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L10104 Stadtrecht Oberösterreich;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Graf und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, über die Beschwerde des H in L, vertreten durch Dr. Axel Zaglitz, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Schmidtorstraße 8, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission der Landeshauptstadt Linz (Berufungssenat III) vom 4. Juli 2002, Zl. 020-5/Hau29, betreffend Disziplinarstrafe des Verweises, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird im Umfange seiner Anfechtung, das heißt hinsichtlich der Spruchpunkte D, E und F, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Die Landeshauptstadt Linz hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Landeshauptstadt Linz und war in dem für die im gegenständlichen Disziplinarverfahren gegen ihn erhobenen Vorwürfe maßgeblichen Zeitraum im Gartenamt Linz tätig.
Zur weiteren Vorgeschichte wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf das in dieser Angelegenheit bereits ergangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Juni 2000, Zl. 99/09/0012, verwiesen.
Mit Disziplinarerkenntnis des Disziplinarsenates III der Disziplinarkommission der Landeshauptstadt Linz vom 15. Mai 1998 wurde der Beschwerdeführer - soweit dies im vorliegenden Beschwerdeverfahren noch von Relevanz ist - schuldig erkannt, Dienstpflichtverletzungen durch folgende Handlungen begangen zu haben (die Nummerierung erfolgt nach diesem Disziplinarerkenntnis):
"I.3. mangelnde Sorgfalt im Zusammenhang mit der Gleitzeitgebarung und den Eintragungen im Gleitzeitbuch, da
a) überdurchschnittlich viele Nachträge wegen fehlender Früheinbuchungen sowie
b) fehlende Handzeichen der vorzunehmenden Korrekturen bzw. Nachträge in mindestens 18 Fällen im Prüfungszeitraum vom 25. November 1996 bis 21. April 1997 festzustellen gewesen seien.
Durch diese Vorgangsweise habe der Beschwerdeführer gegen die Bestimmung des § 21 Abs. 1, 2 und 4 StGBG sowie § 48 Abs. 2 GOM und der Punkte 18.1. sowie 21 GZR in der Fassung vom 1. Juli 1990 verstoßen und sich somit einer Dienstpflichtverletzung gemäß § 66 Abs. 1 StGBG schuldig gemacht.
I.4.
a) mangelnde Verzeichnung des Zeitausgleiches, da zumindest innerhalb des vom KoA (gemeint: Kontrollamt) überprüften Zeitraumes vom November 1996 bis April 1997 keine Genehmigung für den Verbrauch verschiedener Zeitausgleiche, aber auch keine Abzeichnung durch Vorgesetzte in einem vom Beschuldigten privat geführten 'Zeitausgleichsbuch' (für die Zeit vom 1. November 1996 bis 9. April 1997) festgestellt worden sei,
b) die Zeitausgleichsaufzeichnungen erst aus Anlass der Überprüfung des KoA in einem neuen 'Zeitausgleichsbuch' eigens in einem Zug nachgeschrieben zu haben und zuvor keine entsprechenden Aufzeichnungen gehabt zu haben."
Durch diese Vorgangsweise habe der Beschwerdeführer gegen die Bestimmung des § 21 Abs. 1 und 2 StGBG, § 48 Abs. 2 GOM und gegen die MD-Verfügung vom 24. August 1993, GZ 02-4-1/1, verstoßen und sich somit einer Dienstpflichtverletzung gemäß § 66 Abs. 4 StGBG schuldig gemacht.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung des Beschwerdeführers gegen das Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission der Landeshauptstadt Linz vom 15. Mai 1998 in seinen Punkten D und E keine Folge gegeben und die auf Freispruch auch in diesen Punkten gerichteten Berufungsanträge des Beschwerdeführers abgewiesen, dem Eventualantrag des Beschwerdeführers auf einstweilige Aussetzung der (zu Spruchpunkt F verhängten) Disziplinarstrafe jedoch Folge gegeben und die Disziplinarstrafe des Verweises gemäß § 70 Abs. 7 StGBG mit dem Beifügen verhängt, dass ausnahmsweise der Vollzug und die Eintragung in den Personalstandesausweis solange nicht erfolge und nachteilige Folgen mit der Bestrafung solange nicht verbunden seien, bis durch die Disziplinaroberkommission festgestellt werde, dass die Ausnahme hinfällig sei, weil der Bestrafte der Aufrechterhaltung der Ausnahme nicht mehr würdig sei.
