TE Vwgh Erkenntnis 2004/10/13 2004/12/0076

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Veröffentlicht am 13.10.2004
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Index

L22003 Landesbedienstete Niederösterreich;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §37;
AVG §52;
DPL NÖ 1972 §21 Abs2 litb idF 2200-10;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Schick, Dr. Hinterwirth und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ströbl, über die Beschwerde des Dr. T in W, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 16. April 2004, Zl. LAD2-P-152.9262/39, betreffend Versagung der Feststellung der dauernden Dienstunfähigkeit im Ausmaß des § 77 Abs. 2 DPL 1972 und Versetzung in den dauernden Ruhestand nach § 21 Abs. 2 lit. b DPL 1972,

1. den Beschluss gefasst

Die Beschwerde wird, soweit sie sich gegen die Abweisung des Antrages auf Feststellung der dauernden Dienstunfähigkeit richtet, zurückgewiesen;

2. zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird, soweit darin der Antrag auf Versetzung in den dauernden Ruhestand als unbegründet abgewiesen wurde, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben;

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

Der im Jahre 1957 geborene Beschwerdeführer stand vorerst seit 17. August 1992 in einem Vertragsbediensteten-Verhältnis und steht seit 1. Jänner 1995 im Dienstzweig Wissenschaftlicher Dienst in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Niederösterreich. Er wurde zuletzt mit Beschluss der Niederösterreichischen Landesregierung vom 9. Dezember 2003 mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 2004 auf einen Dienstposten der Dienstklasse VII (der Verwendungsgruppe A) seines Dienstzweiges ernannt (befördert).

Nachdem der Beschwerdeführer vorerst mit Eingabe vom 6. Februar 2004 - unter Vorlage ärztlicher Befunde sowie eines psychiatrischen Gutachtens von Dr. W, Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie, die "Feststellung der Dienstunfähigkeit und Versetzung in den Dauernden Ruhestand gemäß § 21 (2) lit. b DPL 1972" beantragt hatte, widerrief er in seiner Eingabe vom 7. Februar 2004 diesen Antrag und erhob den Antrag "auf Feststellung der dauernden Dienstunfähigkeit im Ausmaß des § 77 Abs. 2 DPL 1972 und Versetzung in den dauernden Ruhestand gemäß § 21 Abs. 2 lit. b DPL 1972". Begründend führte er nunmehr aus, er sehe sich auf Grund seiner Erkrankung und der im Leistungskalkül des psychiatrischen Gutachtens vom 2. d.M. angeführten Einschränkungen völlig außer Stande, anhaltend dienstliche Leistungen, wie sie von einem Beamten in seinem Dienstzweig als normal erwartet würden, zu erbringen (Zeitdruckkalkül). Auf die in der zusammenfassenden Beurteilung desselben Gutachtens angegebene, bis 1995 zurückreichende Zwangsstörung (die Erkrankung habe vor neun Jahren begonnen) und die dort aufgezeigte derzeitige Zwangssymptomatik sei hingewiesen. Eine langjährige und regelmäßige Psychotherapie in Verbindung mit Psychopharmaka (beides seit April 1995) habe keine ausreichende Remission gebracht.

Die - schon mit Eingabe vom 6. Februar d.J. vorgelegten - ärztlichen Befunde vom 10. Februar 1997, 28. August 2002 und 13. Juni 2003 bescheinigen dem Beschwerdeführer zusammengefasst eine Zwangsstörung sowie eine Depression.

Das Gutachten Dris. W vom 2. Februar 2004 führte in seinem

Befundteil vorerst aus:

"...

10. Exploration:

...

Danach befragt, inwieferne er sich denn jetzt nun nicht mehr arbeitsfähig fühle, gibt der Beschwerdeführer an, dass er sich seiner Tätigkeit - er bearbeite Gesetzesentwürfe - sehr wohl gewachsen fühle, sein Problem sei aber sein Umgang mit den Vorgesetzten. Er fühle sich insgesamt an seiner Arbeitsstelle nicht anerkannt, er sei zwar als Jurist tätig, man behandle ihn aber wie einen 'kleinen Sachbearbeiter'. Man hätte ihm nun auch ein kleineres Büro zugewiesen. Er halte diese Zurücksetzungen schlecht aus, wolle sich nicht unterdrücken lassen.

11. Psychopathologischer Status:

äußeres Erscheinungsbild:

gepflegt

Verhalten:

angepasst

Bewusstsein:

klar

Orientierung:
zeitlich
örtlich
zur Person


voll
voll
voll

Intelligenz:

unbeeinträchtigt

Gedächtnis:
Merkfähigkeit
Frischged&aum l;chtnis
Altgedächtnis


ungestört
ungestört
ungestört

Denken:
Konzentration
Tempo
Ablauf
inhaltli ch


ungestört
unauffällig
unauffäl lig
unauffällig

Stimmung:

subdepressiv

Befindlichkeit:

negativ getönt

Affizierbarkeit:

in beiden Skalenbereichen gegeben

Affekt:

unauffällig

Antrieb:

unauffällig

Psychomotorik:
Mimik
Gestik


adäquat
adäquat

Biorhythmusstörungen:
Tagesschwankungen
Schl afstörungen


nicht explorierbar
Durchschlafstörungen werden angegeben

Vegetativum:

ungestört"

Schließlich kommt Dr. W zu folgender "zusammenfassenden Beurteilung":

"Der Beschwerdeführer beklagt Zwänge und Depressionen sowie Probleme im Umgang mit Vorgesetzten.

Im Rahmen der gegenständlichen psychiatrischen/testpsychologischen Untersuchung lässt sich psychiatrischerseits längsschnittdiagnostisch eine bis 1995 zurückreichende Zwangsstörung mit begleitender depressiver Symptomatik erheben. Der Untersuchte steht seit 1995 in psychotherapeutischer Behandlung und ist auf ein SRRI-Präparat eingestellt. Unter den laufenden therapeutischen Maßnahmen ist es zu einer gewissen Stabilisierung der psychischen Symptomatik, allerdings zu keiner ausreichenden Remission, gekommen. Im psychiatrischen Querschnittsbefund zeigen sich bis auf eine subdepressive Stimmungslage bei negativ getönter Befindlichkeit keine psychopathologischen Auffälligkeiten.

Testpsychologisch lassen die Ergebnisse der psychometrischen Testverfahren auf eine teilweise Beeinträchtigung der Konzentrationsfähigkeit schließen, wobei die Leistungsgüte im Normbereich angesiedelt ist, während das Arbeitstempo als vermindert bezeichnet werden muss. Zudem beschreibt sich der Untersuchte anhand eines psychometrischen Fragebogens als ernste, emotional labile, ängstlich angespannte, unzufriedene und zurückhaltende Persönlichkeit, welche sich oft überfordert bzw. gestresst fühlt und zu spontan und reaktiv aggressiven Reaktionen neigt. Im projektiven Testverfahren werden eine intensive Auseinandersetzung mit der eigenen Persönlichkeit sowie eine verstärkte Körperbezogenheit fassbar. Das Denken erscheint inhaltlich zentriert bzw. eingeengt und es finden sich Hinweise auf zwanghafte Tendenzen. Die Coping-Strategien müssen als vulnerabel bezeichnet werden. Weiters findet sich die Neigung zur Realitätsvermeidung und -flucht, womit Gefühle von Hilflosigkeit einhergehen.

Unter Zusammenschau von psychiatrisch-klinischem Befund und testpsychologischer Untersuchung ist aus psychiatrischer Sicht anzunehmen, dass der Beschwerdeführer über eingeschränkte Ressourcen zur Stress- und Konfliktbewältigung verfügt und in seiner emotionalen Belastbarkeit eingeschränkt ist, was die von ihm geschilderten Schwierigkeiten im Umgang mit Vorgesetzten erklärt.

Bei fehlenden Hinweisen auf eine tiefgreifende affektive Störung, ein psychotisches Geschehen oder organisches Psychosyndrom lässt sich eine neurotische Persönlichkeitsstruktur mit Zwangssymptomatik und der Neigung zu depressiver Verstimmung erheben.

Somit ergibt sich rein fachbezogen das folgende

LEISTUNGSKALKÜL:

-

Zumutbar sind:

-

Leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten, mit einem der bisherigen Berufslaufbahn des Untersuchten entsprechenden geistigen Anforderungsprofil, ganztägig, zu den üblichen Arbeitszeiten, ohne zusätzlichen Pausen

-

Ausgeschlossen sind:

-

Arbeiten unter mehr als halbzeitig besonderem Zeitdruck (verteilt über den gesamten Arbeitstag mit besonderer Zeitdruckbelastung in geschlossener Folge von maximal 1 Stunde)

-

Arbeiten mit besonderer psychischer Belastung

-

Arbeiten, die eine besondere Teamfähigkeit erfordern

Inwieweit und ob dieses psychiatrische Leistungskalkül die Anforderungen der derzeit ausgeübten Tätigkeit überschreitet, kann psychiatrischerseits nicht beantwortet werden."

Mit Erledigung vom 30. März 2004 sprach die belangte Behörde gegenüber dem Beschwerdeführer (der sich seit 2. Jänner 2004 im "Krankenstand" befand) einerseits die Aufforderung zum sofortigen Dienstantritt aus und räumte ihm andererseits Parteiengehör zu ihren folgenden Ausführungen ein:

Die vom Beschwerdeführer beauftragte medizinische Sachverständige habe in geradezu vorbildlicher Weise in ihrem Gutachten dem Umstand, dass der Begriff der "Dienstunfähigkeit" einen Rechtsbegriff darstelle, dessen Beurteilung nicht dem ärztlichen Sachverständigen, sondern der Dienstbehörde selbst obliege, Rechnung getragen und nach der präzisen Wiedergabe ihres psychiatrischen Leistungskalküls festgehalten, von ihr könnte nicht beantwortet werden, inwieweit die an den Beschwerdeführer gestellten Anforderungen dieses Leistungskalkül überschritten. Nach der Stellenbeschreibung des Dienstpostens des Beschwerdeführers in der Abteilung Umweltwirtschaft und Raumordnungsförderung (RU3) beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung und auch nach den Ausführungen des Beschwerdeführers gegenüber der Dienstbehörde habe er die Aufgaben eines Sachbearbeiters für allgemeine wirtschaftliche Fragen des Umweltschutzes und der Raumordnung zu erfüllen. Darüber hinaus gehörten auch legistische Tätigkeiten und Öffentlichkeitsarbeiten zu seinem Aufgabenkreis. Diese Stelle werde von mehreren Personen in seiner Abteilung bei wechselseitiger Vertretung bekleidet. Es entspreche personalwirtschaftlichen Erfahrungen, dass die ihm konkret zugeteilten Aufgaben im Allgemeinen nicht geeignet seien, bei Bediensteten besondere psychische Belastungen zu bewirken; sie könnten auch nicht als Arbeiten eingestuft werden, die regelmäßig unter einem mehr als halbzeitig besonderen Zeitdruck zu erledigen seien. Ebenso könne nicht erkannt werden, dass diese in seiner Stellenbeschreibung festgehaltenen Aufgaben eine besondere Teamfähigkeit voraussetzten, die das durchschnittliche Maß an Teamfähigkeit eines Bediensteten seiner Verwendungsgruppe merkbar überschreiten würde. Das an seinen Aufgabenbereich gestellte Anforderungsprofil entspreche vielmehr in jedweder Weise dem geistigen Anforderungsprofil eines Bediensteten des Dienstzweiges "Wissenschaftlicher Dienst" in der Verwendungsgruppe A und sei zudem auch mit keinen körperlichen Arbeiten verbunden, die den leichten Schweregrad überstiegen. Dass er körperlich wie geistig in der Lage sei, die ihm nach seiner Stellenbeschreibung zukommenden Aufgaben ordnungsgemäß zu versehen, gehe zum einen aus dem aktuellen von ihm beigebrachten Gutachten Dris. W vom 2. Februar 2004 hervor. Das Gutachten stehe auf hohem fachlichen Niveau und dokumentiere in schlüssiger Weise, dass dem Beschwerdeführer leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten mit einem seiner bisherigen Berufslaufbahn entsprechenden geistigen Anforderungsprofil ganztägig zu den üblichen Arbeitszeiten ohne zusätzliche Pausen zumutbar seien. Andererseits könne auch aus seinen Dienstbeschreibungen (seit dem ersten Auftreten von Zwangsstörungen im Frühjahr 1995) entnommen werden, dass er den an ihn gestellten Anforderungen im Grundsatz gewachsen sei. So sei sein Verwendungserfolg im November 1997 mit "Durchschnitt" und (im Rahmen der Beförderung in die Dienstklasse VII im Mai 1999 sogar mit "Über dem Durchschnitt" durch die jeweiligen Dienstvorgesetzten beurteilt worden. Nach den Ergebnissen seiner Tätigkeiten in der Abteilung Umweltwirtschaft und Raumordnungsförderung und seiner Ausdrucksweise in den übermittelten Anträgen sei auch seine akribische Suche in der Landesbibliothek nach Fundstellen in Fachbüchern, die aus seiner Sicht sein Vorbringen stützten, ein untrügliches Indiz dafür, dass er in der Lage sei, die ihm zugewiesenen Aufgaben, wenn auch verlangsamt, aber doch mit der gebotenen Sorgfalt zu erledigen. Zusammenfassend bleibe festzustellen, dass sein Antrag vom 7. Februar 2004 auf Versetzung in den dauernden Ruhestand wegen dauernder Dienstunfähigkeit erwiesenermaßen unbegründet sei.

In seiner Stellungnahme vom 8. April 2004 verwies der Beschwerdeführer darauf, dass er nicht geistig überfordert sei, sondern eine quantitative Überforderung durch Stressbelastung zur Rede stehe. Es sei völlig unklar, worauf die "personalwirtschaftlichen Erfahrungen" der belangten Behörde beruhten, wonach die dem Beschwerdeführer konkret zugeteilten Aufgaben nicht als solche eingestuft werden könnten, die regelmäßig unter einem mehr als halbzeitig besonderen Zeitdruck zu erledigen seien. So gut wie jedes zweite Einlaufstück von Bedeutung (von den zahlreichen lästigen Werbeangeboten und ähnlichem einmal abgesehen) seien mit dem Vermerk "Sofort" oder "Dringend" versehen gewesen. Die Begutachtungsfristen seien meistens unzumutbar kurz (Schlagwort "Konsultationsmechanismus"). Häufig betrage die zur Verfügung stehende Zeit für die Begutachtung eines Gesetzesentwurfes (Bundesgesetze, Entwürfe diverser Länder) weniger als 48 Stunden (bei Verschweigen werde Zustimmung und Kostenneutralität angenommen). Von vornherein sei auch mit großer Erfahrung niemals mit Sicherheit zu sagen, ob das einlaufende Konvolut (mit den Erläuterungen und Textvergleichen oft mehrere hundert Seiten dick) unbedeutend sei, es müsse geprüft werden (Gesetzesnamen und vermuteter Regelungsbereich allein seien kein verlässliches Indiz, weil neue Gesetze immer wieder finanzielle Auswirkungen nach sich zögen, die man erst nach genauer Prüfung erkenne. Seit 1992 habe sich die zur Verfügung stehende Begutachtungsfrist nach seiner Erfahrung allgemein halbiert. Auch in der Öffentlichkeitsarbeit sei immer Zeitdruck zu beobachten.

Richtiger Weise sei der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Beförderung in die Dienstklasse VI im Mai 1999 mit "Über dem Durchschnitt" und im Rahmen seiner Beförderung in die Dienstklasse VII im April 2003 (und sodann angeblich auch zum Herbsttermin 2003) wieder lediglich mit "Durchschnitt" beurteilt worden. Er sei mit 1. Jänner 2004 (spät mit 46 Jahren) in die Dienstklasse VII gekommen.

Der von der belangten Behörde verwendete Begriff des "Sachbearbeiters" finde nach Ansicht des Beschwerdeführers keine gesetzliche Deckung in der Dienstpragmatik. Zudem dürfte die Tätigkeit im wissenschaftlichen Dienst geradezu das Gegenteil einer Sachbearbeiter-Tätigkeit darstellen. Schließlich sei die belangte Behörde auf den ärztlich geforderten Ausschluss der "besonderen Zeitdruckbelastung" von maximal einer Stunde und auf die attestierte Zwangsstörung nicht eingegangen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag vom 7. Februar 2004 auf der Rechtsgrundlage des § 21 Abs. 2 lit. b der Dienstpragmatik der Landesbeamten 1972 - DPL 1972, LGBl. 2200-51, als unbegründet ab. Begründend führte sie nach Darstellung des Verfahrensganges in Anlehnung an ihre Erledigung vom 30. März 2004 aus:

"Nach der Stellenbeschreibung Ihres Dienstpostens in der Abteilung Umweltwirtschaft und Raumordnungsförderung (RU3) beim Amt der NÖ Landesregierung und auch nach den Ausführungen in Ihren Eingaben an die Dienstbehörde haben Sie die Aufgaben eines Sachbearbeiters für allgemeine wirtschaftliche Fragen des Umweltschutzes und der Raumordnung zu erfüllen. Darüber hinaus gehören auch legistische Tätigkeiten und Öffentlichkeitsarbeiten zu Ihrem Aufgabenkreis. Diese Stelle wird von mehreren Personen in Ihrer Abteilung bei wechselseitiger Vertretung bekleidet.

Es entspricht personalwirtschaftlichen Erfahrungen, dass die Ihnen konkret zugeteilten Aufgaben nicht geeignet sind, bei Bediensteten besondere psychische Belastungen zu bewirken; sie können auch nicht als Arbeiten eingestuft werden, die regelmäßig unter einem mehr als halbzeitig besonderen Zeitdruck zu erledigen sind. Ebenso kann nicht erkannt werden, dass diese in Ihrer Stellenbeschreibung festgehaltenen Aufgaben eine besondere Teamfähigkeit voraussetzen, die das durchschnittliche Maß an Teamfähigkeit eines Bediensteten Ihrer Verwendungsgruppe merkbar überschreiten würde. Das an Ihre Aufgabenbereiche gestellte Anforderungsprofil entspricht vielmehr in jedweder Weise dem geistigen Anforderungsprofil eines Bediensteten des Dienstzweiges 'Wissenschaftlicher Dienst' in der Verwendungsgruppe A und ist zudem auch mit keinen körperlichen Arbeiten verbunden, die den leichten Schweregrad übersteigen.

Dass Sie körperlich wie geistig in der Lage sind, die Ihnen nach Ihrer Stellenbeschreibung zukommenden Aufgaben ordnungsgemäß zu versehen, geht zum einen aus dem aktuellen von Ihnen beigebrachten Gutachten von Frau DDr. W vom 2. Februar 2004 hervor. An seiner inhaltlichen Übereinstimmung mit dem Original hegt die Dienstbehörde ob der notariellen Beglaubigung vom 5. Februar 2004 keine Zweifel, es steht zudem auf hohem fachlichen Niveau und dokumentiert in schlüssiger Weise, dass Ihnen leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten mit einem Ihrer bisherigen Berufslaufbahn entsprechenden geistigen Anforderungsprofil ganztägig zu den üblichen Arbeitszeiten ohne zusätzliche Pausen zumutbar sind.

Andererseits kann auch aus Ihren Dienstbeschreibungen (seit dem ersten Auftreten von Zwangsstörungen im Frühjahr 1995) entnommen werden, dass Sie den an Sie gestellten Anforderungen im Grundsatz gewachsen sind; so wurde Ihr Verwendungserfolg im November 1997 mit 'Durchschnitt', im Rahmen der Beförderung in die Dienstklasse VI im Mai 1999 sogar mit 'über dem Durchschnitt' und im Rahmen der Beförderung in die Dienstklasse VII im April 2003 erneut mit 'Durchschnitt' durch die jeweiligen Dienstvorgesetzten beurteilt."

Der Beschwerdeführer habe in seiner Stellungnahme keine substantiierten Neuerungen vorgebracht, die der belangten Behörde Anlass zur Änderung ihrer Sichtweise hätten geben können. So bleibe in Ergänzung zur obigen Beurteilung zu bemerken, die psychiatrische Sachverständige habe selbstredend nur "rein fachbezogen" sein Leistungskalkül umschreiben können. Die Beurteilung seiner in der Stellenbeschreibung seines Dienstpostens angeführten Aufgaben ordnungsgemäß zu erledigen, habe die Dienstbehörde vorgenommen. Soweit er auf die durch die "quantitative Überforderung" hervorgerufene Stressbelastung Bezug nehme und anmerke, dass "so gut wie jedes zweite Einlaufstück von Bedeutung ... mit dem Vermerk 'Sofort' oder 'Dringend' versehen sei", dürfe erneut darauf hingewiesen werden, dass nach seinem schlüssigen psychiatrischen Leistungskalkül Arbeiten bis zu "halbzeitig besonderem Zeitdruck" gerade nicht ausgeschlossen seien. Im Übrigen beziehe sich die von ihm mehrfach angesprochene "besondere Zeitdruckbelastung von maximal einer Stunde" nach dem Leistungskalkül stets auf einen geschlossenen Zeitraum; diese Voraussetzung liege in seinem Fall, auch wenn beispielsweise die Begutachtung von Gesetzesentwürfen regelmäßig in engen zeitlichen Grenzen zu erfolgen habe, nicht vor. Entgegen seiner Darstellung bewirke die von ihm immer wieder ins Treffen geführte Zwangsstörung erwiesener Maßen keine Dienstunfähigkeit.

Schließlich nahm die belangte Behörde auf ein vom Leiter der Abteilung Umweltwirtschaft und Raumordnungsförderung mit dem Beschwerdeführer am 9. April 2004 geführtes Gespräch über eine allfällige Verwendungsänderung des Beschwerdeführers Bezug, das - so der Bescheid abschließend - der belangten Behörde in augenfälliger Weise den Grad seiner Leistungsbereitschaft dokumentiere, keinesfalls jedoch den Schluss auf seine Dienstunfähigkeit zulasse.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

              1.              Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf Ruhestandsversetzung nach § 21 Abs. 2 lit. b DPL 1972 verletzt. Vorweg sei - so die Beschwerde - bemerkt, dass das relevante Begehren auf die Ruhestandsversetzung gerichtet gewesen sei. Es könne dahingestellt bleiben, ob der Antrag des Beschwerdeführers auf Feststellung der dauernden Dienstunfähigkeit hätte zurückgewiesen werden können, die belangte Behörde habe ihn in Einheit mit dem Antrag auf Ruhestandsversetzung abgewiesen, weil sie die dauernde Dienstunfähigkeit nicht als gegeben annehme. Daher sei auch diese Entscheidung in ihrer Gesamtheit rechtswidrig, wenn und weil die dauernde Dienstunfähigkeit fälschlich verneint worden sei.

Eine Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sieht die Beschwerde darin, die Beschreibung des Arbeitsplatzes, die nicht wesentlich über eine Bezeichnung hinausgehe und höchstens noch als Kurzcharakteristik angesehen werden könne, sei für den zu beurteilenden Aspekt des Zeitdrucks unzureichend. Die belangte Behörde sage zu dem eingeschränkten Leistungskalkül, dass ein besonderer Zeitdruck höchstens für die Dauer einer Stunde gegeben sein dürfe, nichts. Der Umstand, dass das vom Beschwerdeführer vorgelegte Gutachten nichts über die Dauer der Erholungsphase nach einer solchen Zeitdruckphase sage, entbinde die belangte Behörde nicht von ihrer Verpflichtung zur Wahrheitsfindung. Weiters sei zu bemerken, dass es keine taugliche Art der Bescheidbegründung darstelle, wenn eine Behörde mit "Erfahrungen" ("personalwirtschaftlicher" oder welcher Art immer) argumentiere, ohne dass diese entweder Teil des allgemeinen menschlichen Erfahrungsschatzes seien noch konkret so dargestellt und abgeleitet würden, dass sie überprüfbar seien.

              2.              Nach § 20 Abs. 1 lit. b DPL 1972 in der Fassung der DPL-Novelle 1984, LGBl. Nr. 2200-19, ist der Beamte von der Landesregierung in den zeitlichen Ruhestand zu versetzen, wenn er schon ein Jahr lang ununterbrochen oder mit Unterbrechungen von weniger als sechs Monaten insgesamt ein Jahr lang dienstunfähig war, die Vorbedingungen für seine Versetzung in den dauernden Ruhestand aber nicht gegeben sind. Gemäß § 21 Abs. 2 lit. b DPL 1972 in der Fassung der DPL-Novelle 1978, LGBl. Nr. 2200-10, ist der Beamte von der Landesregierung in den dauernden Ruhestand zu versetzen, wenn er dienstunfähig ist und die Wiedererlangung der Dienstfähigkeit voraussichtlich ausgeschlossen ist.

Dem wegen dauernder Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzten Beamten, der die für den Anspruch auf Ruhegenuss im Ausmaß der Ruhegenussbemessungsgrundlage erforderliche ruhegenussfähige Gesamtdienstzeit nicht erreicht hat, ist gemäß § 77 Abs. 2 DPL 1972 in der Fassung der 2. DPL-Novelle 2001, LGBl. Nr. 2200-51, bei der Bemessung des Ruhegenusses der Zeitraum zwischen der Ruhestandsversetzung und dem Tag, zu dem der Beamte frühestens gemäß § 21 Abs. 2 lit. d, Art. XXIII Abs. 2 der Anlage

B oder Art. XXIX der Anlage B in den Ruhestand versetzt hätte werden können, höchstens jedoch zehn Jahre, zu seiner ruhegenussfähigen Gesamtdienstzeit zuzurechnen.

              3.              Soweit sich die Beschwerde gegen die Abweisung des Antrages auf Feststellung der dauernden Dienstfähigkeit im Ausmaß des § 77 Abs. 2 DPL 1972 richtet, war sie gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen, weil der Beschwerdeführer durch die Abweisung dieses Antrages (statt einer gebotenen Zurückweisung) nicht in dem nunmehr von ihm geltend gemachten Recht auf Versetzung in den dauernden Ruhestand nach § 21 Abs. 2 lit. b DPL 1972 verletzt werden konnte.

              4.              Im Übrigen kommt der Beschwerde Berechtigung zu:

4.1. § 21 Abs. 2 lit. b DPL 1972 setzt für die Versetzung in den dauernden Ruhestand voraus, dass der Beamte dienstunfähig ist und eine Wiedererlangung der Dienstfähigkeit voraussichtlich ausgeschlossen ist, d.h. dass der Beamte (voraussichtlich) dauernd dienstunfähig ist, wie dies etwa § 77 Abs. 2 DPL 1972 erfordert.

4.2. Die Frage, ob eine dauernde Dienstunfähigkeit vorliegt oder nicht, stellt eine Rechtsfrage dar, die nicht der ärztliche Sachverständige, sondern die Dienstbehörde zu entscheiden hat. Aufgabe des ärztlichen Sachverständigen ist es, an der Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes mitzuwirken, indem er in Anwendung seiner Sachkenntnisse Feststellungen über den Gesundheitszustand des Beamten trifft und die Auswirkungen bestimmt, die sich aus festgestellten Leiden oder Gebrechen auf die Erfüllung dienstlicher Aufgaben ergeben. Dabei ist, um der Dienstbehörde eine Beurteilung des Kriteriums "dauernd" zu ermöglichen, auch eine Prognose zu stellen. Die Dienstbehörde hat anhand der dem Gutachten zu Grunde gelegten Tatsachen die Schlüssigkeit des Gutachtens kritisch zu überprüfen und einer Beweiswürdigung zu unterziehen. Das ärztliche Sachverständigengutachten muss ausreichend begründet, d.h. aus dem objektiven Befund schlüssig abgeleitet sein (vgl. etwa schon die hg. Erkenntnisse vom 17. November 1977, Zl. 1737/77 = Slg. 9.433/A, sowie vom 22. Jänner 1979, Zl. 61/78, jeweils mwN).

4.3. Die belangte Behörde schloss die (dauernde) Dienstfähigkeit schon deshalb aus, weil der Beschwerdeführer unter Zugrundelegung des - von ihr nicht in Zweifel gezogenen - Leistungskalküls laut dem psychiatrischen Gutachten im Stande sei, seine dienstlichen Aufgaben zu erfüllen.

Das genannte psychiatrische Gutachten kommt zu der für den Beschwerdefall maßgeblichen Schlussfolgerung, dass Arbeiten unter mehr als halbzeitig besonderem Zeitdruck (verteilt über den gesamten Arbeitstag mit besonderer Zeitdruckbelastung in geschlossener Folge von maximal einer Stunde), Arbeiten mit besonderer psychischer Belastung sowie Arbeiten, die eine besondere Teamfähigkeit erfordern, vom Leistungskalkül des Beschwerdeführers ausgeschlossen sind. Die belangte Behörde sah das eingeschränkte psychische Kalkül des Beschwerdeführers deshalb als mit den Aufgaben an seinem Arbeitsplatz als vereinbar an, weil es - zusammengefasst - "personalwirtschaftlichen Erfahrungen" entspreche, dass die ihm konkret zugeteilten Aufgaben nicht geeignet seien, bei Bediensteten besondere psychische Belastungen zu bewirken und auch nicht als Arbeiten eingestuft werden könnten, die regelmäßig und unter einem mehr als halbzeitig besonderen Zeitdruck zu erledigen seien. Auch der Einwand des Beschwerdeführers, dass so gut wie jedes zweite Einlaufstück von Bedeutung und dringlich wäre, steht nach Ansicht der belangten Behörde mit dem psychiatrischen Leistungskalkül im Einklang. Im Übrigen - so die belangte Behörde weiter - beziehe sich die besondere Zeitdruckbelastung von maximal einer Stunde stets auf einen geschlossenen Zeitraum, was bei der Tätigkeit des Beschwerdeführers nicht der Fall sei.

