TE Vwgh Erkenntnis 2004/10/20 2004/08/0030

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Veröffentlicht am 20.10.2004
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Index

62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §15 Abs5;
GSVG 1978 §2 Abs1 Z4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Köller, Dr. Moritz und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der E in W, vertreten durch Mag. Claudia Anderl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Goldschmiedgasse 5, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 19. November 2003, Zl. LGSW/Abt. 3-AlV/1218/56/2003-2331, betreffend Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld vom 29. Juli 2002 mangels Erfüllung der Anwartschaft gemäß § 14 in Verbindung mit § 7 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG) abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass die Beschwerdeführerin am 29. Juli 2002 einen erstmaligen Anspruch auf Arbeitslosengeld geltend gemacht habe. Eine Abfrage beim Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger habe ergeben, dass die Beschwerdeführerin innerhalb der gesetzlichen Rahmenfrist gemäß § 14 Abs. 1 AlVG vom 29. Juli 2000 bis 29. Juli 2002 keine Tage arbeitslosenversicherungspflichtiger Beschäftigung habe nachweisen können. Die Zeit der krankenversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit der Beschwerdeführerin nach dem GSVG vom 1. Jänner 1998 bis 31. Dezember 2001 könne nicht anwartschaftsbegründend berücksichtigt werden, da für diese Zeiten kein Sicherungsbeitrag entrichtet worden sei. Die Beschwerdeführerin habe somit innerhalb der gesetzlichen Rahmenfrist des § 14 Abs. 1 AlVG keine Tage arbeitslosenversicherungspflichtiger Beschäftigung nachweisen können und es würden selbst bei der in ihrem Fall auf Grund der krankenversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit nach dem GSVG gemäß § 15 Abs. 5 AlVG möglichen Rahmenfristerstreckung "um 3 Jahre bis zum 29. Juli 1997" keine Tage arbeitslosenversicherungspflichtiger Beschäftigung vorliegen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 14 Abs. 1 und 2 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG) in der hier zeitraumbezogen anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 71/2003, lauten:

"§ 14. (1) Bei der erstmaligen Inanspruchnahme des Arbeitslosengeldes ist die Anwartschaft erfüllt, wenn der Arbeitslose in den letzten 24 Monaten vor Geltendmachung des Anspruches (Rahmenfrist) insgesamt 52 Wochen im Inland arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war. Handelt es sich jedoch um einen Arbeitslosen, der das Arbeitslosengeld vor Vollendung des 25. Lebensjahres beantragt, ist die Anwartschaft erfüllt, wenn

1. der Arbeitslose in den letzten zwölf Monaten vor Geltendmachung des Anspruches (Rahmenfrist) insgesamt 26 Wochen im Inland arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war, wobei höchstens 16 Wochen arbeitslosenversicherungspflichtige Zeiten nach § 35 Abs. 2 des Arbeitsmarktservicegesetzes, BGBl. Nr. 313/1994, herangezogen werden dürfen, und

2. ihm das Arbeitsmarktservice auch unter weitestmöglichem Einsatz von Förderungsmitteln binnen vier Wochen weder eine Arbeitsaufnahme noch den Eintritt in eine geeignete arbeitsmarktpolitische Maßnahme ermöglicht.

(2) Bei jeder weiteren Inanspruchnahme des Arbeitslosengeldes ist die Anwartschaft erfüllt, wenn der Arbeitslose in den letzten 12 Monaten vor Geltendmachung des Anspruches (Rahmenfrist) insgesamt 28 Wochen im Inland arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war. Die Anwartschaft ist im Falle einer weiteren Inanspruchnahme auch dann erfüllt, wenn der Arbeitslose die Anwartschaft gemäß § 14 Abs. 1 erster Satz erfüllt."

§ 15 Abs. 1 bis 5 AlVG in der hier zeitraumbezogen anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 71/2003 lauten:

"§ 15. (1) Die Rahmenfrist (§ 14 Abs. 1 bis 3) verlängert sich um höchstens drei Jahre um Zeiträume, in denen der Arbeitslose im Inland

1. in einem arbeitslosenversicherungsfreien Dienstverhältnis gestanden ist;

2. arbeitsuchend bei der regionalen Geschäftsstelle gemeldet gewesen ist oder Sondernotstandshilfe (§ 39) bezogen hat;

3.

eine Abfertigung aus einem Dienstverhältnis bezogen hat;

4.

sich einer Ausbildung oder beruflichen Maßnahme der Rehabilitation unterzogen hat, durch die er überwiegend in Anspruch genommen wurde;

5.

