TE Vwgh Erkenntnis 2004/9/29 2000/13/0151

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Veröffentlicht am 29.09.2004
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

BAO §211 Abs1 litg;
EStG 1988 §79 Abs1;
FinStrG §49 Abs1 lita;
FinStrG §8 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Hargassner und Dr. Büsser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Seidl LL.M., über die Beschwerde der P in W, vertreten durch Dr. Paul Georg Appiano und Dr. Bernhard Kramer, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Bösendorferstraße 7, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz vom 13. Juli 2000, Zl. RV/59 - 10/98, betreffend Finanzordnungswidrigkeit, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 13. Februar 1997 leitete das Finanzamt gegen die Beschwerdeführerin das Finanzstrafverfahren ein, weil der Verdacht bestehe, dass sie als Geschäftsführerin der I. GmbH Lohnsteuer für die Kalendermonate Juni bis Dezember 1994 und für das Jahr 1995 im Gesamtbetrag von S 117.460,-- sowie Dienstgeberbeiträge zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen samt Zuschlägen für den gleichen Zeitraum in Höhe von S 81.999,-- nicht spätestens am fünften Tag nach Fälligkeit entrichtet (abgeführt) und dadurch eine Finanzordnungswidrigkeit nach § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG begangen habe.

In einem beim Finanzamt am 18. April 1997 ausgefüllt eingelangten Fragebogen gab die Beschwerdeführerin an, dass die Grundaufzeichnungen und die laufende Buchhaltung der Gesellschaft von "Helga W./Steuerberater" besorgt worden seien, was auch für die Erstellung der Umsatzsteuervoranmeldungen und die Errechnung der Umsatzsteuervorauszahlungsbeträge gelte. Die Lohnverrechnung habe "Gertrude H./Steuerberater" besorgt, für die Bezahlung und Meldung der monatlich fälligen Abgaben an das Finanzamt sei Helga W. verantwortlich gewesen. Auf dem Firmenkonto zeichnungsberechtigt sei die Beschwerdeführerin gewesen. Die im Fragebogen vorgedruckte Frage nach dem Grund für die Versäumnisse "im Bereich der Umsatzsteuervorauszahlungen bzw. der lohnabhängigen Abgaben" wurde mit dem Satz beantwortet: "Es kam zu keinen Verspätungen, siehe UVA (Guthaben)."

Mit Strafverfügung des Finanzamtes vom 13. Mai 1997 wurde die Beschwerdeführerin im Sinne des Einleitungsbescheides schuldig erkannt und bestraft. Begründet wurde dies mit den Feststellungen einer am 21. August 1996 abgeschlossenen Lohnsteuerprüfung bei der I. GmbH.

In ihrem Einspruch gegen diese Strafverfügung verwies die Beschwerdeführerin auf ein Schreiben der steuerlichen Vertreter der I. GmbH vom 20. Dezember 1996, aus welchem zu ersehen sei, dass "mit dem Umsatzsteuer-Guthaben die Lohnabgaben ausgeglichen" worden seien. Bei dem erwähnten Schreiben handelt es sich um die Berufung der I. GmbH gegen die ihr gegenüber erlassenen Bescheide betreffend Umsatzsteuer 1993 bis 1995 samt Verspätungs- und Säumniszuschlägen. Ausgeführt wird in dieser Berufungsschrift, dass es mangels Erstellung von Jahresabschlüssen und Abgabe von Steuererklärungen für die Jahre 1993 bis 1995 zu einer Schätzung der Abgabenbemessungsgrundlagen gekommen sei. Im "Dezember 94 und Januar 95" sei in die Räumlichkeiten des Unternehmens eingebrochen und sei das Archiv mit den kompletten Buchhaltungsunterlagen für die Jahre 1993 und 1994 "in vandalistischer Weise zerstört" worden; dieser Vorfall sei dem Finanzamt am 30. Juni 1996 gemeldet worden. Dieses Umstandes wegen hätten für die Jahre 1993 und 1994 keine Jahresabschlüsse erstellt und keine Steuererklärungen abgegeben werden können; mangels Daten für eine Eröffnungsbilanz habe auch für das Jahr 1995 bislang keine Steuererklärung abgegeben werden können, weshalb die Schätzung durch das Finanzamt als berechtigt anzusehen sei. Während die Gesellschaft den Bescheiden betreffend Körperschaft- und Gewerbesteuer für die Jahre 1993 bis 1994 mangels Unterlagen nicht entgegen treten könne, habe sie im Bereiche der Vorsteuern versucht, von den Lieferanten Abschriften der Eingangsrechnungen zu erhalten, welche zum Teil hätten wieder beschafft werden können. Nach Zusammenstellung dieser Unterlagen habe sich gezeigt, dass die Vorsteuern, welche vom Unternehmen geltend gemacht werden könnten, von den geschätzten Vorsteuern erheblich abwichen, in welchem Umfang daher gegen die Umsatzsteuerbescheide berufen werde. Die Höhe der Vorsteuern, welche auf Grund der nachgeforderten Belege ermittelt worden seien, betrage für das Jahr 1993 S 828.646,-- (gegenüber geschätzten Vorsteuern von bloß S 280.000,--), für das Jahr 1994 S 279.316,-- (gegenüber geschätzten Vorsteuern von S 262.713,--) und für das Jahr 1995 S 381.720,-- (gegenüber geschätzten Vorsteuern von S 262.713,--). Bei einer antragsgemäßen Umsatzsteuerveranlagung für die Jahre 1993 bis 1995 würde ein entsprechendes Guthaben entstehen.

