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19/05 Menschenrechte;Norm
FrG 1997 §35;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde der J, geboren 1978, vertreten durch Dr. Wolfgang Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 12/1/27, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 17. August 2004, Zl. SD 775/04, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 17. August 2004 wurde gegen die Beschwerdeführerin, eine jugoslawische Staatsangehörige, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.
Die Beschwerdeführerin sei laut ihren Angaben seit 1991 im Bundesgebiet aufhältig, habe jedoch erst seit 7. Februar 1992 über Aufenthaltstitel verfügt. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 23. Jänner 2002 sei über sie nach den §§ 146, 147 Abs. 2, § 148 StGB eine bedingte Freiheitsstrafe von 14 Monaten rechtskräftig verhängt worden, weil sie in der Zeit von 9. April 1999 bis 26. August 1999 56 preisgestützte Mobiltelefone bei einem Mobilnetzbetreiber unter gleichzeitigem Abschluss von Verträgen mit einer Mindestvertragsdauer von zwölf Monaten erworben habe, ohne die vereinbarte Grundgebühr oder anfallenden Gesprächs- bzw. Freischaltgebühren zu begleichen. Vielmehr seien die Telefone angeschafft worden, um sie an einige wenige Verwandte in Jugoslawien zu verschenken bzw. den Großteil der Geräte in Jugoslawien zu verkaufen. Durch die wiederkehrende Begehung solcher Straftaten habe sie sich eine fortlaufende Einnahme verschaffen wollen. Der bei dem Mobilnetzbetreiber verursachte Schaden habe etwa ATS 173.000,-- betragen. Mit demselben Urteil seien auch die Schwester, die Mutter und der Großvater der Beschwerdeführerin wegen gleichartiger Betrügereien rechtskräftig verurteilt worden.
Am 25. Jänner 2002 sei die Beschwerdeführerin vom Landesgericht für Strafsachen Wien ebenfalls nach den §§ 146, 147 Abs. 2, § 148 erster Fall StGB zu einer Zusatzstrafe von vier Monaten bedingt rechtskräftig verurteilt worden, weil sie von Februar 2001 bis August 2001 bei einem Versandhaus in zehn Fällen Waren im Gesamtwert von fast ATS 52.000,-- betrügerisch bestellt, dabei verschiedene Namen und Adressen geführt und die so erlangten Waren nie bezahlt habe.
Auch wenn beide Verurteilungen als Einheit zu sehen seien, sei zweifelsfrei der in § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG normierte Sachverhalt verwirklicht.
Die Voraussetzungen zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes seien - vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 37 und 38 leg. cit. -
im Grund des § 36 Abs. 1 leg. cit. gegeben.
Die Beschwerdeführerin sei ledig und für drei Kinder sorgepflichtig und gehe seit 17. Juni 2004 einer Beschäftigung nach. Weitere familiäre Bindungen bestünden zu ihrer Schwester, gegen die mit Bescheid vom 17. August 2004 ebenfalls ein Aufenthaltsverbot habe erlassen werden müssen, zwei weiteren Geschwistern und ihrer Mutter, mit denen die Beschwerdeführerin jedoch nicht im gemeinsamen Haushalt lebe. Zweifelsfrei sei zwar von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin auszugehen gewesen, dieser Eingriff erscheine jedoch zulässig, weil er zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier: zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen und zum Schutz des Eigentums und Vermögens Dritter - dringend geboten sei. Den genannten Urteilen liege eine Unzahl von einzelnen Tathandlungen zu Grunde, die recht eindrücklich die geringe Verbundenheit der Beschwerdeführerin mit den in Österreich geltenden Rechtsvorschriften erkennen ließen. Ihre Behauptung, sie wäre von ihrem zwischenzeitig verstorbenen Mann zur Begehung der strafbaren Handlungen angestiftet worden, erweise sich als aktenwidrig. Sie scheine nämlich in all ihren beim Amt der Wiener Landesregierung und der Bundespolizeidirektion Wien (der Erstbehörde) eingebrachten Anträgen sowie in den Gerichtsurteilen als ledig auf, von einer Anstiftung sei in den Gerichtsurteilen nichts zu lesen. Die Vielzahl der einzelnen Straftaten unter Berücksichtigung des Umstandes, dass sie gewerbsmäßig, das heißt zur Erzielung einer fortlaufenden Einnahme, über einen längeren Zeitraum hinweg vorgegangen sei, lasse eine zu ihren Gunsten ausfallende Verhaltensprognose nicht zu. Es könne daher kein Zweifel bestehen, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes dringend geboten und sohin im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG zulässig sei.