Diese Spruchteile begründete die belangte Behörde wie folgt:
Zu Spruchpunkt E (betreffend den Punkt I.3. des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses) habe der Verteidiger unter Hinweis auf die Berufungsschrift ausgeführt, dass auch andere Bedienstete im Gartenamt einschließlich der Amtsleiterin mindestens so viele Nachträge getätigt hätten wie der Beschwerdeführer. Als Beweis hiefür habe er "Time-Master-Korrekturlisten" vorgelegt, aus denen ersichtlich gewesen sei, dass auch andere Bedienstete die Handzeichen später nachgetragen hätten. Durch dieses Beweismittel habe der Vorwurf, dass in mindestens 18 Fällen im genannten Zeitraum die Handzeichen des Beschwerdeführers gefehlt hätten, jedoch nicht entkräftet werden können. Dieser Sachverhalt sei somit als erwiesen anzusehen gewesen.
In rechtlicher Würdigung dieses Sachverhaltes ging die belangte Behörde davon aus, dass das erwiesene Fehlen der Handzeichen in 18 Fällen ein rechtswidriges und grob fahrlässiges Verhalten des Beschwerdeführers darstelle. Eine Verschuldensminderung könne auch ein allfälliges gleich gelagertes Verhalten von Kollegen nicht herbeiführen. Was die überdurchschnittlich große Anzahl von Nachträgen anlange, sei als Beurteilungsmaßstab jedenfalls ein Beamter heranzuziehen, der seinen dienstlichen Aufgaben - hiezu gehöre auch die Gleitzeitgebarung - nach bestem Wissen und mit anhaltendem Fleiß nachkomme. Bei Anlegung dieses Maßstabes sei die Anzahl der Nachträge des Beschwerdeführers als überdurchschnittlich zu werten, sodass ihm insgesamt eine sehr saloppe Gleitzeitgebarung zum Vorwurf gemacht werden könne. Ein fahrlässiges Verhalten im Zusammenhang mit der Gleitzeitgebarung könne daher nicht als bloße Ordnungswidrigkeit angesehen werden, weshalb dem dahin abzielenden Berufungsantrag keine Folge zu geben war.
Zu Spruchpunkt D (betreffend den Spruchpunkt I.4. des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses) führte die belangte Behörde aus, seitens des Verteidigers seien in der mündlichen Verhandlung keine anderen Argumente und Beweismittel als bereits in der Berufungsschrift, auf deren Verlesung ausdrücklich von allen Anwesenden verzichtet worden sei, vorgebracht worden. Der Beschwerdeführer habe insbesondere den Vorwurf der mangelnden Verzeichnung des Zeitausgleiches für den Zeitraum November 1996 bis April 1997 nicht entkräften können. Der Sachverhalt, dass für diesen Zeitraum keine Genehmigungen für den Verbrauch verschiedener Zeitausgleiche vorlägen, sei somit als erwiesen anzusehen (betreffend lit. a) dieses Spruchpunktes). Das privat geführte Zeitausgleichsbuch für die Zeit vom 1. November 1996 bis 9. April 1997 weise keine Abzeichnungen durch Vorgesetzte auf (betreffend lit. b) dieses Spruchpunktes). In rechtlicher Würdigung dieser Sachverhalte sei davon auszugehen, dass der Gleitzeitverbrauch offensichtlich ohne Einholung der erforderlichen Genehmigungen durch Vorgesetzte erfolgt sei und somit ein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten des Beschwerdeführers darstelle (betreffend lit. a dieses Spruchpunktes). Private Zeitausgleichsaufzeichnungen seien irrelevant und könnten keinesfalls eine Genehmigung durch Vorgesetzte ersetzen (betreffend lit. b) dieses Spruchpunktes).