In der vom Finanzamt am 24. Juli 1997 durchgeführten mündlichen Verhandlung gab die Beschwerdeführerin an, dass die Verantwortung für die "Nichtmeldung der Lohnabgaben" Helga W. treffe, welche im Unternehmen für die Errechnung der Umsatzsteuern, die Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldungen und die Meldung der Lohnabgaben zuständig gewesen sei. Helga W. habe der Beschwerdeführerin immer versichert, dass die Lohnabgaben gemeldet worden seien "bzw. dass sie mit Umsatzsteuerguthaben zu verrechnen" seien. Nunmehr habe sich herausgestellt, dass das Unternehmen zumindest seit dem Jahre 1990 von Helga W., welche dies selbst zugegeben habe, betrogen worden sei. Die Genannte befinde sich seit einer Woche in Untersuchungshaft, ihre Vernehmung werde beantragt.

In der Folge veranlasste das Finanzamt eine schriftliche Zeugenaussage der in Untersuchungshaft befindlichen Helga W., die folgendes Ergebnis zeitigte:

Zunächst gab die Zeugin an, bei der I. GmbH nie angestellt gewesen zu sein. Angestellt sei sie vielmehr bei der E. GmbH gewesen, deren Geschäftsführer der Ehemann der Beschwerdeführerin sei. Dieser habe die Zeugin und andere Mitarbeiter für diverse Arbeiten bei der I. GmbH eingesetzt. Die Zeugin sei bei der I. GmbH mit allgemeinen Büroarbeiten und mit der Buchhaltung befasst gewesen, die Bilanzen seien durch den Steuerberater erstellt worden. Die Fragen des Finanzamtes nach der Verantwortlichkeit für die Meldung und Bezahlung der Abgaben für die I. GmbH sowie danach, ob es zutreffe, dass die Zeugin der Beschwerdeführerin versichert habe, dass die Lohnabgaben bezahlt oder mit bestehenden Umsatzsteuerguthaben gegenverrechnet würden, wurde von der Zeugin mit weiter ausholenden Bekundungen beantwortet:

Mit der Meldung und Bezahlung von Abgaben sei mit Absicht bis zum Jahresende bzw. bis zur Bilanzerstellung gewartet worden, um die Jahresumsatzsteuer mit den Jahresvorsteuern vergleichen zu können. Bei Entstehen von Umsatzsteuer-Zahllasten seien Eingangsrechnungen (Scheinrechnungen) erstellt worden, damit ein Vorsteuerguthaben entstehe, mit welchem auch die Lohnabgaben ausgeglichen werden könnten. Die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann hätten dabei so geplant, dass oftmals auch ein Restguthaben zugunsten der I. GmbH übrig geblieben sei. Der Zeugin sei eindrücklich in Erinnerung geblieben, wie der Ehemann der Beschwerdeführerin reagiert habe, als sie bei ihrer ersten erstellten Umsatzsteuervoranmeldung eine Zahllast von rund S 80.000,-- ermittelt habe. Er habe ihr vorgeworfen, sich bei der Berechnung geirrt zu haben, und sich geweigert, diese Umsatzsteuervoranmeldung zu unterschreiben, weil er an das Finanzamt keinen Groschen zahlen wolle. Es sei dann eine manipulierte Voranmeldung abgegeben worden. Mit den Lohnabgaben habe es immer wieder Probleme gegeben, worüber der Steuerberater böse geworden sei. Um diesen zu beruhigen, sei die Zeugin als schlampig hingestellt worden. Die Frage des Finanzamtes, ob die Zeugin für die Meldung und Bezahlung der Abgaben verantwortlich gewesen sei, müsse deshalb verneint werden. Die Beschwerdeführerin habe gewusst, dass nichts bezahlt würde und dass die Zeugin auch nicht bereit sei, manipulierte Meldungen abzugeben. Die Beschwerdeführerin habe am 17. März 1993 ein Baby bekommen, sei aber nur drei Tage zu Hause geblieben und dann sofort wieder ins Büro gekommen. Damit sie den vollen Mutterschutz in Anspruch nehmen könne, sei sie "offiziell" zu Hause gewesen. Ihr Ehemann sei als Vertreter der Geschäftsführerin genannt worden. Eine verantwortliche Person für die fristgerechte Einreichung der Umsatzsteuervoranmeldungen und die Entrichtung der Vorauszahlungsbeträge sowie für die Bezahlung der Lohnabgaben hätten die Eheleute nicht bestellen können, weil das Vorsteuerguthaben noch nicht bekannt gewesen sei und der Ehemann der Beschwerdeführerin ja nicht gewillt gewesen sei, ans Finanzamt Zahlungen zu leisten (ab und zu seien Lohnabgaben überwiesen worden, "damit es nicht auffällt"). Der Ehemann der Beschwerdeführerin habe schon damals die Abweisung eines Konkursantrages mangels kostendeckenden Vermögens geplant. Die Buchhaltung der I. GmbH sei im Jänner 1995 durch einen fingierten Einbruch vernichtet worden, wobei der Ehemann der Beschwerdeführerin die Ordner damals selbst "herausgerissen" habe. Bei der Polizei sei Beschädigung durch Vandalismus angegeben worden. In Wahrheit sei die Buchhaltung unbeschädigt und werde von der Beschwerdeführerin und ihrem Ehemann versteckt gehalten. Das Interesse des Ehemannes am Verschwinden der Buchhaltung erläuterte die Zeugin im Einzelnen mit Scheinrechnungsmanipulationen zum Zwecke des buchhalterischen Ausgleiches von Gesellschaftsforderungen an die Beschwerdeführerin, welche diese niemals hätte zurückzahlen können.

