TE Vwgh Erkenntnis 2004/10/13 2002/10/0078

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Veröffentlicht am 13.10.2004
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Index

L92058 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe Vorarlberg;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
19/05 Menschenrechte;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);

Norm

ABGB §140 Abs3;
ABGB §140;
ABGB §540;
ABGB §767;
ABGB §768 Z2;
ABGB §768 Z3;
ABGB §768 Z4;
ABGB §770;
B-VG Art140;
B-VG Art7 Abs1;
MRK Art6 Abs1;
SHG Vlbg 1998 §1 Abs2;
SHG Vlbg 1998 §10;
SHG Vlbg 1998 §11 Abs3;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofer, über die Beschwerde des ET in B, vertreten durch Winkler-Heinzle, Rechtsanwaltspartnerschaft in 6900 Bregenz, Gerberstraße 4, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 2. November 2001, Zl. IVa-341-98-2000, betreffend Kostenersatz für Sozialhilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 2. November 2001 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 10 des Sozialhilfegesetzes (SHG) verpflichtet, zur teilweisen Deckung der seiner Tochter Annemarie B. gewährten Sozialhilfe ab 1. März 2000 einen monatlichen Kostenbeitrag in der Höhe von S 1.621,-- zu leisten. Begründend wurde u.a. ausgeführt, Annemarie B. leide an einer chronischen depressiven Verstimmung mit Suizidalität sowie einer chronischen Anorexia nervosa und einer dadurch bedingten alimentären schweren Blutungs- und Eisenmangelanämie. Sie sei diesbezüglich oftmals im Krankenhaus aufgenommen worden, habe das Krankenhaus aber stets auf eigenen Wunsch vorzeitig wieder verlassen; der Empfehlung der behandelnden Ärzte, sich einer ambulanten oder stationären psychosomatisch orientierten Therapie zu unterziehen, habe sie so heftigen Widerstand entgegen gesetzt, dass bereits eine Zwangseinweisung in Erwägung gezogen worden sei. Trotz einer Größe von 164,5 cm wiege Annemarie B. lediglich zwischen 38 und 40 kg; sie nehme kaum Nahrung und Flüssigkeit zu sich. Seit ihrer ersten amtsärztlichen Untersuchung am 29. Mai 1996 sei sie auf Grund ihrer Krankheit stets als arbeitsunfähig beurteilt und ihre Eingliederung in den Arbeitsprozess ausgeschlossen worden. Mitte 1997 sei versucht worden, sie im Rahmen eines Arbeitsprojektes auf den Arbeitsmarkt vorzubereiten. Diese Versuche seien ebenso wie verschiedene Therapieversuche zuletzt 2001 gescheitert. Auf Grund ihrer schweren Krankheit sei sie jedenfalls seit dem 1. März 2000 nicht in der Lage, einer Erwerbstätigkeit, auch nicht im eingeschränkten Umfang, nachzugehen. Dieser Zustand der Erwerbsunfähigkeit werde auf Grund der psychischen Erkrankung auch auf Dauer anhalten. Annemarie B. habe auch tatsächlich keine Erwerbstätigkeit ausgeübt. Ein Antrag auf Zuerkennung einer Invaliditätspension sei von der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter mangels Erfüllung der Wartezeit abgelehnt worden. Seit dem 27. März 1996 werde sie laufend aus Mitteln der Sozialhilfe unterstützt und zwar durch Gewährung des Alleinstehenden-Richtsatzes einschließlich der Sonderzahlungen, durch Übernahme der monatlichen Wohnkosten sowie durch Abdeckung des krankheitsbedingten sowie des sonstigen Sonderbedarfes. Die aufgewendeten Sozialhilfemittel würden sich monatlich auf über S 12.000,-- belaufen.

Der Beschwerdeführer, der Vater von Annemarie B., beziehe eine monatliche Pension, deren Höhe im Jahre 2000 durchschnittlich S 21.008,95 (inklusive Sonderzahlungen) betragen habe. An Wohnkosten habe er monatlich S 6.294,57 aufzuwenden. Seine Ehefrau beziehe eine Pension, deren Höhe im Jahre 2000 monatlich netto S 10.899,47 inklusive Sonderzahlungen betragen habe.

Der geschiedene Ehegatte von Annemarie B., Peter B., habe sich im Rahmen der einvernehmlichen Scheidung im Jahre 1996 zu einer Unterhaltsleistung von monatlich S 1.600,-- an Annemarie B. verpflichtet. Selbst wenn man von der Möglichkeit einer Erhöhung dieser Unterhaltsleistung ausgehe, so käme - wie näher dargelegt - eine maximale Leistung in Höhe von S 6.600,-- in Betracht, sodass immer noch ein offener Sozialhilfeaufwand von monatlich S 5.400,-- verbliebe. Die Unterhaltspflicht des Beschwerdeführers werde daher bis zu diesem Betrag von der vorrangigen Unterhaltspflicht des geschiedenen Ehegatten nicht berührt.

Dem Einwand des Beschwerdeführers, Annemarie B. sei arbeits- und damit selbsterhaltungsfähig, zumal sie eine Ausbildung als Zahnarzthelferin absolviert habe bzw. sollte sie nicht arbeitsfähig sein, die Arbeitsunfähigkeit selbst durch gesundheitsschädliches Verhalten verursacht habe, weil sie eine geeignete Therapie ablehne, sei zu entgegnen, dass Annemarie B. auf Grund ihrer Krankheit nicht in der Lage sei, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Selbst wenn sie an der die Erwerbsfähigkeit ausschließenden psychischen Erkrankung bzw. an der Weigerung, sich einer Therapie zu unterziehen, was für diese Krankheit allerdings symptomatisch sei, ein Verschulden träfe, würde dies an der Unterhaltspflicht des Beschwerdeführers als Folge der Selbsterhaltungsunfähigkeit der Annemarie B. nichts ändern, weil eine Verwirkung des Unterhaltsanspruches gesetzlich nicht vorgesehen sei. Lediglich ein Rechtsmissbrauch, bei dem das Kind durch vorsätzliches Verhalten die durch den Unterhalt abzusichernden Bedürfnisse erst schaffe oder die Erzielung eigener Einkünfte beeinträchtige, könnte dazu führen, dass das Kind unterhaltsrechtlich so zu behandeln sei, als läge diese Beschränkung der Erwerbsfähigkeit nicht vor; ein solcher Fall des Rechtsmissbrauches sei bei Annemarie B. jedoch nicht gegeben.

Weiters könne zwar bei Vorliegen von Enterbungsgründen (Recht zur Pflichtteilsentziehung) die Unterhaltsleistung auf den notdürftigen Unterhalt eingeschränkt werden. Bei den vom Beschwerdeführer geltend gemachten Umständen (Annemarie B. habe seit 1975 jeglichen Kontakt zu ihm abgebrochen und sich in keiner Weise um ihn gekümmert, sie habe ihm selbst wichtige Ereignisse aus ihrem Leben, wie Eheschließung bzw. Geburt eines Kindes nicht mitgeteilt und überhaupt die zwischen Eltern und Kindern übliche Beziehung völlig aufgegeben) handle es sich jedoch nicht um einen Enterbungsgrund im Sinn des § 768 ABGB. Außerdem erhalte Annemarie B. von der Sozialhilfe ohnedies bloß Leistungen, die zur Abdeckung ihres Lebensbedarfes notwendig seien.

Als unterhaltspflichtiger Vater der Annemarie B. sei der Beschwerdeführer nach seiner finanziellen Leistungsfähigkeit zum Kostenersatz für die gewährten Sozialhilfemaßnahmen verpflichtet, wobei eine im Einzelnen dargelegte Berechnung zu einem monatlichen Kostenbeitrag von S 1.621,-- führe.

Die gegen diesen Bescheid an den Verfassungsgerichtshof erhobene Beschwerde wurde, nachdem dieser deren Behandlung mit Beschluss vom 2. März 2002, B 1679/01, abgelehnt hatte, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 10 Vorarlberger Sozialhilfegesetz 1998 (SHG) haben die zum Unterhalt verpflichteten Angehörigen im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht die Kosten der Sozialhilfe einschließlich der Kosten im Sinn des § 13 Abs. 3 (Ersatzansprüche Dritter) zu ersetzen.

Über den Kostenersatz nach § 10 können mit den Ersatzpflichtigen gemäß § 11 Abs. 2 SHG Vergleiche abgeschlossen werden. Solchen Vergleichen kommt, wenn sie von der Bezirkshauptmannschaft beurkundet werden, die Wirkung gerichtlicher Vergleiche (§ 1 Z. 15 der Exekutionsordnung) zu.

Wenn kein Vergleich zustande kommt, ist über den Kostenersatz nach § 10 im Verwaltungsweg zu entscheiden (§ 11 Abs. 3 SHG).

Der Beschwerdeführer zieht zunächst die Verfassungsmäßigkeit der letztgenannten Bestimmung in Zweifel. Die Verpflichtung, dem Sozialhilfeträger im Rahmen der gesetzlichen Unterhaltspflicht einen Aufwand für eine unterhaltsberechtigte Person zu ersetzen, sei eine zivilrechtliche Verpflichtung, über die gemäß § 6 EMRK ein Tribunal zu entscheiden habe.

Wie dargelegt hat der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 2. März 2002 die Behandlung der vorliegenden Beschwerde abgelehnt. Zu der vom Beschwerdeführer an den Verfassungsgerichtshof herangetragenen Behauptung, § 11 Abs. 3 SHG weise Verpflichtungen, die dem Kernbereich des Zivilrechts zugehören, Verwaltungsbehörden zur Vollziehung zu, wurde in diesem Beschluss begründend ausgeführt, das Beschwerdevorbringen lasse vor dem Hintergrund der - im Einzelnen zitierten - ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu Art. 6 Abs. 1 EMRK die behauptete Rechtsverletzung, die Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass die Beschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe.

Auch nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Ersatzpflicht nach § 10 SHG nicht um eine privatrechtliche Unterhaltsverpflichtung, sondern um eine - dem Grunde und der Höhe nach freilich an die privatrechtliche Unterhaltspflicht anknüpfende und durch sie begrenzte - öffentlichrechtliche, zur Vermeidung einer sachlich nicht gerechtfertigten Entlastung des privatrechtlich Unterhaltspflichtigen geschaffene Verpflichtung zum Ersatz des dem Sozialhilfeträger erwachsenden Aufwandes für Sozialhilfeleistungen, die dieser - in Erfüllung des SHG - erbracht hat; diese Verpflichtung ist keine "zivilrechtliche Verpflichtung" im Sinne des Art. 6 Abs. 1 EMRK (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. März 1993, Zl. 92/08/0190, und die dort zitierte Judikatur). Das Vorbringen des Beschwerdeführers gibt keinen Anlass, von diesem Standpunkt abzugehen und einen Gesetzesprüfungsantrag zu stellen.

In der Sache vertritt der Beschwerdeführer die Auffassung, Annemarie B. habe ihm gegenüber keinen Unterhaltsanspruch. Durch die Verweigerung jeglicher medizinischer Behandlung und die dadurch bedingte Arbeitsunfähigkeit habe Annemarie B. ihre Selbsterhaltungsfähigkeit vorsätzlich zerstört. Ein Unterhaltsanspruch sei daher schon aus diesem Grunde ausgeschlossen. Weiters habe Annemarie B. seit 1975 jeglichen Kontakt zum Beschwerdeführer abgebrochen und sich in keiner Weise um ihn gekümmert. Sie habe ihm wichtige Ereignisse aus ihrem Leben (Eheschließung, Geburt eines Kindes) verschwiegen und die zwischen Kindern und Eltern übliche Beziehung völlig aufgegeben. Aus dem Rechtsverhältnis zwischen Eltern und Kindern ergeben sich jedoch gewisse minimale Kontaktpflichten, die Annemarie B. gröblich vernachlässigt habe. Die Voraussetzungen für die Annahme der Erbunwürdigkeit im Sinne des § 540 ABGB seien somit erfüllt. Annemarie B. hätte daher nur einen Anspruch auf den notwendigen Unterhalt. Leistungen von durchschnittlich S 12.000,-- wie sie von der Sozialhilfebehörde gewährt worden seien, gingen über den notwendigen Unterhalt hinaus, lägen sie doch wesentlich über dem Ausgleichszulagenrichtsatz.

§ 10 SHG normiert die Kostenersatzpflicht der zum Unterhalt verpflichteten Angehörigen "im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht". Ob und in welchem Ausmaß Kostenersatz zu leisten ist, bemisst sich nach Bestehen und Ausmaß der Unterhaltspflicht; diese ist nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes zu beurteilen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 4. Oktober 2000, Zl. 99/11/0317).

Gemäß § 140 ABGB haben Kinder gegen ihre Eltern Anspruch auf angemessenen Unterhalt, zu dessen Deckung jeder Elternteil entsprechend seiner Leistungsfähigkeit anteilig beizutragen hat. Eine wesentliche Voraussetzung für den Kindesunterhalt ist das Fehlen der Selbsterhaltungsfähigkeit. Fällt die erlangte Selbsterhaltungsfähigkeit wiederum weg, kommt es zum Wiederaufleben der elterlichen Unterhaltspflicht (vgl. dazu Schwimann in Schwimann ABGB I2 , § 140, Rz 90 ff).

Eine Verwirkung des Unterhaltsanspruches des Kindes ist gesetzlich nicht vorgesehen. Es besteht allerdings ein allgemeiner Rechtsgrundsatz, wonach die Erfüllung der Voraussetzungen eines Rechtsmissbrauches zur Versagung eines Anspruches führt. Die Verneinung eines Anspruches wegen Rechtsmissbrauches greift auch beim Kindesunterhalt ein. Voraussetzung ist nach allgemeinen Grundsätzen allerdings ein vorsätzliches Verhalten, das die durch die Unterhaltsleistungen abzudeckenden Bedürfnisse erst schafft oder das Zulangen jener Mittel, die gemäß § 140 Abs. 3 ABGB primär und vor der Fremdleistungspflicht heranzuziehen sind, beeinträchtigt. Soweit das unterhaltsberechtigte Kind daher seine Erwerbsfähigkeit absichtlich beschränkt, ist es unterhaltsrechtlich so zu behandeln, als läge diese Beschränkung der Erwerbsfähigkeit nicht vor (vgl. den Beschluss des OGH vom 31. August 1994, 7 Ob 577/94). Ein solcher Fall liegt jedoch nicht vor, wenn das Kind infolge einer Krankheit außerstande gesetzt ist, eine Erwerbstätigkeit auszuüben, selbst wenn die Krankheit auf von ihm selbst zu vertretende Aktionen zurückzuführen ist, es sei denn, es habe diese Aktionen eben deshalb gesetzt, um weiterhin Unterhaltsleistungen zu erhalten; nur dann wäre eine rechtsmissbräuchliche Geltendmachung des Unterhaltsanspruches anzunehmen (vgl. nochmals den zitierten Beschluss des OGH).

Selbst wenn im vorliegenden Beschwerdefall Annemarie B. daher ein Verschulden an ihrem Zustand der Erwerbsunfähigkeit als Folge ihrer Erkrankung insofern träfe, als sie eine entsprechende Therapie verweigert hat (und weiter verweigert) - die belangte Behörde hat dieses Verhalten allerdings von der Beschwerde unwidersprochen als für die betreffende Krankheit symptomatisch bezeichnet -, so läge der beschriebene Missbrauchsfall (nur) dann vor, wenn die Verweigerung der Therapie gerade deshalb erfolgt wäre, um eine Erwerbsfähigkeit auszuschalten und solcher Art Unterhaltsleistungen zu erlangen. Dafür besteht allerdings - wie die belangte Behörde zu Recht betont - kein Anhaltspunkt; auch die Beschwerde behauptet dies nicht.

Was das weitere Beschwerdevorbringen anlangt, Annemarie B. habe sich gegenüber dem Beschwerdeführer in einer Art und Weise verhalten, die eine Pflichtteilsentziehung und damit eine Einschränkung ihres Unterhaltsanspruches rechtfertige, so trifft es zwar zu, dass - obgleich der Unterhaltsanspruch des Kindes wie dargelegt nicht verwirkt werden kann - eine Beschränkung dieses Anspruches auf das Maß des notdürftigen Unterhalts eintreten kann, wenn das Kind eine Handlung begeht, die die Entziehung des Pflichtteiles rechtfertigt (vgl. nochmals Schwimann in Schwimann ABGB I2, § 140 Rz 11 und die dort zitierte Rechtsprechung).

Auf einen Pflichtteil hat gemäß § 767 ABGB keinen Anspruch und wird bei der Ausmessung desselben so betrachtet, als wenn er gar nicht vorhanden wäre, wer - abgesehen von dem, der auf das Erbrecht Verzicht geleistet hat - nach den in dem achten Hauptstück enthaltenen Vorschriften vom Erbrecht ausgeschlossen wird oder von dem Erblasser rechtmäßig enterbt worden ist.

Diese Aufzählung der Ausschlussgründe ist taxativ (vgl. Welser in Rummel I2 zu § 767 ABGB und die dort zitierte Rechtsprechung).

Das vom Beschwerdeführer dargestellte Verhalten der Annemarie B. erfüllt allerdings weder den Tatbestand der Erbunwürdigkeit nach § 540 ABGB, noch rechtfertigte es eine Enterbung gemäß § 768 ABGB. Erbunwürdigkeit, die gemäß § 770 ABGB zugleich einen Enterbungsgrund darstellt, hat nämlich die Begehung einer gerichtlich strafbaren Handlung gegen den Erblasser zur Voraussetzung, die nur vorsätzlich begangen werden kann und mit einer mehr als einjährigen Freiheitsstrafe bedroht ist. Im Übrigen ist die Enterbung eines Kindes gemäß § 768 ABGB zulässig, wenn es den Erblasser im Notstande hilflos gelassen hat (Z. 2), wenn es wegen einer oder mehrerer mit Vorsatz begangener strafbarer Handlungen zu einer lebenslangen oder zwanzigjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden ist (Z. 3) oder wenn es eine gegen die öffentliche Sittlichkeit anstößige Lebensart beharrlich führt (Z. 4).

Das vom Beschwerdeführer beschriebene Verhalten seiner Tochter Annemarie B. ihm gegenüber entspricht keinem der hier genannten Gründe, insbesondere auch nicht jenem des § 768 Z. 2 ABGB; dass sich Annemarie B. - wie der Beschwerdeführer behauptet -

"in keiner Weise um ihn gekümmert hat", besagt nämlich nicht, dass er sich in einem hilfsbedürftigen Zustand im Sinn des § 768 Z. 2 ABGB befunden habe (vgl. nochmals Welser in Rummel I2 zu § 768 ABGB), in welchem ihm von seiner Tochter die ihr mögliche Hilfe versagt worden sei.

Im Übrigen übersieht der Beschwerdeführer, dass selbst die Annahme, Annemarie B. habe ein Verhalten gesetzt, das eine Pflichtteilsentziehung rechtfertige und ihren Unterhaltsanspruch auf den notdürftigen Unterhalt beschränke, die Beschwerde nicht zum Erfolg führen könnte. Die der Annemarie B. nach den Feststellungen des angefochtenen Bescheides gewährten Sozialhilfeleistungen decken nämlich ohnedies bloß ihren - nicht zuletzt krankheitsbedingten - Mindestbedarf zur Führung eines menschenwürdigen Lebens im Sinne der grundlegenden Aufgabenstellung des SHG: Ihr wird der Alleinstehenden-Richtsatz einschließlich Sonderzahlungen gewährt, ihre monatlichen Wohnkosten werden übernommen und der krankheitsbedingte und sonstige Sonderbedarf wird abgedeckt. Eine Einschränkung dieser Leistungen würde ihr somit bereits den notwendigen Lebensunterhalt vorenthalten. Es hat aber auch der Beschwerdeführer weder im Verwaltungsverfahren, noch selbst in der vorliegenden Beschwerde konkret vorgebracht, dass und welche der Sozialhilfeleistungen, die Annemarie B. gewährt werden, seines Erachtens zur Führung eines menschenwürdigen Lebens nicht erforderlich seien und solcherart über den notwendigen Lebensunterhalt hinausgingen.

Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 1 Z. 6 VwGG abgesehen werden, zumal die Beschwerde weder Rechts- noch Tatsachenfragen aufgeworfen hat, deren Erörterung in einer Verhandlung zu einer weiteren Aufklärung des Falles hätte führen können.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 13. Oktober 2004

Schlagworte

Rechtsgrundsätze Allgemein Anwendbarkeit zivilrechtlicher Bestimmungen Verträge und Vereinbarungen im öffentlichen Recht VwRallg6/1 Rechtsgrundsätze Diverses VwRallg6/7

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2002100078.X00

Im RIS seit

05.11.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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