TE Vfgh Erkenntnis 2001/2/26 B1103/99

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Veröffentlicht am 26.02.2001
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Index

L7 Wirtschaftsrecht
L7200 Beschaffung, Vergabe

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art83 Abs2
Wr LandesvergabeG §47
Wr LandesvergabeG §99, §100

Leitsatz

Keine Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch Zurückweisung von Anträgen der Beschwerdeführerin auf Nachprüfung der Ausscheidung ihres Angebotes und auf Erlassung einstweiliger Verfügungen; keine Zuständigkeit der belangten Behörde zur Fällung einer meritorischen Entscheidung in diesen Fragen nach Erteilung des Zuschlags; Hinweis auf die Bestimmung im Wiener Landesvergaberecht hinsichtlich des Ausschlusses der Erlassung einstweiliger Verfügungen bei Zuschlagserteilung kein tragender Begründungsteil; ausreichende Bescheidbegründung

Spruch

Die beschwerdeführende Gesellschaft ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetztlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1. Die Stadt Wien hat im Juni 1994 einen Baubetreuungsvertrag mit der Gemeinnützigen Wohnungs- und Siedlungsgenossenschaft "Siedlungs-Union" reg.GenbH (in der Folge: "Siedlungs-Union") geschlossen, mit dem diese beauftragt wurde, in einer städtischen Wohnhausanlage in Wien 21. näher bezeichnete Erhaltungs- und Verbesserungsarbeiten im eigenen Namen aber auf Rechnung der Stadt Wien treuhändig abzuwickeln. Diese Arbeiten umfaßten im wesentlichen die Erneuerung von allgemeinen Teilen des Hauses und Verbesserungen (Standardanhebungen) in Mietobjekten, unter besonderer Berücksichtigung der Mietermitwirkung bei diesen Maßnahmen. In Entsprechung dieses Baubetreuungsvertrages hat die "Siedlungs-Union" im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften sowie im Amtsblatt der Stadt Wien die Herstellung, Lieferung und Montage von Holz-Alu- bzw. Alufensterelementen ausgeschrieben. Neben acht weiteren Bewerbern hat sich an der Ausschreibung auch die beschwerdeführende Gesellschaft beteiligt. Die Angebotsöffnung erfolgte am 9. Februar 1999.

Mit Schreiben vom 1. März 1999 teilte die "Siedlungs-Union" mit, daß die beschwerdeführende Gesellschaft unter Einbeziehung der angebotenen Kosten für einen Wartungsvertrag nicht Bestbieterin sei, zumal die Leistungsbeschreibung ausdrücklich vorsehe, daß der "beiliegende Wartungsvertrag ein verbindlicher Vertragsbestandteil ist". "Zur Beurteilung der Angebote werde der Gesamtpreis (Neuherstellung und Wartungsvertrag) herangezogen." Die vergebende Stelle verwies in diesem Schreiben an die beschwerdeführende Gesellschaft zudem darauf, daß die von ihr in einem Begleitschreiben vom 8. Februar 1999 angeführten einseitigen Vertragsänderungen nicht akzeptiert werden würden. Diese Bedingungen würden das Angebot der beschwerdeführenden Gesellschaft derart verteuern, daß sie auch ohne Berücksichtigung der Kosten für den Wartungsvertrag nicht mehr als Bestbieterin anzusehen wäre.

Mit Schreiben vom 15. März 1999 wandte sich die beschwerdeführende Gesellschaft sowohl an die MA 17 als auch an die vergebende Stelle "Siedlungs-Union" und verwies darauf, daß die Öffnung und Verlesung der Angebote verspätet erfolgt sei, die Wartungsverträge als "verbindlicher Vertragsbestandteil" nicht mitverlesen worden seien und nach Abschluß der Öffnung der Angebote diese nicht ordnungsgemäß verwahrt worden seien. Diese Vorgänge verstießen gegen §43 Abs3 Wiener Landesvergabegesetz (Wr.LVergG), weshalb die beschwerdeführende Gesellschaft die Antragsgegnerin aufforderte, die Rechtswidrigkeiten zu beheben. Für den Fall der Nichtbehebung wurde von der beschwerdeführenden Gesellschaft angekündigt, daß ein Antrag auf Nachprüfung im Sinne des Wr.LVergG gestellt werden würde.

