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62 Arbeitsmarktverwaltung;Norm
AlVG 1977 §12 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Köller, Dr. Moritz und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des Mag. S in W, vertreten durch Dr. Romana Zeh-Gindl, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 5/10, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 18. Oktober 2002, Zl. LGSW/Abt. 10-AlV/1218/56/2002-9017, betreffend Widerruf von Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 12. August 2002 widerrief das Arbeitsmarktservice Wien Hietzinger Kai den Bezug des Arbeitslosengeldes für den Beschwerdeführer für den Zeitraum 17. Mai 2002 bis 30. Juni 2002 und forderte den Beschwerdeführer zur Rückzahlung des unberechtigt empfangenen Arbeitslosengeldes in der Höhe von EUR 1.639,80 auf. In der Begründung führte die Behörde aus, dass der Beschwerdeführer die Leistung für den angegebenen Zeitraum zu Unrecht bezogen habe, da sein erzieltes Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit die monatliche Geringfügigkeitsgrenze überstiegen habe.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung mit der Begründung, dass keine selbständige Erwerbstätigkeit vorliege. Als selbständiger Architekt habe der Beschwerdeführer noch nie gearbeitet und seine Berufsbefugnis bei der Kammer sei daher ruhend gemeldet. Der Umstand, dass er sich an Wettbewerben beteilige, sei keinesfalls als selbständige Erwerbstätigkeit zu sehen. Erst bei Auftragserteilung und in der Folge Aufrechtmeldung seiner Berufsbefugnis wäre eine solche gegeben. Bisher habe der Beschwerdeführer als Arbeitnehmer oder befristet auf Basis von Werkverträgen für bestimmte Projekte gearbeitet. Seit Beendigung des Werkvertrags mit Architekt H. am 5. April 2002 stehe er weder in einem "selbständigen noch in einem unselbständigen Vertragsverhältnis", habe also weder Dienstvertrag noch Werkvertrag. Auch seine selbständige Berufstätigkeit als Architekt übe er nicht aus.
Die belangte Behörde gab der Berufung mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid teilweise Folge und entschied, dass der Widerruf des Bezuges des Arbeitslosengeldes für den gegenständlichen Zeitraum zu bestätigen sei, eine Rückforderung jedoch nicht erfolge.
In der Begründung hielt die belangte Behörde fest, dass nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes das zeitweilige Nichttätigsein die selbständige Tätigkeit nicht beende. Das Nichtvorliegen von Aufträgen sei einer Beendigung der selbständigen Tätigkeit nicht gleichzuhalten. Der Beschwerdeführer biete seine Leistungen (selbständige Projektleitung) laufend größeren Architekturbüros an. Seine bisherige Tätigkeit sei ebenfalls (ausgenommen drei Jahre im Angestelltenverhältnis) die eines selbständigen Projektleiters gewesen. Darüber hinaus beteilige er sich, wie er selbst in seiner Berufung ausführe, an Wettbewerben. Schon aus den Ausführungen des Beschwerdeführers gehe hervor, dass eine Beendigung seiner selbständigen Tätigkeit nicht erfolgt sei. Hinsichtlich einer weiter gehenden Begründung werde "auf das vorhergehende Berufungsverfahren" (Bescheid vom 30. Juli 2002, Zl. GZ. LGSW/Abt. 10-AlV/1218/56/ 2002-8501; betreffend Abweisung des Antrages des Beschwerdeführers auf Arbeitslosengeld vom 29. April 2002) verwiesen. In diesem Berufungsverfahren war auch festgestellt worden, dass der Beschwerdeführer ausgeführt habe, eine Steuernummer zu haben, sich beim Bodenbereitstellungsfonds und bei allen großen Architekturbüros beworben zu haben, sowie betreffend ein Hochhaus bei der Uno-City in Kürze zu erfahren, ob er die Projektleitung erhalten werde. Der Beschwerdeführer hatte in diesem Verfahren auch angegeben, die Teilnahme an einem Wettbewerb der MA 19 betreffend die Planung einer Schule zu beabsichtigen. Sollte er diesen Auftrag erhalten, müsste er seine Berufsbefugnis aufrecht melden.