Zu Spruchpunkt F (den Strafausspruch betreffend) führte die belangte Behörde aus, dass es sich unter Zugrundelegung der erfolgten Schuldsprüche (Spruchpunkte D und E) um Gleitzeitvergehen handle, die seitens der Stadt Linz (wohl gemeint: in der Regel) sehr rigoros geahndet würden; Gleitzeitvergehen führten bei Vertragsbediensteten normalerweise zur Entlassung. Grund für diese Vorgangsweise der Stadt Linz sei, dass derartige Vergehen als Vertrauensbruch angesehen würden. Es lägen somit Dienstpflichtverletzungen (erg.: und nicht bloße Ordnungswidrigkeiten) vor.
Als geringste Disziplinarstrafe sei im StGBG der Verweis vorgesehen.
Bei der Strafbemessung werde der oben erwähnte Vertrauensbruch gegenüber der Stadt Linz als Dienstgeber straferschwerend gewertet ; als strafmildernd werde die Mitarbeit des Beschwerdeführers bei der Aufklärung des Sachverhaltes sowie der Umstand gewertet, dass teilweise die Ursache für die Einleitung des Disziplinarverfahrens in seiner Privatsphäre gelegen sei. Die belangte Behörde sei daher zur Überzeugung gelangt, dass es der Beschwerdeführer in Hinkunft mit seinen Dienstpflichten, insbesondere mit der Gleitzeitgebarung, genauer nehmen werde, was neben den genannten Strafmilderungsgründen dazu führe, dass dem Eventualantrag des Beschuldigten Folge zu geben gewesen sei.
Gegen die Spruchpunkte D, E und F dieses Bescheides richtet sich die vorliegende Beschwerde. Es werden die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie die inhaltliche Rechtswidrigkeit der angefochtenen Spruchpunkte geltend gemacht.
Der Beschwerdeführer erachtet sich durch die angefochtenen Spruchteile D, E und F des angefochtenen Bescheides in dem gesetzlich gewährleisteten Recht, nicht ohne Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen disziplinarrechtlich schuldig gesprochen zu werden, in seinem Recht auf Freispruch bei Unschuld allenfalls auch im Recht auf schuldangemessene Bestrafung verletzt. Weiters erachtet sich der Beschwerdeführer auch in seinem Recht auf "fair trial" dadurch verletzt, dass seine am 27. Dezember 2001 bzw. in der Berufungsverhandlung vom 20. Juni 2002 gestellten Beweisanträge unbegründet abgewiesen worden seien.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte, und legte die Verwaltungsakten vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 21 Abs. 1 des - im Beschwerdefall noch anzuwendenden -
(Oberösterreichischen) Statutargemeinden-Beamtengesetzes (in der Folge: StGBG), LGBl. Nr. 37/1956, hat der Beamte sein Dienstgelöbnis unverbrüchlich einzuhalten, seine volle Kraft dem Dienst zu widmen, den mit seiner Stellung verbundenen dienstlichen Verrichtungen in ihrem ganzen Inhalt und Umfang nach bestem Wissen und mit anhaltendem Fleiß sowie mit voller Unparteilichkeit zu obliegen. Hiebei ist er an die bestehenden Gesetze, Verordnungen und Dienstweisungen gebunden.
Nach Abs. 2 dieser Bestimmung hat der Beamte die festgesetzten Arbeitszeiten einzuhalten. Nach Erfordernis sind die Dienstleistungen auch über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus auszudehnen.
Gemäß Abs. 4 dieser Bestimmung ist der Umfang der Dienstobliegenheiten nach den besonderen, für die einzelnen Beamtengruppen geltenden Vorschriften oder, wenn diese nicht ausreichen, nach der Natur und dem Wesen des Dienstes zu beurteilen.
Gemäß § 66 Abs. 1 StGBG werden über Beamte, die ihre Standes- oder Amtspflichten (Dienstpflichten) verletzt haben, unbeschadet ihrer strafrechtlichen Verantwortlichkeit, Ordnungs- oder Disziplinarstrafen verhängt, je nach dem sich die Pflichtverletzung nur als eine Ordnungswidrigkeit oder mit Rücksicht auf die Schädigung oder die Gefährdung öffentlicher Interessen, auf die Art oder die Schwere der Verfehlung, auf die Wiederholung oder auf sonstige erschwerende Umstände als ein Dienstvergehen darstellt.
Nach § 67 StGBG ist bei der Bemessung der Ordnungs- und der Disziplinarstrafen (§§ 69 und 70) auf die Schwere der Ordnungswidrigkeit oder des Dienstvergehens und die daraus entstandenen Nachteile sowie auf den Grad des Verschuldens und das gesamte Verhalten des Beamten Rücksicht zu nehmen.
