TE Vwgh Erkenntnis 2004/10/13 2002/10/0125

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Veröffentlicht am 13.10.2004
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Index

L92059 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe Wien;
L92709 Jugendwohlfahrt Kinderheim Wien;

Norm

JWG Wr 1990 §12 Abs2;
JWG Wr 1990 §33 Abs1;
JWG Wr 1990 §33 Abs2 Z3;
SHG Wr 1973 §44 Abs5 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofer, über die Beschwerde des Sozialhilfeverbandes W, vertreten durch Klement Schreiner & Partner, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Kaiserfeldgasse 29/3, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 28. Mai 2002, Zl. MA 11 - NP/K/74/2002, betreffend Kostenersatz für Maßnahmen der Jugendwohlfahrt, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Wien hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Wiener Landesregierung vom 28. Mai 2002 wurde der Antrag des Sozialhilfeverbandes W auf Ersatz der im Zuge der Jugendwohlfahrtspflege betreffend zwei namentlich genannte Minderjährige für "Lernbetreuung" und "Betreuung durch einen Erziehungshelfer" angefallenen Kosten in Höhe von EUR 3.117,68 und EUR 3.106,78 abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Bezirkshauptmannschaft W habe den beiden Minderjährigen gemäß § 36 des Stmk. Jugendwohlfahrtsgesetzes 1991 Unterstützung der Erziehung durch Erziehungshilfe zur Persönlichkeitsentfaltung im Bereich Schule und Bildung (Lernbetreuung) bzw. Betreuung durch einen Erziehungshelfer gewährt. Diese im § 36 Stmk. Jugendwohlfahrtsgesetz 1991 vorgesehene Unterstützung der Erziehung sei der Art nach im Wr. Jugendwohlfahrtsgesetz 1990 nicht vorgesehen; die dafür angefallenen und nunmehr beanspruchten Kosten seien daher nicht zu ersetzen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wurde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 44 Abs. 1 des Wr. Sozialhilfegesetzes (SHG) hat das Land Wien den Trägern der Sozialhilfe anderer Länder die für Sozialhilfe aufgewendeten Kosten nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zu ersetzen.

Zu den Kosten der Sozialhilfe gehören gemäß § 44 Abs. 2 lit. b SHG (auch) die Kosten, die einem Träger für einen Hilfe Suchenden nach den landesrechtlichen Vorschriften über die Jugendwohlfahrtspflege erwachsen.

Soweit im Folgenden nichts anderes bestimmt ist, ist gemäß § 44 Abs. 3 SHG das Land Wien zum Kostenersatz verpflichtet, wenn sich der Hilfe Suchende während der letzten sechs Monate vor Gewährung der Hilfe mindestens durch fünf Monate in Wien aufgehalten hat und wenn das Land Wien nach den Bestimmungen dieses Gesetzes die Kosten für Leistungen, wie sie dem Kostenanspruch zu Grunde liegen, zu tragen hat.

Das Land Wien als zum Kostenersatz verpflichteter Träger hat gemäß § 44 Abs. 5 SHG, soweit im Abs. 2 nichts anderes bestimmt ist, alle einem Träger i.S.d. Abs. 2 erwachsenden Kosten zu ersetzen. Nicht zu ersetzen sind jedoch u.a. gemäß lit. c die Kosten für Leistungen, die in diesem Gesetz in der Art nicht vorgesehen sind.

Über die Verpflichtung des Landes Wien zum Kostenersatz hat gemäß § 44 Abs. 7 SHG im Streitfall die Landesregierung im Verwaltungsweg zu entscheiden.

Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist ausschließlich die Frage strittig, ob die den beiden Minderjährigen gewährte "Unterstützung der Erziehung durch Erziehungshilfe zur Persönlichkeitsentfaltung im Bereich Schule und Bildung (Lernbetreuung)" bzw. "Betreuung durch einen Erziehungshelfer" Maßnahmen der Erziehungshilfe darstellten, die "in der Art" im Wr. Jugendwohlfahrtsgesetz vorgesehen sind.

