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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AsylG 1997 §7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Nowakowski, Dr. Pelant und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Stieger, über die Beschwerde des S in P, geboren 1964, vertreten durch Dr. Werner Mosing, Rechtsanwalt in 9560 Feldkirchen, Heftgasse 2, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 24. Jänner 2003, Zl. 224.807/4-I/01/03, betreffend §§ 7 und 8 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein der albanischen Volksgruppe angehörender Staatsangehöriger von Mazedonien, reiste gemäß seinen Behauptungen am 6. Juni 2001 in das Bundesgebiet ein und beantragte die Gewährung von Asyl. Diesen Antrag begründete er im Wesentlichen damit, dass er einer nach Beginn der Kampfhandlungen zwischen der UCK "und Mazedonien" im Februar/März 2001 an ihn ergangenen schriftlichen Aufforderung, den Militärdienst zu leisten, nicht nachgekommen sei. Am 24. Mai 2001, nachdem seine Tochter von der Polizei auf der Straße nach seinem Aufenthalt gefragt worden sei, habe er sein Haus in Pirok (Bezirk Tetovo) verlassen und sich zu seinen Schwiegereltern begeben; er und seine Familie seien vor den Kampfhandlungen geflüchtet, außerdem habe es im Dorf der Schwiegereltern keine Polizei gegeben. Denn die Polizei habe Ende April 2001 begonnen, zwangsweise Rekrutierungen aller Männer bis zum 55. Lebensjahr durchzuführen.
In der gegen den den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG abweisenden und seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Mazedonien gemäß § 8 AsylG für zulässig erklärenden Bescheid des Bundesasylamtes erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer u.a. vor, dass Flüchtlinge, die nach Mazedonien zurückkehren, in der Regel von der Polizei festgenommen und dann verhört werden würden. In der mündlichen Berufungsverhandlung vom 18. November 2002 führte er dazu weiter aus, im Fall einer Rückkehr nach Mazedonien werde er "wieder einvernommen" werden. Außerdem gab er an:
"2 Landsleute sind Asylwerber in Deutschland, kehrten in ihre Heimat nach Mazedonien zurück. Das war am 8. September 2002, eine Woche vor den Parlamentswahlen. Diese wurden von der Polizei einvernommen, wurden von der Polizei getötet und die Polizei gab die Begründung für die Erschießung dieser 2 Albaner Notwehr."
Mit Bescheid vom 24. Jänner 2003 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den erstinstanzlichen Bescheid des Bundesasylamtes gemäß §§ 7 und 8 AsylG ab. Die belangte Behörde legte diesem Bescheid zu Grunde, dass der aus Tetovo stammende Beschwerdeführer, der bereits seinen Militärdienst abgeleistet habe, zu Beginn der Kampfhandlungen im Februar 2001 von der mazedonischen Polizei mittels Schreiben aufgefordert worden sei, auf Seiten des mazedonischen Militärs gegen die UCK zu kämpfen. Dieser Aufforderung sei der Beschwerdeführer nicht nachgekommen. Nachdem seine Tochter von der Polizei zu seinem Aufenthalt befragt worden sei, sei er zu seinen Schwiegereltern und anschließend im Mai 2001 nach Österreich geflüchtet. Bezüglich der Situation in Mazedonien führte die belangte Behörde aus, dass am 13. August 2001 ein Friedensabkommen (Ohrid-Übereinkommen) zwischen der UCK und der mazedonischen Staatsregierung abgeschlossen worden sei. Die Bestimmungen dieses Abkommens seien (teilweise) umgesetzt worden, die Lage in Mazedonien sei ruhig, der größte Teil der während der bewaffneten Auseinandersetzungen geflüchteten ethnischen Albaner sei in ihre Heimat zurückgekehrt, die bewaffneten Auseinandersetzungen seien beendet. Am 8. März 2002 - so die belangte Behörde weiter - sei ein Amnestiegesetz in Kraft getreten, womit alle mazedonischen Staatsangehörigen, die zwischen dem 1. Jänner 2001 und dem 26. September 2001 ihrer Militärdienstpflicht nicht nachgekommen seien, von jeder gerichtlichen bzw. sonstigen strafrechtlichen Verfolgung befreit worden seien. Ethnische Albaner hätten bei Rückkehr nach Mazedonien zur Zeit nicht mit diskriminierender Behandlung durch die Behörden zu rechnen. Das Amnestiegesetz sei vor allem zu Gunsten albanischer Täter beschlossen worden. Die Amnestie umfasse auch alle Personen, die sich geweigert hätten, mit den mazedonischen Sicherheitskräften zu kämpfen. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass ethnische Albaner wegen Wehrdienstverweigerung zur Zeit irgendeine Strafe zu befürchten hätten, wenn die Wehrdienstverweigerung in den Zeitraum 1. Jänner bis 26. September 2001 falle. Die Umsetzung des Amnestiegesetzes werde als relativ gut beschrieben, die Gerichte in Tetovo und Kumanovo hätten am schnellsten reagiert.
