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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
BAO §167 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Hargassner, Mag. Heinzl, Dr. Fuchs und Dr. Büsser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Seidl LL.M., über die Beschwerde der "T" BaugmbH in W, vertreten durch dynama, Wirtschaftstreuhand GesmbH, Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in 1040 Wien, Wohllebengasse 13, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 27. September 1999, Zl. RV/267-11/11/99, betreffend Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages hinsichtlich Umsatzsteuer und Körperschaftsteuer für 1997 sowie Festsetzung von Umsatzsteuervorauszahlungen für 1/1998, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 381,90 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Eingabe vom 7. April 1999 beantragte die beschwerdeführende Baugesellschaft m. b. H. die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Berufung gegen den Bescheid des Finanzamtes vom 1. Februar 1999 betreffend Umsatzsteuer 1997 und Körperschaftsteuer 1997, sowie weitere Bescheide, unter anderem den Bescheid vom 1. Februar 1999 betreffend Umsatzsteuervorauszahlungen für 1/98. Begründend führte die Beschwerdeführerin aus, die verfahrensgegenständlichen Bescheide seien entgegen der Vorschrift des § 13 Abs. 3 des Zustellgesetzes nicht einem zur Empfangnahme befugten Vertreter, nämlich dem Geschäftsführer S, sondern der Sekretärin P zugestellt worden, welche die Schriftstücke nicht dem Geschäftsführer abgeliefert und vorgelegt, sondern sie in ihrem Schreibtisch verwahrt habe. Die Sekretärin sei - aus anderen Gründen als dieser unbefugten Empfangnahme von Schriftstücken - im Laufe des Februar 1999 entlassen worden und der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin habe die genannten Bescheide - offensichtlich nach Ablauf der einmonatigen Berufungsfrist - am 29. März 1999 im Schreibtisch der Sekretärin unter einem Wust von Papieren gefunden. Sowohl die entgegen der Vorschrift des Zustellgesetzes nicht an einen zur Empfangnahme befugten Vertreter, sondern an die Sekretärin erfolgte Zustellung, als auch der Umstand, dass die genannte Sekretärin die erwähnten Bescheide nicht an den Geschäftsführer weitergegeben habe, sondern sie unter einem Wust von Papieren im Schreibtisch "versteckt" und davon keine Erwähnung gemacht habe, seien für den Geschäftsführer der Beschwerdeführerin jeweils ein unvorhergesehenes oder auch ein unabwendbares Ereignis im Sinne des § 308 Abs. 1 BAO, welches ihn als zur Vertretung der Beschwerdeführerin berufenes Organ daran gehindert habe, die Berufung gegen die genannten Bescheide fristgerecht zu erheben. Dem Antrag war eine "eidesstättige" Erklärung des Geschäftsführers der Beschwerdeführerin angeschlossen, in welcher dieser Sachverhalt bestätigt wird.
Das Finanzamt wies den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ab. Das Antragsvorbringen übersehe, dass die Bescheide am 3. Februar 1999 gemäß § 16 Abs. 2 Zustellgesetz an einen Ersatzempfänger zugestellt worden seien. Bei der Sekretärin handle es sich um eine Arbeitnehmerin im Sinne des § 16 Abs. 2 Zustellgesetz. Die Zustellung sei daher wirksam erfolgt. Aber auch das weitere Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag sei nicht geeignet, diesem Antrag zum Erfolg zu verhelfen. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin lasse nämlich nicht erkennen, dass der Geschäftsführer die Sekretärin in ausreichendem Umfang überwacht habe. Es könne dem Geschäftsführer bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt nicht entgangen sein, dass die Sekretärin behördliche Schriftstücke "übernahm bzw. wäre es ihm oblegen, die Sekretärin dahingehend zu befragen bzw. zu überwachen". Dass der Geschäftsführer dies nicht getan habe bzw. dass die Arbeitsabläufe durch den Geschäftsführer nicht so organisiert worden seien, dass ihm eine derartige Übernahme von Schriftstücken durch die Sekretärin hätte auffallen müssen, stelle ein die leichte Fahrlässigkeit übersteigendes Verschulden dar. Aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin ergebe sich jedoch darüber hinaus, dass der Geschäftsführer den Schreibtisch der Sekretärin nach deren Entlassung im Februar 1999 erst am 29. März 1999, somit zumindest vier Wochen nach der ausgesprochenen Entlassung, einer Nachschau unterzogen und dabei die Bescheide entdeckt habe. Ein derartiges Vorgehen hätte ein sorgfältiger Geschäftsführer jedoch keinesfalls angewandt. Ein sorgfältiger Geschäftsführer hätte den Schreibtisch der Sekretärin vielmehr unmittelbar nach deren Entlassung einer Nachschau unterzogen. Das Verhalten des Geschäftsführers sei insoweit grob fahrlässig gewesen.
