TE Vwgh Erkenntnis 2004/10/20 2003/08/0248

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.10.2004
beobachten
merken

Index

62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §10 Abs1;
AlVG 1977 §9 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Köller und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der E in W, vertreten durch Burgemeister & Alberer, Rechtsanwalts-Partnerschaft (OEG) in 3400 Klosterneuburg, Kierlinger Straße 12, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 21. Oktober 2003, Zl. LGSW/Abt. 10- AlV/1218/56/2003-1245, betreffend Verlust des Anspruches auf Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde festgestellt, dass die Beschwerdeführerin den Anspruch auf Arbeitslosengeld gemäß § 10 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG) für die Zeit vom 6. Mai 2003 bis 16. Juni 2003 verloren hat. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführerin am 8. April 2003 von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice eine Beschäftigung als Blumenbinderin mit Arbeitsbeginn am 16. Mai 2003 angeboten worden sei. Ein Dienstverhältnis bei diesem Dienstgeber sei jedoch nicht zu Stande gekommen, da der Beschwerdeführerin die angebotene Entlohnung "von brutto EUR 850,-- bis brutto EUR 1.120,-

-" zu wenig gewesen sei.

In einer Niederschrift vom 19. Mai 2003 habe die Beschwerdeführerin angeführt, dass sie eine Entlohnung von EUR 1.400,-- netto verlangt habe. Die Lohnforderung sei vom potenziellen Dienstgeber als unverschämt bezeichnet worden, da ein gelernter Florist nicht so viel bekomme. Der Beschwerdeführerin sei klar gewesen, dass die Firma das nicht zahlen würde, jedoch sei ihr gesagt worden, "dass man noch mit dem Chef der Firma darüber sprechen würde", ein versprochener Rückruf wäre jedoch nicht erfolgt.

In der Berufung gegen den Bescheid der Erstbehörde habe die Beschwerdeführerin ausgeführt, dass sie auf dem Fragebogen die Frage nach dem bisherigen Verdienst mit brutto EUR 1.350,-- und die Frage nach dem zukünftigen Verdienst bei der Firma B. mit brutto EUR 1.400,-- angegeben habe, weil zu ihrem Verdienst bei der vorigen Firma noch die Benützung eines Handys dazugekommen sei. Nachdem die Mitarbeiterin der Firma B. den ausgefüllten Fragebogen durchgesehen habe, sei sie sofort über die Höhe des von der Beschwerdeführerin erwarteten Verdienstes aufgebracht gewesen, da solche Beträge ihrer Meinung nicht einmal ausgelernte Floristen erhielten. Sie habe dann aber gemeint, dass sie das nicht selbst entscheiden könne und sie die Beschwerdeführerin anrufen werde, sobald sie mit ihrem Chef gesprochen habe. Ein Rückruf sei jedoch nicht erfolgt.

In einer im Zuge des Berufungsverfahrens aufgenommenen Niederschrift habe die Beschwerdeführerin erklärt, dass sie zwar "netto EUR 1.400,-- verlangt" habe, jedoch auch für weniger Geld gearbeitet hätte. Es sei ihr vom potenziellen Dienstgeber der Kollektivvertragslohn zwischen brutto EUR 850,-- und brutto EUR 1.120,-- angeboten worden.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, dass ein Tatbestand nach § 10 AlVG auch dann verwirklicht werde, wenn der Arbeitslose die Annahme einer von der regionalen Geschäftsstelle zugewiesenen zumutbaren Beschäftigung vereitle. Eine Beschäftigung sei zumutbar, wenn sie (unter anderem) angemessen entlohnt sei; eine Entlohnung sei angemessen, wenn sie dem nach dem Kollektivvertrag gebührenden Entgelt entspreche. Der Monatslohn für Blumenbinderinnen betrage zwischen brutto EUR 871,20 im ersten Gehilfenjahr und brutto EUR 1.163,90 ab dem vierten Gehilfenjahr mit Diplom. Die Beschäftigung bei der Firma B. wäre somit kollektivvertraglich entlohnt gewesen. Die belangte Behörde sei zur Ansicht gekommen, dass die Beschwerdeführerin durch ihre überhöhten Lohnforderungen die Annahme einer zumutbaren Beschäftigung gemäß § 10 Abs. 1 AlVG vereitelt habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde mit dem Antrag auf kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 58 Abs. 2 AVG sind Bescheide zu begründen, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen oder über Einwendungen oder Anträge von Beteiligten abgesprochen wird. Nach § 60 AVG sind in der Begründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen.

