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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
BAO §115 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Fuchs, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Seidl LL.M., über die Beschwerde der S in W, vertreten durch Dr. Peter Schmautzer, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Lerchenfelderstraße 39, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 30. September 2002, Zl. RV/467-16/13/2002, betreffend erhöhte Familienbeihilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit einem beim Finanzamt am 19. März 2001 eingelangten Formular über die ärztliche Bescheinigung zum Nachweis der erheblichen Behinderung im Sinne des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 (im Folgenden kurz: FLAG) beantragte die Beschwerdeführerin für ihre am 13. Jänner 1998 geborene Tochter die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe. In den vom Amtsarzt eines Wiener Polizeikommissariates ausgefüllten Rubriken des Formblattes findet sich ein Hinweis auf Asthma bronchiale und eine Hauterkrankung des Kindes, der Grad seiner Behinderung wird mit 30 % ohne Festlegung eines Zeitpunktes einer solchen Behinderung angegeben.
Mit Bescheid vom 22. März 2001 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe mit der Begründung abgewiesen, dass der bescheinigte Grad der Behinderung des Kindes unter 50 % liege. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.
Am 12. Dezember 2001 langte ein neuerlicher Antrag der Beschwerdeführerin gleichen Inhaltes ein, auf welchem vom Amtsarzt des Polizeikommissariates als Leiden des Kindes nur mehr Asthma bronchiale angeführt und der Grad der Behinderung mit 20 % angegeben wurde.
Mit Bescheid vom 19. Februar 2002 wurde auch dieser Antrag der Beschwerdeführerin mit der Begründung eines bloß im Ausmaß von 20 % festgestellten Grades der Behinderung des Kindes abgewiesen.
In einem beim Finanzamt am 14. März 2002 eingelangten Formblatt über die ärztliche Bescheinigung zum Nachweis der erheblichen Behinderung wurde vom Vorstand der Abteilung für Atmungs- und Lungenkrankheiten einer Wiener Krankenanstalt der Grad der Behinderung der Tochter der Beschwerdeführerin mit 60 % wegen eines seit Geburt bestehenden Asthma bronchiale attestiert und dazu ausgeführt, dass für dieses Kind eine kontinuierliche komplexe Therapie nötig sei. In einem diesem Formblatt angeschlossenen Befundbericht des Abteilungsvorstandes in seiner Eigenschaft als Facharzt für Lungenkrankheiten vom 22. November 2001 heißt es, dass das Kind die Ordination erstmalig am 4. April 2001 aufgesucht habe. Im Frühjahr 1999 sei ein Asthma bronchiale diagnostiziert worden und im Winter 2000/2001 habe es viermal eine "ausgeprägte Exacerbation" gegeben. Auch am 19. November 2001 sei es wieder zu einer Exacerbation gekommen; Untersuchungen durch den Facharzt am 21. und 22. November 2001 hätten ausgeprägte spastische Rasselgeräusche ergeben, während ein Thoraxübersichtsröntgen vom 21. November 2001 unauffällig gewesen sei. Es handle sich um ein ausgeprägtes Asthma bronchiale mit häufigen Exacerbationen.
Mit Schreiben vom 25. April 2002 übermittelte die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf ihr am 14. März 2002 beim Finanzamt eingelangtes Anbringen weitere Befunde. In der Äußerung eines Facharztes für Kinder- und Jugendheilkunde vom 25. Oktober 2000 wird bekundet, dass die Tochter der Beschwerdeführerin an chronischer Bronchitis leide und deshalb während der Betreuungszeit im Kindergarten für den Heilungsverlauf einer Inhalation bedürfe. Die Bestätigung eines Dr. med. B. vom 18. September 2000 lautet auf "Polyallergie, Asthma und Neurodermitis", eine weitere Bestätigung desselben Arztes vom 27. Februar 2001 attestiert "Atop. Dermatitis, Asthma br., chr. Bronch." mit der Bemerkung, dass die Patientin wegen dieser Diagnose in der Behandlung des bestätigenden Arztes stehe. Da eine "chron. med. Ther." notwendig sei, werde wegen der erhöhten Ausgaben um eine Berücksichtigung seitens des Finanzamtes angesucht.
In einem Schreiben der Beschwerdeführerin an das Finanzamt vom 24. Mai 2002 wurde von ihr erklärt, gegen den abweisenden Bescheid des Finanzamtes vom 19. Februar 2002 Berufung einzulegen.
