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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §58 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Graf und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, über die Beschwerde des Disziplinaranwaltes (bei der Disziplinaroberkommission) gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundesministerium für öffentliche Leistung und Sport vom 15. März 2002, Zl. 134/6- DOK/01, betreffend Verhängung der Disziplinarstrafe der Geldstrafe (mitbeteiligte Partei: K T in S, vertreten durch die Hule & Heinke Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Goldschmiedgasse 5), zu Recht erkannt:
Spruch
Der bekämpfte Bescheid wird im Umfang seiner Anfechtung (in seinem Strafausspruch) wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Ein Aufwandersatz findet nicht statt.
Begründung
Der im Jahr 1962 geborene Mitbeteiligte steht als Bezirksinspektor (Kriminalbeamter) in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund.
Mit dem rechtskräftigen Urteil des Landesgerichtes Korneuburg vom 26. März 2001, GZ 61b Vr 594/99, wurde der Mitbeteiligte des Verbrechens des Missbrauches der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs. 1 StGB schuldig erkannt und hiefür zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von neun Monaten, die unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde, verurteilt.
Nach dem Schuldspruch des strafgerichtlichen Urteils wurde der Mitbeteiligte für schuldig befunden, er habe in S als Kriminalbeamter der Bundespolizeidirektion S seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen durch näher bezeichnete Handlungen wissentlich missbraucht, wobei er mit dem Vorsatz gehandelt habe, dadurch näher bezeichnete Personen in ihrem Grundrecht auf Datenschutz zu schädigen, indem er im elektronischen kriminalpolizeilichen Informationssystem (EKIS) Anfragen durchführte, wobei er persönliche Daten, KFZ-Zulassungsdaten, Adressen und Fahrzeugdaten der näher bezeichneten Personen ermittelte und diese Daten zu näher bezeichneten Zeiten an L F weiter gab.
In dem sachgleichen, dieselbe Vorgangsweise des Mitbeteiligten betreffenden, im Anschluss an das gerichtliche Strafverfahren durchgeführten Disziplinarverfahren wurde der Mitbeteiligte mit - am 22. Oktober 2001 schriftlich ausgefertigten - Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres schuldig erkannt, er habe (nach dem Spruchpunkt 1. des Disziplinarerkenntnisses) über näher bezeichnete Personen zu näher umschriebenen Zeiten unbefugt, ohne dienstlichen Grund EKIS-Anfragen durchgeführt und die dadurch ermittelten Daten an den Privatdetektiv L F weitergegeben und er (der Mitbeteiligte) habe (nach dem Spruchpunkt 2.1. des Disziplinarerkenntnisses) über näher bezeichnete Personen zu näher umschriebenen Zeiten EKIS-Anfragen getätigt und die dadurch ermittelten Daten unberechtigterweise an L F weitergegeben.
Dadurch habe der Mitbeteiligte "gegen §§ 43/1, 2, 44/1, 46/1 BDG i.V.m. Datenschutzerlass vom 12.10.1994 i.V.m. Datenschutzgesetz (DSG) und Datenschutzverordnung (DSVO) i.V.m. Datenschutzgesetz BGBl. Nr. 565/1987, Durchführungsbestimmungen zum Datenschutz (Erlass des BMI vom 29.12.1993 GZ 51443/57- II/3/93, DA P 400/1/EDV/94 vom 12.10.1994) i.V.m.
Datensicherheitsvorschrift in Durchführung des § 10 Datenschutzgesetz, DB GI I-5080/48 vom 4.6.1993 i.V.m. § 6 Datenschutzgesetz i.V.m. § 10 RLV verstoßen und Dienstpflichtverletzungen gem. § 91 BDG 1979 begangen". Wegen dieser Dienstpflichtverletzungen verhängte die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres über den Mitbeteiligten die Disziplinarstrafe der Entlassung.
Dagegen erhob der Mitbeteiligte (im Umfang des Schuld- und Strafausspruches) Berufung.