Nach Zustellung einer Ablichtung dieser schriftlichen Zeugenaussage an die Beschwerdeführerin setzte das Finanzamt sein Strafverfahren mit einer am 1. Oktober 1997 durchgeführten mündlichen Verhandlung fort. Die Beschwerdeführerin blieb auch nach Vorhalt der schriftlichen Aussage von Helga W. bei ihrer Verantwortung und sagte aus, dass im Zeitraum 1994 bis 1995 sämtliche Umsatzsteuervoranmeldungen von Helga W. erstellt und teilweise auch unterfertigt worden seien. Die Anschuldigungen der Helga W. träfen nicht zu.

Mit Bescheid vom 6. November 1997 erkannte das Finanzamt die Beschwerdeführerin schuldig im Sinne des Einleitungsbescheides. In der Begründung dieses Bescheides wird erneut auf die Feststellungen der schon in der Strafverfügung erwähnten Lohnsteuerprüfung verwiesen und ergänzend ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin zumindest seit Juli 1991 auf Grund eines damaligen Finanzstrafverfahrens davon Kenntnis gehabt habe, dass bei der I. GmbH laufend die lohnabhängigen Abgaben weder bezahlt noch gemeldet worden seien. Dies habe sich auch in einem zweiten Strafverfahren (Zeitraum 92 bis 93) fortgesetzt. Die Beschwerdeführerin müsse es daher durchaus für möglich gehalten haben, dass "bei einem nicht entsprechenden Tätigwerden auch in den nachfolgenden Zeiträumen Abgabenverkürzungen bewirkt" würden.

In ihrer gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung machte die Beschwerdeführerin geltend, dass ihr mit der Begründung zweier "diesbezüglicher Vorerkenntnisse" bedingter Vorsatz vorgeworfen werde, obwohl festgestellt worden sei, dass die für die abzuführenden Lohnabgaben verantwortliche Buchhalterin Helga W. die Anweisungen der Geschäftsführerin vorsätzlich missachtet habe und zwischenzeitig wegen einer Reihe von vorsätzlich gegen die Gesellschaft begangenen Vermögensdelikten in Untersuchungshaft genommen worden sei. Nach "dem letzten Erkenntnis" sei der steuerliche Vertreter selbst anwesend gewesen, als die Beschwerdeführerin der Buchhalterin unter seiner Anleitung die klare und unmissverständliche Anweisung gegeben habe, zukünftig alle Umsatzsteuervoranmeldungen inklusive der Meldung der Lohnabgaben eingeschrieben dem Finanzamt zu übersenden. Diese Anweisung sei deshalb erfolgt, weil Helga W. anlässlich des zweiten Strafverfahrens gegen die Beschwerdeführerin behauptet habe, alle Meldungen dem Finanzamt - allerdings nicht eingeschrieben - zur Kenntnis gebracht zu haben, welcher Beteuerung der steuerliche Vertreter jedoch nicht geglaubt habe. Nicht zuletzt aus diesem Grund habe der steuerliche Vertreter die Vollmacht für die Gesellschaft auch zurückgelegt und dies mit eingeschriebenem Brief mitgeteilt, welcher aber von der Buchhalterin ebenfalls unterdrückt worden und der Geschäftsführerin erst Monate später zur Kenntnis gelangt sei. "Diese Beispiele und eine Fülle weiterer mittlerweile bewiesener Sachverhalte" belegten eindeutig, dass die Beschwerdeführerin von der Buchhalterin laufend vorsätzlich getäuscht worden sei. Der Beschwerdeführerin in einem solchen Zusammenhang bedingten Vorsatz zur Last zu legen, entspreche nicht den Tatsachen.