In der dagegen erhobenen Berufung wurde eingeräumt, dass der Sekretärin als Arbeitnehmerin im Sinne des § 16 Abs. 2 des Zustellgesetzes die Bescheide wirksam hätten zugestellt werden können. Derartige Zustellungen seien auch "laufend erfolgt", wobei die entsprechenden Schriftstücke immer ordnungsgemäß dem Geschäftsführer abgeliefert worden seien, sodass dieser keinerlei Zweifel an der Zuverlässigkeit der Sekretärin hätte haben müssen. Wegen eines kurz zuvor erfolgten heftigen Streites, der in der Folge auch zur Beendigung des Dienstverhältnisses geführt habe, sei es aber dazu gekommen, dass die Sekretärin dem Geschäftsführer Post verheimlicht und versteckt habe, wovon der Geschäftsführer naturgemäß nichts habe merken können. Regelmäßige Überprüfungen hätten ins Leere gehen müssen, weil es die Angestellte so geschickt verstanden habe, die aus Bosheit unterschlagenen Briefe zu verheimlichen, dass auch noch so genaue Kontrollen nichts zu Tage gebracht hätten. Sich gegen ein derartiges Vorgehen zu wehren, sei praktisch unmöglich und daher nicht einmal als Fahrlässigkeit zu beurteilen. Darüber hinaus sei der Schreibtisch nach der Entlassung der Sekretärin leergeräumt und "auch als solcher übergeben" worden. Erst als "man später dahinter kam, dass Post absichtlich versteckt" worden sei, sei neuerlich im Schreibtisch nachgeschaut und erst da die versteckte Post entdeckt worden. Auch aus diesem Grund könne dem Geschäftsführer keinerlei Fahrlässigkeit zur Last gelegt werden, weil er erst "zur Defraudationsprüfung" verpflichtet gewesen sei, als er "davon" erfahren habe. Eine solche Prüfung habe eben viel genauer zu erfolgen als eine routinemäßige, die "grundsätzlich zu geschehen" habe.
Mit Berufungsvorentscheidung wurde die Berufung abgewiesen. Darin wurde unter anderem die Ansicht vertreten, gerade wenn es gröbere Unstimmigkeiten zwischen der Sekretärin und dem Geschäftsführer gegeben habe, hätte dieser unmittelbar nach deren Entlassung besondere Sorgfalt walten lassen müssen. Die Umstände der Durchsuchung des Schreibtisches der Sekretärin zeigten eindeutig die Oberflächlichkeit der Kontrolle des Geschäftsführers und seine mangelnde Sorgfalt auf. Wäre der Geschäftsführer mit der im konkreten Fall erforderlichen Sorgfalt vorgegangen, hätte er die im Schreibtisch befindlichen Bescheide innerhalb der Berufungsfrist vorgefunden. Es könne daher nicht angenommen werden, dass ein minderer Grad des Versehens zur Fristversäumnis geführt habe.
Im Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz wurde ergänzend ausgeführt, dass ein heftiger Streit mit einer Angestellten keineswegs habe den Verdacht konkret werden lassen müssen, dass die Person, die später einen Entlassungsgrund gesetzt habe, den Streit zum Anlass nehmen werde, absichtlich Postsendungen zu verheimlichen und sie so zu verstecken, dass sie auch bei einer routinemäßigen Leerung des Schreibtisches nach der Entlassung nicht gefunden werden. Es sei dies nämlich ein Verhalten, welches nicht typisch von allen Angestellten, mit denen der Chef Streit habe, angewandt werde, um dem Chef zu schaden. Mit so einem boshaften Verhalten habe der Geschäftsführer der antragstellenden Partei keineswegs rechnen müssen. Dazu komme, dass die Schriftstücke im Schreibtisch derart raffiniert versteckt worden seien, dass man sie erst - "offensichtlich durch Zufall" - zu einem späteren Zeitpunkt gefunden habe, während sie sich bis zu diesem Zeitpunkt "jeglicher Kontrolle entzogen haben", ein Umstand, mit dem der Geschäftsführer ebenfalls nicht habe rechnen müssen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung abgewiesen. Zum Wiedereinsetzungsgrund des "Nicht-Weiterleitens, Nicht-Erwähnens sowie Versteckens" der verfahrensgegenständlichen Bescheide wurde darauf hingewiesen, dass bei der Beschwerdeführerin eine Betriebsprüfung stattgefunden habe und der Geschäftsführer bei entsprechender Aufmerksamkeit wegen der in der Schlussbesprechung bekannt gegebenen Feststellungen mit Steuernachforderungen und dem Erlassen von Bescheiden habe rechnen müssen. Den Betriebsprüfungsbericht vom 15. Jänner 1999 sowie den Bescheid vom 1. Februar 1999 betreffend Festsetzung von Umsatzsteuervorauszahlungen für 1/98 habe der Geschäftsführer am 9. Februar 1999 