Mit Schreiben vom 23. März 1999 teilte die vergebende Stelle "Siedlungs-Union" der beschwerdeführenden Gesellschaft mit, daß ihr Angebot nach §47 Z8 Wr.LVergG auszuscheiden gewesen sei, weil in einem Begleitschreiben zum Anbot in mehreren Positionen wesentliche, von den Ausschreibungsunterlagen abweichende Bedingungen gestellt worden seien. Durch diese eigenmächtigen Abweichungen hätte die beschwerdeführende Gesellschaft ein der Ausschreibung nicht entsprechendes Angebot abgegeben.

Die beschwerdeführende Gesellschaft stellte am 29. März 1999 beim Landesvergabekontrollsenat beim Amt der Wr. Landesregierung (in der Folge: VKS) Anträge auf Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens vor Zuschlagserteilung, auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung sowie einen Eventualantrag auf Feststellung, daß durch die Nichtverlesung der Wartungsverträge das Wr.LVergG verletzt und durch die Ausscheidung des Angebotes der beschwerdeführenden Gesellschaft der Zuschlag nicht dem Bestbieter erteilt worden sei.

Mit Bescheid vom 10. Mai 1999, ZVKS - E75/99, wies der VKS den Antrag auf Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens vor Zuschlagserteilung und Nichtigerklärung der Entscheidungen, wesentliche Daten der Wartungsverträge nicht zu verlesen und das Angebot der beschwerdeführenden Gesellschaft auszuscheiden, für nichtig zu erklären, ebenso zurück wie den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung (Spruchpunkt 1). Der Antrag festzustellen, daß durch die Nichtverlesung der Wartungsverträge und durch die Ausscheidung des Angebotes der beschwerdeführenden Gesellschaft dieser nicht der Zuschlag als Bestbieterin erteilt wurde, wurde abgewiesen (Spruchpunkt 2).

2. a) Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.

b) Der VKS legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der er den Beschwerdebehauptungen entgegentrat und die Abweisung der Beschwerde beantragte.

3. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

a) Die beschwerdeführende Gesellschaft wirft der belangten Behörde vor, durch die Zurückweisung ihres Nachprüfungsantrags ihr verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt zu haben, führt in ihrer Beschwerde aber nicht aus, worin sie diese Verletzung in concreto erblickt. Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt oder in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt (zB VfSlg. 9696/1983), etwa indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg. 10.374/1985, 11.405/1987, 13.380/1993). In ihren Beschwerdeausführungen weist die beschwerdeführende Gesellschaft selbst zutreffend darauf hin, daß im gegenständlichen Vergabeverfahren am 12. April 1999 der Zuschlag an einen anderen Bieter erteilt wurde. Da der VKS erst nach diesem Zeitpunkt - mit Spruchpunkt 1 des bekämpften Bescheides vom 10. Mai 1999 - über den Antrag der beschwerdeführenden Gesellschaft auf Nichtigerklärung der bekämpften Entscheidungen sowie über den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung entschieden hat, war es ihm aufgrund des §99 Abs1 Z1 Wr.LVergG verwehrt, über die Anträge meritorisch zu entscheiden. Mangels Zuständigkeit erfolgte die Zurückweisung der Anträge sohin zu Recht. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, daß der VKS nach Einlangen des Nachprüfungsantrages nicht unverzüglich über den unter einem gestellten Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung erwogen hat. Auch trägt der von der belangten Behörde ins Treffen geführte Begründungszusatz, wonach auch die Bestimmung des §100 Abs2 Wr.LVergG einer positiven Erledigung des Antrags entgegengestanden wäre, da diese Bestimmung in der hier maßgeblichen Fassung ausdrücklich die Zuschlagserteilung vom Anwendungsbereich einer einstweiligen Verfügung ausnahm, die bekämpfte Entscheidung nicht: Wäre nur diese Bestimmung der Erlassung einer einstweiligen Verfügung hindernd entgegengestanden, so hätte sich der VKS der Frage ihrer Gemeinschaftsrechtskonformität stellen müssen: Angesichts der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache C-81/98, Alcatel Austria AG ua., Slg. 1999, I-7671, kann nicht nur kein Zweifel daran bestehen, daß eine nationale Regelung einer Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung nicht entgegenstehen darf; aus ihr ist auch zu schließen, daß eine Regelung, die einem möglichen Aufschub der Zuschlagserteilung mittels einstweiliger Anordnung entgegensteht, gemeinschaftsrechtskonform zu interpretieren ist bzw. unangewendet bleiben muß.