Nach § 68 Abs. 1 StGBG ist ein Beamter, der mehrere Ordnungswidrigkeiten oder mehrere Dienstvergehen begangen hat, welche Gegenstand ein und derselben Untersuchung und Bestrafung sind, nach der schwersten Ordnungswidrigkeit oder nach dem schwersten Dienstvergehen, jedoch unter Berücksichtigung der übrigen Ordnungswidrigkeiten oder Dienstvergehen zu bestrafen.
Nach Abs. 2 dieser Bestimmung gilt Abs. 1 sinngemäß auch für das Zusammentreffen von Ordnungswidrigkeiten und Dienstvergehen.
§ 69 StGBG nennt als Ordnungsstrafen die Verwarnung und die Geldbuße; § 70 leg. cit. nennt als Disziplinarstrafen (nach Schwere aufsteigend) den Verweis, die Ausschließung von der Vorrückung in höhere Bezüge auf die Dauer von höchstens drei Jahren, die Minderung der für den Ruhegenuss anrechenbaren Bezüge, die Versetzung in den Ruhestand ohne Minderung eines Ruhegenussanspruches unbeschadet der Bestimmung über das Ruhen des Anspruches, die Versetzung in den Ruhestand mit gemindertem Ruhegenuss bzw. geminderter Abfertigung unbeschadet der Bestimmung über das Ruhen des Anspruches sowie - als strengste Disziplinarstrafe - die Entlassung.
Das StGBG regelt das Verfahren vor den Disziplinarbehörden in seinen § 84 ff. Dabei bestimmt § 89 Abs. 4 StGBG, dass die Verhandlung (die nach Abs. 1 leg. cit. nicht öffentlich ist) mit der Verlesung des Verweisungsbeschlusses beginnt und von der Vernehmung des Beschuldigten, der Zeugen und Sachverständigen und soweit erforderlich der Verlesung der im Vorverfahren aufgenommenen Protokolle oder sonstigen Urkunden gefolgt ist.
Nach Abs. 5 leg. cit. hat sowohl der Beschuldigte als auch der Disziplinaranwalt das Recht, sich zu den einzelnen vorgebrachten Beweismitteln zu äußern und Fragen an die Zeugen und Sachverständigen zu richten sowie weitere Beweisanträge zu stellen. Über solche Beweisanträge hat der Disziplinarsenat ohne Zulassung eines gesonderten Rechtsmittels sofort zu erkennen.
§ 97 Abs. 1 StGBG bestimmt, dass die Disziplinaroberkommission in mündlicher Verhandlung und, sofern in den folgenden Absätzen nichts anderes bestimmt ist, in der Sache selbst zu entscheiden hat. Sie kann das angefochtene Erkenntnis in jeder Richtung abändern, doch darf ein nur zugunsten des Beschuldigten eingebrachtes Rechtsmittel zu keiner strengeren Bestrafung als der in erster Instanz verhängten führen.
Nach Abs. 3 dieser Bestimmung sind auf das Verfahren vor der Disziplinaroberkommission im Übrigen die Vorschriften über das Verfahren vor der Disziplinarkommission sinngemäß anzuwenden.
Gemäß § 70 Abs. 7 StGBG kann die Disziplinarstrafe auch mit dem Beifügen verhängt werden, dass ausnahmsweise ihr Vollzug und die Eintragung in den Personalstandesausweis solange nicht erfolgt und nachteilige Folgen mit der Bestrafung solange nicht verbunden sind, bis durch die Disziplinarkommission festgestellt wird, dass die Ausnahme hinfällig ist, weil der Bestrafte einer Aufrechterhaltung der Ausnahme nicht mehr würdig ist.