Präsenz- oder Ausbildungs- oder Zivildienst geleistet hat;

6.

einen Karenzurlaub im Sinne der gesetzlichen Vorschriften zurückgelegt oder Karenzgeld oder Weiterbildungsgeld bezogen hat;

              7.              ein außerordentliches Entgelt im Sinne des § 17 des Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetzes, BGBl. Nr. 235/1962, bezogen hat;

              8.              eine Sonderunterstützung nach den Bestimmungen des Sonderunterstützungsgesetzes, BGBl. Nr. 642/1973, bezogen hat;

9.

auf behördliche Anordnung angehalten worden ist;

10.

bei Sterbebegleitung eines nahen Verwandten oder bei Begleitung eines schwerstkranken Kindes gemäß § 29 oder § 32 krankenversichert war oder im Sinne des § 31 Anspruch auf Leistungen der Krankenfürsorge hatte.

(2) Die Rahmenfrist verlängert sich um höchstens drei Jahre um Zeiträume, in denen der Arbeitslose im Ausland

1. sich einer Ausbildung unterzogen hat, durch die er überwiegend in Anspruch genommen wurde;

2. eine der in Abs. 1 angeführten vergleichbaren Leistungen wegen Arbeitslosigkeit oder Kindererziehung bezogen hat, soweit mit dem betreffenden Staat zwischenstaatliche Regelungen über Arbeitslosenversicherung getroffen wurden oder dies in internationalen Verträgen festgelegt ist.

(3) Die Rahmenfrist verlängert sich weiters um Zeiträume, in denen der Arbeitslose im Inland

1. Krankengeld bzw. Wochengeld bezogen hat oder in einer Heil- oder Pflegeanstalt untergebracht gewesen ist;

2. nach Erschöpfung des Anspruches auf Krankengeld aus der gesetzlichen Krankenversicherung nachweislich arbeitsunfähig gewesen ist;

3. wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit oder Minderung der Erwerbsfähigkeit, die nach ihrem Ausmaß der Arbeitsunfähigkeit gemäß § 8 gleichkommt, eine Pension aus der gesetzlichen Pensionsversicherung bezogen hat;

4. einen nahen Angehörigen (eine nahe Angehörige) mit Anspruch auf Pflegegeld in Höhe der Stufe 4, 5, 6 oder 7 gemäß § 5 des Bundespflegegeldgesetzes (BPGG), BGBl. Nr. 110/1993, oder nach den Bestimmungen der Landespflegegeldgesetze in häuslicher Umgebung gepflegt hat und gemäß § 77 Abs. 6 ASVG oder § 28 Abs. 6 BSVG oder § 33 Abs. 9 GSVG in der Pensionsversicherung weiterversichert war;

5. Kinderbetreuungsgeld bezogen hat.

(4) Die Rahmenfrist verlängert sich weiters um Zeiträume, in denen der Arbeitslose im Ausland eine der in Abs. 3 angeführten vergleichbaren Leistungen wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit oder Minderung der Erwerbsfähigkeit oder Krankheit bezogen hat; soweit mit dem betreffenden Staat zwischenstaatliche Regelungen über Arbeitslosenversicherung getroffen wurden oder dies in internationalen Verträgen festgelegt ist.

(5) Die Rahmenfrist verlängert sich weiters um Zeiträume einer krankenversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit nach dem GSVG oder BSVG."

Nach dem insoweit mit dem vorgelegten Verwaltungsakt übereinstimmenden Vorbringen der Beschwerdeführerin in ihrer Berufung gegen den Bescheid der Erstbehörde stand sie von Juni 1963 bis Juni 1980 als Angestellte in einem der Vollversicherungspflicht nach dem ASVG unterliegenden Dienstverhältnis. Daran anschließend folgten Zeiten des Wochengeldbezuges, Zeiten der Kindererziehung sowie Zeiten der freiwilligen Weiterversicherung nach dem ASVG bis November 1986. Für den Zeitraum Dezember 1986 bis Dezember 1997 sind keine Versicherungszeiten ausgewiesen. Ab Jänner 1998 bis 31. Dezember 2001 war die Beschwerdeführerin als selbständig Erwerbstätige nach § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG pflichtversichert.

