht und nicht auf seine 'behördliche' Verwaltungstätigkeit zu beschränken ist, ist auch jeder geschützt, auf den sich die bekannt gewordenen Tatsachen mittelbar oder unmittelbar beziehen.
Das Interesse der Partei an der Geheimhaltung muss nach § 46 BDG 1979 das Informationsinteresse 'überwiegen'; nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dabei insbesondere darauf Bedacht zu nehmen, dass die Auskunft geeignet sein kann, als Mittel zur Herbeiführung eines dem Gesetz entsprechenden Ergebnisses zu dienen.
Für das Vorliegen der Amtsverschwiegenheit genügt es nicht, dass irgendeine der genannten Interessen an der Geheimhaltung überhaupt vorliegt, sondern es muss die Geheimhaltung aus diesem Interesse 'geboten' sein. Letzteres wird nur dann der Fall sein, wenn dem Betreffenden aus der Verletzung der Verschwiegenheitspflicht ein Nachteil erwachsen kann. 'Gebotenheit' ist im Sinne einer 'Erforderlichkeit' zu verstehen. Nicht schutzwürdige Interessen begründen keine Pflicht zur Amtsverschwiegenheit. Bei der Beurteilung, ob ein Interesse schutzwürdig ist, sind die in Konflikt stehenden Interessen gegeneinander abzuwägen. Es ist dabei insbesondere darauf Bedacht zu nehmen, dass die Auskunft geeignet sein kann, als Mittel zur Herbeiführung eines dem Gesetz entsprechenden Ergebnisses zu dienen (VwGH 22.9.1992, 92/05/0131). Überwiegt das Informationsinteresse, so kann eine Verpflichtung zur Auskunft bestehen (VwGH 29.11.2000, 2000/09/0079) (vgl. zum Ganzen KUCSKO-STADLMAYER, Das Disziplinarrecht der Beamten, 2. Aufl., S. 181 ff).
An die Zurücklegung der gegen den Beschuldigten wegen des Vergehens gemäß § 310 StGB erstatteten Strafanzeige durch die Staatsanwaltschaft Korneuburg gemäß § 90 Abs. 1 StPO besteht für die Disziplinarbehörden keine Bindung, sodass diese eigenständig zu beurteilen haben, ob die sachgleiche Tat eine Dienstpflichtverletzung gemäß § 46 Abs. 1 BDG 1979 darstellt (§ 95 Abs. 2 BDG 1979 e contrario).
Die Disziplinaroberkommission vertritt - mit der Erstinstanz -
die Rechtsansicht, dass der Beschuldigte durch sein verfahrensgegenständliches Verhalten den Tatbestand des § 46 Abs. 1 BDG 1979 verwirklicht hat.
Unbestritten ist, dass es sich bei der niederschriftlichen Einvernahme des Zeugen B, aufgenommen mit Gruppeninspektor T vor dem Gendarmerieposten P am 15.10.2000, im Verfahren gegen den Jagdleiter K, GZ P 1765/00, sowie bei den einzelnen Passagen dieser Zeugenaussage um 'Tatsachen' iSd § 46 Abs. 1 BDG 1979 handelt.
Wenn in der Berufung behauptet wird, es habe sich um keine 'geheime' Tatsache gehandelt, weil ein größerer Personenkreis von der Erstattung einer Strafanzeige gegen den Beschuldigten durch B bereits vor dem 12.12.2000 gewusst habe, ist einerseits auszuführen, dass nicht verifiziert werden kann, dass diese Tatsache im Tatzeitpunkt 'allgemein bekannt' war. Andererseits geht der Umfang der vom Beschuldigten 'bekannt gegebenen Tatsache' über den bloßen Umstand der Erhebung einer Strafanzeige gegen seine Person hinaus und umfasst vielmehr den gesamten Wortlaut der diesbezüglichen Aussage des Zeugen HB.
Außer Streit steht auch, dass dem Beschuldigten diese 'Tatsache', nämlich Inhalt und Wortlaut der betreffenden Zeugenaussage, ausschließlich im Zusammenhang mit seiner dienstlichen Tätigkeit bekannt geworden ist. Der erkennende Senat geht davon aus, dass der Beschuldigte davon zu dem Zeitpunkt Kenntnis nahm, als Gruppeninspektor T mit der in Rede stehenden Niederschrift beim Bezirksgendarmeriekommando G vorsprach und diese Oberstleutnant P aushändigte. Dies erfolgte laut Aussage des Letzteren im Herbst des Jahres 2000.
