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E1E;Norm
11992E073B EGV Art73b Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Höfinger und Dr. Köller als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Siegl, über die Beschwerde der W GmbH in T, vertreten durch Dr. Wolfgang Berger und Dr. Josef W. Aichlreiter, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Sterneckstraße 55/1, gegen den Bescheid des Unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Innsbruck, vom 22. August 2003, Zl. RV/0299-I/03, betreffend Rechtsgebühr, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 6. Dezember 2002 nahm das Finanzamt Innsbruck die Beschwerdeführerin gemäß § 30 Gebührengesetz (GebG) iVm mit § 224 BAO als Haftungspflichtige für die gemäß § 33 TP 8 Abs. 1 GebG entstandene Gebührenschuld von EUR 554,372,60 (Bemessungsgrundlage 0,8 % von EUR 69,296.574,56) in Anspruch.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, im Zuge einer Betriebsprüfung habe die Großbetriebsprüfung Innsbruck die Bereitstellung von Finanzmitteln durch die H AG als Gesellschafterdarlehen im Sinne des § 33 TP 8 Abs. 4 GebG qualifiziert. Da keine Urkunde über diese Darlehensaufnahme errichtet worden sei, sei es durch die Aufnahme des Darlehens in die Geschäftsbücher dazu gekommen, dass der Tatbestand der Ersatzbeurkundung verwirklicht worden sei. Als gebührenauslösendes Moment sei die Tatsache gewertet worden, dass es sich beim Darlehensgeber um einen Gesellschafter gehandelt habe. Wäre das Darlehen zu gleichen Bedingungen von einem Nichtgesellschafter gegeben und wäre darüber keine Urkunde errichtet worden, so wäre keine Gebührenschuld entstanden. Die Norm des § 33 TP 8 Abs. 4 GebG führe zu einer Situation, in der zwei gleiche Rechtsgeschäfte ungleich behandelt würden, und verstoße gegen Art. 7 B-VG. Die Unsachlichkeit des § 33 TP 8 Abs. 4 GebG zeige sich auch daran, dass es verbreitete Übung sei, Darlehensverträge zwischen Nichtgesellschaftern zur Unternehmensfinanzierung mündlich abzuschließen, was keinerlei Gebührenschuld auslöse und auch völlig legal sei. Der bekämpfte Bescheid verletze die Beschwerdeführerin in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung vor dem Gesetz.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. In den Entscheidungsgründen dieses Bescheides heißt es nach Wiedergabe der Rechtsgrundlagen, insbesondere des § 33 TP 8 Abs. 4 GebG in der Fassung vor dem Steuerreformgesetz 1993, BGBl. Nr. 818/1993 und in der Fassung dieses Steuerreformgesetzes, im Hinblick auf den Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechtes dürfe nach dem Urteil des EuGH vom 14. Oktober 1999, C-439/97, Sandoz GmbH, die gemeinschaftsrechtswidrige nationale Norm auf Darlehen ausländischer Darlehensgeber seit dem 1. Jänner 1995 nicht mehr angewendet werden. Im Beschwerdefall sei unter Bedachtnahme auf das Gemeinschaftsrecht § 33 TP 8 Abs. 4 erster Satz GebG in jener Fassung anzuwenden, die der Rechtslage vor dem Steuerreformgesetz 1993 entspreche. Danach sei der (die Gebührenpflicht auslösende) Tatbestand der Ersatzbeurkundung durch Aufnahme in die Bücher des Darlehensschuldners wieder auf jene Darlehen beschränkt, die einer Gesellschaft von ihrem Gesellschafter gewährt werden. Die Bestimmung gelte sowohl für Darlehen gebietsansässiger Gesellschafter als auch für Darlehen jener Gesellschafter, die in anderen Mitgliedstaaten ansässig seien. Sie führe daher zu keiner Diskriminierung nicht gebietsansässiger Darlehensgeber und stelle folglich keine unzulässige Beschränkung des Kapitalverkehrs im Sinne des Art. 56 EG dar. Wenn die Beschwerdeführerin die Verletzung des innerstaatlichen Gleichheitsgebotes rüge, sei darauf zu verweisen, dass die belangte Behörde an die geltenden Gesetze gebunden sei. Im Erkenntnis vom 4. Oktober 1997, B 1170/95, B 1152/96, habe der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, dass § 33 TP 8 Abs. 4 GebG in der Fassung BGBl. Nr. 818/1993 in dem für Darlehen vom Ausland maßgeblichen Teil verfassungsrechtlich unbedenklich sei. Dass nach Ergehen des Urteils des EuGH in der Rechtssache C-439/97 der Ersatztatbestand der Aufnahme in die Bücher des Darlehensschuldners für die Fallgruppe der Gesellschafterdarlehen beibehalten werde, liege im rechtspolitischen Spielraum des nationalen Gesetzgebers.
Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der zunächst vor ihm erhobenen Beschwerde mit Beschluss vom 25. November 2003, B 1378/03-3, ab und trat die Beschwerde mit Beschluss vom 29. Jänner 2004, B 1378/03-5, dem Verwaltungsgerichtshof ab. Vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht, nicht zur Zahlung rechtswidriger Gebührenvorschreibungen verpflichtet zu werden, verletzt und macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Die Beschwerdeführerin äußerte sich zur Gegenschrift. Die belangte Behörde replizierte.
Die Beschwerdeführerin erstattete eine weitere Äußerung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 33 TP 8 Abs. 4 erster Satz GebG in der Fassung vor dem Steuerreformgesetz 1993, BGBl. 818/1993, lautete:
"Wurde über das Darlehen eines Gesellschafters an seine Gesellschaft keine Urkunde in einer für das Entstehen der Gebührenpflicht maßgeblichen Weise errichtet, so gelten die nach den abgabenrechtlichen Vorschriften im Inland zu führenden Bücher und Aufzeichnungen des Darlehensschuldners, in die das Darlehen aufgenommen wurde, als Urkunde."
Mit dem Steuerreformgesetz 1993, BGBl. 818/1993, wurde der Tatbestand der Ersatzbeurkundung durch Aufnahme in die Bücher des Darlehenschuldners auf Darlehen ausländischer Darlehensgeber ausgedehnt. § 33 TP 8 Abs. 4 GebG in der Fassung BGBl. Nr. 818/1993, lautet:
"Wurde über das Darlehen eines Gesellschafters an seine Gesellschaft oder über das Darlehen eines Darlehengebers, der im Inland weder einen Wohnsitz oder den gewöhnlichen Aufenthalt noch seine Geschäftsleitung oder seinen Sitz hat, keine Urkunde in einer für das Entstehen der Gebührenpflicht maßgeblichen Weise errichtet, so gelten die nach den abgabenrechtlichen Vorschriften im Inland zu führenden Bücher und Aufzeichnungen des Darlehensschuldners, in die das Darlehen aufgenommen wurde, als Urkunde."
Mit Urteil vom 14. Oktober 1999, Rs-C 439/97, Sandoz GmbH, hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften entschieden, dass Artikel 73b Absatz 1 und Artikel 73d Absatz 1 Buchstabe b und Absatz 3 EG-Vertrag (jetzt
Artikel 56 Absatz 1 EG und 58 Absatz 1 Buchstabe b und Absatz 3 EG) so auszulegen seien, dass sie der Besteuerung von in einem anderen Mitgliedstaat aufgenommenen Darlehen nach einer nationalen Bestimmung wie § 33 TP 8 Absatz 1 GebG nicht entgegenstehen. Nach Punkt 2 des Urteilstenors dieses Urteils stehen Artikel 73b Absatz 1 und Artikel 73d Absatz 1 Buchstabe b des Vertrages einer nationalen Bestimmung wie § 33 TP 8 Abs. 4 Satz 1 GebG entgegen.