In ihrer Beschwerde macht die Beschwerdeführerin geltend, dass ihr eine Pflichtversicherung nach dem GSVG in der Pensions- und Krankenversicherung vor dem 1. Jänner 1998 auf Grund des Fehlens entsprechender gesetzlicher Bestimmungen nicht möglich gewesen sei. Wären jedoch die gesetzlichen Voraussetzungen für eine GSVG-Pflichtversicherung bereits vor dem 1. Jänner 1998 vorgelegen, so wäre sie auch im gesamten Zeitraum nach ihrer Angestelltentätigkeit und der damit verbundenen Pflichtversicherung nach dem ASVG unter die GSVG-Pflichtversicherung gefallen. Bei richtiger Anwendung des § 15 Abs. 5 AlVG müsste sich die Rahmenfrist jedenfalls nicht nur um Zeiträume einer krankenversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit nach dem GSVG, sondern auch um jene Zeiträume erstrecken, in welchen man selbständig erwerbstätig gewesen sei und keine gesetzlichen Bestimmungen über die Pflichtversicherung von selbständig Erwerbstätigen vorhanden gewesen wären. Die Beschwerdeführerin habe stets alles getan, um einen Anspruch auf Arbeitslosengeld zu erwirken. Die jahrelange Untätigkeit des Gesetzgebers zur Schaffung einer GSVG-Pflichtversicherung könne ihr insbesondere im Hinblick darauf, dass seit der Möglichkeit einer Pflichtversicherung nach dem GSVG diese Versicherungszeiten sehr wohl die Rahmenfrist erstrecken, keinesfalls zum Nachteil gereichen.

Die Beschwerdeführerin bringt damit zusammengefasst vor, sie wäre seit dem Ende ihrer arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigung selbständig erwerbstätig gewesen, wobei diese selbständige Erwerbstätigkeit jedoch bis zum 1. Jänner 1998, dem Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens des § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG in der Fassung BGBl I Nr. 139/1997, nicht der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung nach dem GSVG unterlegen sei.

Entscheidungswesentlich ist daher allein, ob § 15 Abs. 5 AlVG, wonach sich die Rahmenfrist um Zeiträume einer krankenversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit nach dem GSVG oder BSVG verlängert, so auszulegen ist, dass auch Zeiten, in denen vor dem 1. Jänner 1998 eine Erwerbstätigkeit ausgeübt wurde, die zum damaligen Zeitpunkt nicht nach dem GSVG krankenversicherungspflichtig war und erst ab dem 1. Jänner 1998 in die Kranversicherungspflicht nach dem GSVG einbezogen wurde, die Rahmenfrist erstrecken.

Dies ist jedoch, entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin, schon angesichts des klaren Wortlauts des § 15 Abs. 5 AlVG, der an eine krankenversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit anknüpft, zu verneinen. Die mit dem Arbeits- und Sozialrechts-Änderungsgesetz 1997, BGBl. I Nr. 139, erfolgte Einbeziehung aller selbständig Erwerbstätigen in die Sozialversicherung stellte eine grundsätzliche Neuorientierung im Bereich des Sozialversicherungswesens dar (vgl. dazu die Erläuterungen zur Regierungsvorlage 886 BlgNR XX. GP, S. 107); der Geltungsbereich der Sozialversicherungsgesetze sollte nicht mehr nur um bestimmte Berufsgruppen erweitert werden, sondern es sollten grundsätzlich alle selbständig Erwerbstätigen in die Pflichtversicherung - und damit in die Beitragspflicht - einbezogen werden. Erst mit dem In-Kraft-Treten dieser Bestimmung wurden auch jene selbständig Erwerbstätigen, die bis dahin von der Pflichtversicherung ausgenommen waren, Teil der im Rahmen der gesetzlichen Pflichtversicherung bestehenden Solidargemeinschaft, an die auch § 15 Abs. 5 AlVG anknüpft. Vor diesem Hintergrund liegt das Abstellen der Rahmenfristerstreckung auf Zeiträume einer krankenversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit nach dem GSVG oder BSVG im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, sodass die Auslegung nach dem klaren Wortlaut auch unter dem Gesichtspunkt des Sachlichkeitsgebotes keinen Bedenken begegnet.

Die Beschwerdeführerin macht weiters geltend, dass die Rahmenfrist nicht, wie von der belangten Behörde angenommen, um lediglich drei Jahre, sondern um vier Jahre zu erstrecken gewesen wäre, und diese daher bereits mit 29. Juli 1996 begonnen habe. Mit diesem Vorbringen ist die Beschwerdeführerin - wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift auch einräumt - im Recht. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes macht jedoch eine unrichtige Begründung einen dem Gesetz entsprechenden Spruch des Bescheides nicht rechtswidrig (vgl. zB das hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 1966, Zl. 161/66, Slg. 7040/A); da nach dem unstrittigen Sachverhalt auch innerhalb der zutreffenden - längeren - Rahmenfrist keine arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigung vorliegt, führt auch die in der unrichtigen Angabe der Rahmenfristerstreckung in der Begründung gelegene Fehlerhaftigkeit nicht zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 20. Oktober 2004

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2004080030.X00

Im RIS seit

24.11.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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