TE Vfgh Erkenntnis 2001/2/27 B1501/98

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Veröffentlicht am 27.02.2001
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8200 Bauordnung

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
Plandokument Nr 5663. Beschluss des Wr Gemeinderates vom 21.10.83
Plandokument Nr 6471. Beschluss des Wr Gemeinderates vom 19.11.93
Wr BauO 1930 §1
Wr BauO 1930 §6 Abs15
Wr BauO 1930 §7
Wr BauO 1930 §134 Abs3
Wr BauO 1930 §134a
Wr BauO-Nov LGBl 10/1996 ArtII
Wr BauO-Nov LGBl 34/1992 ArtIV

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Abweisung von Anrainereinwendungen gegen eine Baubewilligung zur Errichtung einer Tiefgarage auf einer öffentlichen Verkehrsfläche; keine Bedenken gegen eine Übergangsvorschrift in einer Novelle zur Wr BauO 1930; kein Eingriff in die Rechtsstellung der Beschwerdeführer durch Anwendung der vor der Novelle geltenden nachbarrechtlichen Vorschriften angesichts der durch die Novelle bewirkten Einschränkung der subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte; keine Bedenken gegen das der Entscheidung zugrundeliegende Plandokument

Spruch

Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid weder in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten noch wegen Anwendung rechtswidriger genereller Normen in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten, ob die Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden sind.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Eingabe vom 13. September 1989 beantragte die GC-Gesellschaft die Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung einer dreigeschossigen Tiefgarage auf der öffentlichen Verkehrsfläche zwischen dem B-platz und der F-Gasse entlang der L-Straße mit 320 KFZ-Stellplätzen. In der Folge wurde das eingereichte Projekt dahingehend abgeändert, dass nunmehr eine viergeschossige Tiefgarage mit insgesamt 456 Stellplätzen errichtet werden soll. Am 6. März 1992, 29. September 1993 und 23. August 1995 fanden mündliche Bauverhandlungen statt, in denen die nunmehrigen Beschwerdeführer als Anrainer Einwendungen gegen das geänderte Projekt erhoben. Der Magistrat der Stadt Wien erteilte mit Bescheid vom 22. August 1997 gemäß §70 der Bauordnung für Wien (im Folgenden als WBO bezeichnet) und in Anwendung des Wiener Garagengesetzes die beantragte Baubewilligung und wies die Einwendungen der Anrainer als unbegründet ab.

Die von den Beschwerdeführern gegen den erstinstanzlichen Baubewilligungsbescheid erhobene Berufung wurde mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 17. Juni 1998 abgewiesen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG) und auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG) sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung rechtswidriger genereller Normen geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

Konkret behauptet die Beschwerde die Verfassungswidrigkeit des ArtIV der Novelle zur WBO LGBl Nr. 34/1992 und des §134a Abs1 lita letzter Halbsatz WBO sowie die Gesetzwidrigkeit des dem Bescheid zugrundeliegenden Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes.

3. Die belangte Behörde hat die Akten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die zulässige Beschwerde erwogen:

1. Gemäß ArtIV der Bauordnungsnovelle 1992, LGBl. für Wien Nr. 34/1992 gelten für alle zur Zeit des Inkrafttretens dieses Gesetzes anhängigen Verfahren die bisherigen gesetzlichen Bestimmungen. Da das Verfahren über den Antrag auf Erteilung der Baubewilligung für die erwähnte Tiefgarage bereits im September 1989 anhängig gemacht wurde, war im vorliegenden Baubewilligungsverfahren die WBO in der Fassung vor der Bauordnungsnovelle 1992 anzuwenden.

Die Beschwerde behauptet, die Übergangsbestimmug des ArtIV sei unsachlich und damit gleichheitswidrig, weil im gegenständlichen Bauverfahren weder der durch die Bauordnungsnovelle LGBl. Nr. 10/1996 neu gefasste §1 WBO noch der durch die Bauordnungsnovelle 1992 eingefügte §134a WBO anzuwenden seien. Dies führe zu einer Benachteiligung der Rechtsstellung der Nachbarn.

Der Verfassungsgerichtshof hat jedoch keine Bedenken. Derartige Übergangsvorschriften sind grundsätzlich verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. VfSlg. 14.491/1996). Dazu kommt, dass der behauptete Eingriff in die Rechtsstellung der Nachbarn nicht zutrifft. Denn die durch die Bauordnungsnovelle 1992 eingefügte Bestimmung des §134a WBO brachte infolge der taxativen Aufzählung der subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte eine wesentliche Einschränkung des Mitspracherechts des Nachbarn gegenüber dem Mitspracherecht, das im gegenständlichen Verfahren den Beschwerdeführern zugestanden wurde, nämlich jenem gemäß §134 Abs3 WBO. Durch die Anwendung der vor der Bauordnungsnovelle 1992 geltenden nachbarrechtlichen Vorschriften war die Rechtsposition der Beschwerdeführer jedenfalls besser als bei Anwendung des §134a WBO.

Dass auf Grund der Übergangsbestimmung des ArtII Abs1 und 2 der Bauordnungsnovelle LGBl. Nr. 10/1996 das im §1 WBO vorgezeichnete Verfahren zur Erlassung von Flächenwidmungs- und Bebauungsplänen bei den übergeleiteten Plänen nur in den Grundzügen eingehalten werden musste, hat der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 14. Oktober 1999, B1323-1325/97, ebenso als verfassungsrechtlich unbedenklich angesehen wie die Überleitung durch Beschluss des Stadtsenates.

