TE Vwgh Erkenntnis 2004/10/20 2002/08/0278

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Veröffentlicht am 20.10.2004
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Index

E3L E05204010;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

31979L0007 Gleichbehandlungs-RL Soziale Sicherheit Art4;
AlVG 1977 §10 Abs1;
AlVG 1977 §38;
AlVG 1977 §9 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der E in S, vertreten durch Mag. E, Referent der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Oberösterreich, dieser vertreten durch Mag. German Storch und Mag. Rainer Storch, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Bürgerstraße 62, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Oberösterreich vom 5. November 2002, Zl. LGSOÖ/Abt. 4/1282/0778/2002-5, betreffend Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist seit September 1999, abgesehen von einer kurzen Unterbrechung, Bezieherin von Notstandshilfe.

Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vom 30. September 2002 wurde ausgesprochen, dass die Beschwerdeführerin den Anspruch auf Notstandshilfe für den Zeitraum vom 19. August 2002 bis 29. September 2002 gemäß § 38 AlVG i.V.m. § 10 AlVG verloren habe. Der Zeitraum verlängere sich um die in ihm liegenden Zeiträume, während derer Krankengeld bezogen worden sei. Begründend wurde ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe sich geweigert, an der Maßnahme des Arbeitsmarktservice "B. - Aktive Stellensuche und - Bewerbung zur Wiedereingliederung" ab 19. August 2002 teilzunehmen.

In ihrer Berufung gegen diesen Bescheid führte die Beschwerdeführerin aus, ihrer Beraterin am Arbeitsmarktservice S. bereits bekannt gegeben zu haben, dass sie wegen ihrer drei Kinder nur halbtags, somit bis 13 Uhr, arbeiten könne. Ihr Mann sei berufstätig, zwei ihrer Kinder besuchten die Volksschule und das jüngste Kind den Kindergarten. Die zugewiesene Beschäftigung sei ihr nicht zumutbar, weil ihre Kinder ab 12 Uhr von der Schule nach Hause kämen und das jüngste Kind vom Kindergarten abgeholt werden müsse.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 5. November 2002 wurde der Berufung keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt. Die Versorgung von Familienangehörigen sei nur bei einer Beschäftigung außerhalb des Wohn- oder Aufenthaltsortes zu berücksichtigen. Im Falle der Beschwerdeführerin liege der zugewiesene Dienstgeber innerhalb ihres Wohnortes. Die Zumutbarkeit der zugewiesenen Beschäftigung sei daher durch die Betreuungspflichten gegenüber ihren Kindern nicht beeinträchtigt. Durch den Hinweis auf ihre Betreuungspflichten habe die Beschwerdeführerin die Annahme einer zumutbaren Beschäftigung verweigert. Die für einen Leistungsbezug notwendige Arbeitswilligkeit liege daher nicht vor.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin bringt vor, die Rechtsauffassung der belangten Behörde bewirke eine mittelbare Diskriminierung der Frauen und damit einen Verstoß gegen Art. 4 der Richtlinie 79/7/EWG des Rates vom 19. Dezember 1978 zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit.

Mit dieser Frage hat sich der Verwaltungsgerichtshof im hg. Erkenntnis vom 23. April 2003, 2002/08/0275, auseinander gesetzt, auf dessen Begründung daher gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen werden kann. Der Verwaltungsgerichtshof kam zusammengefasst zu dem Schluss, dass die behauptete mittelbare Diskriminierung nicht vorliege. Es sei auch vor dem gemeinschaftsrechtlichen Hintergrund zulässig, am sozialpolitischen Ziel festzuhalten, Geldleistungen aus der Arbeitslosenversicherung nur dann und insoweit zu gewähren, als der betreffende Arbeitslose tatsächlich wieder in den Arbeitsmarkt zurückkehren möchte, nicht aber auch dann, wenn ihm dies aus familiären Gründen gar nicht möglich ist (z.B. wegen der Pflege und Erziehung von Kindern oder der Pflege naher Angehöriger).

Dem angefochtenen Bescheid haftet aber eine von Amts wegen aufzugreifende Rechtswidrigkeit an:

Die regionale Geschäftsstelle hat ihren Bescheid damit begründet, dass sich die Beschwerdeführerin geweigert habe, an der Maßnahme des Arbeitsmarktservice "B. aktive Stellensuche und - Bewerbung zur Wiedereingliederung" ab 19. August 2002 teilzunehmen.

Die belangte Behörde hingegen geht ohne nähere Begründung davon aus, dass die Beschwerdeführerin eine ihr angebotene, zumutbare Beschäftigung nicht angenommen habe.

Damit ist es aber unklar geblieben, ob die Beschwerdeführerin zu einer Beschäftigung oder einer (Wiedereingliederungs-)Maßnahme zugewiesen worden ist. Da die Voraussetzungen für die Zuweisung zu einer zulässigen Maßnahme andere sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. April 2004, 2002/08/0262) als die für eine Zuweisung zu einer Beschäftigung, und dem von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Weigerungsgrund erst dann Bedeutung zukommt, wenn die Zulässigkeit der Zuweisung zweifelsfrei feststeht, kann der Verwaltungsgerichtshof beim derzeitigen Verfahrensstand die materielle Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides (noch) nicht prüfen, sodass der von der belangten Behörde angenommene Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung bedarf.

Der angefochtene Bescheid ist daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. a und b VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II. Nr. 333/2003.

Wien, am 20. Oktober 2004

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2002080278.X00

Im RIS seit

13.12.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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