Unmittelbar nach Übergabe der Niederschrift durch GrInsp T wurde diese von Oberstleutnant P sowie dem Beschuldigten gelesen, der Beschuldigte machte sich über deren Inhalt Notizen, die er in der Folge in Maschinschrift übertrug.
Auf Grund der aktenkundigen Zeugenaussagen geht auch die Disziplinaroberkommission davon aus, dass der Beschuldigte in der Jagdversammlung am 12.12.2000 den wesentlichen Inhalt der Zeugenaussage des B unter Zuhilfenahme schriftlicher Aufzeichnungen wiedergab, zumal der Beschuldigte selbst angab, bei diesem Anlass einen diesbezüglichen 'Zettel' mitgehabt zu haben. Das Beschuldigtenvorbringen, er habe sich darauf lediglich das Datum der gegen ihn eingebrachten Strafanzeige notiert gehabt, wird vom erkennenden Senat als Schutzbehauptung gewertet, weil drei der einvernommenen Personen (K, K und B), die sich zu diesem Zeitpunkt zum Teil in unmittelbarer Nähe des Beschuldigten aufhielten, vor der Disziplinarkommission zeugenschaftlich einvernommen - somit unter Wahrheitspflicht - angaben, sie hätten beim Beschuldigten mehrere A 4-Zettel wahrgenommen, die mit Maschinschrift beschrieben gewesen seien; der Beschuldigte habe davon zweimal lesend vorgetragen bzw. deren Inhalt wiedergegeben. Auch der Zeuge LB, der der dem Beschuldigten befreundeten Gruppe innerhalb der Jägerschaft zuzurechnen ist, gab an, der Beschuldigte habe ein (kleines) Blatt Papier mitgehabt und seine davon entnommenen Mitteilungen auch einmal wiederholt.
Ob von Seiten der Zeugen zwei Blätter Papier oder lediglich eines wahrgenommen wurde(n), ist im Ergebnis rechtlich unerheblich, weil sich die die Strafanzeige gegen den Beschuldigten wegen Missbrauchs der Amtsgewalt betreffende Passage ausschließlich auf einer Papierseite befindet.
Die in der Berufung enthaltene Behauptung, der Beschuldigte habe die besagte Niederschrift nie besessen, weshalb er Teile daraus nicht habe vorlesen können, kann dahingestellt bleiben, weil die hier relevante Passage nicht von solcher Länge bzw. nicht so umfangreich ist, dass sich der Beschuldigte deren Wortlaut nicht hätte notieren, sodann in Maschinschrift übertragen und diesen Text in der Folge verlesen bzw. daraus vortragen oder zitieren können.
Nach Ansicht des erkennenden Senates war die Geheimhaltung dieser 'geheimen Tatsache' im überwiegenden privaten Interesse des betreffenden Zeugen (Partei) geboten; das Interesse des B an der Geheimhaltung bzw. an der vertraulichen Behandlung des konkreten Inhaltes seiner Anzeige überwiegt das Informationsinteresse jedenfalls; die Bekanntgabe dieses Inhaltes kann zweifelsohne nicht geeignet sein, als Mittel zur Herbeiführung eines dem Gesetz entsprechenden Ergebnisses zu dienen.
Andererseits kann dem betreffenden Zeugen aus der Verletzung der Verschwiegenheitspflicht insofern ein persönlicher Nachteil erwachsen, als er in Gefahr geraten könnten, im örtlichen und gesellschaftlichen Lebensumfeld von mancher Seite mit sozialer Ächtung belegt zu werden bzw. (milieubedingt) mit persönlichen Revanche-Akten zu tun zu bekommen.
Im Sinne der eingangs angeführten Rechtsprechung war die Geheimhaltung des genauen Inhaltes der niederschriftlichen Einvernahme des Zeugen B vor dem Gendarmerieposten P daher 'erforderlich', um diesen vor drohenden Sanktionen innerhalb der Jägerschaft und/oder der Ortsgemeinschaft zu schützen.
