TE Vwgh Erkenntnis 2004/10/19 2003/03/0088

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Veröffentlicht am 19.10.2004
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;
50/03 Personenbeförderung Güterbeförderung;

Norm

B-VG Art10 Abs1 Z8;
GewO 1859 KP Art5;
GewO 1994 §333;
GewO 1994 §370;
GewO 1994 §381 Abs1;
GewO 1994 §39 Abs1;
GewO 1994 §39;
GütbefG 1995 §20;
GütbefG 1995 §21;
GütbefG 1995 §23 Abs1 Z6;
GütbefG 1995 §23 Abs3 idF 2001/I/106;
GütbefG 1995 §27;
GütbefG 1995 §9 Abs3 idF 2001/I/106;
GütbefG 1995 idF 2001/I/106;
VStG §44a Z1;
VStG §44a Z2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Riedinger, Dr. Handstanger und Dr. Berger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des W V in F, Deutschland, vertreten durch Mag. Alois Pirkner, Rechtsanwalt in 5580 Tamsweg, Kuenburgstraße 349, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Salzburg vom 4. März 2003, Zl. UVS-5/11300/12-2003, betreffend Übertretung des Güterbeförderungsgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er sei als gewerberechtlicher Geschäftsführer der WV Spedition und Kfz GmbH in F. in Deutschland dafür verantwortlich, dass die näher genannte Fahrt durch Österreich am 17. Jänner 2002 um 15.30 Uhr durchgeführt worden sei, für die gemäß der Verordnung (EG) Nr. 3298/94, zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 2012/2000, Ökopunkte zu entrichten wären, ohne dass der Fahrer ausreichend darüber belehrt worden sei, welche Maßnahmen er zur Einhaltung der Ökopunkteverordnung zu treffen habe. Insbesondere habe der Fahrer den Umweltdatenträger des Fahrzeuges nicht fahrspezifisch zu bedienen gewusst. Von Unternehmerseite sei nicht dafür gesorgt worden, dass dem Fahrer klar gewesen sei, er habe bei einer Transitfahrt auf das Leuchten der roten Kontrollleuchte zu achten und die Ein- bzw. Umstellung des Gerätes auf grünes Licht nur bei ökopunktebefreiten Fahrten zu erfolgen brauche. Er habe dadurch "§ 23 Abs. 1 Z. 6 in Verbindung mit § 9 Abs. 3 Güterbeförderungsgesetz 1995 idgF (GütbefG)" verletzt. Über den Beschwerdeführer wurde gemäß "§ 23 Abs. 1 Einleitungssatz in Verbindung mit Abs. 4 Güterbeförderungsgesetz sowie § 370 Abs. 2 Gewerbeordnung" eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 1.453,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 60 Stunden) verhängt.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 3 Güterbeförderungsgesetz, BGBl. I Nr. 593/1995 i.d.F. BGBl. I Nr. 106/2001, hat jeder Unternehmer, der veranlasst, dass eine Fahrt durch Österreich durchgeführt wird, für die gemäß der Verordnung (EG) Nr. 3298/94, zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 2012/2000, (Ökopunkteverordnung) Ökopunkte zu entrichten sind, dem Fahrer vor Antritt der Fahrt die entsprechende Anzahl von Ökopunkten zu übergeben. Wird ein Umweltdatenträger benützt, hat sich der Unternehmer davon zu überzeugen, dass ausreichend Ökopunkte zur Verfügung stehen und dass der Umweltdatenträger einwandfrei funktioniert. Er hat weiters den Fahrer darüber zu belehren, welche Maßnahmen dieser zur Einhaltung der Ökopunkteverordnung zu treffen hat.

Gemäß § 23 Abs. 1 Z. 6 GütbefG in der Fassung BGBl. I Nr. 106/2001 und BGBl. I Nr. 32/2002 begeht, abgesehen von gemäß dem V. Hauptstück der Gewerbeordnung 1994 zu ahndenden Verwaltungsübertretungen eine Verwaltungsübertretung, die mit einer Geldstrafe bis zu EUR 7.267,-- zu ahnden ist, wer

"6. § 9 Abs. 3 zuwiderhandelt."

Gemäß § 23 Abs. 3 GütbefG i.d.F. BGBl. I Nr. 106/2001 ist ein Unternehmer nach Abs. 1 Z. 3 oder Z. 6 auch dann strafbar, wenn er die in §§ 7 bis 9 genannten Verpflichtungen im Ausland verletzt.

