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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
BArbSchV 1994 §112 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel-Lanz, über die Beschwerde des RW in F, vertreten durch Dr. Leonhard Ogris, Rechtsanwalt in 8530 Deutschlandsberg, Grazer Straße 21, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 18. Jänner 2002, Zl. UVS 30.15-58/2001-20, betreffend Übertretungen der Bauarbeiterschutzverordnung, zu Recht erkannt:
Spruch
I. Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich des Spruchpunktes 2. (Übertretung nach "§ 112 Abs. 1 u. 2" Bauarbeiterschutzverordnung) wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
II. Im Übrigen - sohin hinsichtlich des Spruchpunktes 1. (Übertretung nach "§ 110 Abs. 4 u. 5" Bauarbeiterschutzverordnung) - wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 18. Jänner 2002 wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer der W.- GesmbH mit Sitz in F. und somit als im Sinne des § 9 VStG zur Vertretung nach außen berufene Person zu verantworten, dass auf der Baustelle in P. wesentliche Bestimmungen der Bauarbeiterschutzverordnung (BGBl. Nr. 340/1994, BauV) bzw. der Elektroschutzverordnung nicht eingehalten worden seien.
Anlässlich einer Überprüfung der Baustelle am 31. März 1999 durch ein Organ des Arbeitsinspektorates sei festgestellt worden, dass ein Portal eines Schaufensters abgebrochen worden sei, wobei nach dem Durchsägen des Holzfensterstockes der in der Auflage gelockerte Fenstersturz auf den dort als Hilfsarbeiter beschäftigten Arbeitnehmer N.V. gestürzt sei und ihn verletzt habe. Im Zuge der Erhebungen sei festgestellt worden, dass weder der Arbeitgeber noch eine sonstige fachkundige Person für die genannten Arbeiten eine Abbruchanweisung erstellt gehabt habe. Auf Grund der Bestimmungen der BauV sei für Abbrucharbeiten eine schriftliche Abbruchanweisung erforderlich und habe diese auf der Baustelle aufzuliegen.
Der Beschwerdeführer habe dadurch "§ 110 Abs. 4 u. 5" BauV verletzt; es wurde eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt (Spruchpunkt 1.).
Die Tatanlastung zu Spruchpunkt 2. lautet wörtlich:
"Weiters wurde anlässlich der Erhebungen auf Grund dieses Arbeitsunfalles - vom 26. März 1999 - festgestellt, dass der Holzstock weder aufgehängt noch unterstellt oder sonst wie abgefangen worden war, obwohl nach den Bestimmungen der Bauarbeiterschutzverordnung tragende und aussteifende Bauteile nur dann entfernt werden dürfen, wenn sie für die Standsicherheit nicht mehr erforderlich sind bzw. Auflager von tragenden Konstruktionsteilen nötigenfalls entsprechend den zu erwartenden Auflagerdrücken durch Abfangen, Pölzen oder Aufhängen gesichert sein müssen."
Der Beschwerdeführer habe dadurch "§ 112 Abs. 1 u. 2" BauV verletzt; es wurde eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt (Spruchpunkt 2.).
Mit Spruchpunkt 3. wurde der Beschwerdeführer einer weiteren Übertretung der BauV, mit Spruchpunkt 4. einer Übertretung der Elektroschutzverordnung für schuldig befunden und hiefür bestraft.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:
Der Beschwerdeführer bringt zwar vor, dass der Bescheid "in seinem vollen Umfange" angefochten werde, doch enthält die Beschwerde keinerlei konkrete Begründung in Hinsicht auf die Spruchpunkt 3. und 4.. Der Verwaltungsgerichtshof geht daher davon aus, dass nur die Spruchpunkte 1. und 2. Gegenstand der vorliegenden Beschwerde sind.
I. Zu Spruchpunkt 1.:
Was zunächst den Hinweis des Beschwerdeführers auf § 13a AVG und § 40 Abs. 2 zweiter Satz VStG anlangt, so ist dem Gerichtshof das diesbezügliche Vorbringen des Beschwerdeführers nicht nachvollziehbar, wurde er doch vor der belangten Behörde von einem "berufsmäßigen Parteienvertreter" - "seiner Wahl" - vertreten.
Der 16. Abschnitt der BauV betreffend "Abbrucharbeiten" enthält unter "Vorbereitende Maßnahmen" im § 110 Abs. 4 folgende Vorschrift:
"Die fachkundige Person hat eine schriftliche Abbruchanweisung zu erstellen. Eine schriftliche Abbruchanweisung ist nicht erforderlich, wenn für die Abbrucharbeiten keine besonderen Sicherungsmaßnahmen oder Anweisungen notwendig sind."
Der Beschwerdeführer bringt unter Hinweis auf den zweiten Satz dieser Bestimmung vor, es habe sich "beim Herausreißen des Fensterstockes plus Fenstersturz" um "einfache" Abbrucharbeiten gehandelt, sodass keine besonderen Sicherungsmaßnahmen und daher keine schriftliche Abbruchanweisung erforderlich gewesen seien.