Die belangte Behörde kam sohin zu dem Schluss, dass eine durchgehende selbständige Erwerbstätigkeit vorliege und daher zu prüfen sei, ob das Einkommen bzw. der Umsatz über der monatlichen Geringfügigkeitsgrenze liege. Auf Grund der Anspruchsbeurteilung für den Monat Mai seien die Monate Jänner bis Mai 2002 heranzuziehen, für den Monat Juni die Beträge hinsichtlich Jänner bis Juni. Für diesen Zeitraum seien seitens des Beschwerdeführers folgende Beträge (in Euro) angegeben worden:
Monate
Einkommen
Umsatz
Jänner
5.567,27
6.367,20
Februar
3.533,79
5.598,60
März
1.964,65
4.116,00
April
465,85
789,60
Mai
0,00
0,00
Juni
0,00
0,00
Aus diesen Beträgen ergebe sich, dass sowohl das monatliche Durchschnittseinkommen, als auch 11,1 % des Umsatzes über der monatlichen Geringfügigkeitsgrenze lägen. Es liege somit Arbeitslosigkeit im Sinne des § 12 AlVG nicht vor und sei daher der Leistungsanspruch für den gegenständlichen Zeitraum zu widerrufen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 7 Abs. 1 und 2 AlVG in der hier zeitraumbezogen anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 103/2001 ist Voraussetzung für den Anspruch auf Arbeitslosengeld u.a., dass Arbeitslosigkeit vorliegt.
Gemäß § 12 Abs. 3 lit. b AlVG in der hier zeitraumbezogen anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 103/2001 gilt nicht als arbeitslos, wer selbständig erwerbstätig ist. Als arbeitslos gilt jedoch gemäß § 12 Abs. 6 lit. c leg. cit., wer selbständig erwerbstätig ist bzw. selbständig arbeitet und daraus ein Einkommen gemäß § 36a AlVG erzielt oder im Zeitraum der selbständigen Erwerbstätigkeit bzw. der selbständigen Arbeit einen Umsatz gemäß § 36b AlVG erzielt, wenn weder das Einkommen zuzüglich Sozialversicherungsbeiträge, die als Werbungskosten geltend gemacht wurden, noch 11,1 v.H. des Umsatzes die im § 5 Abs. 2 ASVG angeführten Beträge übersteigt.
Einkommen im Sinne des AlVG ist gemäß § 36a Abs. 2 AlVG in der hier zeitraumbezogen anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 47/2001 das Einkommen gemäß § 2 Abs. 2 EStG 1988 in der jeweils geltenden Fassung, zuzüglich den Hinzurechnungen gemäß § 36a Abs. 3 AlVG und dem Pauschalierungsausgleich gemäß § 36a Abs. 4 AlVG. Bei Personen, die zur Einkommensteuer veranlagt werden, ist das Einkommen gemäß § 36a Abs. 5 Z. 1 AlVG durch die Vorlage des Einkommensteuerbescheides für das Kalenderjahr, in dem die Leistung nach diesem Bundesgesetz bezogen wird, und bis zum Vorliegen dieses Bescheides auf Grund einer jeweils monatlich im Nachhinein abzugebenden Erklärung des selbständig Erwerbstätigen und geeigneter Nachweise nachzuweisen. Gemäß § 36a Abs. 7 leg. cit. gilt als monatliches Einkommen bei durchgehender selbständiger Erwerbstätigkeit ein Zwölftel des sich ergebenden Jahreseinkommens, bei nur vorübergehender selbständiger Erwerbstätigkeit das anteilsmäßige Einkommen in den Monaten, in denen selbständige Erwerbstätigkeit vorlag. Bis zum Vorliegen des Einkommensteuerbescheides für das betreffende Kalenderjahr ist das Einkommen in einem bestimmten Kalendermonat jeweils durch Zusammenrechnung des für diesen Kalendermonat nachgewiesenen Einkommens mit den für frühere Kalendermonate des selben Kalenderjahres nachgewiesenen Einkommen geteilt durch die Anzahl der Monate im Kalenderjahr, für die eine Einkommenserklärung vorliegt, zu ermitteln.
Der Beschwerdeführer bestreitet in seiner Beschwerde, nach Beendigung des Werkvertrages mit dem Architekten H. mit 5. April 2002 weiterhin selbständig tätig gewesen zu sein. Er habe kein wie immer geartetes Vertragsverhältnis; auch sei seine Berufsbefugnis als Architekt ruhend gemeldet. Allein die Tatsache, dass er an Wettbewerben teilnehme, könne keinesfalls als selbständige Erwerbstätigkeit angesehen werden.
Diesem Vorbringen ist zunächst entgegenzuhalten, dass das Fehlen einer allenfalls für die Ausübung der Tätigkeit erforderlichen gewerbe- oder berufsrechtlichen Genehmigung der Beurteilung dieser Tätigkeit als einer selbständigen Erwerbstätigkeit nicht entgegensteht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. September 1994, Zl. 93/08/0202, mit zahlreichen weiteren Hinweisen). Auf die Befugnis als Architekt kann es zudem im vorliegenden Fall schon deshalb nicht ankommen, weil der Beschwerdeführer nach eigenen Angaben noch nie als selbständiger Architekt gearbeitet hat, also offenbar davon ausging, dass für die von ihm unstrittig (zumindest bis zum 5. April 2002) ausgeübte selbständige Erwerbstätigkeit eine aufrechte Befugnis als Architekt nicht erforderlich war. Dem entspricht auch, dass die "Ruhendmeldung" der Berufsbefugnis in keinem zeitlichen Zusammenhang mit der Beendigung des Werkvertrages mit H. stand; vielmehr hat der Beschwerdeführer diese Befugnis noch nie aktiv ausgeübt.