Die belangte Behörde wertete das von der Beschwerdeführerin beim Finanzamt am 14. März 2002 überreichte (und mit dem 20. Februar 2002 von ihr auch unterschriebene) Formblatt mit dem darin durch die Fachabteilung der Wiener Krankenanstalt attestierten Grad der Behinderung von 60 % als Berufung gegen den Abweisungsbescheid vom 19. Februar 2002 und ersuchte das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen Wien, Niederösterreich und Burgenland um Erstattung eines Gutachtens über den bei der Tochter der Beschwerdeführerin vorliegenden prozentmäßigen Grad der Behinderung.
Die ersuchte Dienststelle kam diesem Ersuchen in der Weise nach, dass sie der belangten Behörde eine als "lungenfachärztliches Sachverständigengutachten" überschriebene Äußerung eines Facharztes für Lungenkrankheiten übermittelte, in welcher Folgendes bekundet wird:
"Vorgeschichte:
Rezidivierende spastische Bronchitis seit frühester Kindheit. Aktenmäßig vorliegend ein lungenfachärztlicher Befund Dr. Z. vom 22.11.01, Abl. 6 (Erstbesuch 4.4.01, Asthma bronchiale seit 1999 bekannt, im Winter 00/01 4mal ausgeprägte Exacerbation). Ein Schreiben der Hausärztin Abl. 4 vom 27.2.01 bestätigt die Diagnose Asthma bronchiale, chronische Bronchitis und Dermatitis, ebenso Abl. 3 und der kinderfachärztliche Befund Abl. 2.
Allergie: keine bekannt - noch keine Austestung, es komme jedoch insbesonders auf diverse Lebensmittel infolge von Kreuzallergien zu wiederkehrenden Hautausschlägen.
Medikation: 3 Asthma-Inhalationen und diesbezügliche Tabletten werden regelmäßig angewendet, bei Verschlechterungen des Asthma zusätzliche Inhalationen mittels Düsenvernebler.
Stationäre Behandlungen wegen Asthma bronchiale waren noch nicht erforderlich, das Mädchen befinde sich jedoch immer wieder zu ambulanten Kontrollen im KH Lainz.
Subjektive Beschwerden (Angaben der Partei):
Atemnot bei körperlichen Anstrengungen und besonders während der Nacht im Liegen, Verschlechterung während der kalten Jahreszeit und bei Anstrengungen. Sie besuche den Kindergarten, es komme jedoch immer wieder krankheitsbedingt zu Abwesenheiten.
Status:
4-jähriges Mädchen, normaler AEZ, keine Ruhedyspnoe, keine
Lippencyanose,
Größe 130 cm, Gewicht 32 kg
Herz: reine, rhythmische Herztöne
Lunge: sonorer Klopfschall, freie Vesikuläratmung ohne spastische Nebengeräusche, normaler Untersuchungsbefund an den Lungen.
Zusatzbefunde:
Berücksichtigung findet insbesonders der ausführliche lungenfachärztliche Befundbericht Dr. Z. Abl. 6 vom 22.11.01 mit den dort getroffenen Angaben.
Diagnose:
1., Asthma bronchiale
III/a/286 ...........40 %
Oberer Rahmensatz wegen häufig wiederkehrenden asthmatischen Beschwerden unter umfangreichen therapeutischen Maßnahmen mit rezidiv. mäßig- bis mittelgradigen Einschränkungen der Atemfunktion unter Berücksichtigung des normalen klinischen Untersuchungsbefundes."
Mit Schreiben vom 13. September 2002 übermittelte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin eine Kopie dieses Gutachtens mit dem Hinweis darauf, dass sie nach Ablauf von zwei Wochen über die Berufung im Sinne dieses Gutachtens entscheiden werde.