Damit übersieht der Beschwerdeführer, dass die schriftliche Abbruchanweisung auch dann nicht entfallen kann, wenn im Sinne des zweiten Falles dieses Satzes besondere "Anweisungen" notwendig sind. Dass dies im Beschwerdefall zutraf, liegt auf der Hand: Die schriftliche Abbruchanweisung nach Abs. 4 muss nämlich gemäß § 110 Abs. 5 Z. 1 BauV insbesondere u.a. auch die "Reihenfolge" der Abbrucharbeiten enthalten, deren Einhaltung bei der in Rede stehenden (vom Arbeitnehmer N.V. durchzuführenden) Arbeit zweifellos notwendig gewesen wäre.
Von daher gesehen ist es rechtlich unerheblich, ob für diese Arbeiten keine "besonderen Sicherungsmaßnahmen" notwendig waren und gehen die damit verbundenen Verfahrensrügen des Beschwerdeführers (insbesondere die vermisste Beiziehung eines Bausachverständigen) ins Leere.
Die Beschwerde erweist sich sohin zu diesem Spruchpunkt als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen. II. Zu Spruchpunkt 2.:
Im zitierten 16. Abschnitt der BauV finden sich unter "Arbeitsvorgänge" u.a. die hier von der belangten Behörde als verletzt zitierten Bestimmungen des § 112 Abs. 1 und 2. Diese lauten:
"(1) Tragende und aussteifende Bauteile dürfen nur dann entfernt werden, wenn sie für die Standsicherheit nicht mehr erforderlich sind. Herabhängende oder auskragende Teile, die abstürzen können, müssen abgestützt oder beseitigt werden.
(2) Auflager von tragenden Konstruktionsteilen müssen nötigenfalls entsprechend den zu erwartenden Auflagerdrücken durch Abfangen, Pölzen oder Aufhängen gesichert sein."
Aus der eingangs wörtlich wiedergegebenen Tatanlastung zu diesem Spruchpunkt ("Weiters wurde anlässlich der Erhebungen auf Grund dieses Arbeitsunfalles - vom 26. März 1999 - festgestellt, dass der Holzstock weder aufgehängt noch unterstellt oder sonst wie aufgefangen worden war ...") ergibt sich zunächst, dass dem Beschwerdeführer damit eine Übertretung des § 112 Abs. 2 (und nicht - allenfalls auch - des Abs. 1) der BauV vorgeworfen wurde.
In der Begründung des angefochtenen Bescheides finden sich (nach der Zitierung der Bestimmungen des § 112 Abs. 1 und 2 BauV) - soweit wesentlich - folgende Ausführungen:
"Im Anlassfall ist zunächst davon auszugehen, dass es sich bei einem Fenstersturz jedenfalls um einen tragenden Bauteil im Sinne dieser Bestimmung handelt. Weiters gilt als erwiesen, dass dieser Sturz nicht durch Abfangen, Pölzen oder Aufhängen gesichert war und daher herabstürzen konnte, nachdem der Arbeitnehmer V. zuvor die Auflager durch Herausbrechen des Mauerwerks gelockert und den hölzernen Rahmen durchgeschnitten hatte. Dem Einwand des Berufungswerbers, dass ein Sichern des Sturzes im gegenständlichen Fall technisch nicht möglich war, ist entgegenzuhalten, dass man den Sturz auch an den Trägern, mit welchen die Decke unterstellt war, hätte aufhängen können."
Daraus ist der Schluss zu ziehen, dass die belangte Behörde dem Beschwerdeführer vorgeworfen hat, der "Fenstersturz" sei nicht entsprechend der Vorschrift des § 112 Abs. 2 BauV gesichert gewesen. Damit setzt sich die belangte Behörde aber in Widerspruch zu dem von ihr (nach Ergänzung hinsichtlich des Tattages) von der Erstbehörde übernommenen Schuldspruch, wo davon die Rede ist, dass der "Holzstock" weder aufgehängt noch unterstellt oder sonst wie abgefangen gewesen sei. Dass es sich hiebei um zwei verschiedene Bauelemente gehandelt hat, ergibt sich insbesondere auch aus der Aussage des eingeschrittenen Beamten des Arbeitsinspektorates anlässlich der von der belangten Behörde durchgeführten mündlichen Verhandlung als Zeuge, der in diesem Zusammenhang auch auf seine Anzeige vom 31. März 1999 verwies. Aus dieser lässt sich klar entnehmen, dass es sich bei diesem Fenstersturz um einen "gemauerten" und nicht etwa um einen aus Holz - gehandelt habe, welcher vor dem Abstürzen teilweise nur noch auf dem "Holzstock" aufgelegen sei (vgl. in diesem Zusammenhang zum Unterschied zwischen "Fenstersturz" und "Fensterstock" auch Koepf, Bildwörterbuch der Architektur,
2. Auflage, S. 146, sowie Frommhold/Gareiss, Bauwörterbuch, Begriffsbestimmungen aus dem Bauwesen, 2. Auflage, S. 99).
Daraus erhellt, dass sich die belangte Behörde mit ihren Ausführungen in der Begründung des angefochtenen Bescheides in Widerspruch zu dessen Spruch gesetzt hat. Dies belastet den angefochtenen Bescheid insoweit mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 20. Februar 1991, Zl. 90/02/0152), sodass dieser Spruchpunkt gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG - ohne dass in das Beschwerdevorbringen näher eingegangen werden musste - aufzuheben war.
III. Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 50 VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 19. Oktober 2004
Schlagworte
Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2002020065.X00Im RIS seit
18.11.2004