Wie sich aus den im Verwaltungsverfahren vom Beschwerdeführer vorgelegten Erklärungen über das Bruttoeinkommen und den Umsatz ergibt, hat er angegeben, seit 1995 selbständig erwerbstätig zu sein; für die hier verfahrenswesentlichen Monate Mai und Juni 2002 hat er angegeben, aus der selbständigen Tätigkeit keinen Umsatz getätigt und kein Einkommen erzielt zu haben.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z.B. das bereits zitierte Erkenntnis vom 30. September 1994, Zl. 93/08/0202, mit zahlreichen weiteren Hinweisen) ist selbständige Erwerbstätigkeit der Inbegriff der in persönlicher und wirtschaftlicher Unabhängigkeit verrichteten Arbeitsleistungen, die die Schaffung von Einkünften in Geld oder sonstigen Gütern bezwecken. Hiebei ist es rechtlich belanglos, ob dieser Zweck regelmäßig erfüllt und in welchem Ausmaß er erreicht wird.
Unsicherheit der Auftragslage und die Inanspruchnahme nach Bedarf sind geradezu typisch für eine selbständige Erwerbstätigkeit, die dadurch charakterisiert ist, dass der Erwerbstätige seine Leistungen auf dem Markt für solche Leistungen anbietet. Bei der selbständigen Erwerbstätigkeit kommt es nicht jeweils auf das einzelne Umsatzgeschäft, sondern darauf an, ob diese Tätigkeit in der Absicht, sie bei sich bietender Gelegenheit zu wiederholen und zu einer ständigen Erwerbsquelle zu machen, nachhaltig verrichtet wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. April 2003, Zl. 2001/08/0172).
Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer auch nach Beendigung des Werkvertrages mit H. seine Leistungen als selbständiger Projektleiter weiterhin auf dem betreffenden Markt angeboten; wie sich auch aus der Niederschrift vor der belangten Behörde vom 3. Juli 2002 ergibt, stand er im Hinblick auf ein konkretes Hochhausprojekt in Verhandlungen über eine Auftragserteilung. Auch hat der Beschwerdeführer (weiter) an Wettbewerben teilgenommen, wobei er selbst darauf verweist, dass Ziel der Beteiligung bei vielen Wettbewerben die Erlangung eines Preises sei; natürlich sei aber auch eine Auftragserteilung nach Erlangung eines Preises möglich. Eine im Zusammenhang mit einer bereits ausgeübten selbständigen Tätigkeit erfolgende Beteiligung an Wettbewerben kann aber nicht, wie dies der Beschwerdeführer meint, mit der Absendung von Bewerbungsschreiben eines unselbständig Erwerbstätigen gleichgesetzt werden, sondern dient - neben dem Ziel, allenfalls durch ein Preisgeld eine Honorierung der Leistung zu erreichen - vor allem der Akquisition von Aufträgen, wie sie für eine selbständige Erwerbstätigkeit typisch ist. Der Beschwerdeführer hat damit die im Rahmen der selbständigen Erwerbstätigkeit beabsichtigten Leistungen auch im hier verfahrensgegenständlichen Zeitraum weiterhin nach außen zu Tage tretend zumindest angeboten (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 27. April 1993, Zl. 92/08/0260).
Vor diesem Hintergrund kann der belangten Behörde nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie von einer andauernden selbständigen Erwerbstätigkeit des Beschwerdeführers für die Monate Mai und Juni 2002 ausgegangen ist.
Schließlich irrt der Beschwerdeführer auch in der Annahme, die Einkommensermittlung sei von der belangten Behörde unrichtig durchgeführt worden. Dem vom Beschwerdeführer selbst zitierten § 36a Abs. 5 i.V.m. Abs. 7 AlVG ist eindeutig zu entnehmen, dass bis zum Vorliegen des Einkommensteuerbescheides für das betreffende Kalenderjahr das Einkommen in einem bestimmten Kalendermonat jeweils durch Zusammenrechnung des für diesen Kalendermonat nachgewiesenen Einkommens mit den für frühere Kalendermonate des selben Kalenderjahres nachgewiesenen Einkommen geteilt durch die Anzahl der Monate im Kalenderjahr, für die eine Einkommenserklärung vorliegt, zu ermitteln ist.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 22. September 2004
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2003080047.X00Im RIS seit
29.10.2004