In der am 3. Juli 2000 von der belangten Behörde durchgeführten Verhandlung wurde vom Verteidiger eine Kopie des Helga W. betreffenden Haftbefehls vorgelegt und dazu festgehalten, dass Unterlagen über das Gerichtsverfahren gegen die Zeugin durch die Beschwerdeführerin schon am 1. Oktober 1997 beim Finanzamt überreicht worden seien. Bestritten werde zum Schuldvorwurf nicht die objektive Tatseite, sondern lediglich die Annahme von Vorsatz. Helga W. sei beauftragt gewesen, die Umsatzsteuervoranmeldungen der I. GmbH zu erstellen und einzureichen. Obwohl nach dem zweiten Finanzstrafverfahren die klare Anweisung erteilt worden sei, die Umsatzsteuervoranmeldungen inklusive der Meldungen der Lohnabgaben monatlich eingeschrieben an das Finanzamt durchzuführen, seien die Umsatzsteuervoranmeldungen nicht zu den vorgesehenen Terminen beim Finanzamt eingelangt. Dem Verteidiger sei in seiner Eigenschaft als steuerlichem Vertreter der I. GmbH im November 1995 aufgefallen, dass entgegen der erteilten Weisung nach wie vor die Selbstberechnungsabgaben nicht zu den Terminen gemeldet oder entrichtet worden seien, worauf mit Schreiben vom 21. November 1995 die Vollmacht zurückgelegt worden sei. Die Umsatzsteuervoranmeldungen für die Kalendermonate Jänner bis Dezember 1994 seien am 17. November 1995 persönlich beim Finanzamt eingereicht worden und trügen die Unterschrift von Helga W., wurde von der Verhandlungsleiterin festgestellt. Nur die Voranmeldung für den Monat August 1994 weise eine Zahllast aus, während in allen anderen Voranmeldungen Gutschriften geltend gemacht worden seien. Auf keiner der zwölf Umsatzsteuervoranmeldungen seien Lohnabgaben angeführt. Verwiesen wurde von der Verhandlungsleiterin in diesem Zusammenhang auf eine in einem weiteren Strafverfahren aufgenommene Niederschrift mit der Zeugin Helga W. vom 7. April 2000, welche ebenso "zum gegenständlichen Verfahren genommen" werde wie die Kopie einer Niederschrift vom 17. Mai 2000 mit der Beschwerdeführerin und einer Niederschrift vom 28. Juni 2000 mit ihrem Ehemann. Nach Erörterung der schriftlichen Zeugenaussage von Helga W. wurde vom Verteidiger des Weiteren vorgebracht, dass der Beschwerdeführerin die Zurücklegung der Vollmacht nicht bekannt geworden sei. Erst nach der Verhaftung der Zeugin sei die Korrespondenz in ihrem Schreibtisch aufgefunden worden. Dass lediglich die Beschwerdeführerin am Firmenkonto zeichnungsberechtigt sei und daher auch nur sie Zahlungen habe vornehmen können, treffe zu, sie habe aber mit Gutschriften aus den Umsatzsteuervoranmeldungen gerechnet, welche die entsprechenden Lohnabgaben hätten decken sollen. Festgestellt wurde von der Verhandlungsleiterin, dass nach einer Rückstandsabfrage vom 3. Juli 2000 die betroffenen Lohnabgaben weiterhin aushafteten und dass der aushaftende Steuerrückstand insgesamt S 3,318.186,-- betrage.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin als unbegründet ab. Die Meldungen der Lohnabgaben für die Monate Juni bis Dezember 1994 seien erst am 9. Jänner 1996 erstattet worden, wobei für diese Zeiträume zu den Fälligkeitsterminen auch keine entsprechenden Zahlungen eingegangen seien, heißt es in der Begründung des angefochtenen Bescheides. Für das Jahr 1995 seien lediglich für die Monate Jänner und Dezember 1995 Meldungen über lohnabhängige Abgaben erstattet, der aus den vorgelegten Lohnkonten errechnete Differenzbetrag zu den tatsächlich angefallenen Beträgen aber erst im Zuge der Lohnsteuerprüfung vorgeschrieben worden. Die lohnabhängigen Abgaben seien damit nicht zeitgerecht entrichtet worden. Da auch die entsprechenden Meldungen nicht zu den gesetzlich vorgesehenen Terminen erfolgt seien, sei der Tatbestand des § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG in objektiver Hinsicht erfüllt. Zur subjektiven Tatseite sei auszuführen, dass die Beschwerdeführerin im Tatzeitraum unbestritten handelsrechtliche Geschäftsführerin der I. GmbH und deshalb verpflichtet gewesen sei, für die Einhaltung der steuerlichen Vorschriften und die Entrichtung der lohnabhängigen Abgaben Sorge zu tragen. Ebenso unbestritten sei der Umstand, dass nur die Beschwerdeführerin für das Firmenkonto zeichnungsberechtigt gewesen sei und deshalb auch nur sie die entsprechenden Zahlungen hätte vornehmen können. Strittig sei lediglich, wer unternehmensintern für die Meldung und Entrichtung der Abgabenschuldigkeiten verantwortlich gewesen sei. Für die Errechnung der lohnabhängigen Abgaben sei seit dem Jahre 1988 Gertrude H. zuständig gewesen. Schon beim ersten gegen die Beschwerdeführerin durchgeführten Finanzstrafverfahren habe diese versucht, die Verantwortung für die Unterlassung der Meldung und Entrichtung der lohnabhängigen Abgaben der Buchhalterin Helga W. anzulasten. Auch im zweiten Finanzstrafverfahren sei eine ähnliche Verantwortungslinie gewählt worden wie im gegenständlichen Verfahren. In der mündlichen Verhandlung dieses zweiten Strafverfahrens sei vorgebracht worden, dass Helga W. beauftragt gewesen sei, die lohnabhängigen Abgaben auf den von ihr einzureichenden und zu unterfertigenden Umsatzsteuervoranmeldungen zur Meldung von Umsatzsteuergutschriften einzutragen und damit der Meldepflicht nachzukommen. Die Meldungen seien jedoch nicht zu den gesetzlichen Terminen beim Finanzamt eingelangt gewesen, wozu vorgebracht worden sei, dass die Voranmeldungen bisher nicht eingeschrieben an die Abgabenbehörde übermittelt worden seien und nunmehr veranlasst werde, dass die Meldungen nur noch eingeschrieben abgesendet würden. Ungeachtet des im zweiten Finanzstrafverfahren ergangenen Erkenntnisses seien jedoch durch das gesamte Jahr 1994 wiederum weder Umsatzsteuervoranmeldungen noch Lohnsteueranmeldungen eingebracht und auch keine Zahlungen zu den gesetzlichen Terminen geleistet worden. Die Umsatzsteuervoranmeldungen für das Jahr 1994 seien alle zusammen erst am 17. November 1995 persönlich beim Finanzamt eingebracht worden und trügen die Unterschrift von Helga W., wobei die Formularfelder zur Meldung der korrespondierenden Lohnabgaben jedoch keine Eintragungen aufwiesen. In einem weiteren gegen die Beschwerdeführerin anhängigen Finanzstrafverfahren habe die Beschwerdeführerin auf die Frage nach der Zuständigkeit zur Veranlassung der Abfuhr der monatlich fälligen Abgaben geantwortet, dass sie zuständig gewesen sei, solange sie Geschäftsführerin gewesen sei und ihr die Zahlungsbelege vorgelegt worden seien. Die Meldung der Abgaben zum Termin stelle bei der Tathandlung der Finanzordnungswidrigkeit nach § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG nur einen verschuldensunabhängigen Strafaufhebungsgrund dar. Die Beschwerdeführerin sei zur Entrichtung der Lohnabgaben verpflichtet und allein in der Lage gewesen, über die finanziellen Mittel der Gesellschaft zu verfügen. Dass die Zahlungsverpflichtung rechtswirksam an die Zeugin W. übertragen worden sei, habe nicht nachgewiesen werden können. Es sei die Beschwerdeführerin damit in Kenntnis ihrer Zahlungsverpflichtung dieser nicht nachgekommen. Die "(gedankliche) Verrechnung mit nicht geltend gemachten Gutschriften" sei nicht exkulpierend. Es sei der Beschwerdeführerin aus den vorhergehenden Verfahren bekannt gewesen, dass es bereits durch Jahre hinweg Probleme mit der Meldung und Entrichtung der lohnabhängigen Abgaben gegeben habe; trotzdem seien unmittelbar nach der zweiten Bestrafung wiederum keine Meldungen erstattet und die Lohnabgaben nicht pünktlich entrichtet worden. Selbst wenn man dem Vorbringen Glauben schenken wolle, dass Helga W. aufgefordert worden sei, die Meldungen ab 1994 eingeschrieben vorzunehmen, erschiene es lebensfremd, dass die Beschwerdeführerin als Geschäftsführerin ungeprüft darauf hätte vertrauen können, dass allen Meldeverpflichtungen durch die Buchhalterin ordnungsgemäß nachgekommen werde, welche sich bereits zuvor mehrere Jahre hindurch als unzuverlässig in dieser Hinsicht erwiesen habe. Zu welchem Zeitpunkt die Beschwerdeführerin Kenntnis von der Zurücklegung der Vollmacht durch den Steuerberater erlangt habe, sei mangels Einbindung der Steuerberatungskanzlei in die Modalitäten der Entrichtung der laufenden Abgabenschuldigkeiten irrelevant. Dass eine zweimal vorbestrafte Geschäftsführerin in einem Zeitraum von zwei Jahren die Kontoauszüge der Gesellschaft nicht überprüfe und ihr somit nicht bekannt geworden sein sollte, dass keine entsprechenden Buchungen auf dem Abgabenkonto erfolgt seien, müsse als absolut unglaubwürdig angesehen werden. Ohne auf die Problematik der Umsatzsteuergutschriften eingehen zu wollen - die Überprüfung dieser Umsatzsteuergutschriften sei nicht Verfahrensgegenstand -, sei doch festzuhalten, dass die Zeugin kein ersichtliches Motiv gehabt habe, errechnete Gutschriften nicht geltend zu machen. Der Umstand, dass das Abgabenkonto stets Rückstände aufgewiesen habe und dass die betroffenen Beträge auch derzeit noch aushafteten, erlaube vielmehr Rückschlüsse auf finanzielle Schwierigkeiten als Ursache und Motiv für das Unterbleiben einer Entrichtung der betroffenen Lohnabgaben.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Erstattung einer Gegenschrift und Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