Nachdem eine Reaktion der Beschwerdeführerin auf die Gutachtensübermittlung ausgeblieben war, wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid ihre Berufung unter Hinweis auf dieses Gutachten als unbegründet ab. Die Feststellung des Behinderungsgrades eines Kindes, für welches erhöhte Familienbeihilfe beantragt werde, habe nach den Bestimmungen des § 8 Abs. 6 FLAG auf dem Wege der Würdigung ärztlicher Sachverständigengutachten zu erfolgen, ohne dass den Bekundungen des anspruchswerbenden Elternteiles dabei entscheidende Bedeutung zukomme. Unter Berücksichtigung aller vorliegenden Gutachten könne im Rahmen der freien Beweiswürdigung angenommen werden, dass die Einstufung des Grades der Behinderung der Tochter der Beschwerdeführerin mit 40 % nach dem Gutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen mit größter Wahrscheinlichkeit den tatsächlichen Gegebenheiten entspreche, weil dieser Behinderungsgrad im Rahmen einer fachärztlichen Untersuchung und unter Bedachtnahme auf die vorliegenden Befunde festgestellt worden sei. Die gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug erhöhter Familienbeihilfe seien damit nicht gegeben.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Nach § 8 Abs. 4 FLAG in seiner für das Jahr 2001 geltenden Fassung BGBl. I Nr. 79/1998 erhöht sich ab 1. Jänner 1999 die Familienbeilhilfe für jedes Kind, das erheblich behindert ist, monatlich um S 1.775,--. Ab 1. Jänner 2000 erhöht sich die Familienbeihilfe für jedes Kind, das erheblich behindert ist, monatlich um S 1.800,--.
Nach § 8 Abs. 4 FLAG in seiner für das Jahr 2002 geltenden Fassung BGBl. I Nr. 68/2001 erhöht sich die Familienbeihilfe für jedes Kind, das erheblich behindert ist, monatlich um EUR 131,--.
Als erheblich behindert gilt nach § 8 Abs. 5 FLAG in jeder dieser Fassungen ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50 v.H. betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind die Vorschriften der §§ 7 und 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957, BGBl. Nr. 152 in der jeweils geltenden Fassung, und die diesbezügliche Verordnung des "Bundesministeriums" für soziale Verwaltung vom 9. Juni 1965, BGBl. Nr. 150 in der jeweils geltenden Fassung, anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen.
Nach § 8 Abs. 6 FLAG in den genannten Fassungen ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, durch eine Bescheinigung eines inländischen Amtsarztes, einer inländischen Universitätsklinik, einer Fachabteilung einer inländischen Krankenanstalt oder eines Mobilen Beratungsdienstes der Bundesämter für Soziales und Behindertenwesen nachzuweisen. Kann auf Grund dieser Bescheinigung die erhöhte Familienbeihilfe nicht gewährt werden, hat das Finanzamt einen Bescheid zu erlassen. Zur Entscheidung über eine Berufung gegen diesen Bescheid hat die Finanzlandesdirektion ein Gutachten des nach dem Wohnsitz des Berufungswerbers zuständigen Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen einzuholen. Benötigt das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hiefür ein weiteres Sachverständigengutachten, sind die diesbezüglichen Kosten aus Mitteln des Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen zu ersetzen.
Die Bestimmung des § 7 Kriegsopferversorgungsgesetz 1957 in ihrer aktuellen Fassung BGBl. Nr. 687/1991 bestimmt in ihrem von der Verweisung in § 8 Abs. 5 FLAG inhaltlich betroffenen zweiten Absatz, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit nach Richtsätzen einzuschätzen ist, die den wissenschaftlichen Erfahrungen entsprechen. "Das Bundesministerium" für soziale Verwaltung ist ermächtigt, hiefür nach Anhörung des Bundesbehindertenbeirates verbindliche Richtsätze aufzustellen.
Gemäß § 9 Abs. 1 Kriegsopferversorgungsgesetz 1957 wird die Minderung der Erwerbsfähigkeit nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festgestellt, die Durchschnittssätze darstellen. Eine um fünf geringere Minderung der Erwerbsfähigkeit wird von ihnen mitumfasst.
Die in § 7 Abs. 2 des genannten Gesetzes angesprochene Verordnung wurde im BGBl. Nr. 150/1965 verlautbart und enthält folgende Regelungen:
"§ 1. (1) Die Minderung der Erwerbsfähigkeit im Sinne des § 7 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 ist nach den Richtsätzen einzuschätzen, die nach Art und Schwere des Leidenszustandes in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage festgelegt sind. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.
(2) Bei Leiden, für die Richtsätze nicht festgesetzt sind, ist die Minderung der Erwerbsfähigkeit unter Bedachtnahme auf die Richtsätze für solche Leiden einzuschätzen, die in ihrer Art und Intensität eine zumindest annähernd gleiche körperliche Beeinträchtigung in Hinsicht auf das allgemeine Erwerbsleben bewirken.
§ 2. (1) Bei der Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit dürfen weder die festen Sätze noch die Rahmensätze unterschritten oder überschritten werden. Soweit in der Anlage nicht anderes bestimmt ist, hat sich die Festsetzung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit innerhalb eines Rahmensatzes nach der Schwere des Leidenszustandes zu richten, für den der Rahmensatz aufgestellt ist. Das Ergebnis einer Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist im Bescheid über den Anspruch auf Beschädigtenrente jedenfalls auch in medizinischer Hinsicht zu begründen.
