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19/05 Menschenrechte;Norm
AsylG 1997 §21;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des M, geboren 1973, vertreten durch Dr. Herbert Kaspar, Rechtsanwalt in 1120 Wien, Wilhelmstraße 54, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 12. Juni 2001, Zl. SD 67/01, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
De Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 12. Juni 2001 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen der Republik Guinea-Bissau, gemäß § 36 Abs. 1 Z. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.
Der Beschwerdeführer sei am 18. April 1999 illegal nach Österreich eingereist und habe am folgenden Tag einen Asylantrag gestellt. Er verfüge über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz.
Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 28. Juli 1999 sei er gemäß § 15 StGB, § 27 Abs. 2 Z. 2 SMG, § 15 und § 269 Abs. 1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Er habe im Juni 1999 anderen Personen gewerbsmäßig Suchtgift zu überlassen versucht, indem er drei Kugeln mit je 0,1 Gramm Kokain für den Weiterverkauf bereitgehalten habe. Er habe einen Sicherheitswachebeamten mit Gewalt an einer Amtshandlung gegen seine Person zu hindern versucht. Sein Aufenthalt gefährde die öffentliche Ordnung und Sicherheit im Sinn des § 36 Abs. 1 FrG. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes sei auch dann zulässig, wenn triftige Gründe vorliegen würden, die zwar nicht die Voraussetzungen der im § 36 Abs. 2 FrG demonstrativ aufgezählten Fälle erfüllen, wohl aber in einer Gesamtbetrachtung die im Abs. 1 dieser Bestimmung umschriebene Annahme rechtfertigten würden.
Der Beschwerdeführer sei ledig und habe im Bundesgebiet keine familiären Bindungen. Er befinde sich erst seit ca. zwei Jahren in Österreich. Ein mit dem Aufenthaltsverbot verbundener Eingriff in sein Privat- oder Familienleben sei nicht gegeben. Es sei weder zu überprüfen, ob die Maßnahme zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist, noch sei eine Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 2 FrG vorzunehmen. Im Hinblick auf die gewerbsmäßige Tatbegehung und die vom Beschwerdeführer ausgehende Wiederholungsgefahr könne von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch nicht im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens Abstand genommen werden. Ein Wegfall der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit könne nicht vor Verstreichen der festgesetzten Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes erwartet werden.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Voraussetzung für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 36 Abs. 1 FrG ist die auf bestimmte Tatsachen gegründete Prognose, dass der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung und Sicherheit oder andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte öffentliche Interessen (die nationale Sicherheit, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung, die Verhinderung von strafbaren Handlungen, den Schutz der Gesundheit und der Moral und den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer) erheblich gefährdet. Daraus folgt, dass die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 36 Abs. 1 FrG nur dann in Betracht kommt, wenn es erforderlich ist, um die festgestellte vom Fremden ausgehende Gefahr im Bundesgebiet abzuwenden. Bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose ist nach § 36 Abs. 1 FrG das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahingehend vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die im Gesetz umschriebene Annahme gerechtfertigt ist.
Im § 36 Abs. 2 FrG sind Sachverhalte demonstrativ angeführt, die als bestimmte Tatsachen im Sinn des § 36 Abs. 1 leg. cit. gelten, bei deren Verwirklichung die dort genannte Annahme gerechtfertigt sein kann. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann ein Aufenthaltsverbot ausschließlich auf § 36 Abs. 1 FrG gestützt werden, wenn zwar keiner der Tatbestände des § 36 Abs. 2 FrG verwirklicht ist, wohl aber das Gesamt(fehl)verhalten des betreffenden Fremden die im § 36 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme rechtfertigt (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 16. April 1999, Zl. 99/18/0085, und vom 19. Oktober 1999, Zl. 98/18/0338). Die im § 36 Abs. 2 leg. cit. genannten Sachverhalte sind dabei als Maßstab für die Schwere jener Tatsachen heranzuziehen, die bei der Verhängung eines bloß auf § 36 Abs. 1 FrG gegründeten Aufenthaltsverbotes vorliegen müssen.