Die Beschwerdeführerin rügt zunächst, dass dem angefochtenen Bescheid der ihm zu Grunde liegende Sachverhalt nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit zu entnehmen sei und bringt darüber hinaus vor, dass auch die erschließbaren Feststellungen nicht dazu ausreichen könnten, die behördliche Annahme vorsätzlichen Handelns der Beschwerdeführerin zu tragen. Dass die Beschwerdeführerin der Buchhalterin die ausdrückliche Weisung erteilt habe, die Abgabenmeldungen eingeschrieben an das Finanzamt zu übersenden, werde anscheinend auch von der belangten Behörde nicht in Abrede gestellt; aus welchem Sachverhalt sich hätte ergeben sollen, dass die Beschwerdeführerin billigend in Kauf genommen habe, dass die Selbstberechnungsabgaben dessen ungeachtet nicht gemeldet werden würden, sei nicht erkennbar. Die Annahme, die erteilte Weisung sei der Beschwerdeführerin von vornherein als sinnlos erschienen, wäre durch Verfahrensergebnisse nicht als gedeckt anzusehen. Alle anderen Annahmen reichten aber lediglich für Fahrlässigkeit, nicht aber für die Begründung vorsätzlichen Handelns aus. Hinsichtlich des Bestehens von Abgabenrückständen existierten keine Feststellungen, die eine Vermutung vorsätzlichen Handelns der Beschwerdeführerin rechtfertigen könnten. Es errechneten sich nämlich auf Grund sämtlicher Umsatzsteuervoranmeldungen Guthaben, in denen die selbst zu berechnenden Lohnabgaben vollständig gedeckt gewesen seien. Erst auf Grund einer später erfolgten Zuschätzung sei es bei der Umsatzsteuer zu Zahllasten gekommen, aus denen die nunmehr festgestellten Rückstände rechnerisch resultiert hätten. Die belangte Behörde unterstelle der Beschwerdeführerin solcherart "dolus superveniens", der nicht strafbegründend wirken könne. Der gesamte Sachverhalt reduziere sich auf den Umstand, dass keine ordnungsgemäßen Meldungen abgegeben worden seien, weil die abgabenrechtlichen Verpflichtungen mit Abgabe der Meldungen erledigt gewesen wären, sodass die Beschwerdeführerin mit Recht davon hätte ausgehen können, dass Zahlungen nicht zu leisten seien. Dies habe die belangte Behörde zu Lasten der Beschwerdeführerin nicht beachtet. Ihre Verantwortung, mit dem Vorliegen entsprechender Guthaben gerechnet zu haben, werde ebenso wie das diesbezügliche Beweisergebnis von der belangten Behörde übergangen. Feststellungen über die Existenz von Abgabenrückständen bei ordnungsgemäßer Meldung fehlten im angefochtenen Bescheid, sodass die Beschwerdeführerin zu den fraglichen Tatzeitpunkten bedingter Vorsatz nicht habe treffen können. Zu jedem einzelnen nach § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG relevanten Zeitpunkt wären diesbezüglich von der belangten Behörde die entsprechenden Feststellungen zu treffen gewesen. Die hienach erforderliche Sachverhaltsergänzung hätte erwiesen, dass die Beschwerdeführerin weder hinsichtlich der Abgabenrückstände noch hinsichtlich des Unterbleibens einer Meldung der lohnabhängigen Abgaben mit bedingtem Tatvorsatz gehandelt habe.

