TE Vfgh Erkenntnis 2001/2/27 V89/99

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Veröffentlicht am 27.02.2001
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Index

L4 Innere Verwaltung
L4000 Anstandsverletzung, Ehrenkränkung, Lärmerregung, Polizeistrafen

Norm

B-VG Art18 Abs2
Oö PolStG §3 Abs2
Oö PolStG §4 Abs1 litc
Verordnung der Gd St Johann/Wimberg vom 04.03.99 betr Beschränkungen zum Schutz vor ungebührlicherweise störendem Lärm durch Modellflugkörper

Leitsatz

Keine Gesetzwidrigkeit einer Gemeindeverordnung betreffend Beschränkungen für Verwendung oder Betrieb von Modellflugkörpern zum Schutz vor störendem Lärm

Spruch

Der Antrag wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich (im folgenden: UVS) ist eine Berufung gegen ein Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach wegen Übertretung der Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde St. Johann/Wimberg vom 4.3.1999 betreffend Beschränkungen zum Schutz vor ungebührlicherweise störendem Lärm durch Modellflugkörper anhängig. Mit dem bekämpften Straferkenntnis wurde über den Berufungswerber eine Geldstrafe verhängt, da er entgegen der genannten Verordnung an einem Samstag einen mit einem Benzinmotor angetriebenen Modellflugkörper betrieben hatte.

2. Aus Anlaß dieses Berufungsverfahrens stellte der UVS gemäß Art129a Abs3 iVm. Art89 Abs2 und Art139 Abs1 B-VG an den Verfassungsgerichtshof den Antrag auf Aufhebung der genannten Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde St. Johann/Wimberg als gesetzwidrig.

3.1. Diese - auf §4 Abs1 litc des O.ö. Polizeistrafgesetzes gestützte - Verordnung, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel in der Zeit von 11. bis 26. März 1999, hat folgenden Wortlaut:

"§1

Zur Abwehr von das örtliche Gemeinschaftsleben ungebührlicherweise störendem Lärm werden für Modellflugkörper, soweit nicht ohnehin eine Bewilligung nach dem Luftfahrtgesetz, BGBl. Nr. 253/1957 i.d.g.F., erforderlich ist, zeitliche und örtliche Beschränkungen für die Verwendung oder den Betrieb von Modellflugkörpern festgelegt.

Der Betrieb von Modellflugkörpern ist von Montag bis Freitag von 00:00 Uhr bis 14:00 Uhr und von 17:00 Uhr bis 24:00 Uhr und an Sams-, Sonn-, und gesetzlichen Feiertagen von 00:00 Uhr bis 24:00 Uhr verboten.

Die örtliche Flugbeschränkung erstreckt sich auf die im beiliegenden Plan farblich ersichtlichen Grundflächen.

§2

Wer Beschränkungen gemäß §1 zuwiderhandelt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe bis zu S 5.000,-- zu bestrafen.

§3

Diese Verordnung wird gemäß §94 Abs2 O.ö. Gemeindeordnung 1990, durch zwei Wochen kundgemacht und wird mit dem auf den Tag der Kundmachungsfrist folgenden Tag rechtswirksam."

3.2. Die §§3, 4 und 10 des O.ö. Polizeistrafgesetzes, LGBl. Nr. 36/1979, idF LGBl. Nr. 94/1985, lauten auszugsweise:

"§3

Schutz vor störendem Lärm

(1) Wer ungebührlicherweise störenden Lärm erregt, begeht, außer in den Fällen einer sonst mit Verwaltungsstrafe oder einer mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlung, eine Verwaltungsübertretung.

(2) Unter störendem Lärm sind alle wegen ihrer Dauer, Lautstärke oder Schallfrequenz für das menschliche Empfinden unangenehm in Erscheinung tretenden Geräusche zu verstehen.

...

§4

Verordnungsermächtigung

(1) Zur Abwehr von das örtliche Gemeinschaftsleben ungebührlicherweise störendem Lärm im Sinne des §3 kann die Gemeinde durch Verordnung zeitliche und örtliche Beschränkungen für die Verwendung oder den Betrieb von

...

c) Modellflugkörpern, Modellbooten oder sonstigen Modellfahrzeugen

festlegen.

...

§10

Strafbestimmungen

...

(2) Verstöße gegen die auf Grund des §4 erlassenen Verordnungen und Verwaltungsübertretungen gemäß den §§5 und 6 sind von der Bezirkshauptmannschaft, in den Städten mit eigenem Statut vom Bürgermeister, bei Übertretungen nach

a) §4 mit Geldstrafe bis S 5.000,-,

...

zu bestrafen."