Das Wr. Jugendwohlfahrtsgesetz 1990 (Wr. JWG) regelt im

5. Abschnitt seines 2. Hauptstücks die "Hilfen zur Erziehung". Hilfen zur Erziehung sind demnach im Einzelfall als Unterstützung der Erziehung oder als volle Erziehung, als freiwillige Erziehungshilfe oder als Erziehungshilfe gegen den Willen des Erziehungsberechtigten zu gewähren. Dabei ist jeweils die gelindeste, noch zum Ziel führende Maßnahme zu treffen, wobei auf

§ 12 Abs. 2  Wr. JWG Bedacht zu nehmen ist (§ 32 Wr. JWG).

§ 12 Abs. 2 Wr. JWG bestimmt, dass soziale Dienste, etwa

niederschwellige Angebote (§ 16 Abs. 2 Z. 6) Minderjährigen insbesondere dann anzubieten sind, wenn dies für die Förderung des Wohles des Kindes zweckmäßiger und erfolgversprechender erscheint als die Gewährung von Hilfen zur Erziehung nach den §§ 32 ff.

Die Unterstützung der Erziehung umfasst gemäß § 33 Abs. 1 Wr. JWG alle Maßnahmen zum Wohl des Minderjährigen, die im Einzelfall die verantwortungsbewusste Erziehung des Minderjährigen durch die Erziehungsberechtigten fördern. Die Unterstützung der Erziehung soll vor allem dazu dienen, die Voraussetzungen für die Erziehung des Minderjährigen in der eigenen Familie zu verbessern.

Die Unterstützung der Erziehung umfasst gemäß § 33 Abs. 2 Wr. JWG u.a. insbesondere die Beratung des Erziehungsberechtigten und des Minderjährigen (Z. 1), die Förderung der Erziehungskraft der Familie, besonders auch der gewaltlosen Erziehung (Z. 2) und die Förderung der Entwicklung des Minderjährigen (Z. 3).

Gemäß § 37 Abs. 2 Wr. JWG ist jeweils die der Persönlichkeit des Minderjährigen und seinen Lebensverhältnissen entsprechende Maßnahme einzuleiten. Bei der Durchführung sind die Anlagen, Fähigkeiten, Neigungen und Entwicklungsmöglichkeiten des Minderjährigen zu berücksichtigen.

Die nach dem Wr. JWG einem Minderjährigen zu gewährenden Erziehungshilfen sind nicht auf bestimmte, konkret umschriebene Maßnahmen eingeschränkt. Vielmehr kommen "alle Maßnahmen zum Wohle des Minderjährigen" in Betracht, die im Einzelfall die verantwortungsbewusste Erziehung des Minderjährigen durch die Erziehungsberechtigten fördern.

Dass die beiden Minderjährigen durch die ihnen zum Ausgleich der "mangelnden Erziehungskapazität" ihrer Mutter - so die Begründung der Maßnahmen in den vorgelegten Verwaltungsakten - gewährte "Unterstützung der Erziehung durch Erziehungshilfe zur Persönlichkeitsentfaltung im Bereich Schule und Bildung", ebenso wie durch die "Betreuung durch einen Erziehungshelfer" in ihrer - gefährdeten - Entwicklung gefördert wurden, stellt die belangte Behörde nicht in Abrede. Auf dem Boden dieser Annahme kann allerdings nicht gesagt werden, es handle sich um Erziehungshilfen einer solchen Art, der § 33 Wr. JWG (insbesondere dessen Abs. 2 Z. 3) keine Grundlage böte. Vielmehr entsprechen diese Maßnahmen dem § 33 Abs. 1 Wr. JWG; sie fördern die verantwortungsbewusste Erziehung der beiden Minderjährigen durch die Erziehungsberechtigten.

Die belangte Behörde macht nicht geltend, dass die im Gesetz normierten Voraussetzungen für die Gewährung von Erziehungshilfe im konkreten Fall nicht vorgelegen wären.

Die belangte Behörde hat daher zu Unrecht § 44 Abs. 5 lit. c SHG als erfüllt erachtet. Sie hat solcherart den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, was gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG zu seiner Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes zu führen hatte.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 13. Oktober 2004

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2002100125.X00

Im RIS seit

08.11.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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