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21/03 GesmbH-Recht;Norm
GewO 1994 §13 Abs7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Bayjones und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde der "J" Friseur GmbH in M, vertreten durch Dr. Daniel Charim, Mag. Wolfgang Steiner und Mag. Anton Hofstetter, Rechtsanwälte in 1090 Wien, Wasagasse 4, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 3. September 2002, Zl. WST1-B-0289, betreffend Entziehung der Gewerbeberechtigung, nach der am 20. Oktober 2004 durchgeführten mündlichen Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages der Berichterin sowie des Vertreters der Beschwerdeführerin, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Mödling vom 3. April 2002 wurde der Beschwerdeführerin die Gewerbeberechtigung für die Ausübung des Friseur- und Perückenmachergewerbes im näher bezeichneten Standort gemäß § 91 Abs. 2 iVm § 87 Abs. 1 Z. 2 GewO 1994 entzogen. In der Begründung führte die erstinstanzliche Behörde aus, mit Beschluss des Bezirksgerichtes Mödling vom 3. Dezember 2001 sei über das Vermögen des S. A., des alleinigen selbstständig vertretungsbefugten handelsrechtlichen Geschäftsführers der Beschwerdeführerin ein Schuldenregulierungsverfahren mangels Kostendeckung nicht eröffnet worden. Da dieser Umstand einen Gewerbeentzugsgrund gemäß § 87 Abs. 1 Z. 2 GewO 1994 darstelle, sei die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 9. Dezember 2001 aufgefordert worden, S. A. binnen drei Monaten aus ihrer Gesellschaft zu entfernen; dies sei jedoch nicht erfolgt.
In ihrer Berufung brachte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vor, die Behörde habe nicht berücksichtigt, warum es zur Abweisung des Schuldenregulierungsverfahrens gekommen sei. Der Beschluss des Bezirksgerichtes Mödling gehe auf einen Antrag der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft zurück, deren Forderung in der Höhe von über S 53.000,-- im Zusammenhang mit einer schweren Krebserkrankung des Geschäftsführers entstanden sei. Außer der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft habe es keine anderen Gläubiger gegeben. Der Geschäftsführer habe in der Folge mit der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft eine Ratenvereinbarung geschlossen, die auch eingehalten werde. Das aus seiner Tätigkeit als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Beschwerdeführerin bezogene regelmäßige Einkommen erlaube es ihm, die während seiner Erkrankung aufgelaufenen Schulden in Raten zu begleichen. Eine weitere Ausübung des Gewerbes sei daher vorwiegend im Interesse des einzigen Gläubigers.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 3. September 2002 wurde der Berufung keine Folge gegeben.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 91 Abs. 2 GewO 1994 seien Änderungen im maßgebenden Sachverhalt nach Ablauf der dem Gewerbetreibenden gesetzten behördlichen Frist unbeachtlich. Der Gesetzgeber sehe insofern mit der genannten Regelung nur eine Sanktion für die Nichtentfernung der natürlichen Person, der ein maßgebender Einfluss auf den Betrieb ihrer Geschäfte zustehe, durch den Gewerbetreibenden vor. Die Behörde habe bei der Anwendung des § 91 Abs. 2 GewO 1994 nur zu prüfen, ob einer der im § 87 Abs. 1 genannten Tatbestände auf die natürliche Person, der ein maßgeblicher Einfluss auf den Betrieb der Geschäfte zustehe, sinngemäß zutreffe. Sie habe hingegen nicht zu prüfen, ob bezogen auf diese Person auch die Tatbestände des § 87 Abs. 2 bis 6 bzw. des § 26 (Nachsicht vom Gewerbeausschlussgrund) gegeben seien, weil § 91 Abs. 2 eine den vorgenannten Bestimmungen vergleichbare Regelung nicht kenne. § 91 Abs. 2 GewO 1994 enthalte keinen Verweis auf § 87 Abs. 2 bis 6 leg. cit.; eine entsprechende Regelung könne nicht ins Gesetz hineininterpretiert werden.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der ihre Behandlung mit Beschluss vom 23. Februar 2004, B 1566/02, ablehnte.