Darüber hinaus lag die Geheimhaltung auch und nicht zuletzt im überwiegenden öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung der 'öffentlichen Ordnung' im Sinne der Gewährleistung ungestörter, von äußeren Einflüssen freier Arbeit der Strafverfolgungsbehörden (Exekutivbehörden im Dienst der Strafjustiz).
Ein gegenüber dem privaten Interesse des Zeugen B sowie dem soeben genannten öffentlichen Interesse an der Geheimhaltung des konkreten Inhaltes der in Rede stehenden Niederschrift überwiegendes Informationsinteresse der Allgemeinheit ist hier jedenfalls zu verneinen.
Der Beschuldigte hat sich trotz seiner Verpflichtung zur Amtsverschwiegenheit über die von ihm anlässlich seiner Dienstausübung gemachten Wahrnehmungen betreffend die Details der niederschriftlichen Einvernahme des B vor dem Gendarmerieposten P in der Jagdversammlung am 12.12.2000 in Anwesenheit von mehreren Personen geäußert bzw. den Wortlaut dieser Niederschrift in diesem Kreis (nach Aufforderung zweimal), wiedergegeben.
Die vom Beamten dabei bekannt gegebenen Tatsachen waren solche, die ihm ausschließlich aus seiner amtlichen Tätigkeit als Gendarmeriebeamten bekannt geworden sind.
Dass er zur Auskunft darüber vor der versammelten Jägerschaft verpflichtet gewesen sei, behauptet der Beschuldigte selbst nicht.
Insoweit er die Geheimhaltungswürdigkeit bestreitet, ist dem Beamten zu erwidern, dass seine Verschwiegenheitsverpflichtung allein dadurch nicht beseitigt wurde, geht das zum Schutz der persönlichen Sphäre einer Person bestehende Geheimhaltungsinteresse doch nicht bereits dann verloren, wenn - angeblich - ein bestimmter Personenkreis (behauptet wird: die Hälfte der Ortsbevölkerung, was - wie bereits oben ausgeführt wurde - im Übrigen nicht verifiziert werden kann) hiervon ohnehin mehr oder weniger Kenntnis hat (VwGH 13.4.1994, 91/12/0283, VwSlg. 14029 A/1994). Dass die Geheimhaltung auch im Interesse einer Partei geboten sein konnte, ergibt sich eindeutig aus dem Wortlaut des § 46 Abs. 1 BDG 1979. Die Unterstellung des Verhaltens des Beamten unter diese Norm trifft daher zu (VwGH 28.7.2000, 97/09/0362).
§ 43 Abs. 2 BDG 1979 lautet:
'§ 43 (2) Der Beamte hat in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt."
Das verfahrensgegenständliche Verhalten des Beschuldigten war darüber hinaus auch geeignet, das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben durch ihn zu beeinträchtigen, sodass er gleichzeitig den Tatbestand der Dienstpflichtverletzung gemäß § 43 Abs. 2 BDG 1979 verwirklicht hat.
In der Berufung wird nicht vorgebracht, der Beschuldigte sei nicht oder allenfalls nur eingeschränkt schuldfähig gewesen. Auch dem erkennenden Senat sind keine Bedenken dagegen entstanden, dass dem Beschuldigten sein hier abzuvotierendes Verhalten subjektiv zurechenbar war, er somit schuldhaft gehandelt hat; nach der ständigen Rechtsprechung reicht dabei die Schuldform der Fahrlässigkeit aus.
Der in erster Instanz ergangene Schuldspruch war daher rechtens."
Im Übrigen legte die belangte Behörde ihre Strafzumessungsgründe dar.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht, nicht ohne vorliegende Voraussetzung des § 91 BDG 1979 i.V.m. §§ 43 Abs. 2 und 46 Abs. 1 BDG 1979 disziplinär bestraft zu werden, durch unrichtige Anwendung dieser Normen sowie der Vorschriften über die Sachverhaltsermittlung, das Parteiengehör, die Bescheidbegründung und die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung verletzt.
