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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
FinStrG §1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, über die Beschwerde des J S in L, vertreten durch DDr. Manfred Nordmeyer, Dr. Widukind W. Nordmeyer und Dr. Thomas Kitzberger, Rechtsanwälte in 4600 Wels, Pollheimerstraße 12, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich als Finanzstrafbehörde II. Instanz vom 2. April 2002, Zl. RV1620/1- 10/2002, betreffend Finanzvergehen, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer im Instanzenzug schuldig erkannt, er habe a) durch Abgabe unrichtiger Steuererklärungen, somit unter Verletzung der abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht, Körperschaft- und Umsatzsteuer für 1995 bis 1997 sowie Kapitalertragsteuer für 1995 bis August 1998 in jeweils konkret genannter Höhe dadurch verkürzt, dass er Wareneinkäufe bei der B-Brauerei und die daraus resultierenden Gewinne nicht vollständig erklärt habe, und b) durch die Abgabe unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldungen und die Nichtentrichtung der Umsatzsteuer Vorauszahlungen an Umsatzsteuer für Jänner bis August 1998 verkürzt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten. Er habe dadurch die Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung a) nach § 33 Abs 1 FinStrG sowie b) nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG begangen, weshalb eine Geldstrafe von 10.900,93 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 40 Tage) verhängt wurde.
Der Beschwerdeführer sei alleiniger Geschäftsführer einer GmbH gewesen. Als solcher sei er dafür verantwortlich gewesen, dass die abgabenrechtlichen Pflichten der GmbH erfüllt werden. Im Zuge einer Hausdurchsuchung bei der B-Brauerei seien EDV-Daten beschlagnahmt worden. Die Auswertung dieser Daten habe ergeben, dass ein Teil der Kunden der Brauerei (Gastwirte) neben den Getränkelieferungen, für welche sie auf ihren Namen lautende Rechnungen erhalten hätten, auch Lieferungen bezogen hätten, hinsichtlich derer der Kundenname weder auf den Rechnungen bzw Lieferscheinen noch in den Aufzeichnungen der B-Brauerei aufscheine. Durch die Auswertung der EDV-Daten sei es den Betriebsprüfern gelungen, eine Verknüpfung zwischen den offiziellen und den inoffiziellen Lieferungen an die Kunden herzustellen. Ausschlaggebend für die Möglichkeit der Herstellung von Verknüpfungen zwischen den offiziellen und den inoffiziellen Lieferungen seien Aussagen von Mitarbeitern der B-Brauerei gewesen (Ulrike S, Waltraud Z, Claudia S und Alfred G). Die einzelne Getränkebestellung eines Kunden sei in der Weise gesplittet worden, dass ein vom Kunden gewünschter Teil auf seine offizielle Kundennummer eingegeben worden sei, während die inoffizielle Lieferung auf einem so genannten "Letztverbraucher-Sammelkonto" erfasst worden sei. Im Anschluss an die Bestellungen seien Ladevorschlagslisten für die Beladung der Lkw erstellt worden. Auf diesen Listen sei die Zuordnung der "Letztverbraucherlieferungen" zum bestellenden Gastwirt an Hand einer Kennzahl ersichtlich. Für eine Bestellung seien zwei Fakturen erstellt worden, die aber im Buchungsprotokoll stets unmittelbar hintereinander aufgeschienen seien. Die so genannten "Letztverbraucherlieferungen" hätten die Kunden stets unmittelbar bei Lieferung bezahlen müssen.
Die in Rede stehende GmbH habe in den Jahren 1995 bis 1998 "Letztverbraucherlieferungen" an Bier erhalten, deren Jahresbetrag zwischen ca 21.000 S und ca 55.000 S gelegen sei. In den Jahren 1995 und 1996 habe sie auch "Letztverbraucherlieferungen" an alkoholfreien Getränken bezogen.