4. Im Hinblick darauf, daß mit der angefochtenen Verordnung ungebührlicherweise störendem Lärm entgegengewirkt werden soll, hegt der UVS Oberösterreich Bedenken gegen die generelle, nicht nach der Lärmbelastung differenzierende Einschränkung der Verwendung bzw. des Betriebs von Modellflugkörpern. Es sei zwar zutreffend, daß etwa Modellflugzeuge mit Verbrennungsmotoren eine entsprechend störende Lärmquelle darstellen, andererseits gebe es aber auch Modellflugkörper, die keinen oder nur geringen Lärm erzeugen. Die undifferenzierte Einschränkung der Verwendung bzw. des Betriebes von Modellflugkörpern sei daher sachlich nicht gerechtfertigt, was zur Gesetzwidrigkeit der angefochtenen Verordnung führe.

5. Der Bürgermeister der Gemeinde St. Johann/Wimberg und die oberösterreichische Landesregierung legten die bezughabenden Verwaltungsakten vor. Die oberösterreichische Landesregierung erstatte eine Gegenschrift, in der sie den Bedenken des UVS mit näherer Begründung entgegentritt und die Abweisung des Antrags begehrt. Der Bürgermeister der Gemeinde St. Johann/Wimberg wies in einem Schreiben an den Verfassungsgerichtshof darauf hin, daß auch Modellflugkörper mit Elektromotoren Lärm verursachten, daß scheinbar lärmarme Modellflugkörper mit einem lärmverursachenden Modellflugzeug "aufgezogen" werden müßten, sowie daß es bereits zu einem Absturz eines Modellflugkörpers gekommen sei.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der Verfassungsgerichtshof erkennt gemäß Art139 Abs1 B-VG über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auf Antrag eines Unabhängigen Verwaltungssenates, sofern der Unabhängige Verwaltungssenat gemäß Art129a Abs3 B-VG iVm. Art89 Abs2 B-VG aus dem Grund der Gesetzwidrigkeit Bedenken gegen die Anwendung der Verordnung hat. Da der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich bei seiner Entscheidung über die bei ihm anhängige Berufung die oben wiedergegebene Verordnung anzuwenden hat und auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist der Antrag zulässig.

2. Die vom UVS in seinem Antrag geäußerten Bedenken - an die der Verfassungsgerichtshof gebunden ist - gegen die Gesetzmäßigkeit der angefochtenen Verordnung sind nicht berechtigt.

2.1. Der UVS geht in seinem Antragsvorbringen davon aus, daß lediglich Modellflugkörper mit Verbrennungsmotoren einen für das menschliche Ohr besonders unangenehmen und belästigenden Lärm erzeugen. Aus einer von der O.ö. Landesregierung eingeholten Stellungnahme der Unterabteilung Lärm- und Strahlenschutz des Amtes der O.ö. Landesregierung ergibt sich jedoch, daß elektromotorbetriebene Modellflugkörper in größerer Entfernung zwar einen niedrigeren Lautstärkepegel erreichen als mit Verbrennungsmotoren betriebene Modellflugzeuge; daß ihr Geräuschspektrum aber einen wesentlich höheren Frequenzinhalt besitzt als jenes der Modellflugzeuge mit Verbrennungsmotoren.

In der Stellungnahme wird ausgeführt, daß in der Lärmwirkungsforschung Geräusche mit höheren Frequenzen auch bei niedrigeren Schalldruckpegeln als wesentlich lästiger beurteilt werden als Geräusche mit vorwiegend tiefen Frequenzanteilen. Das subjektive Störempfinden für Frequenzen könne daher nicht allein mit den physikalischen Meßwerten von Schalldruckpegeln beurteilt werden. Ungebührlicherweise störender Lärm durch elektromotorbetriebene Modellflugzeuge könne jedenfalls auch in größeren Entfernungen auftreten. Es sei daher unrichtig, daß lediglich mit Verbrennungsmotoren ausgestattete Modellflugkörper einen für das menschliche Ohr besonders unangenehmen und belästigenden Lärm erzeugen.

Hinsichtlich der Segelflieger bringt die O.ö. Landesregierung in ihrer Gegenschrift vor, daß diese entweder mit einem Modellflugzeug mit Verbrennungsmotor oder aber mit einer Seilwinde mit Verbrennungsmotor in die Luft geschleppt werden, wodurch in beiden Fällen ein ungebührlicherweise störender Lärm verursacht werde. Motorsegler schließlich werden mit einem Verbrennungs- bzw. Elektromotor betrieben und in eine bestimmte Höhe gebracht; erst dort wird der Motor ausgeschaltet und erfolgt die Steuerung über Funk.

2.2. Der Verfassungsgerichtshof kann dem Verordnungsgeber nicht entgegentreten, wenn er bei gegebener Sachlage zu der Auffassung gelangt ist, daß auch andere als mit Verbrennungsmotoren betriebene Modellflugkörper geeignet sind, ungebührlicherweise störenden Lärm zu erregen, zumal auch §3 Abs2 des O.ö. Polizeistrafgesetzes ausdrücklich auf die Dauer, Lautstärke oder Schallfrequenz eines Geräusches Bezug nimmt.

3. Der Antrag war somit abzuweisen.

4. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 vom Verfassungsgerichtshof ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Polizeirecht, Lärmerregung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2001:V89.1999

Dokumentnummer

JFT_09989773_99V00089_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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