Gemäß § 23 Abs. 4 GütbefG in der Fassung BGBl. I Nr. 32/2002 hat die Geldstrafe bei Verwaltungsübertretungen gemäß Abs. 1 Z. 3, Z. 6 und Z. 8 bis 10 mindestens EUR 1.453,-- zu betragen.

Der Beschwerdeführer macht geltend, dass es eine inhaltliche Rechtswidrigkeit darstelle, wenn der von der belangten Behörde bestätigte erstinstanzliche Spruch als verletzte Verwaltungsvorschrift auch § 370 Abs. 2 Gewerbeordnung anführe, obwohl der vorliegende Sachverhalt ausschließlich nach den Bestimmungen des GütbefG i.V.m. § 9 VStG zu beurteilen sei. Der Beschwerdeführer sei dadurch in seinem Recht auf richtige und vollständige Zitierung der verletzten Verwaltungsvorschrift im Spruch verletzt.

Diesem Vorbringen kommt im Ergebnis schon deshalb Berechtigung zu, weil die belangte Behörde, in dem sie sich im Spruch ausdrücklich auf § 370 Abs. 2 GewO 1994 stützt, den Beschwerdeführer für eine Übertretung nach dem GütbefG im Rahmen des Betriebes einer deutschen GmbH als gewerberechtlichen Geschäftsführer im Sinne der österreichischen GewO 1994 zur Verantwortung gezogen hat. Dies stellt bereits für sich eine Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides dar.

Abgesehen davon könnte aber auch sonst der gewerberechtliche Geschäftsführer nach den §§ 39 und 370 GewO 1994 für die Einhaltung des GütbefG nicht rechtens zur Verantwortung gezogen werden.

Gemäß § 9 Abs. 1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen, Personengesellschaften des Handelsrechts oder eingetragene Erwerbsgesellschaften, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs. 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

Gemäß § 39 Abs. 1 GewO 1994 kann der Gewerbeinhaber für die Ausübung seines Gewerbes einen Geschäftsführer bestellen, der dem Gewerbeinhaber gegenüber für die fachlich einwandfreie Ausübung des Gewerbes und der Behörde (§ 333) gegenüber für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften verantwortlich ist.

Gemäß § 39 Abs. 5 erster Satz GewO 1994 ist der Gewerbeinhaber von seiner Verantwortung für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften im Rahmen des § 370 nur befreit, wenn er die Bestellung eines dem Abs. 2 entsprechenden Geschäftsführers gemäß Abs. 4 angezeigt hat.

Gemäß § 39 Abs. 4 erster Satz GewO 1994 hat der Gewerbeinhaber die Bestellung und das Ausscheiden des Geschäftsführers der Bezirksverwaltungsbehörde anzuzeigen.

Gemäß § 370 Abs. 2 GewO 1994 sind Geldstrafen gegen den Geschäftsführer zu verhängen, wenn die Bestellung eines Geschäftsführers angezeigt oder genehmigt wurde.

Gemäß § 333 GewO 1994 ist Behörde im Sinne dieses Bundesgesetzes und zwar Behörde erster Instanz, soweit nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, die Bezirksverwaltungsbehörde.

Die folgenden §§ 334 und 335 GewO 1994 regeln Zuständigkeiten des Landeshauptmannes und des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit im Rahmen der Vollziehung der GewO 1994.

Gemäß § 381 Abs. 1 GewO 1994 ist der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit für die Vollziehung der §§ 39 und 370 GewO 1994 zuständig.

