Norm
ABGB §1299 A2Rechtssatz
Die für die Haftung des Privatsachverständigen gegenüber Dritten entwickelten Grundsätze für die Folgen eines unrichtigen Gutachtens sind auch im deliktischen Bereich anwendbar. Die Frage, ob Interessen Dritter verfolgt werden, richtet sich nach dem Zweck des Gutachtens. Die Einholung eines Gutachtens im Strafverfahren dient der Erforschung der materiellen Wahrheit, soll also die Grundlagen dafür schaffen, die Schuld oder Unschuld eines Angeklagten festzustellen. Ergibt sich im Zuge eines Strafverfahrens aus dem dem Sachverständigen erteilten Auftrag oder aber im Zuge der Befundaufnahme, dass ein Verdacht besteht, dass ein anderer als der Beschuldigte bzw Angeklagte als Haupt- oder Nebentäter in Betracht kommt, muss wegen der amtswegigen Verpflichtung zur Verfolgung von Straftaten mit dessen Verfolgung gerechnet werden, so dass auch jener vom Schutzzweck der gerichtlichen Bestellung eines Sachverständigen mitumfasst ist, ohne dass es darauf ankommt, ob der Betreffende als Zeuge im Verfahren vernommen wurde. Der Gutachtensauftrag umfasst in einem solchen Fall Tatsachenermittlungen zur Aufklärung einer bestimmten Straftat, mit deren Verfolgung vom Sachverständigen auch gegenüber einem anderen gerechnet werden muss. Sofern diese Tatsachen auch den Gegenstand anderer Beweismittel, etwa von Zeugenaussagen, bilden, stehen sie noch im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Zweck des Gutachtensauftrags, sodass auch derjenige, der durch ein Gutachten in den Verdacht einer falschen Zeugenaussage gerät, vom Schutzzweck mit umfasst ist.
Entscheidungstexte
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2000:RS0114126Im RIS seit
05.10.2000Zuletzt aktualisiert am
04.02.2020