4.4. Die Beschwerde weist zutreffend darauf hin, dass die belangte Behörde der sie nach § 1 Abs. 1 DVG in Verbindung mit § 58 und 60 AVG treffenden Begründungspflicht nicht Genüge tat, wenn sie ihre Feststellungen über die dem Beschwerdeführer obliegenden dienstlichen Aufgaben auf nicht näher dargelegte "personalwirtschaftliche Erfahrungen" gründete und die Vereinbarkeit dieser Aufgaben mit dem psychischen Leistungskalkül ohne nähere Begründung letztlich in den engen zeitlichen Grenzen für die Begutachtung von Gesetzesentwürfen erfüllt sah, womit sich ihre Erwägungen einer Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof verschließen. Es werden daher Feststellungen über den typischen Arbeitsablauf während eines aussagekräftigen Beobachtungszeitraumes zu treffen sein; sodann wird der medizinische Sachverständige an Hand dieser Feststellungen zu prüfen haben, ob der Beschwerdeführer aus medizinischer Sicht im Stande ist, auf Dauer diese Aufgaben einwandfrei zu erfüllen.

Soweit sich die von der belangten Behörde herangezogenen Erfahrungen nicht näher darstellen lassen, könnte es sich auch als erforderlich erweisen, über den Arbeitsplatz des Beschwerdeführers ein (nachvollziehbar aufgebautes) Gutachten einzuholen.

4.5. Darüber hinaus würde sich das vom Beschwerdeführer vorgelegte Gutachten als nur beschränkt aussagekräftig erweisen, wenn - nachvollziehbar begründet - näher festgestellte Aufgaben am Arbeitsplatz des Beschwerdeführers sein Leistungskalkül überschreiten würden. So geht das psychiatrische Gutachten in seiner Retrospektive auf das jahrelange Krankheitsbild des Beschwerdeführers ein, ohne jedoch die - für die Prognose nach § 21 Abs. 2 lit. b DPL 1972 erforderliche - Aussage über die etwaige Wiedererlangung des vollen bzw. für den Arbeitsplatz ausreichenden psychischen Leistungskalküls abzugeben, weil sich nur anhand dessen das besagte Kriterium "dauernd" beurteilen ließe; sollte sich die Einschränkung des psychischen Leistungskalküls als nur vorübergehend erweisen, käme allenfalls eine Versetzung in den zeitlichen Ruhestand nach § 20 Abs. 1 lit. b DPL 1972 in Betracht.

Obzwar das Gutachten vom Beschwerdeführer zur Untermauerung seines Begehrens auf Versetzung in den (dauernden) Ruhestand vorgelegt worden war, entband dies die belangte Behörde nicht davon, im Rahmen ihrer Pflicht nach § 8 Abs. 1 DVG zur amtswegigen Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes entscheidungsrelevante Sachfragen, die das Privatgutachten nicht beantwortet, zu deren Beantwortung jedoch besonderes Fachwissen erforderlich ist, über das die Dienstbehörde selbst nicht verfügt, unter Beiziehung eines (Amts-)Sachverständigen oder - sofern die Voraussetzungen nach § 52 Abs. 2 AVG vorliegen - eines nichtamtlichen Sachverständigen abzuklären.

4.6. Der angefochtene Bescheid war daher, soweit er den Antrag auf Versetzung in den (dauernden) Ruhestand im Grunde des § 21 Abs. 2 lit. b DPL 1972 abwies, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 13. Oktober 2004

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel Sachverständigenbeweis Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Rechtliche Beurteilung Sachverständiger Arzt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2004120076.X00

Im RIS seit

15.11.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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