Die belangte Behörde nahm von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand, und legte die Akten des Disziplinarverfahrens mit dem Antrag vor, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften macht der Beschwerdeführer geltend, die belangte Behörde habe sich ohne mündliche Verhandlung und ohne Bekämpfung durch den Disziplinaranwalt über den erstinstanzlichen Schuldspruch hinweggesetzt und ihm ein über diesen hinausgehendes Verhalten unterstellt. Während das erstinstanzliche Disziplinarerkenntnis ihm zum Vorwurf gemacht habe, die fragliche Niederschrift "auszugsweise" verlesen zu haben, unterstelle ihm die belangte Behörde, "die gesamte Niederschrift" bekannt gemacht zu haben. Daraus leite sie ab, über die in der Niederschrift enthaltene, ihn selbst betreffende und daher seinen privaten Bereich berührende Anzeige hinaus auch den übrigen Vernehmungsinhalt bekannt gemacht zu haben. Er habe im erstinstanzlichen Verfahren ausführlich dargelegt, dass er weder eine Kopie der mit B am 15. Oktober 2000 aufgenommene Niederschrift besessen noch verlesen habe, sondern dass er sich lediglich das Datum dieser die Anzeige gegen ihn beinhaltenden Niederschrift auf einem Notizzettel vermerkt gehabt habe, was von einem Großteil der Zeugen bestätigt worden sei. Ohne sich mit diesen Zeugenaussagen auseinander zu setzen oder sie nachvollziehbar zu würdigen, sei die belangte Behörde zur Feststellung gelangt, er habe die gesamte Niederschrift verlesen. Nicht nur in formeller Hinsicht, sondern auch materiell durch Verletzung des Gebotes der mündlichen Verhandlung bei den gegebenen Verhältnissen habe die belangte Behörde ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastet. Im Übrigen sei weder in erster Instanz noch auch im Bescheid der belangten Behörde der Wortlaut der von ihm verlesenen Anzeige festgestellt worden. Auch sei unberücksichtigt geblieben, dass es sich bei der von ihm bekannt gemachten niederschriftlichen Textstelle um eine Anzeigeerstattung gegen ihn selbst gehandelt habe.
Unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit macht der Beschwerdeführer geltend, die belangte Behörde habe den vorliegenden Fall in nichtöffentlicher Sitzung entschieden, dabei jedoch verkannt, dass er in seiner Berufung insbesondere auch den von der Erstbehörde festgestellten Sachverhalt bestritten bzw. gerügt habe, dass relevante Tatsachenfeststellungen sowie eine nachvollziehbare Auseinandersetzung mit Widersprüchen im Beweisverfahren unterlassen worden seien. Vielmehr habe sie die Ausführungen in der Berufung, mit welchen erstinstanzliche Tatsachenfeststellungen bestritten worden seien, in eigener Beurteilung als glaubwürdig oder unglaubwürdig eingestuft bzw. gar nicht gewürdigt, ohne sich mit der Person des Beschwerdeführers auseinander zu setzen oder sich von der bzw. der Glaubwürdigkeit seiner Verantwortung einen persönlichen Eindruck zu verschaffen. Dies widerspreche aber dem Grundsatz der Unmittelbarkeit im Sinne des § 126 Abs. 1 BDG 1979. Die belangte Behörde irre auch, wenn sie zur Ansicht gelangt sei, das Interesse des B an der Geheimhaltung des konkreten Inhaltes seiner Anzeige läge in der Gefahr sozialer Ächtung und dem Nachteil im gesellschaftlichen Umfeld des Anzeigers; dabei übersehe sie jedoch, dass auf Grund der Öffentlichkeit eines sich allenfalls an die Anzeige anschließenden Gerichtsverfahrens sowohl Inhalt der Anzeige als auch Person des Anzeigers wenige Wochen oder Monate später jedenfalls ortsbekannt geworden wären, weshalb es lediglich zu einer zeitlichen Verschiebung der gefürchteten Nachteile gekommen wäre und allein daraus kein rechtliches privates Interesse des Anzeigers abgeleitet hätte werden dürfen. Nicht nur die mangelnde Gebotenheit der Geheimhaltung, sondern das Fehlen des Geheimhaltungscharakters überhaupt hätte auf Grund der nunmehr gegebenen Verfahrensergebnisse - im Gegensatz noch zu den der Staatsanwaltschaft Korneuburg vorliegenden - zu einer anderen rechtlichen Würdigung des vorliegenden Sachverhaltes führen müssen. Ein Vergleich des Wortlautes der gegen ihn gerichteten Anzeige des B mit den Kriterien des § 46 Abs. 1 BDG hätte ebenfalls zu einer anderen rechtlichen Beurteilung führen müssen.