Bei der gemäß § 37 Abs. 2 leg. cit. durchzuführenden Interessenabwägung sei zunächst auf die aus der Dauer ihres inländischen Aufenthaltes ableitbare Integration Bedacht zu nehmen gewesen. Diese erweise sich zwar keinesfalls als gering, es sei jedoch zu bedenken gewesen, dass die einer jeglichen Integration zu Grunde liegende soziale Komponente durch das schwerwiegende wiederholte strafbare Verhalten der Beschwerdeführerin entsprechend an Gewicht gemindert werde. Als zweifelsfrei erheblich erwiesen sich ihre familiären Bindungen, insbesondere zu ihren Kindern. Diese verfügten bis zuletzt über ein Aufenthaltsrecht, dass sich von dem der Mutter herleite. Unüberwindliche Hindernisse, die einer gemeinsamen Ausreise der Beschwerdeführerin mit ihren Kindern entgegenstünden, seien nicht erkennbar gewesen und nicht geltend gemacht worden. Dass die Schwester, die Mutter und der Großvater der Beschwerdeführerin wegen gleichartiger strafbarer Handlungen ebenfalls nicht geringfügig verurteilt worden seien, lasse die auf ihr Familienleben bezogene soziale Integration als deutlich relativiert erscheinen. Diesem zwar insgesamt sehr gewichtigen, in einem entscheidenden Punkt jedoch deutlich relativierten und sohin keinesfalls besonders ausgeprägten privaten Interesse der Beschwerdeführerin sei das maßgebliche öffentliche Interesse an der Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen und am Schutz des Eigentums und Vermögens Dritter gegenübergestanden. Die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin wögen nicht schwerer als das in ihrem Fehlverhalten gegründete große öffentliche Interesse am Verlassen des Bundesgebietes. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes erweise sich daher auch im Sinn des § 37 Abs. 2 FrG als zulässig. Dass die Beschwerdeführerin den Kontakt zu ihren Familienangehörigen - wenn auch eingeschränkt - nur vom Ausland aus wahrnehmen könne, sei berücksichtigt worden, stelle jedoch einen Umstand dar, den sie im öffentlichen Interesse hinzunehmen haben werde.
Ein Sachverhalt gemäß § 38 FrG liege nicht vor. Die Beschwerdeführerin sei erst seit 7. Februar 1992 rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen und seit 4. Februar 1992 gemeldet und habe ab 5. Februar 1992 in Wien die Schule besucht. Bei Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes sei sie gerade sieben Jahre in Österreich rechtmäßig niedergelassen gewesen.
Mangels sonstiger, besonders zu ihren Gunsten sprechender Umstände habe keine Veranlassung bestanden, von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Rahmen des der belangten Behörde zustehenden Ermessens Abstand zu nehmen.
Was die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes, das von der Erstbehörde unbefristet erlassen worden sei, betreffe, so habe sich die belangte Behörde veranlasst gesehen, dieses mit nunmehr zehn Jahren zu befristen. Angesichts des dargestellten Gesamt(fehl)verhaltens der Beschwerdeführerin einerseits und ihrer privaten und familiären Lebenssituation andererseits könne vor Ablauf dieser Frist jedoch nicht erwartet werden, dass die für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Gründe weggefallen sein würden.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. In Anbetracht der - zueinander im Verhältnis der §§ 31 und 40 StGB stehenden - unbestrittenen Verurteilungen der Beschwerdeführerin zu bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafen von zusammen 18 Monaten begegnet die - unbekämpfte - Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG verwirklicht sei, keinen Bedenken.
2. Die Beschwerde bringt vor, dass sich die Beschwerdeführerin seit Februar 1992 legal in Österreich aufhalte und hier ihre Mutter und ihre drei Kinder im Alter von fünf, sieben und neun Jahren lebten, weshalb von einer Aufenthaltsverfestigung auszugehen sei. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass die insgesamt verhängte Freiheitsstrafe für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen worden sei, die nahezu abgelaufen sei, und sich die Beschwerdeführerin weder früher noch danach irgendeiner strafbaren Handlung schuldig gemacht habe. Auch sei zu berücksichtigen, dass die strafbaren Handlungen nunmehr doch bereits fünf Jahre zurücklägen und sie zwischenzeitig einer Beschäftigung nachgehe.
3. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
3.1. Den genannten Verurteilungen der Beschwerdeführerin liegt nach den unbestrittenen Feststellungen der belangten Behörde zu Grunde, dass sie in der Zeit von 9. April 1999 bis 26. August 1999 56 preisgestützte Mobiltelefone bei einem Mobilnetzbetreiber erwarb, ohne die vereinbarte Grundgebühr oder anfallende Gesprächs- bzw. Freischaltgebühren zu begleichen, um sie an einige wenige Verwandte zu verschenken bzw. den Großteil der Geräte in Jugoslawien zu verkaufen. Durch diese gewerbsmäßig verübten Betrügereien verursachte die Beschwerdeführerin einen Schaden von etwa ATS 173.000,--. Darüber hinaus verübte sie weitere gleichartige Straftaten, indem sie von Februar 2001 bis August 2001 bei einem Versandhaus in zehn Fällen Waren im Gesamtwert von fast ATS 52.000,-- betrügerisch bestellte, wobei sie verschiedene Namen und Adressen führte, und die so erlangten Waren nie bezahlte.
Entgegen der Beschwerdeansicht lagen bei Erlassung des angefochtenen Bescheides diese einschlägigen Straftaten der Beschwerdeführerin noch nicht so lange zurück, um von einem Wegfall oder doch einer wesentlichen Minderung der von der Beschwerdeführerin ausgehenden Gefahr für das Vermögen anderer Personen ausgehen zu können. Im Hinblick darauf begegnet die Auffassung der belangten Behörde, dass die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, keinem Einwand, besteht doch ein großes öffentliches Interesse an der Verhinderung der Eigentumskriminalität (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 31. März 2004, Zl. 2000/18/0224, mwN).
3.2. Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 1 und 2 FrG hat die belangte Behörde den langjährigen, seit 1992 rechtmäßigen inländischen Aufenthalt der Beschwerdeführerin und ihre Bindungen zu ihren Kindern, ihrer Mutter, ihrem Großvater und ihrer Schwester sowie ihre Beschäftigung seit 17. Juni 2004 berücksichtigt und zutreffend einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen relevanten Eingriff in ihr Privat- und Familienleben angenommen. Wenn die belangte Behörde dennoch angesichts der Vielzahl der Straftaten der Beschwerdeführerin die Erlassung dieser Maßnahme im Licht des § 37 Abs. 1 FrG für zulässig, weil dringend geboten, erachtet hat, so ist dies in Ansehung des in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten bedeutenden öffentlichen Interesses an der Verhinderung strafbarer Handlungen und am Schutz der Rechte anderer nicht als rechtswidrig zu erkennen.
Unter Zugrundelegung dieses maßgeblichen öffentlichen Interesses an der Beendigung des Aufenthalts der Beschwerdeführerin erweist sich auch das Ergebnis der von der belangten Behörde gemäß § 37 Abs. 2 FrG vorgenommenen Abwägung als unbedenklich. Wenngleich die für einen Verbleib in Österreich sprechenden persönlichen Interessen beträchtlich sind, kommt diesen jedenfalls kein größeres Gewicht zu als dem durch ihr Fehlverhalten nachhaltig gefährdeten Allgemeininteresse, hat sie doch über einen verhältnismäßig langen Zeitraum (zusammen rund zehn Monate) in zahlreichen Angriffen gewerbsmäßig, das heißt in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung der strafbaren Handlungen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (§ 70 StGB), Betrügereien verübt.
Dem Einwand der Beschwerdeführerin, dass in Österreich ihre Mutter und ihre drei Kinder im Alter von fünf, sieben und neun Jahren lebten, ist zu erwidern, dass sich weder aus dem weiteren Beschwerdevorbringen noch dem angefochtenen Bescheid Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die minderjährigen Kinder der Beschwerdeführerin, die - was die Beschwerde nicht in Abrede stellt - ihr Aufenthaltsrecht von ihr ableiten, sie nicht ins Ausland begleiten könnten. Ferner kann der Kontakt der Beschwerdeführerin zu ihrer Mutter, mit der sie nicht im gemeinsamen Haushalt lebt und die wegen gleichartiger strafbarer Handlungen ebenso strafgerichtlich verurteilt wurde, dadurch - wenn auch eingeschränkt - aufrechterhalten werden, dass sie von dieser im Ausland besucht wird.
Die Auffassung der belangten Behörde, dass § 37 Abs. 1 und 2 FrG der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht entgegenstehe, begegnet daher keinen Bedenken.
3.3. Da die gegenständlichen Straftaten von der Beschwerdeführerin beginnend in der Zeit ab 9. April 1999 verübt wurden und sie zu diesem Zeitpunkt erst rund sieben Jahre und zwei Monate rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig war, kann auch keine Rede davon sein, dass eine Aufenthaltsverfestigung (vgl. dazu §§ 35 und 38 FrG) hinsichtlich der Beschwerdeführerin eingetreten sei.
4. Da somit der bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 28. September 2004
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2004180269.X00Im RIS seit
22.10.2004