1.2. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 28. Juli 1999 wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens nach § 15 StGB, § 27 Abs. 2 Z. 2 SMG sowie des Vergehens des versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt nach den §§ 15, 269 Abs. 1 StGB verurteilt, weil er den bestehenden Vorschriften zuwider gewerbsmäßig Suchtgift anderen zu überlassen versucht hat, indem er drei Kugeln zu je 0,1 Gramm Kokain für den Weiterverkauf bereitgehalten hat bzw. einem Sicherheitswachebeamten, der im Begriff stand, ihn einer Personenkontrolle zu unterziehen, einen Stoß gegen die rechte Schulter versetzte und dadurch versuchte, einen Beamten mit Gewalt an einer Amtshandlung zu hindern.
Bei Suchtgiftdelikten handelt es sich um eine besonders gefährliche Kriminalitätsform mit hoher Wiederholungsgefahr und großer Sozialschädlichkeit (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. Februar 2001, Zl. 2000/18/0107). Die Beurteilung der belangten Behörde, der Aufenthalt des Beschwerdeführers gefährde die öffentliche Ordnung und Sicherheit im Sinn des § 36 Abs. 1 FrG, begegnet daher keinem Einwand, zumal der Beschwerdeführer das Suchtgiftdelikt gewerbsmäßig ausgeübt hat und von ihm auch eine Gefahr für das große öffentliche Interesse an der Unterbindung von strafbaren Handlungen gegen die Staatsgewalt ausgeht.
2. Angesichts des inländischen Aufenthaltes des Beschwerdeführers in der Dauer von zwei Jahren und zwei Monaten und der daraus jedenfalls ableitbaren privaten Interessen am Verbleib im Bundesgebiet wird die Ansicht der belangten Behörde, dass mangels Vorliegens eines relevanten Eingriffs in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers die Überprüfung der Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes gemäß § 37 FrG nicht erforderlich sei, vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilt.
Durch diese Fehlbeurteilung wurde der Beschwerdeführer jedoch nicht in Rechten verletzt. Die aus der Aufenthaltsdauer ableitbare Integration wird in ihrer sozialen Komponente durch das strafbare Verhalten des Beschwerdeführers erheblich gemindert. Unstrittig bestehen keine familiären Bindungen in Österreich. Die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet sind somit nur sehr gering ausgeprägt. Umstände, die diese persönlichen Interessen verstärken könnten, werden in der Beschwerde nicht aufgezeigt. Demgegenüber steht die aus dem strafbaren Verhalten des Beschwerdeführers resultierende große Gefährdung öffentlicher Interessen durch seinen weiteren Aufenthalt. Von daher ist das Aufenthaltsverbot zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Gesundheit) dringend geboten (§ 37 Abs. 1 FrG). Die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers wiegen nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 37 Abs. 2 leg. cit.).
3. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes auch während eines Asylverfahrens zulässig (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Juni 2002, Zl. 2002/18/0117).
4. Es kann dahinstehen, ob die belangte Behörde durch den Verweis, "die Gründe des angefochtenen Bescheides waren im Ergebnis auch für die Berufungsentscheidung maßgebend", auch die Feststellungen des erstinstanzlichen Bescheides übernommen hat, wonach der Beschwerdeführer entgegen seinen Angaben am 20. Dezember 1993, am 17. August 1994, am 24. Oktober 1994, am 7. Mai 1996, am 18. Juli 1996, am 12. Februar 1998, am 15. Juni 1998 und am 18. März 1999 in Deutschland und in der Schweiz unter verschiedenen Identitäten betreten und erkennungsdienstlich behandelt worden sei, weil das über ihn verhängte Aufenthaltsverbot unabhängig davon zulässig ist, ob diese Feststellungen der erstinstanzlichen Behörde zutreffen oder nicht.
5. Die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 28. September 2004
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2001180161.X00Im RIS seit
05.11.2004