Einer Finanzordnungswidrigkeit nach § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG macht sich schuldig, wer vorsätzlich Abgaben, die selbst zu berechnen sind, Vorauszahlungen an Umsatzsteuer oder Vorauszahlungen an Abgabe von alkoholischen Getränken nicht spätestens am fünften Tag nach Fälligkeit entrichtet oder abführt, es sei denn, dass der zuständigen Abgabenbehörde bis zu diesem Zeitpunkt die Höhe des geschuldeten Betrages bekannt gegeben wird; im Übrigen ist die Versäumung eines Zahlungstermins für sich allein nicht strafbar.

Der für die Verwirklichung des Tatbildes des § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG erforderliche Vorsatz muss sich nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur auf die tatbildmäßig relevante Versäumung des Termins für die Entrichtung der Selbstbemessungsabgaben richten. Ob den Steuerpflichtigen an der Unterlassung der in der genannten Bestimmung als strafbefreiend normierten Meldung der geschuldeten Beträge an das Finanzamt ein Verschulden trifft, ist irrelevant (siehe die hg. Erkenntnisse vom 31. März 1998, 96/13/0004, und vom 3. November 1992, 92/14/0147, mit weiteren Nachweisen).

Kommt vor diesem Hintergrund der Frage des von der Beschwerdeführerin behaupteten Vertrauens auf die rechtzeitige Meldung der lohnabhängigen Abgaben durch die Buchhalterin für die Verwirklichung des Tatbildes des § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG unter dem Gesichtspunkt des darin normierten Strafaufhebungsgrundes auch keine Relevanz zu, so gewann diese Frage im Beschwerdefall unter einem anderen Aspekt dennoch Bedeutung. Der Beschwerdefall ist nämlich durch die Besonderheit gekennzeichnet, dass die Beschwerdeführerin Entrichtung und Abfuhr der lohnabhängigen Abgaben nicht durch Zahlung, sondern durch Verwendung von Guthaben geltend gemacht hat, die aus Umsatzsteuervoranmeldungen hätten resultieren müssen, durch deren Abgabe bei gleichzeitiger Bekanntgabe der lohnabhängigen Abgaben diese als getilgt anzusehen gewesen wären. Die Verantwortung der Beschwerdeführerin ging von Beginn an dahin, den Bekundungen der Buchhalterin vertraut zu haben, dass mit der Abgabe der -entsprechende Gutschriften ausweisenden - Umsatzsteuervoranmeldungen die gleichzeitig bekannt gegebenen lohnabhängigen Abgaben als entrichtet und abgeführt gelten würden.

Da die Bestimmung über die Entrichtung von Abgaben auf die in § 79 Abs. 1 EStG 1988 normierte Verpflichtung des Arbeitgebers, die in einem Kalendermonat einzubehaltende Lohnsteuer spätestens am 15. Tag nach Ablauf des Kalendermonates in einem Betrag an das Finanzamt der Betriebsstätte abzuführen, anzuwenden sind (Doralt, EStG4, § 97 Tz 1) und zufolge der Bestimmung des § 211 Abs. 1 lit. g BAO auch die Verwendung von Guthaben als Art der Entrichtung von Abgaben in Betracht kommt, hätten Gutschriften aufweisende Umsatzsteuervoranmeldungen, die zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt der lohnabhängigen Abgaben ein Guthaben auf dem Abgabenkonto der Gesellschaft herbeigeführt hätten, die Verpflichtung zur Abfuhr der Lohnsteuer und zur Entrichtung des Dienstgeberbeitrages unter der Bedingung einer die abzuführenden Beträge lohnabhängiger Abgaben offenlegenden Anmeldung dieser Abgaben grundsätzlich erfüllen können.

Dass es im vorliegenden Fall zu den für den Schuldvorwurf maßgeblichen Zeitpunkten zu solchen Meldungen, mit welchen die Abfuhrpflicht nach § 79 EStG 1988 und die Pflicht zur Entrichtung des Dienstgeberbeitrages hätte erfüllt werden können, nicht gekommen ist, steht nicht in Streit. Strafbarkeit der Beschwerdeführerin nach § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG war aber nur dann zu bejahen, wenn ihr vorsätzliches Handeln insoweit angelastet werden konnte, als auf Grund nachprüfbarer Feststellungen feststand, dass sie es zu den jeweils relevanten Tatzeitpunkten (zumindest) ernstlich für möglich gehalten und sich damit abgefunden hatte (§ 8 Abs. 1 FinStrG), dass entweder auf dem Abgabenkonto kein verwendbares Guthaben entstehen oder die Abgabenbehörde mangels Mitteilung der von der Abfuhr- und Entrichtungspflicht betroffenen Abgabenbeträge durch die Buchhalterin nicht in die Lage versetzt werden würde, ein bestehendes Guthaben diesem gegenüber stehenden Abfuhr- und Entrichtungspflichten an lohnabhängigen Abgaben zuzuordnen. Nahm die Beschwerdeführerin billigend in Kauf, dass die Buchhalterin dem Finanzamt eine die Verwendung eines Guthabens zu Tilgungszwecken ermöglichende Meldung der lohnabhängigen Abgaben trotz Weisung nicht fristgerecht im Sinne des § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG erstatten würde, dann hatte sie Vorsatz verwirklicht. Ebenso hatte die Beschwerdeführerin Vorsatz verwirklicht, wenn sie es billigend in Kauf genommen hatte, dass ein zu Tilgungszwecken verwendbares Guthaben auf dem Abgabenkonto der Gesellschaft gar nicht entstehen würde, weil die Buchhalterin auch die Umsatzsteuervoranmeldungen mit guthabenstauglichen Gutschriften nicht erstatten würde, oder weil auf dem Abgabenkonto der Gesellschaft nach dessen Stand selbst durch zu erwartende Umsatzsteuergutschriften kein Guthaben mehr entstehen könnte, und die Beschwerdeführerin es etwa auch unter diesem Gesichtspunkt ernstlich für möglich gehalten und sich damit abgefunden hatte, dass es zu der ihr von der Buchhalterin zugesagten Tilgungswirkung hinsichtlich der lohnabhängigen Abgaben nicht kommen würde.