übernommen. Auf Grund dieses Sachverhaltes hätten sich die dem Geschäftsführer zumutbaren und gebotenen Kontroll- und Überwachungspflichten gegenüber der Sekretärin hinsichtlich der eingehenden behördlichen Schriftstücke ergeben. Da Betriebsprüfungsberichte in der Regel zeitnah mit den entsprechenden Bescheiden versendet würden, habe der Geschäftsführer spätestens ab dem 9. Februar 1999 mit dem Eingang von Bescheiden des Finanzamtes rechnen müssen. In dieser Situation sei es nahe liegend, eine ausdrückliche Frage an die Sekretärin zu stellen, ob Bescheide eingegangen seien, bzw. wegen des vorangegangenen Streites die Frage unter Hinweis auf die von ihm übernommene Sendung zu konkretisieren. Es sei in einem solchen Fall aber ebenso zumutbar und geboten gewesen, ab dem 9. Februar 1999 Nachforschungen "im Geschäft und bei der Sekretärin" im Hinblick auf die Bescheide vorzunehmen bzw. beim Finanzamt nach den "fehlenden Bescheiden" zu fragen. Im Berufungsverfahren sei zwar ausgeführt worden, dass die Sekretärin es so geschickt verstanden habe, die aus Bosheit unterschlagenen Briefe zu verheimlichen, die Beschwerdeführerin habe aber nicht behauptet, dass der Geschäftsführer nach Bescheiden gefragt und die Sekretärin eine diesbezügliche Frage des Geschäftsführers ausdrücklich verneint und ihn somit belogen habe. Auch führe die Beschwerdeführerin nicht aus, dass der Geschäftsführer nach Erhalt des Betriebsprüfungsberichtes den Schreibtisch nach behördlichen Schriftstücken durchsucht hätte. Durch entsprechende Nachforschungen nach den Bescheiden des Finanzamtes "im Geschäft und im Finanzamt" hätte die Versäumung der Berufungsfristen verhindert werden können, weil nach dem Vorbringen der Beschwerdeführerin bei einer genaueren Nachschau die Bescheide "überraschend bzw. durch Zufall" gefunden worden seien. Daraus folge, dass das behauptete Verhalten der Sekretärin - ein so boshaftes Verhalten könne in der Tat mit den einem Durchschnittsmenschen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten nicht verhindert werde - als nicht kausal für die Versäumung der Berufungsfristen zu bewerten sei. Aus der Sachverhaltsfeststellung, dass der Geschäftsführer den Bescheid über die Festsetzung von Umsatzsteuervorauszahlungen für 1/1998 vom Postamt abgeholt habe, folge, dass sich die Behauptungen, die sich immer auf "alle strittigen Bescheide beziehen", als nicht glaubhaft gemacht erwiesen. Nicht glaubwürdig sei auch das Vorbringen, dass der Schreibtisch der Sekretärin im Februar leer übergeben worden sei und trotzdem am 29. März noch ein "Wust von Papieren" gefunden worden sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde erwogen:
Der Begründung des angefochtenen Bescheides lassen sich ungeachtet gegebenenfalls verfehlter Rechtsansichten vor allem zur Frage der gebotenen und zumutbaren Überwachungspflichten des Geschäftsführers der Beschwerdeführerin jedenfalls auch Feststellungen entnehmen, dass die belangte Behörde dem Vorbringen der Beschwerdeführerin im Wiedereinsetzungsantrag bzw. im nachfolgenden Verwaltungsverfahren nicht geglaubt hat. Im Wiedereinsetzungsantrag sei vorgebracht worden, auch der Bescheid über die Festsetzung von Umsatzsteuervorauszahlungen für 1/1998 sei von der Sekretärin versteckt worden, obwohl der Geschäftsführer selbst diesen Bescheid vom Postamt abgeholt hat. Das Vorbringen im Verwaltungsverfahren, der Schreibtisch der Sekretärin sei im Februar leer übergeben worden, wiewohl im März noch ein Wust von Papieren gefunden worden sei, sei unglaubwürdig.
Dieser Akt der Beweiswürdigung durch die belangte Behörde begegnet keinen Bedenken, zumal von der Beschwerdeführerin im Verfahren nicht einmal ansatzweise dargetan worden war, welche Verstecke der von der Sekretärin verwendete Schreibtisch geboten hat, die es hätten glaubhaft erscheinen lassen, dass bei dem leer geräumten Schreibtisch ein "Wust von Papieren" unentdeckt bleiben konnte. Auch in der Beschwerde wird nicht näher erläutert, von welcher Art der darin angeführte Zufall gewesen sei, welcher letztlich zur Auffindung der "Papiere" geführt hätte.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 29. September 2004
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:1999130232.X00Im RIS seit
12.11.2004