TE Vfgh Beschluss 2001/2/27 V8/01

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Veröffentlicht am 27.02.2001
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Index

90 Straßenverkehrsrecht, Kraftfahrrecht
90/01 Straßenverkehrsordnung 1960

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
StVO 1960 §43 Abs1 litb
Verordnung des Bürgermeisters der Stadt Salzburg vom 14.08.97 betreffend Verkehrsbeschränkungen auf der Alpenstraße B 150

Leitsatz

Zurückweisung des Individualantrages einer Tankstelleneigentümerin und eines Pächters auf Aufhebung einer Verordnung hinsichtlich der verordneten Sperrlinienregelung mangels Eingriff in die Rechtssphäre der Antragsteller; keine gänzliche Absperrung der Zufahrt zur Betriebsstätte durch das Verbot des Linksabbiegens zur Tankstelle

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Die Erstantragstellerin ist Eigentümerin und gewerberechtliche Konsensinhaberin der OMV-Tankstelle in Salzburg-Alpenstraße. Der Zweitantragsteller ist Pächter dieser Tankstelle.

Zum Sachverhalt führen die Antragsteller aus:

"Der Bürgermeister der Landeshauptstadt Salzburg als Bezirksverwaltungsbehörde hat mit Verordnung vom 14.08.1997, Zahl 9/01/49493/97/2 im Grunde des §43 Abs1 litb) Zif. 2 der Straßenverkehrsordnung in der Alpenstraße im Abschnitt zwischen der Billrothstraße und dem Ginzkeyplatz die Fahrstreifenaufteilung auf der Fahrbahn, die Anbringung von Sperrflächen, Sperrlinien, Haltelinien und Richtungspfeilen nach Maßgabe von zwei Lageplänen der Bundesstraßenverwaltung, jeweils vom 13.08.1997, Plan Nr. 12197 D 13 und Nr. 12197 D 14 jeweils Projektnummer 121 bis 97, Salzburger Straße B 150, Markierungsplan - Alpenstraße Kilometer 8.14 bis 8.67 verfügt.

Für den von der Beschwerde betroffenen Straßenabschnitt im Ein- und Ausfahrtsbereich der OMV-Tankstelle in Salzburg-Alpenstraße, nämlich Straßenkilometer 8.4, wurde für die stadteinwärts fahrenden Fahrzeuge eine Sperrlinie verordnet.

Die gegenständliche Verordnung stützt sich, wie bereits ausgeführt, auf §43 Abs1 litb) Zif. 2 StVO, wonach die Behörde befugt ist, für bestimmte Straßen, Straßenstrecken oder für Straßen innerhalb eines Wohngebietes durch Verordnung,

       '... wenn und insoweit es die Sicherheit, Leichtigkeit oder

Flüssigkeit des sich bewegenden oder die Ordnung des ruhenden

Verkehrs ... erfordert, ... den Straßenbenützern ein bestimmtes

Verhalten vorzuschreiben.'

Für den Fall der Mißachtung der Sperrlinie ist in der Straßenverkehrsordnung die Verhängung einer Verwaltungsstrafe normiert."

2. Mit einem auf Art139 B-VG gestützten Antrag begehren die Antragsteller, die Verordnung vom 14. August 1997, Z9/01/49493/97/2 "hinsichtlich der verordneten Sperrlinienregelung auf der Alpenstraße

B 150, Kilometer 8,4 als gesetzwidrig aufzuheben".

3. Zur Antragslegitimation bringen die Antragsteller vor:

"Zum Nachweis der Antragslegitimation der OMV AG Wien wird einleitend darauf verwiesen, daß diese Eigentümerin und gewerberechtliche Konsensinhaberin der OMV-Tankstelle in Salzburg-Alpenstraße ist. Durch die angefochtene Verordnung wird eine Rechtsfolge angeordnet, die in ihre Rechtssphäre unmittelbar und aktuell eingreift, ohne daß es hiefür einer behördlichen Erledigung bedarf, da für den Fall des Zuwiderhandelns gegen die verordnete Sperrlinienregelung für stadteinwärtsfahrende Kunden und insbesondere auch für OMV-Mitarbeiter im Rahmen der Betreuung und Wartung der Tankstelle die Verhängung von Verwaltungsstrafen gemäß §99 StVO angedroht ist. Es ist für die Erstbeschwerdeführerin nicht zumutbar, gegen die Vorschriften dieser Verordnung zu verstoßen und Verwaltungsstrafen zu riskieren, nur um auf diesem Wege zum Höchstgericht zu gelangen. Um diesen Individualantrag zu vermeiden, hat die Erstbeschwerdeführerin bei der zuständigen Behörde sogar einen Antrag auf Abänderung der gegenständlichen Verordnungsregelung gestellt, dem jedoch nicht entsprochen wurde. Die Antragslegitimation der OMV-AG ist jedoch auch in anderer Hinsicht begründet, da die verordnete Sperrlinienregelung mit erheblichen wirtschaftlichen Einbußen und Umsatzrückgängen für den Betrieb der Tankstelle verbunden ist. Aber auch ein anderer Aspekt darf nicht übersehen werden, nämlich daß eine Vielzahl von Dauerkunden aus den Bereichen Anif und Elsbethen durch die rechtswidrig verordnete Sperrlinienregelung mit der Verhängung von Verwaltungsstrafen auf Grund des §99 StVO bedroht ist.

Die Beschwerdelegitimation des Zweitbeschwerdeführers ist deshalb gegeben, weil der Zweitbeschwerdeführer Pächter der in Rede stehenden Tankstelle ist und tagtäglich mehrfach zu dieser Tankstelle zufährt und wegfährt. Häufig kommt der Zweitbeschwerdeführer auch aus südlicher Richtung (Anif/Elsbethen) und müßte gegen die Sperrlinienregelung verstoßen."

II. Der Antrag ist unzulässig:

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist grundlegende Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Antrages auf Aufhebung einer Verordnung nach Art139 Abs1 letzter Satz B-VG, daß die Verordnung für den Antragsteller nicht bloß faktische Wirkungen zeitigt, sondern seine Rechtssphäre berührt, also in seine Rechtssphäre eingreift und diese im Fall ihrer Rechtswidrigkeit verletzt. Anfechtungsberechtigter ist also von vornherein nur ein Rechtsträger (Normadressat), an oder gegen den sich die angefochtene Norm wendet (vgl. VfSlg. 8757/1980).

2.1. Laut Sachverhalt des Beschlusses des Verfassungsgerichtshofes vom 29. Juni 1984, VfSlg. 10096, wurde durch Verordnung auf einer Bundesstraße im Bereich der Marktgemeinde Groß Weikersdorf den Lenkern von Fahrzeugen, die die Straße in bestimmter Fahrtrichtung befahren, untersagt, links zu einer näher bezeichneten Treibstofftankstelle zuzufahren. Der Verfassungsgerichtshof verneinte die Antragslegitimation der Betreiberin der Treibstofftankstelle im Verordnungsprüfungsverfahren nach Art139 Abs1 letzter Satz B-VG im wesentlichen wie folgt:

"Die Antragstellerin macht geltend, daß das in der angefochtenen Verordnung enthaltene Verbot, nach links zu ihrer Tankstelle zuzufahren, für sie deshalb wirksam geworden sei, weil einerseits den Lenkern der in ihrem Eigentum stehenden (von den zu ihrer Vertretung berufenen Organwaltern oder ihren Angestellten geführten) Fahrzeuge, andererseits den sonstigen Verkehrsteilnehmern (Lenkern sonstiger Fahrzeuge), die auf der Bundesstraße 4 in Richtung Wien fahren, untersagt werde, zur Tankstelle der Antragstellerin zuzufahren.

Weder aus der StVO noch aus einer sonstigen Vorschrift kann die Antragstellerin für sich (bzw. für die Lenker der in ihrem Eigentum stehenden KFZ) einen Rechtsanspruch auf ein Zufahrtsrecht zu ihrer Tankstelle aus beiden Fahrtrichtungen ableiten. ...