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Disziplinarerkenntnis hat die belangte Behörde über diese Berufung des Mitbeteiligten wie folgt zu Recht erkannt:
"Der Berufung wird gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 105 BDG 1979 in der Weise Folge gegeben, dass über den Beschuldigten gemäß § 126 Abs. 2 iVm § 92 Abs. 1 Z 3 BDG 1979 die Disziplinarstrafe der Geldstrafe im Ausmaß von 5 (fünf) Monatsbezügen verhängt wird, wobei eine Subsumption der von den Spruchpunkten 1. und 2.1. des angefochtenen Disziplinarerkenntnisses umfassten Tathandlungen unter § 43 Abs. 1 BDG 1979 unterbleibt.
Dem Beschuldigten aufzuerlegende Verfahrenskosten sind im Berufungsverfahren nicht erwachsen."
Zur Strafbemessung führte die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid Folgendes aus:
"Der erkennende Senat geht davon aus, dass der Beschuldigte in zahlreichen - im obgenannten Strafurteil im Einzelnen angeführten - Fällen der Bestimmung des § 44 Abs. 1 BDG 1979 iVm §§ 43 Abs. 2, 46 Abs. 1 leg. cit. iVm den im Spruch des angefochtenen Disziplinarerkenntnisses genannten datenschutzrechtlichen Vorschriften vorsätzlich zuwidergehandelt hat.
Die seitens des Beschuldigten begangenen Delikte sind als durchaus gravierende Dienstpflichtverletzungen zu werten, weil der Beschuldigte als Kriminalbeamter, zu dessen Aufgaben die weisungskonforme Tätigkeit von EKIS-Anfragen gehört, im Kernbereich seiner Dienstpflichten ein pflichtwidriges Verhalten gesetzt hat, dem nur mit der Verhängung einer empfindlichen Disziplinarstrafe angemessen entsprochen werden kann.
Im Hinblick auf die nach § 93 Abs. 1 BDG 1979 zu wertende Schwere der Dienstpflichtverletzungen, die in der unberechtigten und daher widerrechtlichen Abfrage aus geheimen der Öffentlichkeit nicht zugänglichen und geschützten Dateien besteht, hinsichtlich deren Handhabung von der Allgemeinheit zu Recht besondere Sensibilität erwartet wird und gefordert werden kann, und die daher auch dann nicht als vernachlässigbar oder gering eingestuft werden darf, wenn der betreffende Beamte keine Verwertung oder Weitergabe der unberechtigt erhobenen Daten beabsichtigte oder vornahm, was im gegenständlichen Disziplinarfall in zahlreichen Fällen jedoch geschah, kann es auch für die Disziplinaroberkommission keinem Zweifel unterliegen, dass die Verhängung einer zusätzlichen Disziplinarstrafe iSd § 95 Abs. 3 BDG 1979 erforderlich ist.
...
Der Umstand, dass die vom Beschuldigten getätigten Abfragen zum Teil in keinem (ausschließlichen) dienstlichen Zusammenhang zu sehen sind, wird vom Beschuldigten selbst eingeräumt. Dass dem Beschuldigten die Erlangung von (finanziellen) Vorteilen durch die rechtswidrige Weitergabe von unrechtmäßig abgefragten Daten aus dem elektronischen kriminalpolizeilichen Informationssystem nicht nachgewiesen werden konnte, ist nach Lage des vorliegenden Disziplinarfalles im Ergebnis rechtlich unerheblich.
Dem Beschuldigten war zwar eine positive Zukunftsprognose zuzubilligen, ein Ausschluss spezialpräventiver Erwägungen bei der Strafbemessung wäre jedoch nicht angebracht, weil ihm durch eine angemessene Bestrafung die Schwere seiner Verfehlungen vor Augen zu halten ist, um den Unrechtsgehalt seiner Verfehlungen entsprechend zu ahnden.
Anders als die Disziplinarkommission erster Instanz hält der erkennende Senat der Disziplinaroberkommission das Vertrauen der Dienstbehörde in den beschuldigten Beamten in diesem ganz konkreten Einzelfall allerdings nicht für vollkommen zerstört.