Im Zuge einer bei der GmbH gemäß § 99 Abs 2 FinStrG durchgeführten Betriebsprüfung habe sich herausgestellt, dass die Letztverbraucherlieferungen nicht im Rechenwerk der GmbH aufschienen. Durch Anwendung eines Rohaufschlages auf den Wareneinkauf aus "Letztverbraucherlieferungen" hätten die Prüfer Umsatzhinzurechnungen ermittelt. Die Prüfer seien auch davon ausgegangen, dass die GmbH die Gewinne aus diesen Geschäften ausgeschüttet habe und es daher zu entsprechenden verdeckten Ausschüttungen gekommen sei. Den Prüfungsfeststellungen entsprechend habe das Finanzamt Abgabenbescheide erlassen.
Im Verfahren über die Berufungen gegen die Abgabenbescheide habe der Betriebsprüfer mit Schreiben vom 2. Mai 2000 mitgeteilt, das von ihm verwertete Kontrollmaterial bestehe aus Datenbeständen der B-Brauerei, die von Systemprüfern nach verschiedenen Kriterien sortiert worden seien. Diese Datenbestände seien dem steuerlichen Vertreter der GmbH zur Einsicht vorgelegt worden. Die Berufungen gegen die Abgabenbescheide seien sodann mit Berufungsentscheidung vom 16. Mai 2001 abgewiesen worden.
Am 26. Jänner 2001 habe die Finanzstrafbehörde erster Instanz eine Strafverfügung erlassen, mit welcher über den Beschwerdeführer wegen Abgabenhinterziehungen nach § 33 Abs 1 und Abs 2 lit a FinStrG eine Geldstrafe von 100.000 S verhängt worden sei. Aufgrund des rechtzeitig erhobenen Einspruches sei die Strafverfügung außer Kraft getreten.
In der Folge sei dem Beschwerdeführer im Finanzstrafverfahren vorgehalten worden, ein im Zuge der Hausdurchsuchung bei der B-Brauerei beschlagnahmtes "30-Tage-EDV-Sicherungsband" lasse erkennen, dass die GmbH am 25. August 1998 und am 16. September 1998 jeweils eine offizielle Lieferung unter ihrer Kundennummer und eine "Letztverbraucherlieferung" erhalten habe. Dem Beschwerdeführer seien auch zwei im Zuge der Hausdurchsuchung beschlagnahmte Lieferscheine der B-Brauerei vorgelegt worden. Die Lieferscheine seien im Zeitpunkt ihrer Beschlagnahme zusammengeheftet gewesen. Einer der Lieferscheine weise die GmbH als Empfänger auf, der zweite "diverse Letztverbraucher". Die Lieferscheine wiesen dasselbe Lieferdatum und dieselbe Tourenkennzeichnung aus.
In der mündlichen Verhandlung vom 19. November 2001 vor der Finanzstrafbehörde erster Instanz seien Zeugen vernommen worden. G habe angegeben, es sei ihr bekannt, dass Gastwirte fallweise Lieferungen unter der Bezeichnung "diverse Letztverbraucher" erhalten hätten. Der Bierführer Walter P habe ausgesagt, es habe Lieferungen mit Rechnungen ohne Benennung des Firmennamens des Abnehmers gegeben.