Die Regelungen über die strafrechtliche Verantwortlichkeit des gewerberechtlichen Geschäftsführers (§§ 39, 370 GewO) beziehen sich auf die Einhaltung von Verpflichtungen, die sich aus gewerberechtlichen Vorschriften für die Gewerbeausübung ergeben. Der Ausdruck "gewerberechtliche Vorschriften" in § 39 Abs. 1 GewO 1994 wurde dahin ausgelegt, dass davon alle Regelungen erfasst sind, die in den Kompetenztatbestand "Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie" (Art. 10 Abs. 1 Z. 8 B-VG) fallen (vgl. dazu u.a. das hg. Erkenntnis vom 18. März 2004, Zl. 2001/03/0440). Dieser Kompetenztatbestand erfasst nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (vgl. die Erkenntnisse vom 19. November 1932, VfSlg. Nr. 1477, und vom 26. März 1953, VfSlg. Nr. 2500) nicht die Gesamtheit der zu Erwerbszwecken ausgeübten Tätigkeiten, sondern ist in jenem engeren Sinne zu verstehen, in dem er sich im Bereich des österreichischen Gewerberechtes entwickelt hat und im Zeitpunkt des Wirksamkeitsbeginnes der Kompetenzverteilung (am 1. Oktober 1925) wirksam war (vgl. u.a. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 15. März 1986, VfSlg. Nr. 10.831). Betätigungen, die zur Zeit des Wirksamkeitsbeginnes der Kompetenzbestimmungen des B-VG in der österreichischen Gesetzgebung nicht als Gewerbe behandelt wurden, fallen auch hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Kompetenz nicht unter Art. 10 Abs. 1 Z. 8 B-VG. Die gewerbsmäßige Güterbeförderung wurde im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Kompetenztatbestandes des Art. 10 Abs. 1 Z. 8 B-VG (am 1. Oktober 1925) dem Gewerberecht zugerechnet. Diese selbständige Tätigkeit war in dem genannten Zeitpunkt weder nach Art. V des maßgeblichen Kundmachungspatentes der Gewerbeordnung 1859, RGBl. Nr. 227, von der Gewerbeordnung ausgenommen, noch ist diese Tätigkeit von einem anderen Kompetenztatbestand in Art. 10 bis 15 B-VG erfasst (vgl. auch RV 668 BlgNR XXI. GP, S 11, zur Novelle des GütbefG BGBl. I Nr. 106/2001, und Benes, Das Personen- und Güterbeförderungsrecht im Straßenverkehr, 1967, S. 200, FN 1 zu § 1). Die Regelungen des GütbefG fallen somit in diesem Sinne unter den Kompetenztatbestand "Angelegenheiten des Gewerbes".

§ 39 Abs. 1 GewO 1994 sieht aber darüber hinaus vor, dass der gewerberechtliche Geschäftsführer u.a. "der Behörde (§ 333)" gegenüber für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften verantwortlich ist. Damit verweist der Gesetzgeber in der GewO 1994 dezidiert auf die Gewerbebehörde im Sinne der § 333 GewO 1994, der gegenüber der gewerberechtliche Geschäftsführer verantwortlich sein soll. Dieser Bezug auf die Behörde gemäß § 333 GewO 1994 muss im systematischen Zusammenhang als Verweis auf alle in den §§ 333 ff GewO 1994 genannten Behörden, insbesondere den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit, verstanden werden, der gemäß § 381 Abs. 1 GewO 1994 für die Vollziehung u.a. der §§ 39 und 370 GewO 1994 zuständig ist. Daraus ergibt sich aber, dass der Ausdruck "gewerberechtliche Vorschriften" in § 39 Abs. 1 GewO 1994 weiters eingeschränkt in dem Sinne zu interpretieren ist, dass nur die Regelungen der GewO 1994, die in die Vollziehung der Gewerbebehörden gemäß §§ 333 ff GewO 1994 fallen, darunter zu subsumieren sind. Für die Vollziehung des Güterbeförderungsgesetzes (insbesondere auch für die Vollziehung von unmittelbar anwendbaren Vorschriften der Europäischen Union über den Güterverkehr auf der Straße) sind aber nicht die Gewerbebehörden im Sinne der §§ 333 GewO 1994 zuständig, sondern die in §§ 20 und 21 GütbefG genannten Behörden als Verkehrsbehörden, die im Zuständigkeits- und Vollziehungsbereich des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie tätig werden (vgl. auch § 27 GütbefG). Aus § 39 Abs. 1 GewO 1994 kann somit keine Verantwortlichkeit des gewerberechtlichen Geschäftsführers für die Einhaltung von Bestimmungen des GütbefG abgeleitet werden.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 19. Oktober 2004

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Besondere Rechtsgebiete Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Verantwortlichkeit (VStG §9) Verwaltungsvorschrift Mängel im Spruch falsche Subsumtion der Tat

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2003030088.X00

Im RIS seit

18.11.2004

Zuletzt aktualisiert am

07.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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