TE Vwgh Erkenntnis 2004/9/15 2001/04/0181

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Veröffentlicht am 15.09.2004
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §37;
AVG §45 Abs2;
GewO 1994 §81;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer sowie Senatspräsident Dr. Gruber und Hofrat Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. König, über die Beschwerde des J in W, vertreten durch Dr. Wolfgang Zatlasch, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Mariahilferstraße 49/28, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 16. August 2001, Zl. UVS- 04/G/33/4397/2001/14, betreffend Übertretung der Gewerbeordnung 1994, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe es als gewerberechtlicher Geschäftsführer einer näher bezeichneten Gesellschaft zu verantworten, dass diese Gesellschaft innerhalb eines bestimmten Zeitraumes die mit rechtskräftigem Bescheid vom 10. März 1978, Zl. MBA 15 - Ba 18721/1/78, genehmigte Betriebsanlage - unter Angabe des Ortes - ohne die erforderliche Genehmigung gemäß § 81 GewO 1994 insofern im geänderten Zustand betrieben hat,

"als

1) durch Hinzunahme von Räumlichkeiten im Ausmaß von ca. 400 m2 (ehemals Kinosaal im ersten Stock), welche als Ausstellungsraum bzw. Verkaufsraum dienen, eine Vergrößerung des genehmigten Brandabschnittes erfolgt ist und sich daher eine Genehmigungspflicht aus der Sicht des Brandschutzes und dessen Auswirkungen auf die Nachbarschaft im Sinne des § 74 GewO 1994 ergibt, da im Brandfall eine Gefahr für das Leben und für die Gesundheit und für das Eigentum der Nachbarn und Kunden der Betriebsanlage zusätzlich besteht und

als

2) vier Kälteaggregate für die Kühlvitrinen für Fleisch, Geflügel und Käse sich nunmehr auf einem balkonartigen umbauten Raum, oberhalb des ersten Obergeschosses, welche planlich nicht näher ausgewiesen ist, befinden und der veränderte Aufstellungsort dieser lärmimmissionsträchtigen Maschinen aus technischer Sicht ein Kriterium für eine genehmigungspflichtige Änderung im Sinne des § 81 GewO 1994 darstellt, und durch den Betrieb der Aggregate die Betriebsanlage geeignet ist, die Nachbarn zusätzlich durch Lärm zu belästigen."

Der Beschwerdeführer habe dadurch § 366 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 in Verbindung mit dem Bescheid vom 10. März 1978 verletzt und wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe von EUR 1.308,11 (Ersatzfreiheitsstrafe sieben Tage) verhängt.

In der Begründung dieses Bescheides heißt es unter anderem, dass der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers (erstmals in der "Fortsetzungsverhandlung" vom 8. August 2001) behauptet habe, aus den Betriebsbeschreibungen der Betriebsanlagen-Genehmigungsbescheide vom 12. Oktober 1970 und vom 21. April 1983 gehe hervor, dass im Zwischengeschoss Räumlichkeiten schon immer zum Verkauf genutzt worden seien, weshalb von einer Hinzunahme von 400 m2 nicht die Rede sein könne; diesbezüglich sei auf das Schreiben der Betriebsanlageninhaberin vom 19. Juli 2000 zu verweisen, wo ausdrücklich ausgeführt werde, die Abänderung der Betriebsanlage betreffe insbesondere die Räumlichkeiten im ersten Stock (ehemals Kinosaal) in einem Ausmaß von 400 m2. Unter weiterer Bedachtnahme auf den Bericht der gewerbetechnischen Amtssachverständigen vom 25. April 2000 und ihre zeugenschaftliche Aussage in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde vom 13. Juni 2001 sei daher auch der unter Spruchpunkt 1. angelastete Sachverhalt anzunehmen.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor. Von der Erstattung einer Gegenschrift wurde abgesehen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der Beschwerde wird (wie auf Verwaltungsebene) geltend gemacht, dass der altgenehmigte Umfang nicht nur das Erdgeschoss umfasst habe; erst "durch Einsichtnahme in den gesamten Akt betreffend der Betriebsanlagengenehmigung des L-Marktes (ist) hervorgekommen ..., dass eben auch schon das Obergeschoss (ehemaliger Kinosaal) im Genehmigungsumfang tatsächlich erfasst ist". Deswegen hätte auch nicht von den Ausführungen der Amtssachverständigen allein ausgegangen werden dürfen, sondern hätte auf den Akteninhalt der ursprünglichen Betriebsgenehmigung des L-Marktes Bedacht genommen werden müssen. Auch die Verwendung von Kühlaggregaten sei schon im ursprünglichen Betriebsanlagenumfang genehmigt gewesen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 4. Oktober 1985, Zl. 82/17/0147, ausgeführt hat, enthebt auch widersprüchliches Vorbringen die Behörde nicht von ihrer Pflicht zur Erforschung der materiellen Wahrheit. Ein solcher Fall liegt hier vor, wenn es die belangte Behörde unterlassen hat, auf das Vorbringen des Beschwerdeführervertreters in der "Fortsetzungsverhandlung vom 8.8.2001" (lediglich) unter Hinweis auf das Schreiben der Betriebsanlageninhaberin vom 19. Juli 2000 einzugehen. Falls aber die belangte Behörde meinen sollte, dass der diesbezügliche Sachverhalt im Hinblick auf das Schreiben der Betriebsanlageninhaberin vom 19. Juli 2000 unstrittig sei und sie schon deshalb ihrer Ermittlungspflicht enthoben gewesen wäre, so ist sie auf das hg. Erkenntnis vom 4. Oktober 1985, Zl. 82/17/0147, zu verweisen, wonach es dem Verwaltungs(straf)verfahren fremd ist, dass in der Art einer "Außerstreitstellung" die Behörde auf Grund eines bestimmten Parteienvorbringens zweckdienliche Ermittlungen überhaupt unterlassen könnte.

Da die belangte Behörde infolge dieser Verkennung der Rechtslage erforderliche Ermittlungsschritte unterließ, war schon wegen dieses sekundären Verfahrensmangels der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 15. September 2004

Schlagworte

Beweiswürdigung Sachverhalt angenommener geklärter Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Materielle Wahrheit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2001040181.X00

Im RIS seit

25.10.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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