Im Punkt 2 der Leitsätze dieses Urteils heißt es:
"Die Artikel 73b Absatz 1 und 73d Absatz 1 Buchstabe b des Vertrages (jetzt Artikel 56 Absatz 1 EG und Artikel 58 Absatz 1 Buchstabe b EG) stehen einer Bestimmung eines Mitgliedstaats entgegen, nach der ein Darlehen, das eine natürliche Person oder juristische Person, die im Inland ansässig ist, im Ausland aufnimmt, ohne dass darüber eine Urkunde errichtet wird, und das in die Bücher und Aufzeichnungen des Darlehensnehmers aufgenommen wird, einer Rechtsgeschäftsgebühr unterliegt, während ein in diesem Mitgliedstaat aufgenommenes Darlehen, über das keine Urkunde errichtet wird, dieser Gebühr nicht unterliegt. Eine solche Bestimmung enthält eine Diskriminierung aufgrund des Ortes des Abschlusses des Darlehensvertrags. Eine solche Diskriminierung ist geeignet, Gebietsansässige davon abzuschrecken, bei in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Personen Darlehen aufzunehmen, und stellt daher eine Beschränkung des Kapitalverkehrs dar. Sie kann weder mit der Notwendigkeit gerechtfertigt werden, die Gleichmäßigkeit der Besteuerung gebietsansässiger Personen zu gewährleisten, da eine diskriminierende Unterscheidung zwischen Gebietsansässigen diesem Zweck zuwiderliefe, noch mit dem Zweck, von gebietsansässigen Darlehensnehmern begangene Abgabenhinterziehungen zu bekämpfen."
Nach dem genannten Urteil des EuGH vom 14. Oktober 1999 war die Bestimmung des § 33 TP 8 Abs. 4 GebG in der gemeinschaftsrechtskonformen Fassung anzuwenden. Die Wortfolge im § 33 TP 8 Abs. 4 GebG in der Fassung BGBl. Nr. 818/1993 "oder über das Darlehen eines Darlehengebers, der im Inland weder einen Wohnsitz oder den gewöhnlichen Aufenthalt noch seine Geschäftsleitung oder seinen Sitz hat," war durch den Vorrang des Gemeinschaftsrechts wegen seines gemeinschaftsrechtswidrigen Inhalts vom Gemeinschaftsrecht verdrängt und daher nicht anzuwenden. Damit hatte § 33 TP 8 Abs. 4 erster Satz GebG idF BGBl. Nr. 818/1993 in der gemeinschaftsrechtskonformen Fassung den gleichen Inhalt wie § 33 TP 8 Abs. 4 erster Satz GebG in der Fassung vor BGBl. Nr. 818/1993. Nichts anderes brachte die belangte Behörde zum Ausdruck, wenn sie im angefochtenen Bescheid ausführte: "Im Berufungsfall ist - unter Bedachtnahme auf das Gemeinschaftsrecht - § 33 TP 8 Abs. 4 erster Satz GebG in jener Fassung anzuwenden, die der Rechtslage vor dem Steuerreformgesetz 1993 entspricht". Damit hat die belangte Behörde nicht die Ansicht vertreten, es sei § 33 TP 8 Abs. 4 erster Satz GebG in der Fassung vor dem Steuerreformgesetz anzuwenden, wohl aber entsprach diese Fassung der gemeinschaftsrechtskonformen Fassung des § 33 TP 8 Abs. 4 erster Satz GebG in der Fassung des Steuerreformgesetzes. Im Übrigen hätte die Beschwerdeführerin allein wegen einer allfällig unrichtigen Zitierung inhaltsgleicher Rechtsgrundlagen keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen vermocht.
Unzutreffend ist in diesem Zusammenhang auch die Rechtsmeinung der Beschwerde, die in Rede stehende Gesetzesstelle sei (innerstaatlich) durch ein späteres Gesetz außer Kraft getreten.
Gemeinschaftsrechtliche Bedenken sind aus Anlass des Beschwerdefalls nicht entstanden.
Da die Beschwerdeführerin eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufzuzeigen vermochte, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG im Hinblick auf die einfach zu lösende Rechtsfrage in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 30. September 2004
Gerichtsentscheidung
EuGH 61997J0439 Sandoz VORABEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2004160039.X00Im RIS seit
02.11.2004Zuletzt aktualisiert am
11.11.2011