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62 ArbeitsmarktverwaltungNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Gleichheitswidrige Gesetzesauslegung bei Abweisung eines Antrags auf Herabsetzung des Arbeitslosenversicherungsbeitrages für den Dienstnehmer wegen Einstellung eines älteren Dienstnehmers; kein Verlust des im Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz geregelten Bonus aufgrund eines vorangegangenen geringfügigen BeschäftigungsverhältnissesSpruch
Die beschwerdeführende GmbH ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) ist schuldig, der beschwerdeführenden Partei zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit S 27.000,-- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1. Die beschwerdeführende GmbH (im folgenden: Dienstgeberin) hat einen Dienstnehmer nach Vollendung seines 53. Lebensjahres neu eingestellt und zunächst vom 1.8.1999 bis 30.9.1999 geringfügig beschäftigt. Mit 1.10.1999 wurde dieser Dienstnehmer zur Vollversicherung angemeldet. Die Dienstgeberin beantragte daraufhin bei der Oö Gebietskrankenkasse gem. §5a Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz (im folgenden kurz: AMPFG) die Herabsetzung des Arbeitslosenversicherungsbeitrages für diesen Dienstnehmer. Dieser Antrag wurde abgewiesen; der Landeshauptmann von Oberösterreich bestätigte mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid den erstinstanzlichen Bescheid mit der Begründung, daß keine Verminderung des Arbeitslosenversicherungsbeitrages gewährt werden könne, da der Dienstnehmer bereits zuvor beim selben Dienstgeber beschäftigt gewesen sei und das Gesetz nicht zwischen geringfügiger und nicht geringfügiger Beschäftigung differenziere.
2. Die Dienstgeberin erachtet sich durch diesen Bescheid im verfassungsrechtlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt: Es liege ihrer Meinung nach ein einziges Beschäftigungsverhältnis mit einer einzigen Einstellung vor, weshalb der Bonus mit Eintritt der Vollversicherung eintrete. Das Gesetz sei daher so auszulegen, daß auch Dienstgeber, die ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis zu einem Zeitpunkt begründeten, wo der Bonus anfallen würde, wäre ein vollversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis begründet worden, ab dem Eintritt der Vollversicherungspflicht diesen Bonus lukrieren könnten; andernfalls sei §5a AMPFG verfassungswidrig.
3. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet; sie vertritt darin die Auffassung, daß §5a AMPFG klar regle, daß ein Entfall des Arbeitslosenversicherungsbeitrages bei Einstellung eines älteren Dienstnehmers nicht eintritt, wenn die eingestellte Person bereits beim selben Dienstgeber beschäftigt war, es sei denn, der Zeitpunkt der Beendigung des vorangegangenen Dienstverhältnisses im Sinne des §11 ASVG liege mehr als drei Jahre vor der Einstellung zurück. Die Formulierung "bereits beim selben Dienstgeber beschäftigt war" beinhalte nach Ansicht der belangten Behörde sowohl die Möglichkeit einer bereits bestehenden, aber noch nicht beendeten Beschäftigung, als auch eine früheren Beschäftigung, die jedoch unterbrochen wurde; unter Beschäftigung sei auch die geringfügige Beschäftigung zu verstehen. Weiters führt die belangte Behörde aus:
"Wenn die Beschwerdeführerin behauptet, dass nach dem Gesetzeswortlaut auf den Einstellungsakt und Wiedereinstellungsakt abzustellen sei und daher auf die einmalige Einstellung im vorliegenden Sachverhalt Bedacht zu nehmen sei, nachdem keine Wiedereinstellung vorliege, entspricht dies vollkommen der Ansicht der belangten Behörde. Es wurde 'nur' eine verschiedenartige Interpretationsform angewandt, zumal die belangte Behörde die Rechtsmeinung vertritt, dass die einmalige Einstellung des Dienstnehmers bereits als geringfügig Beschäftigter erfolgte und nicht erst als vollversicherungspflichtiger Dienstnehmer. Die 'Einstellung' als vollversicherungspflichtiger Dienstnehmer stellt daher nur eine Erweiterung des Arbeitsverhältnisses dar, da arbeitsrechtlich keine Beendigung des Dienstverhältnisses stattgefunden hat. Somit ergibt sich in gegenständlicher Angelegenheit die gleiche Entscheidungsgrundlage wie bei dem von der Beschwerdeführerin angeführten Beispiel, dass ein vorerst geringfügiges Dienstverhältnis aufgelöst wird und drei Monate später ein Vollbeschäftigungsverhältnis begründet wird."
Das Vorbringen der Beschwerdeführerin hinsichtlich der behaupteten Verfassungswidrigkeit des §5a AMPFG könne "nur schwer nachvollzogen werden".
