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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §13 Abs5;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, über den Antrag der TP in G, vertreten durch Saxinger Chalupsky Weber und Partner Rechtsanwälte GmbH in Wels, Bauernstraße 9, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 28. Juli 2000, RV 820/1-8/2000, betreffend Familienbeihilfe für die Zeit ab Oktober 1999, den Beschluss gefasst:
Spruch
Gemäß § 46 VwGG wird dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand Folge gegeben.
Begründung
Der Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 28. Juli 2000, RV 820/1-8/2000, betreffend Familienbeihilfe wurde der Antragstellerin am 2. August 2000 zugestellt. Die sechswöchige Beschwerdefrist endete daher am 13. September 2000.
Am 13. September 2000 nach 15 Uhr wurde beim Verwaltungsgerichtshof per Telefax der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Einbringung einer Verwaltungsgerichthofsbeschwerde gegen diesen Bescheid eingebracht.
Nach der mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Dezember 2000, VH 2000/14/0003, erfolgten Bewilligung der Verfahrenshilfe wurde gegen den angefochtenen Bescheid am 11. März 2001 Beschwerde erhoben.
Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. März 2004, 2001/14/0036 (zugestellt am 18. April 2004), wurde die Beschwerde zurückgewiesen. Die Einlaufstelle des Verwaltungsgerichtshofes sei Montag bis Freitag in der Zeit von 08.00 Uhr bis 15.00 Uhr geöffnet. Der mit Telefax beim Verwaltungsgerichtshof am 13. September 2000 nach den Amtsstunden eingebrachte Verfahrenshilfeantrag gelte daher - nach der seinerzeit anzuwendenden Rechtslage des § 13 Abs 5 AVG in der Fassung vor der (erst am 1. Jänner 2002 in Kraft getretenen) Novelle BGBl I 137/2001 - erst mit dem Wiederbeginn der Amtsstunden am 14. September 2000 als beim Verwaltungsgerichtshof eingelangt. Stelle eine Partei innerhalb der Frist zur Erhebung der Verwaltungsgerichtshofsbeschwerde den Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe, so beginne gemäß § 26 Abs 3 VwGG für sie die Frist zur Erhebung der Beschwerde mit der Zustellung des Bescheides über die Bestellung des Rechtsanwaltes an diesen. Diese Regelung über den Beginn der Beschwerdefrist sei aber nur dann anzuwenden, wenn die Partei die Bewilligung der Verfahrenshilfe innerhalb der Frist zur Erhebung der Beschwerde beantragt habe. Ein verspätet gestellter Verfahrenshilfeantrag habe zur Folge, dass die Beschwerde außerhalb der dem Beschwerdeführer zur Verfügung stehenden Frist eingebracht sei.
Mit der am 28. April 2004 eingebrachten Eingabe begehrt die Antragstellerin die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Sie sei im Hinblick auf die unklare Rechtslage davon ausgegangen, dass die Einbringung des Verfahrenshilfeantrages am letzten Tag der Beschwerdefrist per Telefax rechtzeitig sei. Sie habe als juristisch nicht gebildete Person nicht erkannt, dass mit der von ihr gewählten Art der Einbringung des Antrages die Frist nicht gewahrt sei. Es sei seinerzeit keineswegs "klar" gewesen, dass für die Einbringung per Telefax andere Regeln zu beachten seien als für die Einbringung per Post.
§ 46 Abs 1 VwGG lautet:
"Wenn eine Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt."
Als "Ereignis" im Sinn der vorgenannten Bestimmung kommt jegliches Geschehen, ohne Beschränkung auf Vorgänge in der Außenwelt, in Betracht. Auch ein Rechtsirrtum kann ein maßgebliches "Ereignis" darstellen (vgl das hg Erkenntnis vom 30. April 2003, 2001/03/0183).
Während der Verwaltungsgerichtshof zu § 13 Abs 5 AVG in der Fassung vor der Novelle BGBl I 137/2001 die Rechtsauffassung vertritt, eine Eingabe mittels Telefax müsse, um als rechtzeitig zu gelten, innerhalb der Amtsstunden des letzten Tages der Frist eingebracht werden (vgl etwa den hg Beschluss vom 15. März 2001, 2001/16/0144), ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes die Frist gewahrt, wenn die Eingabe mittels Telefax bis zum Ablauf des letzten Tages der Frist (24.00 Uhr) - durch "erfolgreiches Übersenden" des Telefax - der Behörde übermittelt wird (vgl etwa das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 26. Juni 2000, B 460/00). Im Hinblick auf diese Judikaturdivergenz in der Rechtsprechung der Höchstgerichte musste die - nicht durch einen Anwalt vertretene - Antragstellerin nicht in einer Weise damit rechnen, mit einer Telefaxeingabe am letzten Tag der Beschwerdefrist nach 15 Uhr die Beschwerdefrist nicht zu wahren, dass ihr ein den minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden vorzuwerfen wäre.
Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist war daher gemäß § 46 VwGG stattzugeben.
Wien, am 28. September 2004
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2004140039.X00Im RIS seit
23.11.2004Zuletzt aktualisiert am
21.08.2012