Bei der Strafbemessung gemäß § 93 Abs. 1 BDG 1979 war es mildernd zu werten, dass es sich beim Beschuldigten um einen unbescholtenen, laut Aussagen der vor der Disziplinarkommission einvernommenen Zeugen sehr verlässlichen Exekutivbeamten mit bisher überdurchschnittlichen dienstlichen Leistungen und einer tadellosen Tatortarbeit handelt, der 35 Belobungen, die Hilfsdienstmedaille in Silber von der Stadtgemeinde S und den Sicherheitsverdienstpreis für das Land Niederösterreich verliehen erhalten hat und der an der Realisierung des Sicherheitsbeirates in S und an der Gestaltung von Sicherheitsmessen maßgebend mitgewirkt hat.
Dazu kommt, dass für die Behandlung von Informanten dienstintern keine strengen Regeln oder Vorschriften existieren und die Dienstbehörde, die auf Hinweise von Informantenseite zum Teil angewiesen ist, weiß, dass von dieser Seite auch Gegenleistungen - welcher Art auch immer - erwartet werden.
Nach Auffassung des Senates hat der Beschuldigte auch tatsächlich keine Daten abgefragt und weitergegeben, die L F nicht auch auf andere Weise - wenn auch mit größeren Umständen - hätte erhalten können.
Dass der Suspendierungsbescheid dem Beschuldigten erst am 8.9.2000 zugestellt und daher erst mit diesem Tag rechtswirksam wurde, der Beschuldigte somit trotz konkreter Verdachtsgründe mehr als sechs Monate weiterbeschäftigt wurde, vermag - wie in der Berufung nicht ganz zu Unrecht aufgezeigt wird - die Argumentation des vollständigen Vertrauensverlustes und der Untragbarkeit des beschuldigten Beamten jedenfalls nicht zu erleichtern.
Der Beschuldigte hat sich seit Begehung der Taten wohlverhalten, woraus eine günstige Zukunftsprognose abgeleitet werden kann.
Erschwerend zu berücksichtigen war die Vielzahl der hier abzuvotierenden Tathandlungen (das Zusammentreffen wiederholter vorsätzlicher Verstöße) und der lange Tatzeitraum sowie die besondere Sensibilität des verletzten Rechtsgutes (es handelt sich dabei um Eingriffe in ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht).
Die Disziplinaroberkommission verkennt nicht, dass in dem wiederholten rechtswidrigen Vorgehen des Beschuldigten ein besonderer Grad an disziplinärer Verwerflichkeit gegeben ist (auch in der Berufung selbst wird die Möglichkeit der Erschütterung des Vertrauens in den Beschuldigten eingestanden).
Dessen ungeachtet gelangte der erkennende Senat jedoch zu dem Ergebnis, dass hier gerade noch kein ausreichender Grund für die Verhängung der Disziplinarstrafe der Entlassung gegeben ist.
..."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vom Disziplinaranwalt im Umfang des Strafausspruches erhobene Amtsbeschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch den Mitbeteiligten erwogen hat:
Der unbekämpft gebliebene Schuldspruch ist in Rechtskraft erwachsen. Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist ausschließlich die Frage, ob über den Mitbeteiligten wegen der von ihm begangenen Dienstpflichtverletzungen die Disziplinarstrafe der Geldstrafe oder der Entlassung zu verhängen ist (vgl. zur Entscheidung über die Strafmittel des § 92 Abs. 1 BDG 1979 etwa das hg. Erkenntnis vom 23. März 1994, Zl. 93/09/0391).
Die maßgeblichen Bestimmungen des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 (BDG 1979) lauten:
"Disziplinarstrafen
§ 92.(1) Disziplinarstrafen sind
1.
der Verweis,
2.
die Geldbuße bis zur Höhe eines halben Monatsbezuges unter Ausschluß der Kinderzulage,
3. die Geldstrafe bis zur Höhe von fünf Monatsbezügen unter Ausschluß der Kinderzulage,
4. die Entlassung.
...
Strafbemessung
§ 93.(1) Das Maß für die Höhe der Strafe ist die Schwere der Dienstpflichtverletzung. Dabei ist jedoch darauf Rücksicht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafhöhe erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten. Die nach dem Strafgesetzbuch für die Strafbemessung maßgebenden Gründe sind dem Sinne nach zu berücksichtigen; weiters ist auf die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beamten Bedacht zu nehmen.
..."