(2) Sofern für ein Leiden mehrere nach dessen Schwere abgestufte Richtsätze festgesetzt sind, kann die Höhe der Minderung der Erwerbsfähigkeit auch in einem Hundertsatze festgestellt werden, der zwischen diesen Stufen liegt. Diesfalls ist das Ergebnis der Einschätzung im Bescheid über den Anspruch auf Beschädigtenrente jedenfalls auch in medizinischer Hinsicht zu begründen.
§ 3. Treffen mehrere Leiden zusammen, dann ist bei der Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit zunächst von der Gesundheitsschädigung auszugehen, die die höchste Minderung der Erwerbsfähigkeit verursacht. Sodann ist zu prüfen, ob und inwieweit der durch die Gesamteinschätzung zu erfassende Gesamtleidenszustand infolge des Zusammenwirkens aller gemäß § 4 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 zu berücksichtigenden Gesundheitsschädigungen eine höhere Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit rechtfertigt. Fällt die Einschätzung der durch ein Leiden bewirkten Minderung der Erwerbsfähigkeit in mehrere Fachgebiete der ärztlichen Wissenschaft, ist sinngemäß in gleicher Weise zu verfahren."
Die Beschwerdeführerin wirft der belangten Behörde zunächst vor, entgegen der Bestimmung des § 8 Abs. 6 FLAG kein Gutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen eingeholt und ihr zu dem im Berufungsverfahren eingeholten Gutachten das Parteiengehör nicht eingeräumt zu haben.
Diese Vorwürfe entbehren jeder Begründung. Das von der belangten Behörde im Berufungsverfahren eingeholte Gutachten war ein solches des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen und Parteiengehör zum eingeholten Gutachten wurde der Beschwerdeführerin in einer den Verfahrensgesetzen entsprechenden Weise gewährt. Die von der belangten Behörde gewählte Form der Gewährung des Parteiengehörs musste auch einer nicht anwaltlich vertretenen Partei klar werden lassen, dass Sachverhalte, welche die Annahmen des Gutachtens erschüttern könnten, innerhalb der von der belangten Behörde gesetzten Frist vorzutragen wären, weil die Behörde dem Berufungsbescheid sonst die Sachverhaltsannahmen des Gutachtens zu Grunde legen würde. Dass die Beschwerdeführerin innerhalb der von der belangten Behörde gesetzten Frist kein Vorbringen erstattet hat, kann sie nicht mit Erfolg der belangten Behörde vorwerfen und verwehrt es ihr zufolge des im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbotes grundsätzlich, den angefochtenen Bescheid mit Sachverhaltsbehauptungen zu bekämpfen, die in das Verwaltungsverfahren zuvor nicht Eingang gefunden hatten.
Nicht allerdings kann die Untätigkeit der Beschwerdeführerin im Berufungsverfahren sie daran hindern, Unschlüssigkeiten und/oder Unvollständigkeiten des von der belangten Behörde zur Einschätzung des Grades der Behinderung ihrer Tochter herangezogenen Gutachtens aufzuzeigen und eine daraus resultierende Fehlerhaftigkeit der behördlichen Beweiswürdigung geltend zu machen. Fehler der behördlichen Beweiswürdigung erreichen das Kalkül einer vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Rechtswidrigkeit der Sachgrundlagenermittlung im Allgemeinen zwar nur dann, wenn die Erwägungen der Beweiswürdigung gegen die Denkgesetze verstoßen oder der allgemeinen Lebenserfahrung widersprechen, doch ist das Verfahren zur Einschätzung des Grades der Behinderung eines Kindes, für welches erhöhte Familienbeihilfe begehrt wird, rechtlich in besonderer Weise geregelt. Welche Sachverhalte festzustellen und durch Gutachten fachkundig untermauert zu begründen sind, wird durch den Verweis auf die Bestimmungen des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 und die dazu ergangene Verordnung detailliert festgelegt. Werden diese rechtlichen Vorgaben durch den Gutachter nicht ausreichend beachtet, dann leidet ein Bescheid, der die Ergebnisse eines solchen Gutachtens übernimmt, an Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Das Vorliegen einer solchen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides zeigt die Beschwerdeführerin auch auf, indem sie auf den aktenkundigen Umstand behaupteter zusätzlicher Krankheitsbilder ihrer Tochter hinweist, hinsichtlich deren das dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegende Gutachten die nach Maßgabe der rechtlichen Vorgaben der Verordnung BGBl. Nr. 150/1965 gebotene Berücksichtigung vermissen lässt und deshalb den von der belangten Behörde angenommenen Sachverhalt noch als ergänzungsbedürftig erweist.