Gemäß § 48 der Geschäftsordnung für den Magistrat der Landeshauptstadt Linz (Verordnung des Bürgermeisters vom 1. Juli 1980 gemäß § 46 Abs. 2 des Statuts für die Landeshauptstadt Linz 1980 veröffentlicht als Geschäftsordnung für den Magistrat der Landeshauptstadt Linz, Linz 1980 - GOM) bestimmt:
"(1) Die Geschäfte sind vorschriftsmäßig, d.h. auf Grund der für den betreffenden Fall geltenden Gesetze, Verordnungen, Erlässe, Vorschriften u.dgl. des Bundes, des Landes, der Stadt oder einer sonst hiezu befugten Körperschaft sowie unter Beachtung der von einem Zuständigen erlassenen allgemeinen und besonderen Weisungen zu führen. Hiebei sind sowohl die formellen als auch die materiellen Bestimmungen der genannten Vorschriften zu beachten (Art. 18 Abs. 1, 20 Abs. 1 B-VG).
(2) Die angemessene Kenntnis und die Einhaltung des StL, der in dessen Ausführung erlassenen Vorschriften dieser Geschäftsordnung und ihrer Durchführungsbestimmungen sowie die einschlägigen Erlässe des Magistratspräsidiums bilden eine Dienstpflicht aller Bediensteten, die Obsorge für die Kenntnisnahme und die Überwachung der Einhaltung eine Dienstpflicht der Leiter und Unterleiter."
Nach Punkt 7 der Gleitzeitregelung vom 30. Mai 1990 (GZR) sind Gleitzeitdifferenzen grundsätzlich während der Gleitzeit auszugleichen. Soferne es die Abwicklung der dienstlichen Obliegenheiten zuläßt, darf der Dienststellenleiter in begründeten Ausnahmefällen Bediensteten auch während der Blockzeit die Konsumation von Gleitzeitguthaben genehmigen; derartige Genehmigungen sind im vornhinein aufzuzeichnen....
Nach Punkt 13 der GZR bedarf jede Abwesenheit während der Blockzeit und jede Abwesenheit, die dem Gleitzeitkonto (zumindest teilweise) gutgeschrieben werden soll, der Genehmigung durch den für die jeweilige Genehmigung zuständigen Vorgesetzten und ist nach Maßgabe der bestehenden Regelungen auch außerhalb der Gleitzeiterfassung zu dokumentieren (Aufzeichnungspflicht). Der für die Genehmigung zuständige Vorgesetzte muss jederzeit in der Lage sein, den Grund der Abwesenheit jedes ihm unterstellten Bediensteten nachzuweisen.
Nach Punkt 18.1 der GZR setzt die gleitende Arbeitszeit auch bei jedem einzelnen Bediensteten ein erhöhtes Maß an Verantwortungsbewußtsein voraus, das sehr oft ein Abwägen bzw. Gegenüberstellen privater Interessen und dienstlicher Erfordernisse nach sich zieht. Aus diesem Interessenkonflikt sich ergebende Probleme sollten nach Möglichkeit innerhalb der Dienststelle geregelt werden.
Nach Punkt 20 der GZR ist in jeder Dienststelle ein Gleitzeitbuch zu führen, in dem unter der Verantwortung des Dienststellenleiters die in der GZR vorgeschriebenen Eintragungen festzuhalten sind.
Nach Punkt 21.1 GZR sind die Zeiterfassungsgeräte grundsätzlich von allen Bediensteten zu bedienen, die in die Gleitzeit einbezogen sind. Allfällige Ausnahmen haben ihre Deckung in den Bestimmungen der GZR.
Nach Punkt 21.2 GZR haben die zur Benützung der Zeiterfassungsgeräte verpflichteten Bediensteten grundsätzlich jedes Eintreffen in ihrer Dienststelle und jedes Verlassen derselben an den ihnen zugewiesenen Geräten mit Hilfe der persönlichen Codekarte und der Eingabe eines allenfalls notwendigen Funktionscodes zu buchen. Ausgenommen hievon sind Dienstwege im Sinne des Punktes 11.1 Satz 1. Buchungen an den Zeiterfassungsgeräten können zwar zwischen 0.00 und 24.00 Uhr vorgenommen werden, eine Dienstzeitanrechung erfolgt jedoch nur innerhalb des Gleit- bzw. Blockzeitrahmens. Liegen Dienstbeginn und/oder Dienstende erlaubterweise außerhalb des Gleit- bzw. Blockzeitrahmens, ist dies dem Gleitzeitbeauftragten bekannt zu geben, der im Rahmen der geltenden Bestimmungen dann eine nachträgliche Berichtigung des Gleitzeitkontos vorzunehmen hat.