Diesen Ausführungen kommt Berechtigung zu.
Gemäß § 125a Abs. 3 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979, BGBl. Nr. 333/1979 in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 123/1998 kann von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor der Disziplinaroberkommission ungeachtet eines Parteienantrages Abstand genommen werden, wenn
1.
die Berufung zurückzuweisen ist,
2.
die Angelegenheiten an die erste Instanz zu verweisen ist,
3.
ausschließlich über eine Berufung gegen die Auferlegung eines Kostenersatzes zu entscheiden ist,
4. sich die Berufung ausschließlich gegen die Strafbemessung richtet oder
5. der Sachverhalt nach der Aktenlage in Verbindung mit der Berufung geklärt erscheint.
Die belangte Behörde hat sich bei Abstandnahme von der beantragten mündlichen Berufungsverhandlung auf die Bestimmung des § 125a Abs. 3 Z. 5 BDG 1979 gestützt, weil sie den Sachverhalt nach der Aktenlage in Verbindung mit der Berufung als geklärt erachtete.
Dieser Einschätzung kann der Verwaltungsgerichtshof jedoch nicht folgen.
Gemäß § 46 Abs. 1 BDG 1979 ist der Beamte über alle ihm ausschließlich aus seiner amtlichen Tätigkeit bekannt gewordenen Tatsachen, deren Geheimhaltung im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit, der umfassenden Landesverteidigung, der auswärtigen Beziehungen, im wirtschaftlichen Interesse einer Körperschaft öffentlichen Rechts, zur Vorbereitung einer Entscheidung oder im überwiegenden Interesse der Parteien geboten ist, gegenüber jedermann, dem er über solche Tatsachen nicht eine amtliche Mitteilung zu machen hat, zur Verschwiegenheit verpflichtet (Amtsverschwiegenheit).
Die Verletzung dieses Gebotes wurde dem Beschwerdeführer sowohl im Einleitungs- und Verhandlungsbeschluss der Disziplinarkommission vom 29. April 2002 als auch im Disziplinarerkenntnis erster Instanz vom 13. Juni 2002 insoweit zum Vorwurf gemacht, als er "eine ... aufgenommene Niederschrift, die im Zuge einer Strafanzeige...aufgenommen worden war, auszugsweise vor den Anwesenden (mehr als 10 Personen) verlesen" habe.
Um ein amtliches Protokoll bzw. eine amtliche Niederschrift "auszugsweise" "verlesen" zu können, ist es erforderlich, dieser Niederschrift im Original, in Kopie oder Abschrift habhaft zu sein.
In der Berufung gegen das erstinstanzliche Disziplinarerkenntnis hat der Beschwerdeführer - wie auch schon im erstinstanzlichen Verfahren - entschieden bestritten, den ihm vorgeworfenen Sachverhalt verwirklicht zu haben, zumal er "die fragliche Niederschrift nie besessen" und folglich "auch Teile daraus (nicht) vorlesen" habe können. Er habe anlässlich der Jagdversammlung am 12. Dezember 2000 die Mitglieder der Jagdgesellschaft von der bloßen Tatsache einer von B gegen ihn erstatteten Anzeige unterrichtet und dazu lediglich einen "Zettel" quasi als Memorandum verwendet. Damit hat der Beschwerdeführer ein wesentliches Tatbestandsmerkmal, welches Voraussetzung für die Annahme der vorgeworfenen Dienstpflichtverletzung hätte sein können, bestritten.
Dass an der grundsätzlichen Pflicht zur Geheimhaltung polizeilicher Niederschriften ein öffentliches Interesse besteht, kann nicht bezweifelt werden und wurde von der belangten Behörde auch zutreffend erkannt.