Dies wären die einer Feststellung bedürftigen Sachverhalte gewesen, welche die Annahme vorsätzlichen Handelns durch die Beschwerdeführerin hätten tragen können. Dass es an eindeutigen und nachprüfbaren Sachverhaltsfeststellungen zur subjektiven Tatseite in der hier aufgezeigten Hinsicht fehlt, ist ein Beschwerdevorwurf, der sich als begründet erweist. Hatten die Bekundungen der Buchhalterin Helga W. in ihrer schriftlichen Zeugenaussage auch Sachverhalte ans Tageslicht gefördert, bei deren Erhärtung und Erweislichkeit eine Bestrafung der Beschwerdeführerin in gänzlich anderen als den hier in Rede stehenden Dimensionen im Raum gestanden wäre, konnte dies die belangte Behörde dennoch nicht davon entbinden, jenen Sachverhalt festzustellen, dessen Feststellung es bedurfte, um der Beschwerdeführerin vorsätzliches Handeln auch hinsichtlich jenes Deliktes rechtens anzulasten, für welches sie hier bestraft worden ist. Die im angefochtenen Bescheid geäußerte Ansicht der belangten Behörde, "die (gedankliche) Verrechnung mit nicht geltend gemachten Gutschriften ist nicht exkulpierend", hat die von der Beschwerdeführerin eingeschlagene Verteidigungslinie insoweit nicht ausreichend erfasst, als ein Vertrauen der Beschwerdeführerin auf eine Befolgung der von der belangten Behörde nicht in Abrede gestellten Weisung unter den oben dargelegten Prämissen zur Verneinung vorsätzlichen Handelns der Beschwerdeführerin ungeachtet ihrer zwei Vorstrafen hätte führen können. Ob die Buchhalterin der Beschwerdeführerin für die hier interessierenden Tatzeiten zugesichert hat, dass die lohnabhängigen Abgaben durch Umsatzsteuervoranmeldungen als getilgt gelten würden, war die erste für die Beurteilung der subjektiven Tatseite wesentliche Sachverhaltsfrage, die einer klaren und nachvollziehbar begründeten Beantwortung bedurft hätte, an welcher es im angefochtenen Bescheid fehlt. Die nächste Sachverhaltsfrage war die, ob die Beschwerdeführerin einer solchen - gegebenenfalls erklärten - Versicherung der Buchhalterin zu den hier interessierenden Tatzeiten geglaubt hat oder nicht, wobei es irrelevant ist, ob die Beschwerdeführerin einer solchen Versicherung glauben durfte. Weder auf die rechtliche Richtigkeit noch auf die Entschuldbarkeit der subjektiven Vorstellungen der Beschwerdeführerin vom Eintritt einer Entrichtungs- und Abfuhrwirkung der von der Buchhalterin gegebenenfalls versprochenen Maßnahmen kommt es rechtlich an, sondern nur auf den tatsächlichen Inhalt der subjektiven Vorstellungen der Beschwerdeführerin (siehe in diesem Zusammenhang etwa die Ausführungen zum Vorsatz auch bei Unentschuldbarkeit ausschließenden Rechtsirrtum im hg. Erkenntnis vom 27. Februar 2002, 2000/13/0197).

Der in der Gegenschrift getroffene Hinweis auf die Höhe des auf dem Abgabenkonto der I. GmbH aushaftenden Rückstandes, aus dem auch nach Verbuchung aller geltend gemachter Umsatzsteuergutschriften im November 1995 noch kein Guthaben entstanden sei, kann die im angefochtenen Bescheid fehlende Feststellung, dass und weshalb dieser Sachverhalt der Beschwerdeführerin klar war oder von ihr zumindest ernstlich für möglich gehalten wurde, nicht ersetzen. Auch der Verweis auf das hg. Erkenntnis vom 3. Mai 2000, 98/13/0242, substituiert die Unzulänglichkeit der Sachverhaltsfeststellungen im angefochtenen Bescheid nicht. Die für den vorliegenden Beschwerdefall verwendbaren Aussagen dieses Erkenntnisses zur Möglichkeit einer Abgabentilgung durch Guthabensverwendung führen nicht an der Erforderlichkeit der gebotenen Tatsachenfeststellung - und ihrer Begründung - zur rechtserheblichen Frage vorbei, welche subjektiven Vorstellungen die Beschwerdeführerin davon hatte, ob und wie die sie treffende Abfuhr- und Entrichtungspflicht zu den jeweiligen Terminen erfüllt werden würde.

Die im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Überlegung der belangten Behörde, dass die Buchhalterin doch kein ersichtliches Motiv gehabt habe, errechnete Gutschriften nicht geltend zu machen, ist ein Argument für und nicht gegen das von der Beschwerdeführerin behauptete Vertrauen in die Befolgung ihrer Weisung. Wenn die Buchhalterin in ihrer schriftlichen Zeugenaussage erklärt hatte, dass die Beschwerdeführerin gewusst habe, dass sie nicht bereit sei, manipulierte Meldungen abzugeben, dann bedurfte diese Aussage noch einer näheren Aufklärung des Inhaltes, ab welchem Zeitpunkt und weshalb die Beschwerdeführerin derlei gewusst haben sollte, um aus dieser Aussage noch ausreichenden Erkenntnisgewinn für die Beurteilung vorsätzlichen Handelns durch die Beschwerdeführerin im dargestellten Sinn zu beziehen. Mit dem der Bekundung der Zeugin Helga W. entgegenstehenden Umstand, dass eine Abgabe von ihr unterfertigter Umsatzsteuervoranmeldungen im November 1995 letztlich doch erfolgt war, wäre die Zeugin in diesem Zusammenhang noch zu konfrontieren.

Da die Unzulänglichkeit des zum Vorliegen der subjektiven Tatseite festgestellten Sachverhaltes im Zusammenhalt mit der aufgezeigten Ergänzungsbedürftigkeit der Vernehmung der Zeugin Helga W. eine verlässliche Beurteilung der Übereinstimmung des angefochtenen Bescheides mit dem Gesetz ungeachtet der gewichtig gegen die Verantwortung der Beschwerdeführerin sprechenden Umstände noch nicht erlaubt, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. II Nr. 333/2003.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung hat der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG Abstand genommen.

Wien, am 29. September 2004

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2000130151.X00

Im RIS seit

05.11.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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