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19/05 Menschenrechte;Norm
AsylG 1997 §7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Nowakowski, Dr. Pelant und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Stieger, über die Beschwerde der H geb. G in N, geboren 1974, vertreten durch Dr. Sepp Holzmüller, Rechtsanwalt in 2700 Wiener Neustadt, Bahngasse 8, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 16. August 2000, Zl. 217.763/0-VII/43/00, betreffend §§ 7 und 8 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird in seinem ersten Spruchpunkt (Abweisung der Berufung gemäß § 7 AsylG) wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde und im Übrigen wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der (damaligen) Bundesrepublik Jugoslawien albanischer Volksgruppenzugehörigkeit aus dem Kosovo, reiste am 14. Juni 1999 in das Bundesgebiet ein und beantragte am 17. Juni 1999 Asyl. Bei ihren Einvernahmen am 17. Juni 1999, am 16. Juli 1999 und am 29. Mai 2000 gab sie an, den Kosovo im April 1999 wegen der Kampfhandlungen verlassen zu haben. Ihr Ehemann lebe seit 10 Jahren als Gastarbeiter in Österreich und sorge für sie.
Das Bundesasylamt wies den Asylantrag der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 20. Juni 2000 gemäß § 7 AsylG ab (Spruchpunkt I) und erklärte die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin in den Kosovo gemäß § 8 AsylG für zulässig (Spruchpunkt II).
Ausdrücklich nur gegen Spruchpunkt II richtete sich die Berufung der Beschwerdeführerin, in der sie geltend machte, die Lage im Kosovo sei nach wie vor sehr prekär und die Mindestversorgung in bestimmten Bereichen nicht gewährleistet. Außerdem würde ihre Abschiebung gegen Art. 8 EMRK verstoßen.
Die belangte Behörde führte über die "Berufung ... wegen § 8 AsylG 1997" am 8. August 2000 eine mündliche Berufungsverhandlung durch, in der die Beschwerdeführerin ergänzend vernommen wurde. Sie gab u.a. an, "im 2. Monat" schwanger zu sein. Sie wolle nicht internationale Hilfe im Kosovo in Anspruch nehmen, sondern bei ihrem Ehemann in Österreich leben.
Mit Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides wies die belangte Behörde die "Berufung ... gegen den Bescheid des Bundesasylamtes ... gemäß § 7 AsylG ab". Mit Spruchpunkt II stellte sie die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin in den Kosovo fest.
Dagegen richtet sich die vorliegende - nach Ablehnung und Abtretung durch den Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 26. Februar 2001, B 1501/00-11, für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ergänzte - Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Mit Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides hat die belangte Behörde über die bereits rechtskräftig erledigte Frage der Asylgewährung gemäß § 7 AsylG entschieden. Insoweit war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 16. Juli 2003, Zl. 2001/01/0039).
In Bezug auf Spruchpunkt II hält die Beschwerde der belangten Behörde vor allem entgegen, sie habe die Schwangerschaft der Beschwerdeführerin zwar erwähnt, darauf - vor dem Hintergrund der (auch nach den Feststellungen der belangten Behörde) schwierigen Situation hinsichtlich der Behandlung "medizinischer Problemfälle" im Kosovo - aber nicht ausreichend Bedacht genommen. "Offensichtlich aufgrund unvollständiger Sachverhaltserhebung" sei nicht erhoben worden, dass es sich um eine Problemschwangerschaft nach einer von der Beschwerdeführerin im April 2000 erlittenen Fehlgeburt handle. Angesichts der "miserablen medizinischen Situation" im Kosovo würde die Abschiebung daher gegen Art. 3 EMRK verstoßen.
Einer von der Beschwerdeführerin dem Verfassungsgerichtshof vorgelegten ärztlichen Bestätigung vom 11. September 2000 zufolge sei bei der Beschwerdeführerin am 5. September 2000 eine Schwangerschaft von 7 Wochen mit drohender Fehlgeburt und "Zustand nach Fehlgeburt im April 00" festgestellt worden.
Die Untersuchung, auf der diese Bestätigung beruht, fand nach der Zustellung des angefochtenen Bescheides statt, sodass darauf im vorliegenden Verfahren nicht einzugehen ist. In Bezug auf der Beschwerdeführerin bereits vorher bekannte Probleme mit der von ihr erwähnten - der nun vorgelegten Bestätigung zufolge im Zeitpunkt der Berufungsverhandlung noch nicht im "2. Monat" befindlichen - Schwangerschaft, etwa auf Grund einer vorangegangenen Fehlgeburt, wäre es Sache der Beschwerdeführerin gewesen, dies im Verwaltungsverfahren geltend zu machen.
Die belangte Behörde hat allerdings die (nicht mit dem Hinweis auf derartige Probleme verbundene) Aussage der Beschwerdeführerin, "im 2. Monat schwanger" zu sein, nur in der Darstellung des Vorbringens wiedergegeben, darauf in den Feststellungen "zur Person" nicht mehr Bezug genommen und stattdessen bloß erwähnt, die Beschwerdeführerin sei 26 Jahre alt und habe "keine schwer wiegenden Krankheiten oder Leiden dargetan". Auch in der rechtlichen Begründung des angefochtenen Bescheides wird auf die für die belangte Behörde - im Gegensatz zu den in der Beschwerde geltend gemachten Komplikationen - aktenkundige Schwangerschaft der Beschwerdeführerin nicht eingegangen. Dass und weshalb die belangte Behörde der Meinung war, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin in den Kosovo sei ungeachtet ihrer Schwangerschaft zulässig, ist im angefochtenen Bescheid nicht nachvollziehbar begründet (vgl. zum Erfordernis einer Auseinandersetzung mit derartigen Sachverhaltselementen aber etwa die hg. Erkenntnisse vom 9. Juli 2002, Zl. 2001/01/0164, vom 15. Mai 2003, Zl. 2002/01/0556, und vom 24. August 2004, Zl. 2003/01/0125).
Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 21. September 2004
Schlagworte
Spruch und BegründungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2001010165.X00Im RIS seit
19.10.2004