Der Beschwerdeführer rügt zunächst unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, die belangte Behörde habe seine im Berufungsverfahren gestellten Beweisanträge vom 27. Dezember 2001 bzw. in der mündlichen Berufungsverhandlung vom 24. Juni 2002 unbegründet bzw. in unzulässiger Art und Weise den Beweisergebnissen vorgreifend abgewiesen.
In dem Schriftsatz vom 27. Dezember 2001 hatte der Beschwerdeführer zu Punkt I.3. des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses die Beischaffung und Verlesung des Gleitzeitbuches und der Krankenstandsbescheinigungen ab April 1997 zum Beweis dafür beantragt, dass hinsichtlich der fehlenden Handzeichen der vorzunehmenden Korrekturen bzw. Nachträge, diese im überwiegenden Ausmaß erst ab 7. April 1997 aufschienen, zu einem Zeitpunkt, in welchem er sich im Krankenstand befunden habe bzw. in welchem er nicht mehr an der gleichen örtlichen Gegebenheit beruflich eingesetzt gewesen sei und demzufolge auch nicht die Möglichkeit gehabt habe, die Handzeichen einzuholen, sodass dies zum mangelndem Verschulden und Nichtvorwerfbarkeit der angelasteten Verhaltensweise führe. Weiters beantragte der Beschwerdeführer die Vorlage und Erstellung einer Statistik über durchschnittliche Nachträge wegen fehlender Einbuchung zum Beweis dafür, dass er keine überdurchschnittliche Anzahl von Nachträgen wegen fehlender Früheinbuchungen aufzuweisen habe, sondern diese sich im Rahmen der Nachträge auch anderer Bediensteter mit vergleichbaren Aufgabenbereichen gehalten hätten.
Zu Punkt I.4. des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses hatte der Beschwerdeführer die Beischaffung und Verlesung des Aktenvermerkes des Kontrollamtes vom 26. Juni 1997 zum Beweis dafür beantragt, dass auch von Seiten des Kontrollamtes davon ausgegangen worden sei, dass dem privat geführten "Zeitausgleichsbuch" aufgrund des Umstandes der privaten Verfassung keine Beweiskraft zuzuerkennen sei. Demzufolge könne dieses auch nicht einer Dienstpflichtverletzung zugrunde gelegt werden.
In der Verhandlung vom 24. Juni 2002, in welcher - infolge Verzichtes - lediglich das erstinstanzliche Disziplinarerkenntnis sowie die Berufungen des Disziplinaranwaltes sowie des Beschuldigten als verlesen galten, beantragte der Beschwerdeführer neuerlich die Verlesung seiner sämtlichen Dienstbeschreibungen ab 1995 zum Beweis dafür, dass die rechtlichen Kriterien "Auffassungsgabe, Ausdauer, Gewissenhaftigkeit und Fleiß" jeweils mit "sehr gut" von den Vorgesetzten beurteilt worden sei, was die vorgeworfenen Vernachlässigungen widerlege.
Zu Spruchpunkt E (betreffend Punkt I.3. des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses):
In diesem Spruchpunkt wurde dem Beschwerdeführer mangelnde Sorgfalt bei der Handhabung der Gleitzeitgebarung bzw. bei Eintragungen in das Gleitzeitbuch durch zwei mehrfach wiederholte Tathandlungen zum Vorwurf gemacht, nämlich "überdurchschnittlich" viele Nachträge einerseits und fehlende Handzeichen der vorzunehmenden Korrekturen in zumindest 18 Fällen andererseits. Der Beschwerdeführer hatte dazu - sowohl schriftlich als auch in der Berufungsverhandlung - Beweismittel angeboten, mit denen er sein mangelndes Verschulden, zumindest aber Entschuldbarkeit allfälliger Fehlhandlungen im Sinne strafmildernder Umstände unter Beweis zu stellen trachtete. Diese Beweise wurden von der belangten Behörde nicht aufgenommen, sondern - zusammengefasst - mit dem Hinweis abgewiesen, gleichgelagerte Handlungen von Kollegen könnten den Beschwerdeführer nicht exkulpieren. Diese Begründung erweist sich aber als nicht überzeugend.
