TE Vwgh Erkenntnis 2004/9/30 2004/16/0090

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Veröffentlicht am 30.09.2004
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E3L E09302000;
E6J;
001 Verwaltungsrecht allgemein;

Norm

31992L0012 Verbrauchsteuer-RL Art3 Abs2;
61997CJ0437 Evangelischer Krankenhausverein Wien VORAB;
EURallg;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Höfinger und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Siegl, über die Beschwerde der L GmbH in Liquidation in W, vertreten durch Dr. Robert Mahr, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Spiegelgasse 19, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom 3. März 2004, Zl. ABK-169/04, betreffend Getränkesteuer für die Jahre 1997 bis 2000, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin betreibt in Wien einen Buchhandel und Cafebetrieb.

Mit zwei gleichlautenden, mit 7. April 2000 datierten, am 10. April und 8. Mai d.J. zur Post gegebenen Eingaben beantragte die Beschwerdeführerin, über die Getränkesteuer betreffend die Jahre 1997 bis einschließlich 1999 einen Bescheid auszustellen. Auf Grund ihrer Erklärungen über diese Jahre sei ein Bescheid nicht ergangen. Sie habe erfahren, dass Teile des Getränkesteuergesetzes 1992 gegen Bestimmungen des EU-Vertrages verstießen. Sie wolle ihre Rechtssituation gewahrt haben.

Am 16. Mai 2002 fand hierauf bei der Beschwerdeführerin eine "Getränkesteuer-Revision (Nachschau)" statt, bei der für die Jahre 1995 bis 2000 die auf alkoholhältige Getränke, Speiseeis und alkoholfreie Getränke entfallende Steuer ermittelt wurde; für das Jahr 2000 wurde die auf die ersten drei Monate entfallende Getränkesteuer auf alkoholhältige Getränke gesondert ausgewiesen. Dem Revisionsbericht zufolge anerkannte die Beschwerdeführerin das "Revisionsergebnis der Höhe und dem Grunde nach nicht (EU-Widrigkeit)".

Mit Bescheid vom 12. Juni 2002 schrieb der Magistrat der Stadt Wien Getränkesteuer für alkoholfreie Getränke und Speiseeis für den Zeitraum vom 1. Jänner 1997 bis 31. Dezember 2000 und für alkoholische Getränke für den Zeitraum vom 1. Jänner 1997 bis 8. März 2000 vor, wogegen die Beschwerdeführerin Berufung erhob.

Mit dem angefochtenen Bescheid setzte die belangte Behörde für die Jahre 1997 bis einschließlich 2000 die Bemessung jeweils für alkoholische und alkoholfreie Getränke sowie für Speiseeis fest und schrieb - in Abänderung des erstinstanzlichen Bescheides -

der Beschwerdeführerin Getränkesteuer in Höhe von EUR 41.203,54 vor; sie hielt zudem fest, dass die Abgabe bereits fällig gewesen sei.

Nach Wiedergabe des § 149 Abs. 2 WAO sowie von Teilen des Urteiles des EuGH vom 9. März 2000, Rechtssache C-437/97, führte sie begründend aus, wie sich aus dem zitierten Urteil des EuGH ergebe, betreffe der Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts nicht die Getränkesteuer für alkoholische Getränke, die vor dem 9. März 2000 entrichtet worden oder fällig geworden sei. Diese Beschränkung des Anwendungsvorranges falle lediglich dann weg, wenn vor dem 9. März 2000 Klage erhoben oder ein entsprechender Rechtsbehelf eingelegt worden sei. Wie sich aus dem zitierten Urteil des EuGH aber auch ergebe, gelte der Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechtes dann, wenn die Getränkesteuer für alkoholische Getränke nicht vor dem 9. März 2000 entrichtet oder fällig geworden sei. Dies treffe auf die im erstinstanzlichen Bescheid mitumfassten Steuerräume Februar 2000 (Fälligkeit: 15. März 2000) und März 2000 (Fälligkeit: 15. April 2000) zu, zumal die diese Zeiträume betreffenden Abgaben laut Erhebung der Abgabenbehörde erster Instanz auch nicht (frühzeitig) vor dem 9. März 2000 entrichtet worden seien. Die auf diese Zeiträume entfallenden alkoholische Getränke betreffenden Abgabenbeträge seien daher aus der Abgabenbemessung auszuscheiden gewesen. Die Beschwerdeführerin habe vor dem 9. März 2000 auch nach dem weiten Verständnis des Begriffes "Rechtsbehelf" keinen entsprechenden Verfahrensschritt gesetzt, weil sie vor diesem Zeitpunkt weder eine Nullerklärung erstattet noch einen Rückerstattungsantrag noch sonst einen tauglichen Schritt zur Durchsetzung diesbezüglicher Rechte getätigt habe. Die Vorschreibung der vor dem 9. März 2000 fälligen Getränkesteuer auf alkoholische Getränke sei daher auch vor dem Hintergrund des zitierten Urteiles des EuGH zulässig. In seinem Ablehnungsbeschluss vom 15. Dezember 1999, B 1360/99 und B 1361/99, habe der Verfassungsgerichtshof weiters ausgesprochen, dass er keinen verfassungsrechtlichen Grund zu erkennen vermöge, der es verbieten würde, eine mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbare Steuer auf die Veräußerung von alkoholfreien Getränken an Letztverbraucher im Ausmaß von 5% zu erheben.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften relevierenden Beschwerde erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Nichtvorschreibung der Getränkesteuer bzw. auf Nichtentrichtung bereits festgesetzter Abgabenbeträge verletzt.

Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet und die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem nach § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die Beschwerdeführerin erblickt die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides vorweg darin, Rückerstattungsanträge wären vor dem 9. März 2000 aus damaliger Sicht ein sinnloser Verfahrensschritt gegen die klare Gesetzeslage gewesen. Der EuGH habe mit dem Begriff des "Rechtsbehelfes" jedoch zweifellos nicht sinnlose Eingaben gemeint. Er verstehe darunter vielmehr, dass von einer betroffenen Partei rechtzeitig Schritte zur Wahrung ihrer Rechte unternommen worden seien. Das zitierte Urteil des EuGH setze implizit die Möglichkeit der Einbringung eines Rechtsbehelfes voraus. Fehle es wie im konkreten Fall an einer bekämpfbaren Entscheidung, könne der Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechtes nicht automatisch ausgeschlossen werden, weil dies zwangsläufig zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung der Abgabenpflichtigen führe.

Nach dem im vorliegenden Fall maßgeblichen Punkt 3 des Tenors des zitierten Urteiles des EuGH vom 9. März 2000 kann sich niemand auf Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 92/12 (eigentlich "Systemrichtlinie", Verbrauchsteuerrichtlinie) berufen, um Ansprüche betreffend Abgaben wie die Steuer auf alkoholische Getränke, die vor Erlass des Urteiles entrichtet wurden oder fällig geworden sind, geltend zu machen, es sei denn, er hätte zu diesem Zeitpunkt Klage erhoben oder einen entsprechenden Rechtsbehelf eingelegt.

Das zitierte Urteil des EuGH stellt daher für vor dem 9. März 2000 fällig gewordene oder entrichtete Abgaben für alkoholische Getränke nur darauf ab, ob vor diesem Zeitpunkt Klage erhoben oder ein entsprechender Rechtsbehelf eingelegt wurde. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin kommt es nach dem ausdrücklichen Wortlaut dieses Urteiles nicht darauf an, ob der Klage oder dem Rechtsbehelf vor dem 9. März 2000 Aussicht auf Erfolg zukam oder nicht.

Soweit die Beschwerdeführerin in ihrem Fall vorerst eine "bekämpfbare Entscheidung" vermisste und damit die Möglichkeit der Einbringung eines Rechtsbehelfes (vor dem 9. März 2000), ist dem entgegen zu halten, dass die Beschwerdeführerin damit das Wesen einer Selbstbemessungsabgabe verkennt, wonach ein Rechtsbehelf im Sinne des genannten Urteiles des EuGH etwa auch im Wege einer sogenannten "Nullerklärung" mit einem Rückzahlungsantrag hätte ergriffen werden können (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 11. Juli 2000, Zl. 2000/16/0363).

Soweit die Beschwerdeführerin schließlich die EU-Konformität der beschwerdegegenständlichen Steuer auf alkoholfreie Getränke und Speiseeis in Zweifel zieht, genügt es, gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf das hg. Erkenntnis vom 17. Mai 2001, Zl. 2000/16/0664, zu verweisen.

Nach dem Gesagten war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 30. September 2004

Gerichtsentscheidung

EuGH 61997J0437 Evangelischer Krankenhausverein Wien VORAB

Schlagworte

Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7 RechtsbehelfGemeinschaftsrecht Terminologie Definition von Begriffen EURallg8 Rechtsbehelf

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2004160090.X00

Im RIS seit

27.10.2004

Zuletzt aktualisiert am

11.11.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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