Das für das Bundessozialamt erstattete Gutachten des Facharztes für Lungenkrankheiten vom 28. August 2002 nimmt nämlich bei der Anführung der Vorgeschichte neben Asthma bronchiale auch die Diagnosen einer chronischen Bronchitis und Dermatitis auf, beschränkt sich in seiner Schlussfolgerung jedoch auf die Feststellung von Asthma bronchiale mit der Einschätzung einer Behinderung im Ausmaß von 40 % im Sinne des Punktes III/a/286 der Anlage zur Verordnung, wobei das Ergebnis der Einschätzung innerhalb des Rahmensatzes nach diesem Punkt (30 bis 40 %) im Sinne des § 2 Abs. 1 letzter Satz der Verordnung mit der häufigen Wiederkehr der asthmatischen Beschwerden begründet wird. Nun weist die Beschwerdeführerin aber zutreffend darauf hin, dass Punkt III/a/284 der Anlage zur Verordnung für mittelschwere bis schwere chronische, auch spastische Bronchitis mit beträchtlicher, zeitweise eitriger Expektoration einen Rahmensatz von 30 bis 50 % festlegt, dass Abschnitt IX der Anlage zur Verordnung auch Rahmensätze für Beeinträchtigungen durch Hautkrankheiten anführt, und dass die von ihr schon im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten Befunde (Bestätigung des Dr. Paul B. vom 18. September 2000) bei ihrer Tochter auch eine "Polyallergie" ausgewiesen hatten. Ob der Gutachter des Bundessozialamtes das Vorliegen der in der Vorgeschichte noch angeführten chronischen Bronchitis und der Dermatitis bei der Tochter der Beschwerdeführerin in seiner abschließenden Diagnose verneinen wollte, oder bloß übersehen hat (auffallend ist in diesem Zusammenhang, dass die Diagnose mit Punkt "1.," beginnt, aber dann keine weiteren Punkte mehr enthält), kann den Gutachtensausführungen nicht verlässlich entnommen werden. Die Ausführungen des Gutachters zur Allergie enthalten bei der Wiedergabe der Vorgeschichte die an früherer Stelle wiedergegebene Feststellung, der eine medizinische Festlegung durch den Gutachter ebenso nicht zu entnehmen ist, wie auch zur Allergie in der Diagnose nichts mehr aufscheint.
Dem für das Bundessozialamt erstatteten Gutachten fehlen somit zunächst medizinisch begründete Feststellungen, ob außerhalb der erstellten Diagnose eines Asthma bronchiale auch die Krankheitsbilder einer chronischen Bronchitis und einer Dermatitis sowie einer Polyallergie vorliegen oder nicht. Dies allein erweist den dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegenden Sachverhalt schon als ergänzungsbedürftig. Sollten über die allein diagnostiziert gebliebene Erkrankung an Asthma bronchiale weitere Krankheitsbilder festgestellt werden können, wäre zur Einschätzung des Behinderungsgrades nach § 3 der verwiesenen Verordnung vorzugehen gewesen (siehe hiezu etwa die hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 2003, 2002/11/0186, vom 23. Jänner 2001, 2000/11/0191, und vom 1. Juni 1999, 94/08/0088). Im Falle der Feststellbarkeit der in den Befunden aufscheinenden Polyallergie wäre mangels Zuordenbarkeit des durch eine solche Erkrankung hervorgerufenen Beeinträchtigungsbildes unter die Richtsätze der Verordnung nach Maßgabe der Bestimmung des § 1 Abs. 2 der Verordnung vorzugehen gewesen.
Erst nach Ergänzung des Begutachtungsverfahrens wird sich der Sachverhalt für eine Entscheidung über den Beihilfenanspruch der Beschwerdeführerin als spruchreif erweisen.
Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben, wobei der Gerichtshof von der von der Beschwerdeführerin beantragten Durchführung einer Verhandlung aus dem in § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG genannten Grund Abstand genommen hat.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 29. September 2004
Schlagworte
Sachverhalt Beweiswürdigung Sachverhalt Neuerungsverbot Allgemein (siehe auch Angenommener Sachverhalt)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2002130206.X00Im RIS seit
05.11.2004