Der belangten Behörde ist darin beizupflichten, dass es bei der Feststellung eines objektiv rechtswidrigen Verhaltens, wie es die Missachtung der Gleitzeitbestimmungen darstellt, nicht darauf ankommt, ob auch andere Bedienstete dieselbe Verfehlung zu verantworten haben. Der Beschwerdeführer hatte sich aber in der Berufungsverhandlung auch darauf berufen, das Fehlen der Handzeichen sei darauf zurückzuführen gewesen, dass er sich ab 8. April 1997 in Krankenstand befunden habe und danach an eine andere Dienststelle versetzt worden, so dass ihm die Abzeichnung der - korrekten - Nachbuchungen faktisch nicht mehr möglich gewesen sei. Dazu hätte die belangte Behörde jedenfalls in irgendeiner Form Stellung beziehen müssen. Demgegenüber wird dieses Vorbringen im angefochtenen Bescheid nicht einmal erwähnt, geschweige denn, dass sich die belangte Behörde explizit damit auseinander gesetzt hätte. Aus diesem Grund liegt jedenfalls ein Begründungsmangel vor, der den Verwaltungsgerichtshof außerstande setzt, seiner Überprüfungsfunktion gerecht zu werden. Bereits aus diesem Grunde erweist sich der angefochtene Bescheid hinsichtlich des Schuldspruchs in seinem Spruchpunkt E (betreffend den Punkt I.3. des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses) als rechtswidrig, so dass auf die Hinweise des Beschwerdeführers auf ein angeblich gleichgelagertes Verhalten anderer Bediensteter nicht eingegangen werden musste.
Zu Spruchpunkt D (betreffend Punkt I.4. des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses):
In diesem Spruchpunkt wurde dem Beschwerdeführer die mangelnde Verzeichnung des Zeitausgleichs (lit. a) und das Nachschreiben von Zeitausgleichsaufzeichnungen in einem neuen "Zeitausgleichsbuch" erst aus Anlass der Überprüfung (lit. b) zum Vorwurf gemacht. Der Beschwerdeführer hatte dazu - sowohl schriftlich als auch in der Berufungsverhandlung - Beweismittel, insbesondere die Einvernahme seiner Vorgesetzten als Zeugen, angeboten, mit denen er das Vorliegen eines rechtswidrigen Verhaltens (zu lit. b) bzw. sein mangelndes Verschulden an den ihm zum Vorwurf gemachten Dienstpflichtverletzungen beweisen wollte. Auch diese Beweise wurden von der belangten Behörde nicht aufgenommen, sondern - begründungslos - abgewiesen. Der Gleitzeitverbrauch wurde von ihr als "offensichtlich" ohne Einholung der erforderlichen Genehmigungen als gegeben angenommen; der Beschwerdeführer habe den gegen ihn erhobenen Vorwurf der mangelnden Verzeichnung des Zeitausgleiches "nicht entkräften können".
Gemäß § 92 Abs. 1 StGBG ist die Disziplinarbehörde bei ihrer Entscheidung an ein freisprechendes Urteil des Strafgerichtes und an Beweisregeln nicht gebunden, sondern hat nach ihrer freien, aus der gewissenhaften Prüfung aller vorgebrachten Beweismittel gewonnenen Überzeugung zu erkennen. Das bedeutet aber auch, dass die Behörde auf einer ausreichenden Sachverhaltsgrundlage nachvollziehbar zu begründen hat, weshalb sie eine Tatsache als erwiesen annimmt oder nicht. Dieser somit auch im Geltungsbereich des StGBG geltende Grundsatz der freien Beweiswürdigung bedeutet, dass die Behörde, ohne an Beweisregeln gebunden zu sein, nur nach dem inneren Wahrheitsgewalt der ihr zur Verfügung stehenden Ermittlungsergebnisse zu beurteilen hat, welche Tatsachen sie als erwiesen annimmt oder nicht. Dies bedeutet ferner, dass sie - analog den Bestimmungen der §§ 58 Abs. 2 und 60 in Verbindung mit § 67 AVG - ihre Bescheide (Disziplinarerkenntnisse) mit einer Begründung zu versehen hat, in der die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen sind. In der Bescheidbegründung ist daher in einer eindeutigen, die Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichenden und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugänglichen Weise darzutun, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die Behörde zur Ansicht