Da die Zurückweisung im Ergebnis aber zutreffend erfolgt ist, hat eine Verletzung der beschwerdeführenden Gesellschaft im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nicht stattgefunden.

b) Sub titulo der Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz wendet sich die beschwerdeführende Gesellschaft zudem gegen Spruchpunkt 2 des angefochtenen Bescheides, durch den der Antrag der beschwerdeführenden Gesellschaft festzustellen, daß durch die Nichtverlesung der Wartungsverträge und durch die Ausscheidung des Angebotes der Antragstellerin dieser als Bestbieterin nicht der Zuschlag erteilt worden war, abgewiesen wurde.

Mit den von der Beschwerde erhobenen Vorwürfen werden keine in die Verfassungssphäre reichende Fehler geltend gemacht; von einer verfassungswidrigen Gesetzesanwendung kann keine Rede sein: Die Behörde hat ihre Entscheidung - wie aus dem Bescheid hervorgeht - plausibel und nachvollziehbar begründet. Sie hat die Entscheidung weder leichtfertig getroffen noch sonst Willkür geübt. Vielmehr hat der VKS sorgfältig begründet, warum trotz der festgestellten rechtswidrigen Nichtverlesung der Wartungsverträge dem Begehren der beschwerdeführenden Gesellschaft auf Treffen der beantragten Feststellungen im Ergebnis nicht stattgegeben werden konnte, und eingehend dargelegt, warum die Ausscheidung des Angebotes der Antragstellerin gemäß §47 Wr.LVergG zu Recht erfolgt sei.

Angesichts des Umstandes, daß die beschwerdeführende Gesellschaft keinen Antrag auf Nichtigerklärung der Zuschlagserteilung vor dem VKS gestellt hatte, erübrigt sich ein Eingehen auf das diesbezügliche Beschwerdevorbringen; lediglich von theoretischer Relevanz sind auch jene Ausführungen in der Beschwerde, die die Bekämpfbarkeit des Widerrufs eines Vergabeverfahrens erläutern: Denn weder erfolgte im zugrundeliegenden Vergabeverfahren ein Widerruf, noch wurde beantragt, einen solchen auszusprechen oder gar einen erfolgten Widerruf für nichtig zu erklären.

Der bekämpfte Bescheid ist aus den angeführten Gründen verfassungsrechtlich unbedenklich. Ob er in jeder Hinsicht rechtsrichtig ist, hat der Verfassungsgerichtshof ungeachtet des Umstandes, daß gegen den bekämpften Bescheid eine Verwaltungsgerichtshofsbeschwerde nicht in Betracht kommt, nicht zu prüfen (vgl. zB VfSlg. 10.565/1985, 15.314/1998, VfGH 28.2.2000, B2184/98).

c) Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.

Da das Verfahren auch nicht ergeben hat, daß die beschwerdeführende Gesellschaft in von ihr nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt wurde, war die Beschwerde abzuweisen.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Auslegung eines Bescheides, Behördenzuständigkeit, Bescheid Begründung, EU-Recht, Rechtsschutz, Vergabewesen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2001:B1103.1999

Dokumentnummer

JFT_09989774_99B01103_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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