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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §45 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Bernegger und Dr. Berger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des J S in T, Deutschland, vertreten durch Dr. Brigitte Weirather, Rechtsanwältin in 6020 Innsbruck, Andreas-Hofer-Straße 34/II, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 6. Februar 2003, Zl. uvs- 2003/13/023-1, betreffend Zurückweisung einer Berufung i.A. des Güterbeförderungsgesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 11. November 2002 wurde der Beschwerdeführer einer Übertretung des § 23 Abs. 1 Z. 6 i.V.m. § 9 Abs. 3 Güterbeförderungsgesetz 1995, BGBl. Nr. 593 i.d.F. BGBl. I Nr. 106/2001 (GüterbefG), für schuldig erkannt. Hiefür wurde über ihn gemäß § 23 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 GütbefG eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 1.450,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 5 Tage) verhängt.
Der zur Zustellung dieses Bescheides verwendete internationale Rückschein war an den Beschwerdeführer unter der Adresse seines Unternehmens in T. in Deutschland gerichtet. Dieser im Akt einliegende Zustellschein wurde am 14. November 2002 unterschrieben. Die Unterschrift ist nicht leserlich.
Gegen diesen Bescheid richtete sich die per Fax am 9. Dezember 2002 an die erstinstanzliche Behörde übersendete Berufung des Beschwerdeführers.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde diese Berufung, ohne dem Beschwerdeführer die von ihr wahrgenommene Verspätung vorzuhalten, zurück. Begründend führte sie aus, gemäß § 63 Abs. 5 AVG, welcher nach § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren Geltung habe, betrage die Berufungsfrist zwei Wochen, gerechnet ab dem Tag der Zustellung. Zur Wahrung der Frist müsse die Berufung vor Ablauf der Frist zur Post gegeben oder via Telefax übermittelt werden. Aus dem im Akt einliegenden Rückschein ergäbe sich, dass das Straferkenntnis dem Beschwerdeführer am 14. November 2002 zugestellt worden sei. Die zweiwöchige Rechtsmittelfrist sei am 28. November 2002 abgelaufen, weshalb die Berufung als verspätet zurückzuweisen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer macht geltend, er hätte, hätte er zum Vorwurf der Verspätung Stellung nehmen können, nachgewiesen, dass er die Strafverfügung (gemeint: das Straferkenntnis) nicht am 14. November 2002, sondern am 29. November 2002 entgegengenommen habe, weshalb die Einbringung der Berufung rechtzeitig erfolgt sei. Ein Vergleich mit der von ihm stammenden Unterschrift auf dem im Akt auch befindlichen Rückschein vom 11. Juli 2002 zeige, dass die Unterschrift vom 14. November 2002 auf dem von der belangten Behörde herangezogenen internationalen Rückschein nicht vom Beschwerdeführer stamme. Es habe eine Bürokraft seines Unternehmens unterschrieben, obwohl es sich um einen Strafbescheid an den Beschwerdeführer persönlich gehandelt habe, sodass die Zustellung persönlich hätte erfolgen müssen. Erst am 29. November 2002 sei ihm der Bescheid persönlich übergeben worden.
Dieses Vorbringen ist zielführend.
Gemäß § 11 Abs. 1 ZustellG sind Zustellungen im Ausland nach den bestehenden internationalen Vereinbarungen oder allenfalls auf dem Weg, den die Gesetze oder sonstigen Rechtsvorschriften des Staates, in dem zugestellt werden soll, oder die internationale Übung zulassen, erforderlichenfalls unter Mitwirkung der österreichischen Vertretungsbehörden, vorzunehmen.
Gemäß Art. 3 des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen, BGBl. 1990/526, wird Amts- und Rechtshilfe nach dem Recht des ersuchten Staates geleistet. Die Vornahme von Zustellungen ist in Art. 10 des genannten Vertrages geregelt. Gemäß dessen Art. 10 Abs. 1 werden Schriftstücke im Verfahren nach Art. 1 Abs. 1 unmittelbar durch die Post nach den für den Postverkehr zwischen den Vertragsstaaten geltenden Vorschriften übermittelt. Wird ein Zustellnachweis benötigt, ist das Schriftstück als eingeschriebener Brief mit den besonderen Versendungsformen "Eigenhändig" und "Rückschein" zu versenden.
Die Berufungsbehörde ist nach der hg. Judikatur verpflichtet, dem Berufungswerber die offenkundige Verspätung seines Rechtsmittels vorzuhalten. Sie hat das Risiko einer Bescheidaufhebung dann zu tragen, wenn sie von der Feststellung der Versäumung der Rechtsmittelfrist ausgeht, diese Feststellung dem Rechtsmittelwerber jedoch vor ihrer Entscheidung nicht vorgehalten hat (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 19. September 1996, Zl. 95/19/0305). Ein solcher Vorhalt gegenüber dem Beschwerdeführer hat im vorliegenden Fall nicht stattgefunden.
Mit dem wiedergegebenen Vorbringen legt der Beschwerdeführer auch die Relevanz des aufgezeigten Verfahrensmangels schon im Hinblick darauf dar, als nach Art. 10 Abs. 1 des zitierten Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland die Zustellung im gegenständlichen Fall, in dem die Zustellung durch die Post möglich war und ein Zustellnachweis über die erfolgte Zustellung benötigt wurde, jedenfalls "eigenhändig" zu erfolgen hatte, weshalb eine Ersatzzustellung nicht zulässig war (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. September 2004, Zl. 2002/03/0152). Die auf dem internationalen Rückschein (mit dem Aufgabedatum vom 11. November 2002), mit dem das erstinstanzliche Straferkenntnis zugestellt werden sollte), aufscheinende Unterschrift ist nicht leserlich und soll nach den Angaben des Beschwerdeführers von einer Bürokraft seines Unternehmens vorgenommen worden sein. Ohne weitere Ermittlungen der belangten Behörde kann die Frage, ob der maßgebliche Rückschein vom Beschwerdeführer unterschrieben und somit dem Gebot der eigenhändigen Zustellung entsprochen worden war, nicht beantwortet werden.
Der angefochtene Bescheid war daher, da der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung bedarf, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 19. Oktober 2004
Schlagworte
Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG) Parteiengehör Erhebungen ErmittlungsverfahrenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2003030047.X00Im RIS seit
24.11.2004