Dem Beschwerdeführer seien im Rahmen der Verhandlung die Protokolle über die Zeugenaussagen der Mitarbeiter der B-Brauerei Waltraud Z, Claudia S, Ulrike S und Alfred G vorgelegt worden. Aus den Aussagen von Waltraud Z und Claudia S ergebe sich, dass der jeweilige Gastwirt bereits bei der telefonischen Getränkebestellung bekannt gegeben habe, dass ein Teil der Lieferung "privat" erfolgen sollte. In diesen Fällen seien Rechnungen auf den Empfänger "Diverse Letztverbraucher" ausgestellt worden. Die Letztverbraucherbestellung sei auf der grünen Kundenkarteikarte des Gastwirtes vermerkt, aber die bestellte Menge durchgestrichen worden. Zudem sei die Lieferung "Diverse Letztverbraucher" von den die Bestellung entgegen nehmenden Telefonverkäufern auf den Auftragsscheinen stets rot "signalisiert" worden. Ulrike S habe ausgesagt, sie betreue bei der B-Brauerei das Fakturenerstellungsprogramm. Bei Vorliegen einer offiziellen und einer inoffiziellen Bestellung eines Gastwirtes ("Letztverbraucherbestellung") gebe sie in die EDV zuerst beim Kundenkonto des Bestellers die offizielle Bestellung ein. Die Letztverbraucherbestellung werde unmittelbar anschließend unter der Kundennummer des Lieferortes (zB "(Ortsbezeichnung) Diverse Letztverbraucher") eingegeben. Zudem gebe sie bei beiden Eingaben dasselbe Kennzeichen "LKZ" ein, was zur Folge habe, dass von der EDV für einen Auftragschein zwei getrennte Fakturen erstellt und diese hintereinander ausgedruckt würden und dass die beiden zusammengehörigen Lieferungen im Buchungsprotokoll hintereinander aufschienen. Bei normalen Bestellungen befinde sich am Auftragsschein kein LKZ; die Vergabe desselben LKZ sei pro Tag nur einmal möglich. Für die Bierführer sei die Zuordnung einer Letztverbraucherlieferung deshalb möglich, weil er wisse, dass eine solche Lieferung immer an jenen Gastwirt gehe, für den die unmittelbar vorangegangene Rechnung (Lieferschein) bestimmt sei. Der Bierführer bekomme die Rechnungen für seine Tour vorsortiert, sodass eine Verwechslung nicht möglich sei. Die geschilderten Verfahrensabläufe hätten sich innerhalb der letzten fünf Jahre nicht geändert.
Alfred G habe ausgesagt, er sei auch als Bierführer tätig. Gastwirte erhielten auch Lieferungen, die laut Rechnung bzw Lieferschein an "Diverse Letztverbraucher" adressiert seien. Die Zuordnung sei für den Bierführer möglich, weil solche Lieferscheine stets an einen anderen Lieferschein, der Name und Adresse des Gastwirtes aufweise, angeheftet seien.
Endverbraucherlieferungen müssten bei Zustellung sofort kassiert werden. Der Zeuge habe zwei zusammengeheftete Lieferscheine für die am Tag seiner Einvernahme, den 15. September 1998, geplanten Lieferungen an die GmbH vorgelegt, einer sei an die GmbH adressiert gewesen, der andere an "Diverse Letztverbraucher".
Die Finanzstrafbehörde erster Instanz habe in der Folge mit Erkenntnis ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer im einzelnen genannte Abgaben in Höhe von insgesamt 276.553 S hinterzogen habe. Die Behörde habe sich auf die Feststellungen in den Arbeitsbögen der Betriebsprüfung und der Umsatzsteuer-Sonderprüfung und die Protokolle über die Zeugenaussagen der oben erwähnten Mitarbeiter der B-Brauerei gestützt.