Eine andere rechtliche Beurteilung könnte aber geboten sein, wenn der durch ein Vernehmungsergebnis Belastete selbst mit diesem gegen ihn erhobenen Vorwurf - und nur in diesem Umfang - in die Öffentlichkeit tritt. Ohne diese Frage abschließend klären zu müssen, ist jedenfalls eine klare Definition des Geheimhaltungsobjekts vonnöten. Die belangte Behörde vermischt im Übrigen in ihrer Bescheidbegründung selbst den Vorwurf der "auszugsweisen Verlesung der Niederschrift" (etwa S 16 1. Absatz des angefochtenen Bescheides) mit der Mitteilung der gegen ihn - im Zuge dieser Niederschrift erfolgten - gerichteten "Anzeigeerstattung" durch den Beschwerdeführer (etwa S 17 1. und 4. Absatz des angefochtenen Bescheides). Insoweit stellt sich der angefochtene Bescheid auch als widersprüchlich dar.
Für die rechtliche Beurteilung des gegen den Beschwerdeführer erhobenen Vorwurfs hätte die belangte Behörde daher sachverhaltsmäßig zu klären gehabt, was konkret Gegenstand der angeblichen Verletzung seiner Geheimhaltungsverpflichtung gewesen war, wobei es (siehe oben) einen Unterschied machen kann, ob es sich dabei um die bloße Tatsache der Anzeigeerstattung gegen den Beschwerdeführer selbst (wie dieser behauptet) oder um die "Verlesung" der gesamten - auch andere Punkte betreffenden - Niederschrift mit B (wie es ihm von den Behörden vorgeworfen wurde) gehandelt hat.
Im Disziplinarverfahren gilt im Sinne des § 126 Abs. 1 BDG 1979 - von den gesetzlich normierten Ausnahmen abgesehen - der Grundsatz der Unmittelbarkeit (vgl. hiezu auch Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten3, 2003, Seite 372 f, und die dort angegebene Judikatur).
Die belangte Behörde hat keine mündliche Verhandlung durchgeführt und auch keine Beweise im Berufungsverfahren aufgenommen, sie hat vielmehr die für den Ausgang des Verfahrens wesentlichen Tatsachenfeststellungen ohne Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung (zum Nachteil des Beschwerdeführers) getroffen, wobei sie sich in Entgegnung der Berufungsbehauptungen u.a. auf "aktenkundige Zeugen" berief, ohne diese selbst vernommen zu haben. Ebenfalls unter Verletzung des Unmittelbarkeitsgebotes qualifizierte sie die Behauptung des Beschwerdeführers, er habe lediglich einen Zettel mit den Daten der gegen ihn erfolgten Anzeigeerstattung bei sich gehabt, als (gemeint: unglaubwürdige) "Schutzbehauptung".
Vor diesem Hintergrund erweist sich die von der belangten Behörde in nichtöffentlicher Sitzung nach der Aktenlage vorgenommene Erledigung der Berufung des Beschwerdeführers gegen das erstinstanzliche Disziplinarerkenntnis schon deshalb als rechtswidrig, weil die Durchführung einer mündlichen Verhandlung durch die belangte Behörde zur Feststellung des rechtserheblichen Sachverhaltes geboten war, da in der Berufung des Beschwerdeführers u.a. auch gerügt worden war, die Beweiswürdigung der Disziplinarbehörde erster Instanz sei einseitig zu seinen Lasten und mangelhaft erfolgt. Ob die Verantwortung des Beschwerdeführers, er habe in der Sitzung vom 12. Dezember 2000 den Mitgliedern der Jagdversammlung die Niederschrift des B, in welcher dieser die Anzeige gegen den Beschwerdeführer erstattet habe, niemals - sei es im Original, in Kopie oder in Abschrift - verlesen, sondern lediglich von der Anzeigeerstattung gegen ihn selbst berichtet, den Tatsachen entsprach oder nicht, durfte die belangte Behörde zufolge des § 126 Abs. 1 BDG 1979 und des darin verankerten Unmittelbarkeitsgebotes nicht nach der Aktenlage, sondern ausschließlich auf Grund von Ergebnissen beurteilen, die in einer von ihr unmittelbar durchgeführten mündlichen Verhandlung vorgekommen sind. Mangels Durchführung einer mündlichen Verhandlung liegen solche Ergebnisse jedoch nicht vor.
Bereits aus diesem Grund war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003 BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 15. September 2004
Schlagworte
Verfahrensgrundsätze im Anwendungsbereich des AVG Unmittelbarkeitsprinzip Gegenüberstellungsanspruch Fragerecht der Parteien VwRallg10/1/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2003090017.X00Im RIS seit
12.10.2004