Index
E1E;Norm
11997E234 EG Art234;Beachte
Vorabentscheidungsverfahren:* Vorabentscheidungsantrag des VwGH oder eines anderen Tribunals:DT BFH B 28. April 2004, I R 39/04 * EuGH-Entscheidung:EuGH 62003CJ0543 7. Juni 2005Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, in der Beschwerdesache der IK in K, vertreten durch Dr. Gustav Teicht und Dr. Gerhard Jöchl, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Ebendorferstraße 7, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Tirol vom 10. Juni 2002, Zl. RV 104/1- T2/01, betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge für den Zeitraum 1. September 1996 bis 31. August 2000 sowie Versagung der Weitergewährung der Familienbeihilfe, den Beschluss gefasst:
Spruch
Das Beschwerdeverfahren wird bis zur Vorabentscheidung des mit Beschluss vom 16. Dezember 2003 des OLG Innsbruck, 25 Rs 105/03g, angerufenen Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften ausgesetzt.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid forderte die belangte Behörde die Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge für die beiden Kinder der Beschwerdeführerin betreffend den Zeitraum Oktober 1996 bis August 2000 zurück und versagte die Weitergewährung der Familienbeihilfe für diese beiden Kinder.
Unbestritten war die Beschwerdeführerin von September 1995 bis September 1996 als Lehrerin an der Handelsschule in K beschäftigt. Im Jahr 1996 übersiedelte der Ehemann der Beschwerdeführerin, ein griechischer Staatsangehöriger, mit den beiden Kindern nach Griechenland, wo er als selbständiger Unternehmer tätig ist. Die beiden Kinder besuchen seit September 1996 die deutsche Schule in Athen. Über Antrag der Beschwerdeführerin - nach ihren Angaben zum Zweck der Familienzusammenführung - wurde ihr ab September 1996 gemäß § 75 Abs. 1 BDG 1997 ein Urlaub unter Entfall der Bezüge (Karenzurlaub) gewährt. Seither hält sie sich - von gelegentlichen Aufenthalten in K abgesehen - ständig bei ihrer Familie in Griechenland auf.
Aus diesem Sachverhalt schloss die belangte Behörde, dass sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen der Beschwerdeführerin seit September 1996 eindeutig nicht mehr in Österreich, sondern in Griechenland befinde. Nach Art. 73 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer, Selbstständige und deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (im Folgenden: VO), habe ein Arbeitnehmer oder Selbstständiger, der den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates unterliegt, vorbehaltlich der Bestimmungen in Anhang VI für seine Familienangehörigen, die im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des ersten Staates, als ob diese Familienangehörigen im Gebiet dieses Staates wohnen. Art. 1 lit. a VO definiere eindeutig, dass unter "Arbeitnehmer" nur eine Person zu verstehen sei, die pflichtversichert oder freiwillig versichert bzw. weiterversichert sei. Da die Beschwerdeführerin seit 9. September 1996 weder pflichtversichert noch freiwillig weiterversichert sei, fänden die gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften auf sie keine Anwendung. Ab Oktober 1996 habe somit für die beiden Kinder kein Anspruch mehr auf die österreichische Familienbeihilfe bestanden.
Zwischen den Parteien ist strittig, ob gemeinschaftsrechtliche Vorschriften der Rückforderung der Familienbeihilfe bzw. der Versagung ihrer Weitergewährung entgegenstehen. Die Beschwerdeführerin stützt sich dabei auf die bereits genannte VO 1408/71.
Deren Art. 13 in der konsolidierten Fassung Amtsblatt Nr. L 028 vom 30. Jänner 1997 lautet auszugsweise:
"(1) Vorbehaltlich des Artikels 14c (und 14f (eingefügt durch Amtsblatt Nr. L 209/1998)) unterliegen Personen für die diese Verordnung gilt, den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaates. Welche Rechtsvorschriften diese sind, bestimmt sich nach diesem Titel.
(2) Soweit nicht die Artikel 14 bis 17 etwas anderes bestimmen, gilt Folgendes:
a) eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaates abhängig beschäftigt ist, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Staates, und zwar auch dann, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnt oder ihr Arbeitgeber oder das Unternehmen, das sie beschäftigt, seinen Wohnsitz oder Betriebssitz im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats hat; ..."
Art. 73 lautet:
"Ein Arbeitnehmer oder ein Selbstständiger, der den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats unterliegt, hat, vorbehaltlich der Bestimmungen in Anhang VI, für seine Familienangehörigen, die im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des ersten Staates, als ob diese Familienangehörigen im Gebiet dieses Staates wohnten."
Art. 75 Abs. 1 lautet auszugsweise:
"Familienleistungen werden in dem in Artikel 73 genannten Fall vom zuständigen Träger des Staates gewährt, dessen Rechtsvorschriften für den Arbeitnehmer oder den Selbständigen gelten;.....Sie werden nach den für diese Träger geltenden Bestimmungen unabhängig davon gezahlt, ob die natürliche oder juristische Person, an die sie zu zahlen sind, im Gebiet des zuständigen Staates oder in dem eines anderen Mitgliedstaats wohnt oder sich dort aufhält."
Mit Beschluss des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 16. Dezember 2003, 25 Rs 105/03g, wurde dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften ua. folgende Frage zur Vorabentscheidung gemäß Art. 234 EG vorgelegt:
"Ist Art 73 der VO (EWG) Nr 1408/71 des Rates vom 14.6.1971 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in Verbindung mit Art 13 der VO idgF dahin auszulegen, dass auch Arbeitnehmer erfasst sind, deren Arbeitsverhältnis zwar aufrecht ist, aber das Arbeitsverhältnis keine Arbeits- und Entgeltspflichten begründet (karenziert ist) und nach nationalem Recht keine Sozialversicherungspflicht auslöst?"
Diese Frage bildet auch im gegenständlichen Fall eine Vorfrage, die zufolge des Auslegungsmonopols des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften in Angelegenheiten des (primären oder sekundären) Gemeinschaftsrechts von einem anderen Gericht zu entscheiden ist. Da das entsprechende Verfahren zur Einholung einer Vorabentscheidung beim EuGH zur Rechtssache C-543/03 bereits anhängig gemacht wurde, liegen die Voraussetzungen des gemäß § 62 Abs. 1 VwGG auch vom Verwaltungsgerichtshof anzuwendenden § 38 AVG vor (vgl. etwa die hg. Beschlüsse vom 29. Jänner 2003, Zl. 99/03/0365, und vom 17. Juni 2003, Zl. 99/21/0213).
Wien, am 20. Oktober 2004
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2003140003.X00Im RIS seit
12.01.2005Zuletzt aktualisiert am
26.03.2012