Die gegen das Straferkenntnis eingebrachte Berufung sei abzuweisen. Soweit der Beschwerdeführer eingewendet habe, er habe keine Einsichtnahme in die beschlagnahmten Unterlagen der B-Brauerei nehmen können, sondern nur in interne Aufstellungen und Schlussfolgerungen der Abgabenbehörde, werde dem entgegen gehalten, da EDV-Disketten per se keinen Beweis über rechtserhebliche Tatsachen erbringen könnten, sei es erforderlich gewesen, die beschlagnahmten Disketten auszuwerten. Dass diese Auswertung bereits die Systemprüfungsabteilung der Großbetriebsprüfung anlässlich des Verfahrens betreffend die B-Brauerei vorgenommen habe, stehe der Verwertung der dabei hinsichtlich der GmbH gewonnenen Beweisergebnisse nicht entgegen. Die bei der B-Brauerei beschlagnahmten Disketten bzw die Gesamtheit der darauf gespeicherten Daten seien dem Beschwerdeführer nicht vorgelegt worden. Eine Verletzung finanzstrafverfahrensrechtlicher Grundsätze sei darin aber nicht zu erblicken, weil nicht erkennbar sei, welche zur Entlastung dienenden Beweisergebnisse der Beschwerdeführer durch die "Inaugenscheinnahme" der Disketten und der Gesamtheit der gespeicherten Daten hätte gewinnen können. Dem Beschwerdeführer habe nur die Einsichtnahme in jene Ermittlungsergebnisse aus dem Verfahren betreffend die B-Brauerei gewährt werden müssen, welche die GmbH beträfen. Dies sei geschehen. Dem Beschwerdeführer seien die der GmbH zuzuordnenden Ausdrucke aus den beschlagnahmten Daten und die Originale von beschlagnahmten Lieferscheinen und Ladevorschlagslisten sowie ein Auszug aus dem beschlagnahmten Monatssicherungsband vorgelegt worden. Die vorgelegten Unterlagen seien Ausdrucke von Originaldatensätzen aus den beschlagnahmten Daten. Dem Beschwerdeführer seien sohin jene Datensätze bekannt gegeben worden, welche nach entsprechender Sichtung des Materials die GmbH bzw deren offizielle und inoffizielle Einkäufe betroffen hätten.
Es sei nicht zu beanstanden, dass die Strafbehörde erster Instanz aufgrund der Vielzahl belastender Beweisergebnisse zur Feststellung gelangt sei, dass die GmbH von der B-Brauerei neben offiziellen Lieferungen auch "Letztverbraucherlieferungen" bezogen habe und dass der Beschwerdeführer mangels buchmäßiger Erfassung dieser "Letztverbraucherlieferungen" Abgabenhinterziehungen im angelasteten Ausmaß begangen habe. Die Malversationen zwischen der B-Brauerei und ihren Kunden seien so abgestimmt gewesen, dass die Empfänger der "Letztverbraucherlieferungen" in der EDV-Buchhaltung der B-Brauerei und in den entsprechenden Belegen (Lieferschein, etc) nicht namentlich aufschienen; bei solchen Lieferungen habe stets ein sofortiges Barinkasso stattgefunden. Angesichts solcher Vorkehrungen sei ein direkter Beweis der Schuld des Beschwerdeführers mittels an die GmbH adressierter Lieferscheine nicht möglich. Aufgrund der Angaben der als Zeugen vernommenen Mitarbeiter der B-Brauerei in Zusammenhang mit den durch entsprechende Verknüpfungen durch Datensätze der B-Brauerei erzielten Auswertungsergebnissen und sichergestellten Belegen der B-Brauerei sei die Finanzstrafbehörde erster Instanz aber zutreffend davon ausgegangen, dass der GmbH entsprechende Schwarzlieferungen zugegangen seien. Anhand der lückenlosen Indizienkette (Verknüpfung des Kundenkontos der GmbH bei der B-Brauerei mit dem Letztverbraucherkonto für die Gemeinde H anhand gleich lautender Kennzeichen "LKZ" und Adresskennzeichen für ein und dasselbe Lieferdatum und aufeinander folgende Lieferscheinnummern mit gleichen Fuhrscheinnummern) habe die Finanzstrafbehörde erster Instanz zu Recht den Sachverhalt festgestellt, dass der GmbH gleichzeitig mit den offiziellen Lieferungen jeweils eine "Letztverbraucherlieferung" zugegangen sei.
Der Beschwerdeführer habe eingewendet, die Protokolle über die Zeugenaussagen der Mitarbeiter der B-Brauerei hätten nicht verwertet werden dürfen, weil sie nicht verlesen worden seien und ein Beweisverwertungsverbot bestehe, zumal gegen diese Personen der Verdacht der Mittäterschaft beim Finanzvergehen vorliege. Aus der Aktenlage ergebe sich eine Verlesung der Aussagen im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor der Finanzstrafbehörde erster Instanz. Zudem bestehe im Finanzstrafverfahren gar keine Verpflichtung zur Verlesung von Beweisergebnissen. Das Beweisverwertungsverbot des § 98 Abs 4 iVm § 106 Abs 2 FinStrG käme nur zur Anwendung, wenn die Mitarbeiter der B-Brauerei zur Aussage gezwungen worden wären. Davon könne aber im gegenständlichen Fall keine Rede sein. Sämtliche Zeugen seien vor ihrer Vernehmung auf die Aussageverweigerungsrechte nach § 104 FinStrG hingewiesen worden und hätten sich sodann aus freien Stücken zur Aussage bereit gefunden.
Infolge der Nichterfassung der Erlöse in den Büchern der GmbH seien Umsatz- und Körperschaftsteuern 1995 bis 1997, Kapitalertragsteuer 1995 bis 1998 und Umsatzsteuervorauszahlungen Jänner bis August 1998 im Gesamtbetrag von 276.553 S verkürzt worden. Da der Beschwerdeführer im strafrelevanten Zeitraum alleiniger Geschäftsführer der GmbH und für deren abgabenrechtlichen Angelegenheiten verantwortlich gewesen sei und im Hinblick auf das jahrelange Bestellen von "Letztverbraucherlieferungen" unter Unterlassen der Aufnahme der Einkäufe in die Bücher der GmbH könne als erwiesen angenommen werden, dass der Beschwerdeführer die Abgabenverkürzungen vorsätzlich bewirkt habe.
Wenn die Finanzstrafbehörde erster Instanz im Hinblick auf den Strafrahmen von 553.106 S unter mildernder Berücksichtigung der bisherigen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers und unter erschwerender Berücksichtigung der Tatbegehung über einen längeren Zeitraum und spezialpräventiver Überlegungen (Beschwerdeführer sei nach wie vor in der Gastgewerbebranche tätig) sowie unter Berücksichtigung von dessen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen eine Strafe von 150.000 S verhängt habe, so habe sie das Gesetz nicht verletzt. Zwar sei mildernd auch die teilweise erfolgte Schadensgutmachung zu berücksichtigen, "überhängend erschwerend" sei aber die Tatbegehung über den langen Zeitraum, wobei der Beschwerdeführer nicht aus finanzieller Beengtheit gehandelt habe, sondern um sich fortlaufend unversteuerte Einnahmen zu verschaffen. Der Beschwerdeführer habe durch seine Handlungen gleichsam ein unverzinstes Darlehen beim Fiskus genommen und sich dadurch im Vergleich zu Branchenkollegen einen Wettbewerbsvorteil verschafft.
Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde mit Beschluss vom 11. Juni 2002, B 967/02 ab. Gemäß Art 144 Abs 3 B-VG trat er die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer bringt vor, der angefochtene Bescheid enthalte Sachverhaltsfeststellungen lediglich für zwei "Schwarzlieferungen" der B-Brauerei an die GmbH, nämlich die Lieferungen vom 28. August 1998 und vom 15. September 1998. Weitere Lieferungen habe die belangte Behörde nicht festgestellt. Zu Unrecht habe ihm die belangte Behörde daher hinsichtlich des Zeitraumes 1995 bis 1998 Abgabenhinterziehung vorgeworfen.
Diesem Vorbringen ist entgegen zu halten, dass der angefochtene Bescheid die "Letztverbraucherlieferungen" der B-Brauerei an die GmbH für den gesamten betroffenen Zeitraum anführt, und zwar getrennt nach den Jahren 1995, 1996, 1997 und 1998 sowie mit konkreten Beträgen (Einkaufspreise). Der angefochtene Bescheid enthält hinsichtlich dieser Lieferungen auch - getrennt nach Veranlagungsjahren - Art und Menge der gelieferten Gegenstände. Weiters enthält er die Sachverhaltsfeststellung, dass die in Rede stehenden Lieferungen keinen Eingang in das Rechenwerk der GmbH gefunden haben und welche nicht deklarierten Umsätze und verkürzte Abgaben sich aus dem Verkauf der Waren ergeben haben. Schließlich enthält der angefochtene Bescheid - insbesondere gestützt auf die langjährig geübte Praxis der "Schwarzeinkäufe" - Feststellungen zur subjektiven Tatseite.
Bei den in der Beschwerde angesprochenen Vorgängen vom 28. August 1998 und vom 15. September 1998 handelt es sich lediglich um jene, die am besten dokumentiert sind, weil sie unmittelbar vor der bei der B-Brauerei durchgeführten Hausdurchsuchung stattgefunden haben. Aus diesem Grund finden sich diese beiden Vorgänge auf dem beschlagnahmten Monatssicherungsband, das den Zeitraum Mitte August bis Mitte September 1998 umfasst, dokumentiert. Zum Vorgang vom 15. September 1998, auf den sich auch die Zeugenaussage des Alfred G bezieht, lagen zudem die Original-Lieferscheine der B-Brauerei vor.
Der Beschwerdeführer bringt weiters vor, die Finanzstrafbehörden hätten sich auf die Protokolle über Aussagen von Bediensteten der B-Brauerei gestützt. Diese Personen seien unmittelbar im Zusammenhang mit der bei der B-Brauerei durchgeführten Hausdurchsuchung als Zeugen vernommen worden. Die Hausdurchsuchung sei im Rahmen einer groß angelegten Aktion im Hinblick auf vermutete Steuerhinterziehungen im Gastgewerbe durchgeführt worden. Bereits zum Zeitpunkt der Einvernahme der Zeugen habe der Verdacht auf Mitwirkung der Zeugen bestanden. Sie seien als Beitragstäter zu den mutmaßlichen Steuerhinterziehungen in Betracht gekommen. Solcherart verstoße aber die Einvernahme der Zeugen, die richtigerweise als Verdächtige hätten behandelt werden müssen, gegen das "Beweismittelverbot" des § 98 Abs 4 FinStrG. Es liege eine Verletzung der Bestimmung des § 84 Abs 2 erster Satz FinStrG vor, da schon die fälschliche Zuweisung der Zeugeneigenschaft in Verbindung mit der Wahrheitspflicht einen unzulässigen Zwang beinhalte. Das Entschlagungsrecht des Zeugen sei kein ausreichender Ersatz für die Zuerkennung der Beschuldigteneigenschaft.
§ 98 Abs 4 FinStrG lautet:
"Beweismittel, die unter Verletzung der Bestimmungen des § 84 Abs 2 erster und letzter Satz, des § 89 Abs 3, 4, 8 oder 9, des § 103 lit a bis c oder des § 106 Abs 2 gewonnen wurden, dürfen zur Fällung des Erkenntnisses (der Strafverfügung) zum Nachteil des Beschuldigten oder der Nebenbeteiligten nicht herangezogen werden."
Gemäß § 84 Abs 2 FinStrG erster Satz dürfen Beschuldigte und Nebenbeteiligte zur Beantwortung der an sie gestellten Fragen nicht gezwungen werden. Gemäß § 106 Abs 2 FinStrG dürfen Zeugen, abgesehen von Zwangsstrafen, zur Beantwortung der an sie gestellten Fragen nicht gezwungen werden.
§ 104 Abs 1 FinStrG lautet:
"Die Aussage darf von einem Zeugen verweigert werden:
a) wenn er ein Angehöriger (§ 25 BAO) des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten des Finanzstrafverfahrens ist;
b) über Fragen, deren Beantwortung dem Zeugen oder seinen Angehörigen, seinem Vormund, Mündel oder Pflegebefohlenen die Gefahr einer strafgerichtlichen oder finanzstrafbehördlichen Verfolgung zuziehen würde;
c) über Fragen, deren Beantwortung dem Zeugen oder einer der in lit. b genannten Personen unmittelbar einen bedeutenden Vermögensnachteil bringen oder zur Schande gereichen würde, es sei denn, dass der Auskunft voraussichtlich für das Verfahren entscheidende Bedeutung zukommt und die Finanzstrafbehörde unter Hinweis darauf vom Zeugen die Auskunft verlangt;
d) über Fragen, die der Zeuge nicht beantworten könnte, ohne eine ihm obliegende gesetzlich anerkannte Pflicht zur Verschwiegenheit, von der er nicht gültig entbunden wurde, zu verletzen oder ein Kunst- oder technisches Betriebsgeheimnis zu offenbaren."