Die belangte Behörde beantragt daher unter Verzeichnung von Kosten die Abweisung der Beschwerde.
4. Die Oberösterreichische Gebietskrankenkasse bringt in ihrer Äußerung vor, daß nach §5a AMPFG bei einem Wechsel von einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis zu einer Vollversicherung beim selben Dienstgeber kein Bonus in Betracht zu ziehen sei, weshalb beantragt wird, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
5. §5a Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz (AMPFG), BGBl. Nr. 153/1996 idF BGBl. Nr. 411/1996 lautet auszugsweise:
"§5a. (1) Für Dienstgeber, die Personen, die das 50. Lebensjahr vollendet oder überschritten haben, einstellen, vermindert sich der Dienstgeberanteil am Arbeitslosenversicherungsbeitrag (§2 Abs1 bis 3) für eine solche Person. Die Verminderung beträgt bei Dienstnehmern bis zur Vollendung des 55. Lebensjahres die Hälfte des Dienstgeberanteils am Arbeitslosenversicherungsbeitrag; ab Vollendung des 55. Lebensjahres des Dienstnehmers entfällt der Dienstgeberanteil zur Gänze. Der Entfall tritt auch bei Vollendung des 55. Lebensjahres eines Dienstnehmers ein, wenn der Dienstgeber den Dienstnehmer nach dessen 50. Lebensjahr eingestellt hat.
(2) Eine Verminderung oder ein Entfall gemäß Abs1 tritt nicht ein, wenn
1. der eingestellte Dienstnehmer bereits beim selben Dienstgeber beschäftigt war, es sei denn, der Zeitpunkt der Beendigung des vorangegangenen Dienstverhältnisses im Sinne des §11 ASVG liegt mehr als drei Jahre vor der Einstellung zurück, oder ..."
6. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
6.1. Gem. §2 Abs1 AMPFG wird zur Finanzierung der Arbeitsmarktpolitik des Bundes ein 6%iger Arbeitslosenversicherungsbeitrag von allen Personen, die der Versicherungspflicht nach den Bestimmungen der §§1 bis 3 des AlVG 1977 unterliegen, und deren Dienstgebern eingehoben; dieser ist gem. §2 Abs3 leg. cit. vom Versicherten und vom Dienstgeber, soweit nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen zu tragen. Es besteht jedoch gem. §5a AMPFG eine Sonderregelung für Dienstgeber, die Personen einstellen, die das 50. Lebensjahr vollendet oder überschritten haben: Hinsichtlich Personen bis zur Vollendung des 55. Lebensjahres verringert sich der Dienstgeberanteil am Arbeitslosenversicherungsbeitrag um die Hälfte; ab Vollendung des 55. Lebensjahres entfällt der Dienstgeberanteil zur Gänze. Ein solcher Entfall tritt aber z.B. gem. §5a Abs2 Z1 AMPFG nicht ein, wenn der eingestellte Dienstnehmer bereits beim selben Dienstgeber beschäftigt war (es sei denn, der Zeitpunkt der Beendigung des vorangegangenen Dienstverhältnisses liegt mehr als 3 Jahre vor der Einstellung zurück).
Dieses "Bonussystem" versucht über finanzielle Anreize die Einstellung älterer Dienstnehmer zu fördern, um so "(z)ur Konsolidierung des Bundeshaushaltes ... im Bereich der Arbeitsmarktpolitik Einsparungen sowie Maßnahmen zur Sicherung der Beschäftigung Älterer" zu treffen (Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales, 64 Blg. Sten. Prot. NR XX. GP). Gleichzeitig soll aber verhindert werden, daß ältere Dienstnehmer gekündigt und danach gleich wieder eingestellt werden, um solcherart in den Genuß dieses Bonus zu kommen (vgl. dazu VwGH vom 21.9.1999, 99/08/0059).
6.2. Im hier vorliegenden Fall ist strittig, ob für einen Dienstnehmer, der bereits wenige Monate bei einem Dienstgeber geringfügig beschäftigt war - und daher nur unfallversichert war - und dessen Dienstverhältnis danach in ein vollversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis umgewandelt wurde, der obzitierte Bonus in Form der Verminderung des den Dienstgeber treffenden Arbeitslosenversicherungsbeitrages lukriert werden kann.
Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch die den Anspruch verneinende Entscheidung der belangten Behörde in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt.
6.3. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10.413/1985, 11.682/1988) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.