gelangte, dass gerade dieser Sachverhalt vorläge und aus welchen Gründen sie die Subsumtion dieses Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand als zutreffend erachtete (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens 6, 2004, E 8 zu § 67 AVG und E 1 bis 9 zu § 60 AVG, nachgewiesene Rechtsprechung). Sind die einen tragenden Teil der Begründung darstellenden Ausführungen für den Verwaltungsgerichtshof nicht nachvollziehbar und somit nicht überprüfbar, liegt ein wesentlicher Verfahrensfehler vor, der zur Aufhebung des Bescheides führt. Freie Beweiswürdigung im Sinne des § 92 Abs. 1 StGBG darf - wie der Verwaltungsgerichtshof zur insofern vergleichbaren Bestimmung des § 45 Abs. 3 AVG wiederholt ausgesprochen hat - aber erst nach vollständiger Erhebung des rechtlich relevanten Sachverhaltes einsetzen. Eine vorgreifende (antizipierende) Beweiswürdigung, die darin besteht, dass der Wert eines Beweises abstrakt, d.h. im Vorhinein beurteilt wird, ist unzulässig (vgl. etwa die in Hauer/Leukauf, aaO, zu § 45 AVG unter E 72ff zitierte hg. Judikatur). Liegt eine ausreichende Sachverhaltsgrundlage vor, hat sich die Behörde des weiteren nachvollziehbar mit der Frage auseinander zu setzen, aus welchen Erwägungen sie die einzelnen Beweise für geeignet oder nicht geeignet hält, den von ihr festgestellten Sachverhalt zu tragen.
Eine nachvollziehbare Beweiswürdigung hat die belangte Behörde in diesem Punkt nicht vorgenommen. Insbesondere gibt sie keine Begründung dafür an, warum sie die zum Beweis angebotenen Zeugeneinvernahmen unterließ, welche immerhin Klarheit über das Verschulden des Beschwerdeführers, das heißt die subjektive Vorwerfbarkeit seines Handelns, hätte bringen können. Völlig unzulässig ist es aber, dem Beschwerdeführer das Scheitern des Entlastungsbeweises entgegen zu halten, ohne die von ihm zu diesem Beweisthema angebotenen Beweise aufzunehmen. Diese Vorgangsweise macht den angefochtenen Bescheid auch in seinem Spruchpunkt D (betreffend den Punkt I. 4 lit. a des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses) rechtswidrig.
Darüber hinaus erweist sich auch die Rüge des Beschwerdeführers als berechtigt, insoweit er den gesonderten Schuldspruch zu Punkt I. 4. lit. b) bekämpft, weil der angefochtene Bescheid in diesem Zusammenhang in sich widersprüchlich erscheint: einerseits wird ausdrücklich - zutreffend - erklärt, private Auszeichnungen des Gleitzeitverbrauchs seien "irrelevant", zum anderen wird dem Beschwerdeführer zum - disziplinarrechtlichen - Vorwurf gemacht, dieses private Gleitzeitbuch in einem nachgeschrieben, aber durch Vorgesetzte nicht abzeichnen lassen zu haben. Sind private Aufzeichnungen rechtlich nicht vorgesehen, so kann es auch nicht disziplinär sein, sie nicht bzw. nicht vollständig geführt oder zu spät erstellt zu haben. Insoweit hat die belangte Behörde die Rechtslage verkannt. Bei diesem Ergebnis war auch der Strafausspruch aufzuheben.
Aus den dargelegten Gründen waren die Spruchpunkte D, E und F des angefochtenen Bescheides gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben, da die inhaltliche Rechtswidrigkeit der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vorangeht.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 15. September 2004
Schlagworte
Begründungspflicht Beweiswürdigung und Beweismittel AllgemeinBegründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher VerfahrensmangelSachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweislastfreie BeweiswürdigungBesondere Rechtsgebiete DiversesBeweiswürdigung Wertung der BeweismittelBeweiswürdigung antizipative vorweggenommeneSachverhalt Sachverhaltsfeststellung Freie BeweiswürdigungSachverhalt Sachverhaltsfeststellung MitwirkungspflichtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2002090144.X00Im RIS seit
12.10.2004Zuletzt aktualisiert am
09.10.2014