Die vom Beschwerdeführer angesprochenen Bediensteten der B-Brauerei sind vor ihrer Zeugeneinvernahme gemäß § 106 Abs 1 FinStrG über die gesetzlichen Weigerungsrechte des § 104 FinStrG belehrt worden. Sie haben sich dennoch zur Zeugenaussage entschlossen. Der Umstand, dass diese Bediensteten - belehrt über die Weigerungsrechte - als Zeugen vernommen worden sind, stellt für sich keine Zwangsausübung iSd § 98 Abs 4 iVm § 106 Abs 2 FinStrG dar. Abgesehen davon zeigt der Beschwerdeführer in keiner Weise konkret auf, dass im Zeitpunkt der Einvernahme der Bediensteten ihnen gegenüber ein Tatverdacht eines Finanzvergehens bestanden hätte. Dass die belangte Behörde (wie bereits die Finanzstrafbehörde erster Instanz) im Rahmen ihrer Beweiswürdigung auf die in Rede stehenden Zeugenaussagen Bedacht genommen hat, ist daher nicht als rechtswidrig zu erkennen.
Der Beschwerdeführer rügt weiters, mit den gesetzlichen Beweisbestimmungen sei es nicht vereinbar, dass seinem Antrag auf Einsichtnahme in das im Zuge der Hausdurchsuchung bei der B-Brauerei beschlagnahmte Beweismaterial, insbesondere EDV-Disketten und Urkunden, nicht entsprochen worden sei. Der Beschwerdeführer hätte nicht auf behördeninterne Zusammenfassungen und Verarbeitungen verwiesen werden dürfen. Der Antrag sei als Antrag auf Augenschein iSd § 113 FinStrG zu werten gewesen.
Abgesehen davon, dass in der Beschwerde die Relevanz eines allfälligen Verfahrensfehlers nicht aufgezeigt wird, ist dem Vorbringen zu erwidern, dass, wie der Verwaltungsgerichtshof etwa in den Erkenntnissen vom 19. Mai 1988, 88/16/0038, und 88/16/0002, dargelegt hat, das Einsichtsrecht eines Beschuldigten sich nicht auf Akten bezieht, die auf Grund eines Verfahrens gegen einen anderen Beschuldigten entstanden sind. Um solche, andere Beschuldigte betreffende Unterlagen handelt es sich aber bei dem vom Beschwerdeführer angesprochenen Datenbestand der B-Brauerei in seiner Gesamtheit.
Der angefochtene Bescheid stützt sich (wie der Bescheid der Finanzstrafbehörde erster Instanz) nur auf jenen Teil der Daten der B-Brauerei, die sich auf den Beschwerdeführer bzw auf die GmbH, deren Geschäftsführer er ist, beziehen. Hinsichtlich dieser Daten ist dem Beschwerdeführer unstrittig uneingeschränkt Akteneinsicht gewährt worden.
Der Beschwerdeführer bringt weiters vor, mit dem Straferkenntnis habe die Finanzstrafbehörde erster Instanz (und sodann die belangte Behörde) eine weitaus höhere Strafe verhängt, als mit der Strafverfügung gemäß § 143 FinStrG verhängt gewesen sei, obwohl hinsichtlich der Strafbemessungsgründe keine Änderung eingetreten sei.
Diesem Vorbringen ist entgegen zu halten, dass die Strafverfügung durch die rechtzeitige Einbringung des Einspruches gemäß § 145 Abs 2 FinStrG außer Kraft getreten ist und das Finanzstrafverfahren weiter zu führen war. Gemäß § 145 Abs 2 FinStrG hat die Finanzstrafbehörde in diesem Verfahren auf den Inhalt der außer Kraft getretenen Strafverfügung keine Rücksicht zu nehmen und kann auch eine andere Entscheidung fällen. Ein Verschlechterungsverbot besteht nicht, sodass im Straferkenntnis strengere Strafen ausgesprochen werden dürfen als in der vorangegangenen Strafverfügung (vgl Leitner, Österreichisches Finanzstrafrecht2, 425).
Die Beschwerde wendet sich sodann gegen die Strafbemessung. Zunächst wird vorgebracht, die Finanzstrafbehörde erster Instanz habe auch das Nichtablegen eines Geständnisses und die erfolgte Veräußerung des Unternehmens zur Vermeidung einer Haftungsinanspruchnahme als erschwerend gewertet, die belangte Behörde habe diese Argumente aber "fallen gelassen". Die belangte Behörde habe demgegenüber als zusätzliche Erschwerungsgründe herangezogen, dass der Beschwerdeführer sich durch die gewählte Vorgangsweise fortlaufend unversteuerte Einnahmen und damit einen nicht unbeträchtlichen Steuervorteil verschafft habe. Das letztgenannte Argument führe jedoch zu einer unzulässigen Doppelverwertung, einerseits hinsichtlich des bereits angenommenen Erschwerungsgrundes der fortgesetzten Tatbegehung sowie anderseits hinsichtlich "des deliktischen Grundvorwurfes an sich, da mit jeder betrieblichen Steuerhinterziehung notwendigerweise ein unerlaubter Vorteil" verbunden sei.
Mit diesem Vorbringen legt der Beschwerdeführer nicht dar, dass die belangte Behörde im Rahmen der Strafbemessung auf Umstände Bedacht genommen hätte, deren Berücksichtigung das Gesetz nicht zulässt. Der Fall einer Doppelverwertung eines Erschwerungsgrundes liegt nicht vor. Das Begehen eines Finanzvergehens ist nicht zwangsläufig mit einem materiellen Vorteil für den Täter verbunden, und zwar auch nicht im Falle einer fortgesetzten Tatbegehung. So kann etwa der Vertreter eines Steuerpflichtigen oder der Beitragstäter ein finanzstrafrechtlich relevantes Verhalten setzen, ohne dadurch bereichert worden zu sein. Solcherart kann der belangten Behörde nicht entgegen getreten werden, wenn sie auf den im Beschwerdefall gegebenen materiellen Vorteil Bedacht genommen hat.
Die Strafbemessung innerhalb des Strafrahmens ist eine Ermessensentscheidung. Im Beschwerdefall ist nicht zu erkennen, dass die belangte Behörde bei der Ermessensübung die vom Gesetz vorgegebenen Grenzen überschritten hätte.
Schließlich bringt der Beschwerdeführer vor, im Zuge der mündlichen Verhandlung vor der Finanzstrafbehörde erster Instanz vom 19. November 2001 habe er den Antrag gestellt, dass ihm eine Frist von 14 Tagen eingeräumt werde, um eine Stellungnahme zur den im Rahmen dieser Verhandlung vorgelegten schriftlichen Zeugenaussagen der Bediensteten der B-Brauerei abzugeben und um allenfalls neue Beweisanträge zu stellen. Zu Unrecht habe die Finanzstrafbehörde erster Instanz diesem Antrag nicht entsprochen.
Diesem Vorbringen ist entgegen zu halten, dass der Beschwerdeführer im anschließenden Berufungsverfahren Gelegenheit gehabt hat, die entsprechenden Prozesshandlungen zu setzen. Solcherart schlägt ein allfälliger Verfahrensfehler der Finanzstrafbehörde erster Instanz nicht auf den angefochtenen Bescheid durch.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II 333/2003.
Wien, am 20. Oktober 2004
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2002140073.X00Im RIS seit
24.11.2004