Damit ist es ausgeschlossen, daß durch die angefochtene Verordnung, soweit sie sich auf Lenker von Fahrzeugen der Antragstellerin bezieht, ein Eingriff in Rechte der Antragstellerin bewirkt worden sein konnte.

Soweit die Antragstellerin einen Eingriff in ihre Rechtssphäre durch das an die Verkehrsteilnehmer gerichtete Verbot behauptet, nach links abzubiegen und zu ihrer Tankstelle zuzufahren, ist auf mehrfache Darlegungen des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfSlg. 8060/1977, 8670/1979, 8757/1980) zu verweisen, nach denen durch ein an die Verkehrsteilnehmer gerichtetes Verkehrsverbot (eine Verkehrsbeschränkung), aus dem (der) sich eine Betroffenheit eines Gewerbebetriebes, dessen Standort sich im Bereich einer Straße befindet, ergibt, in die Rechtssphäre des Gewerbetreibenden nicht eingegriffen wird. Im vorliegenden Fall ist zwar nicht zu verkennen, daß das an die Verkehrsteilnehmer gerichtete Linksabbiegeverbot die Antragstellerin aus wirtschaftlichen Gründen wesentlich härter trifft als einen Anlieger, dessen nur privaten Besuchern durch ein solches Verbot die Zufahrt aus einer bestimmten Richtung unmöglich gemacht wird. Es besteht jedoch keine Norm, die dieser besonderen Betroffenheit im Rechtsbereich Anerkennung verschaffen würde. Weder das Eigentums- noch ein sonstiges Recht der Antragstellerin in bezug auf den Standort ihres Gewerbebetriebes, noch eine gewerberechtliche oder die Stellung von Anliegern regelnde Vorschrift räumen ihr eine Rechtsposition ein, die durch das verordnete Fahrverbot berührt würde. Keine Vorschrift gibt ihr einen Anspruch darauf, daß Straßenbenützer zu ihrem Grundstück aus jeder Richtung zufahren dürfen. Insbesondere ist aus den Vorschriften der Straßenverkehrsordnung ein Recht dieses Inhaltes nicht ableitbar. Die zu untersuchenden Wirkungen erweisen sich vielmehr als bloße faktische Reflexwirkungen der insoweit an andere Personen gerichteten Norm.

Das bekämpfte Linksabbiegeverbot sperrt die Zufahrt zur Betriebsstätte der Antragstellerin nicht gänzlich ab; ein unmittelbarer Eingriff in die Rechtssphäre der Antragstellerin iS der Ausführungen in VfSlg. 9089/1981 (S 301) ist sohin nicht gegeben. Mangels eines solchen Eingriffes ist sie zur Antragstellung auf Aufhebung der Verordnung der BH Tulln vom 7. Jänner 1981 nicht legitimiert."

2.2. Der vorliegende Sachverhalt und das Antragsvorbringen gleichen in allen wesentlichen Belangen jenen, die dem Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 29. Juni 1984, VfSlg. 10096, zugrunde lagen. Auch hier wird durch das Verordnen einer Sperrlinie das Linksabbiegen zur Tankstelle verboten und es wird die Zufahrt zur Tankstelle nicht gänzlich abgesperrt.

Da der Verfassungsgerichtshof keine Veranlassung sieht, von dieser Rechtsprechung abzugehen, genügt es, auf die dargelegte Begründung dieses Beschlusses zu verweisen, aus der sich auch für den vorliegenden Fall entsprechend ergibt, daß die Antragslegitimation weder bei der Erstantragstellerin noch beim Zweitantragsteller gegeben ist.

3. Der Antrag war daher mangels Legitimation gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unzulässig zurückzuweisen.

Schlagworte

Straßenpolizei, Verkehrsbeschränkungen, VfGH / Individualantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2001:V8.2001

Dokumentnummer

JFT_09989773_01V00008_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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