Die Entlassung ist die schwerste Disziplinarstrafe gegen (aktive) Beamte. Sie bezweckt, dass sich die Dienstbehörde von einem Beamten, der sich infolge seines Fehlverhaltens untragbar gemacht hat (Untragbarkeitsgrundsatz), unter Auflösung des Beamtenverhältnisses trennen kann (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 29. September 1992, Zl. 91/09/0186, und vom 23. März 1994, Zl. 93/09/0391).
Rechtsfragen zum sogenannten "Untragbarkeitsgrundsatz" sind durch die ergangene Judikatur klargestellt. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholung wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf diese verwiesen (vgl. für viele das hg. Erkenntnis vom 29. April 2004, Zl. 2001/09/0146, m.w.N.).
Die Amtsbeschwerde macht (zusammengefasst) geltend, die belangte Behörde sei mit ihrer Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, weil als Disziplinarstrafe für den Mitbeteiligten nur die Entlassung dem Gesetz entsprochen hätte.
Der Mitbeteiligte, ein Kriminalbeamter (Exekutivdienst), wurde wegen des Verbrechens des Missbrauches der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs. 1 StGB rechtskräftig strafgerichtlich verurteilt. Die Tathandlung dieses (vom Mitbeteiligten begangenen) Verbrechens besteht darin, dass ein Beamter seine Befugnis (oder Verpflichtung) Amtsgeschäfte vorzunehmen, mit Schädigungsvorsatz wissentlich missbraucht. Wegen des sachgleichen Verhaltens wurde der Mitbeteiligte im Disziplinarverfahren der vorsätzlichen Begehung von Dienstpflichtverletzungen gemäß den §§ 43 Abs. 2, 44 Abs. 1 und 46 Abs. 1 BDG 1979 (i.V.m. näher bezeichneten datenschutzrechtlichen Vorschriften) für schuldig befunden. Nach den Schuldsprüchen hat der Mitbeteiligte rechtswidrig EKIS-Abfragen vorgenommen und die dadurch abgefragten Daten an einen Privatdetektiv weitergegeben.
Solche Tathandlungen lagen etwa dem mit Erkenntnis vom 29. April 2004 zur hg. Zl. 2001/09/0146 entschiedenen Beschwerdefall zugrunde; über den dieser Verfehlungen für schuldig befundenen Kriminalbeamten (den Beschwerdeführer des genannten Beschwerdefalles) wurde die Disziplinarstrafe der Entlassung verhängt.
Die im angefochtenen Bescheid zur Widerlegung der Untragbarkeit des Mitbeteiligten dargestellten Argumente sind nicht tragfähig. Die Meinung der belangten Behörde, sie halte "in diesem ganz konkreten Einzelfall" das Vertrauen der Dienstbehörde in den Mitbeteiligten nicht für vollkommen zerstört, ist nicht (näher) begründet.
Die belangte Behörde hat (nach der Begründung des angefochtenen Bescheides) die Dienstpflichtverletzungen des Mitbeteiligten zutreffend als schwerwiegend angesehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 2001, Zl. 99/09/0056). Von daher und aufgrund der gleichfalls zutreffenden Beurteilung, der (ua. mit EKIS-Abfragen befasst gewesene) Mitbeteiligte habe "im Kernbereich seiner Dienstpflichten ein pflichtwidriges Verhalten gesetzt", ist aber die Auffassung der belangten Behörde, die sie zum Ergebnis kommen ließ, ein weiteres Verbleiben des Mitbeteiligten im Dienst sei dennoch tragbar, nicht ausreichend begründet.
Die belangte Behörde ist somit eine hinreichende Begründung dafür, warum eine nicht vollkommene Zerstörung des Vertrauensverhältnisses und damit eine Tragbarkeit des Mitbeteiligten für das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis gegeben sei, schuldig geblieben. Der angefochtene Bescheid war daher im Umfang seines Strafausspruches gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Dem in der Amtsbeschwerde gestellten Antrag auf Zuerkennung von Aufwandersatz war zufolge § 47 Abs. 4 VwGG nicht zu entsprechen.
Wien, am 15. September 2004
Schlagworte
Begründung Begründungsmangel Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel Besondere Rechtsgebiete DienstrechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2002090103.X00Im RIS seit
18.11.2004