6.4. Die Behörde hat bei Erlassung des angefochtenen Bescheides dem §5a AMPFG einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt:
6.4.1. Die Antwort auf die von der belangten Behörde zu lösende Rechtsfrage hängt offenbar davon ab, wann ein Dienstgeber eine Person iS des Gesetzes "eingestellt" hat. Vor dem Hintergrund des eindeutigen Gesetzeszweckes, jene Dienstgeber durch eine Verminderung der Lohnnebenkosten dafür zu belohnen, daß sie durch Einstellung die Arbeitslosigkeit älterer Arbeitnehmer beendet haben, bestehen in einem Fall wie dem vorliegenden zwei Möglichkeiten einer dem Gesetzeszweck entsprechenden Auslegung:
a) Man kann unter "Einstellung" den Beginn jeglichen (auch eines geringfügig entlohnten) Arbeitsverhältnisses verstehen, muß dann aber denknotwendig als weitere (im Gesetz bloß versehentlich nicht erwähnte) Voraussetzung für eine Verminderung des Dienstgeberanteils am Arbeitslosenversicherungsbeitrag iS des §5a AMPFG einen die Geringfügigkeitsgrenze überschreitenden Entgeltanspruch hinzudenken, weil nur unter dieser Voraussetzung einerseits die Arbeitslosenversicherungspflicht besteht (und damit eine Reduktion solcher Beiträge überhaupt in Betracht kommt) und andererseits nur ein solches Beschäftigungsverhältnis auch Arbeitslosigkeit beendet (vgl. dazu die Bestimmungen des §12 Abs3 iVm Abs6 lita, c bis e AlVG). Diesfalls wäre für die Dreijahresfrist des §5a Abs2 AMPFG der Beginn des geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses, für den Eintritt des Bonus hingegen der Beginn der Arbeitslosenversicherungspflicht maßgebend.
b) Ebenso möglich ist es aber, unter dem Begriff des "Einstellens" von vornherein nur den Beginn eines auch arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses zu verstehen; dann käme der Begründung eines geringfügig entlohnten Beschäftigungsverhältnisses, welches diesem voranginge, im Zusammenhang mit §5a AMPFG keine wie immer geartete Bedeutung zu.
Nach beiden Auslegungsvarianten gelangt man bei Beurteilung des im Beschwerdefall vorliegenden Sachverhaltes somit zwangsläufig zum selben Ergebnis, nämlich, daß die begünstigenden Rechtsfolgen des §5a AMPFG - bei Vorliegen aller sonstigen Voraussetzungen - mit dem Beginn der Arbeitslosenversicherungspflicht bzw. des arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses eintreten.
6.4.2. Grundlegend verfehlt ist hingegen die Auslegungsvariante der belangten Behörde, der Bonus des §5a AMPFG gehe für ein vollversichertes Beschäftigungsverhältnis (bei Vorliegen aller sonstigen Voraussetzungen) nur deshalb verloren, weil diesem Beschäftigungsverhältnis ein geringfügig entlohntes unmittelbar vorangegangen ist. Dieser Gesetzesauslegung steht nicht nur der Zweck der Norm diametral entgegen, sie bezieht den in der Norm verwendeten Begriff der Einstellung, aber auch den (spätestmöglichen) Zeitpunkt des Eintritts der Begünstigungen ausnahmslos auf den Zeitpunkt des arbeitsrechtlichen Beginns eines (uU wegen geringfügiger Entlohnung nicht von Anfang an der Arbeitslosenversicherungspflicht unterliegenden) Dienstverhältnisses, obwohl die Norm offenkundig nur die Regelung der Beitragsverhältnisse ab dem Beginn eines arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses zum Gegenstand hat. Hätte §5a AMPFG den von der belangten Behörde gewählten Inhalt, so verstieße diese Bestimmung wegen der schematischen, sachlich aber verfehlten Gleichbehandlung geringfügig entlohnter und voll-(und damit auch arbeitslosen-)versicherter Beschäftigungsverhältnisse gegen den Gleichheitssatz.
6.4.3. Die Beschwerdeführerin ist daher durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden; der Bescheid war somit aufzuheben.
7. In den zugesprochenen Kosten ist S 4.500,-- an Umsatzsteuer enthalten. Die Stempelgebühr von S 2.500,-- war nicht zuzusprechen, da gem. §5c AMPFG hinsichtlich der Vorschreibung, Einhebung der Beiträge und Feststellung der Beitragspflicht der örtlich zuständige Krankenversicherungsträger nach dem für die Feststellung der Versicherungspflicht und für die Abfuhr der Dienstgeberbeiträge zur Krankenversicherung maßgebenden Verfahren entscheidet und hierfür gem. §110 ASVG die sachliche Abgabenfreiheit angeordnet ist.
8. Dies konnte gem. §19 Abs4 VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
Arbeitslosenversicherung, Sozialversicherung, VfGH / KostenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2001:B1570.2000Dokumentnummer
JFT_09989774_00B01570_00