Gemäß § 10 Abs. 1 AlVG verliert der Arbeitslose, wenn er sich weigert, eine ihm von der regionalen Geschäftsstelle zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt für die Dauer der Weigerung, jedenfalls aber für die Dauer der auf die Weigerung folgenden sechs Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld.

Ob die Verhandlungsführung des Arbeitslosen im Vorstellungsgespräch im Hinblick auf die Gehaltsfrage als Vereitelung des Zustandekommens der Beschäftigung zu werten ist, kann nur auf der Grundlage präziser Feststellungen über den diesbezüglichen Verlauf des Vorstellungsgespräches erfolgen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 18. Oktober 2000, Zl. 98/08/0392 mwH).

Der angefochtene Bescheid enthält keine nachvollziehbaren Feststellungen über den konkreten Verlauf des Vorstellungsgespräches, sondern stellt lediglich fest, dass das Dienstverhältnis bei der Firma B. nicht zu Stande kam, da der Beschwerdeführerin die angebotene Entlohnung zu wenig gewesen sei. Worauf sich diese Feststellungen konkret stützen, lässt sich aus dem angefochtenen Bescheid nicht nachvollziehen, zumal darin ohne nähere Beweiswürdigung die im Verfahren vor der Erstbehörde sowie im Berufungsverfahren aufgenommenen Niederschriften und das Berufungsvorbringen der Beschwerdeführerin referiert werden, jedoch keine Erwägungen im Hinblick auf die Beweiswürdigung enthalten sind. So wird unter anderem auch das Vorbringen der Beschwerdeführerin wieder gegeben, wonach sie auf dem Fragebogen ihren bisherigen Verdienst mit brutto EUR 1.350,-- und den gewünschten Verdienst mit brutto EUR 1.400,-- angegeben habe, auf weiteres Berufungsvorbringen, wie insbesondere, dass eine Entscheidung über das Gehalt von der Mitarbeiterin der Firma B., welche das Einstellungsgespräch führte, nicht getroffen werden konnte, wird jedoch nicht eingegangen, ebenso wenig auf das Vorbringen der Beschwerdeführerin in der Niederschrift, wonach sie "auch für weniger Geld gearbeitet hätte". Soweit die Feststellungen im angefochtenen Bescheid, wonach das Dienstverhältnis nicht zu Stande gekommen sei, da der Beschwerdeführerin die angebotene Entlohnung zu wenig gewesen sei, auf Mitteilungen von Mitarbeitern der Firma B. beruhen, ist auch darauf zu verweisen, dass die im Verwaltungsakt einliegenden Aktenvermerke vom 2. September 2003 (Landesgeschäftsstelle) bzw. vom 6. Mai 2003 (Regionale Geschäftsstelle) auf Telefongespräche mit Frau G. Bezug nehmen, während die Beschwerdeführerin in ihrer Berufung ausführlich das mit Frau E. geführte Einstellungsgespräch darlegt.

Schließlich ist festzuhalten, dass auch die offenkundigen Widersprüche betreffend die geforderte bzw. angebotene Entlohnung nicht in nachvollziehbarer Weise aufgelöst werden: so wurde laut Aktenvermerk vom 6. Mai 2003 seitens der Firma B. ein Lohn von EUR 1.400,-- netto angeboten; die Beschwerdeführerin bringt in ihrer Berufung vor, einen Lohn von EUR 1.400,-- brutto gefordert zu haben, während sie in der Niederschrift wiederum angibt, einen Lohn von EUR 1.400,-- netto angestrebt zu haben.

Da sich der angefochtene Bescheid somit als unzureichend begründet erweist, war er gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Im Hinblick darauf, dass die Rechtsfrage durch die bisherige Rechtsprechung beantwortet ist, konnte die Entscheidung in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat getroffen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333. Das die Umsatzsteuer betreffende Mehrbegehren der mitbeteiligten Partei war abzuweisen, weil die Umsatzsteuer im zuerkannten Pauschalbetrag für Schriftsatzaufwand in der Höhe von EUR 991,20 bereits enthalten ist.

Wien, am 20. Oktober 2004

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2003080248.X00

Im RIS seit

25.11.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten