TE Vwgh Erkenntnis 2004/9/30 2001/20/0531

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Veröffentlicht am 30.09.2004
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1997 §23;
AsylG 1997 §28;
AsylG 1997 §7;
AVG §37;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Sulzbacher, Dr. Berger und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Trefil, über die Beschwerde des N in L, geboren 1960, vertreten durch Dr. Dietmar Lux, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Landstraße 12, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 25. April 2001, Zl. 211.699/0-VII/43/99, betreffend § 7 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger des Iran, reiste am 18. September 1996 in das Bundesgebiet ein und beantragte am 19. September 1996 Asyl. Bei seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 26. September 1996 gab er an, wegen Tätigkeiten für die monarchistische Organisation "Iran Paad" - er habe als Zollbeamter am Flughafen in Teheran Parteimitgliedern die Ausreise ermöglicht bzw. erleichtert - zu einer Freiheitsstrafe von 20 Jahren verurteilt worden zu sein. Während eines Ausganges habe er fliehen können.

Mit Bescheid vom 2. Oktober 1996 wies das Bundesasylamt den Asylantrag gemäß § 3 des Asylgesetzes 1991 ab. Es legte seiner Entscheidung die Angaben des Beschwerdeführers zu Grunde und hielt ihm entgegen, die von ihm "als asylrelevant dargestellten Umstände stellen nach hierortiger Auffassung eine Vorgangsweise des Staates dar, welche nicht unter den Bestimmungen des AsylG 1991 zu subsumieren sind". Das Verhalten des Beschwerdeführers, "also die illegale Verbringen von Personen ins Ausland, unter Ausnützung Ihrer Amtsstellung, stellt nach hierortiger Ansicht eine rein kriminalstrafrechtliche Handlung dar". Sei der Beschwerdeführer "nunmehr von staatlicher Seite diesbezüglich beanstandet" worden, "so stellt diese Vorgangsweise eine Handlung im Sinne der innerstaatlichen Strafrechtspflege dar".

Über die Berufung des Beschwerdeführers gegen diesen Bescheid führte die gemäß § 44 Abs. 2 AsylG zuständig gewordene belangte Behörde am 21. Februar 2001 eine mündliche Berufungsverhandlung durch. Der Beschwerdeführer gab nun unter Vorlage einer Taufurkunde und mehrerer Fotografien von der Taufe (mit der Beifügung, es gebe auch einen Film davon) an, er sei am 7. März 1999 von der in Linz tätigen Organisation "Evangelium in Aktion" getauft worden.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 7 AsylG ab. Sie schenkte dem gesamten Vorbringen des Beschwerdeführers über die Gründe für seine Ausreise keinen Glauben. In Bezug auf die Taufe in Österreich stellte sie fest, diese sei "nicht aus religiöser Überzeugung des Asylwerbers sondern im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Asylverfahren" erfolgt und es könne nicht festgestellt werden, dass sie den iranischen Behörden bereits zur Kenntnis gelangt sei. Konversionen, die "lediglich deshalb erfolgt sind, um einen Asylgrund zu schaffen, werden von iranischen Behörden als Scheinkonversionen betrachtet und ziehen daher nicht die Strafen für eine echte Konversion nach sich".

Dem Beschwerdeführer sei daher nicht Asyl zu gewähren.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der Verwaltungsgerichtshof hegt keinerlei Bedenken gegen die Beweiswürdigung der belangten Behörde in Bezug auf die vom Beschwerdeführer behaupteten Gründe für seine Ausreise aus dem Iran und seine Motive dafür, sich von "Evangelium in Aktion" taufen zu lassen. Insoweit sich die Beschwerde gegen diese Beweiswürdigung wendet, zeigt sie keine Unstimmigkeiten auf, die zur Aufhebung des Bescheides führen könnten.

Mit Recht macht die Beschwerde aber geltend, dass die Annahme der belangten Behörde, eine nur zur Asylerlangung vollzogene Taufe würde von den iranischen Behörden als Scheinkonversion betrachtet und führe daher nicht zu asylrelevanter Verfolgungsgefahr, im angefochtenen Bescheid nicht näher begründet ist. Die belangte Behörde hat (u.a.) zu diesem Thema auf die in der Niederschrift über die Berufungsverhandlung "genannten Dokumente" verwiesen. In der Niederschrift und ihren Beilagen finden sich aber keine Hinweise auf Berichtsmaterial zur Frage einer im Iran bestehenden Verfolgungsgefahr für Personen islamischen Glaubensbekenntnisses, die sich - und sei es auch nur zur Asylerlangung - im Ausland taufen ließen.

Dem Verwaltungsgerichtshof ist aus der Auseinandersetzung mit einer in mehreren anderen Beschwerdefällen herangezogenen, bei der belangten Behörde erstellten Zusammenfassung von Berichtsteilen betreffend die Verfolgungsgefahr vom Islam Abgefallener im Iran bekannt, dass darin auch auf die Fälle einer bloßen Formalkonversion zur Asylerlangung Bezug genommen wurde. In den Erkenntnissen, mit denen auf diese Zusammenfassung von Berichtsteilen gestützte Bescheide der belangten Behörde aufgehoben wurden, wurde auch wiederholt hervorgehoben, dass jeweils nicht festgestellt worden sei, der Asylwerber sei "nur zum Schein konvertiert". Im Einzelnen kann zu diesem Thema auf die Erkenntnisse vom 24. Oktober 2001, Zl. 99/20/0550, vom 22. November 2001, Zl. 2000/20/0556, vom 19. Dezember 2001, Zl. 2000/20/0369 und Zl. 2000/20/0486, vom 17. Oktober 2002, Zl. 2000/20/0102, vom 21. November 2002, Zl. 2000/20/0265, und vom heutigen Tag, Zl. 2001/20/0488, verwiesen werden.

Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde eine Feststellung der genannten Art getroffen. Sie hat dem Beschwerdeführer - der sich erst in der Berufungsverhandlung auf diesen Nachfluchtgrund berufen hatte - aber das für die Verneinung einer Verfolgungsgefahr in einem solchen Fall relevante Berichtsmaterial nicht vorgehalten, ihm dazu kein Parteiengehör gewährt und auch in der Begründung ihrer Entscheidung nicht darauf Bezug genommen, sodass ihre in diesem Punkt entscheidende Feststellung unbegründet blieb. Die belangte Behörde hat auch nicht mit nachvollziehbarer Begründung festgestellt, dass nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen sei, dass die Taufe den iranischen Behörden bekannt werden könnte (vgl. auch dazu die schon erwähnten Erkenntnisse).

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 30. September 2004

Schlagworte

Parteiengehör Rechtsmittelverfahren Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel Begründung Begründungsmangel Parteiengehör

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2001200531.X00

Im RIS seit

05.11.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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