In rechtlicher Hinsicht argumentierte die belangte Behörde, dass eine wegen Verweigerung der Ableistung des Militärdienstes bzw. wegen Desertion drohende, auch strenge Bestrafung grundsätzlich nicht als Verfolgung im Sinne der FlKonv angesehen werde. Dass der Beschwerdeführer im Zuge des Militärdienstes eine ethnisch motivierte Verfolgung zu befürchten gehabt hätte, habe er nicht vorgebracht. Auch aus dem Umstand, dass er möglicherweise gegen Angehörige seiner eigenen ethnischen Gruppe zum Einsatz gekommen wäre, lasse sich noch keine ethnisch motivierte Verfolgung ableiten. Im Übrigen sei auf das festgestellte Amnestiegesetz zu verweisen, weshalb es dem Beschwerdeführer jedenfalls zumutbar wäre, sich im Sinn von Art. 1 Abschnitt C Z 5 FlKonv wieder unter den Schutz seines Heimatstaates zu stellen. Gewährung von Asyl oder Einräumung von Refoulementschutz (die Gefahren des § 57 FrG lägen nicht vor) komme somit nicht in Frage, zumal sich die Situation in Mazedonien grundlegend geändert habe und die ethnisch motivierten Auseinandersetzungen aufgehört hätten.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
In der Beschwerde wird geltend gemacht, der angefochtene Bescheid erwähne nicht, dass eine nicht zu unterschätzende Anzahl von nach Mazedonien zurückgekehrten albanisch-stämmigen Personen in Mazedonien verschleppt worden sei; diese Verschleppten seien nicht mehr aufgetaucht. Als Beispiel wird der Fall von zwei aus Deutschland abgeschobenen Mazedoniern albanischer Herkunft genannt, die unmittelbar nach ihrem Eintreffen in Mazedonien "verhaftet", verschleppt und offensichtlich "liquidiert" worden seien; jedenfalls seien sie nie mehr aufgetaucht.
Schon in der Berufungsverhandlung hat der Beschwerdeführer auf den letztgenannten Vorfall, der sich am 8. September 2002 ereignet haben soll, hingewiesen (siehe oben). Mit diesem Vorbringen hat sich die belangte Behörde nicht beschäftigt, obwohl daraus gegebenenfalls auch für die Situation des Beschwerdeführers maßgebliche Folgerungen gezogen hätten werden können. Zu einer Auseinandersetzung mit diesen Behauptungen wäre die belangte Behörde umso mehr verpflichtet gewesen, als in einer ihrem Bescheid zu Grunde gelegten Unterlage ("Republik Mazedonien Länderbericht - Asyl 2002" des Bundesministeriums für auswärtige Angelegenheiten vom 2. August 2002) von einer bedenklichen Behandlung abgeschobener albanisch-stämmiger Mazedonier durch die mazedonischen Behörden die Rede ist. So wird in dem besagten Bericht unter Punkt 15. "Information über die Situation abgeschobener Personen" Folgendes ausgeführt:
"Abgeschobene Personen werden von den mazedonischen Polizeibehörden (wie alle Häftlinge hier) sicherlich nicht mit Glacehandschuhen behandelt. Noch härter wird die Behandlung durch die hiesigen Behörden sein, wenn die abzuschiebenden Personen ethnische Albaner sind. Soweit der Botschaft bekannt ist, werden aus Österreich abzuschiebende mazedonische Staatsangehörige seit dem Jahre 2001 von mazedonischen Beamten begleitet. Um eine allzu harte Behandlung ethnischer Albaner, welche abgeschoben werden sollen, zu verhindern, könnten die österreichischen Stellen, wenn sie einen ethnischen Albaner nach Mazedonien abschieben möchten, die mazedonischen Stellen bitten, einen ethnisch-albanischen Beamten als Begleitbeamten abzustellen. Eine solche Vorgangsweise hätte den Vorteil, dass sich der Begleitbeamte besser mit dem Abzuschiebenden verständigen könnte. Die Anzahl der ethnischalbanischen Polizeibeamten wird zur Zeit mit Hilfe von OSZE-Schulungskursen kontinuierlich vergrößert."
Der dargestellte Ermittlungsmangel belastet den bekämpften Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Er war daher schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil neben dem Pauschbetrag für den Schriftsatzaufwand ein weiterer Kostenersatz unter dem Titel von Umsatzsteuer nicht zusteht.
Wien, am 21. September 2004
Schlagworte
Begründung BegründungsmangelEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2003010143.X00Im RIS seit
20.10.2004