Soweit die Beschwerde die Verfassungswidrigkeit des §134a WBO geltend macht, ist ihr entgegenzuhalten, dass diese Bestimmung gemäß ArtIV der Bauordnungsnovelle 1992 im gegenständlichen Verfahren nicht anzuwenden war und von der belangten Behörde auch nicht angewendet wurde.

2. Die Beschwerde behauptet weiters die Gesetzwidrigkeit des im gegenständlichen Baubewilligungsverfahren angewendeten Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes, weil es ihm - mangels Differenzierung in öffentliches Gut und Garage - an der erforderlichen Genauigkeit mangle.

Aus den dem Verfassungsgerichtshof vorliegenden Akten betreffend das Zustandekommen der Plandokumente 5663 und 6471 ergibt sich Folgendes:

In der Verordnung des Gemeinderates vom 21. Oktober 1983, Pr.Z. 3152/83, betreffend die Aufhebung und Neufestsetzung des Flächenwidmungsplanes und des Bebauungsplanes, Plandokument 5663, sind die L-Straße und die F-Gasse, in deren Bereich die Tiefgarage errichtet werden soll, durch Festlegung von Baulinien als öffentliche Verkehrsfläche gewidmet. Mit Verordnung des Gemeinderates vom 19. November 1993, Plandokument Nr. 6471, wurde das Gebiet, in dem die Tiefgarage errichtet werden soll, als Schutzzone gemäß §7 Abs1 WBO festgesetzt. Mit Verordnung des Stadtsenates vom 30. April 1996, Pr.Z. 785/96, verlautbart im Amtsblatt der Stadt Wien Nr. 20 vom 16. Mai 1996, wurde gemäß ArtII Abs1 des Gesetzes LGBl. für Wien Nr. 10/1996 festgestellt, dass ua. das Plandokument Nr. 5663 in der Fassung des Plandokumentes Nr. 6471 als Flächenwidmungs- und Bebauungsplan im Sinne der Bauordnung für Wien in der Fassung des ArtI des Gesetzes LGBl. Nr. 10/1996 gilt. Detaillierte Festlegungen betreffend verschiedene Nutzungsebenen der öffentlichen Verkehrsflächen sowie eine spezielle Ausgestaltung und Ausstattung der öffentlichen Bereiche im Sinne des §7 Abs3 WBO wurden nicht getroffen. Sie liegen im planerischen Gestaltungsspielraum des Verordnungsgebers und sind ihm nicht zur Pflicht gemacht.

3. Infolge der Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides war schließlich noch zu prüfen, ob die Beschwerdeführer durch die Vollziehung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurden.

Die Beschwerde macht die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG) und auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG) geltend.

Es ist zunächst für den Verfassungsgerichtshof nicht erkennbar, inwiefern durch die Erteilung einer Baubewilligung in das Eigentumsrecht der beschwerdeführenden Nachbarn eingegriffen wird. Soweit die Beschwerde Eigentumseingriffe im Zusammenhang mit der aus Anlass der Schaffung ihrer eigenen Bauplätze erfolgten unentgeltlichen Grundabtretung behauptet, ist ihr zu entgegnen, dass die Grundabtretung nicht Gegenstand des angefochtenen Bescheides ist.

Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10.413/1985, 11.682/1988) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.

Die Beschwerde behauptet einerseits, die Baubewilligung sei ohne Vorliegen eines Bescheides betreffend die Bekanntgabe der Bebauungsbestimmungen in einem Gebiet erteilt worden, für das gemäß §8 WBO eine Bausperre besteht und das in einer Schutzzone liegt und behauptet andererseits Verfahrensfehler.

Die belangte Behörde verweist darauf, dass das Fehlen des Bescheides über die Bekanntgabe der Bebauungsbestimmungen dazu führe, dass bei der Beurteilung des beantragten Bauprojektes die zum Zeitpunkt der Entscheidung der Behörde im geltenden Flächenwidmungs- und Bebauungsplan ausgewiesenen Bebauungsbestimmungen heranzuziehen seien und eine allfällige Änderung der Bebauungsbestimmungen während des Baubewilligungsverfahrens zu Lasten des Bauwerbers gehe.

Bei der Beurteilung sowohl der Übereinstimmung des Vorhabens mit dem Flächenwidmungs- und Bebauungsplan als auch der Frage, ob die Errichtung der Tiefgarage auf einer öffentlichen Verkehrsfläche gemäß §6 Abs15 WBO nach den baurechtlichen und garagenrechtlichen Bestimmungen zulässig ist, ist für den Verfassungsgerichtshof nicht erkennbar, dass der belangten Behörde in die Verfassungssphäre reichende Fehler unterlaufen wären.

Ob das Baubewilligungsverfahren in jedem einzelnen Punkt dem Gesetz entsprechend durchgeführt wurde, ist vom Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen.

4. Die Beschwerde war daher abzuweisen und gemäß Art144 Abs3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abzutreten.

5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung gefasst werden.

Schlagworte

Baurecht, Raumordnung, Bebauungsplan, Flächenwidmungsplan, Garagen, Nachbarrechte, Übergangsbestimmung, Rechte subjektive öffentliche

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2001:B1501.1998

Dokumentnummer

JFT_09989773_98B01501_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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