Zur behaupteten Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte, der Freiheit der Erwerbsbetätigung der Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie in sonstigen Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes, insbesondere der §§ 87 und 91 Abs. 2 GewO 1994 (vor der Gewerberechtsnovelle BGBl. I Nr. 111/2002) führte der Verfassungsgerichtshof Folgendes aus:
"Soweit die Beschwerde aber verfassungsrechtliche Fragen berührt, als die Rechtswidrigkeit der den angefochtenen Bescheid tragenden Rechtsvorschriften behauptet wird, lässt ihr Vorbringen vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes die behauptete Rechtsverletzung, die Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat:
Es ist nicht unsachlich, aus dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit auch im Privatbereich die Gefahr abzuleiten, dass jemand auch als Geschäftsführer den Eintritt einer Zahlungsunfähigkeit nicht verhindern wird oder sonst dadurch in der Erfüllung seiner Aufgaben beeinträchtigt wird. Da nach § 91 Abs. 2 GewO nur ein anderer Geschäftsführer zu bestellen ist, muss das Gesetz allfällige Härtefälle dabei nicht berücksichtigen."
Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu der wohl der Beschwerdevertreter, aber kein Vertreter der belangten Behörde erschienen ist, erwogen:
Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Nichtentziehung der Gewerbeberechtigung verletzt und bringt - wortident wie in ihrer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof - vor, die Rechtsansicht der belangten Behörde halte weder einer wörtlichen noch einer systematischen Interpretation des Gesetzes stand. Die in § 91 Abs. 2 GewO 1994 enthaltene Anordnung der sinngemäßen Anwendung des § 87 leg. cit. bedeute die Verpflichtung zur Heranziehung der gesamten Regel-Ausnahme-Mechanik dieser Bestimmung. Hätte der Gesetzgeber eine Regelung jenes Inhalts treffen wollen, den die belangte Behörde unterstelle, hätte er den Verweis wohl ausdrücklich auf bestimmte, auch nach Absatz und Ziffer konkretisierte Entziehungstatbestände beschränkt. Die Auffassung der belangten Behörde unterstelle der Regelung des § 91 Abs. 2 iVm § 97 GewO 1994 auch einen verfassungswidrigen Inhalt. Die Ausnahmetatbestände des § 87 Abs. 2 GewO 1994 wären nicht zu berücksichtigen, wenn ein Gewerbe in der Form einer Personengesellschaft des Handelsrechts oder - wie im Beschwerdefall - in der Form einer personalistisch strukturierten juristischen Person betrieben werde. Eine Differenzierung danach, ob das Gewerbe durch eine natürliche Person ausgeübt oder in anderen juristischen Formen betrieben werde, sei weder im öffentlichen Interesse geboten noch zur Erreichung eines bestimmten Zieles geeignet oder adäquat noch sonst sachlich zu rechtfertigen. Die Rechtsauffassung der belangten Behörde entziehe den Ausnahmetatbeständen des § 87 Abs. 2 bis 6 GewO 1994 auch weitgehend den Anwendungsbereich. Immer öfter bedienten sich Personen, die beabsichtigen, ein Gewerbe zu betreiben, aus steuerlichen oder rechtlichen Gründen der Form einer Personenhandelsgesellschaft oder einer personalistisch strukturierten GmbH. Es bestehe im Zusammenhang der vorliegenden Regelung keinerlei öffentliches Bedürfnis, diese anders zu behandeln als natürliche Personen. Tatsächlich stehe hinter personalistisch organisierten Kapitalgesellschaften zumeist ein Mehrheits- oder Alleingesellschafter, der auch Geschäftsführer und treibende Kraft hinter der Gewerbeausübung sei. Der Gesetzgeber habe in den letzten Jahren die Errichtung von Gesellschaften mit beschränkter Haftung als Ein-Mann-Gesellschaften zugelassen. Es sei nicht einzusehen, aus welchem Grund die Personenhandelsgesellschaft bzw. die personalistisch strukturierte Kapitalgesellschaft gegenüber der gewerbetreibenden natürlichen Person benachteiligt werden sollte, sofern der Entziehungsgrund in der Person des Mehrheitsgesellschafters und Geschäftsführers eintrete, bzw. welchem Zweck eine derartige Differenzierung überhaupt dienen sollte. Der Mehrheitsgesellschafter und Geschäftsführer der Beschwerdeführerin erziele aus seiner Tätigkeit als Geschäftsführer sowie aus seiner Beteiligung an dieser ein regelmäßiges Einkommen, das ihm erlaube, die während seiner Erkrankung aufgelaufenen Schulden bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft in Raten zu begleichen. Der Entzug der Gewerbeberechtigung würde die Beendigung der gewerblichen Tätigkeit der Beschwerdeführerin bedeuten und in weiterer Folge nicht nur dem Geschäftsführer die Möglichkeit entziehen, regelmäßiges Einkommen zu erzielen, sondern auch mehreren Dienstnehmern die Arbeitsplätze kosten. Es liege kein relevanter Wertungsunterschied zur Gewerbeausübung durch eine natürliche Person vor.
Der Zweck bzw. die sachliche Rechtfertigung einer Regelung, wie sie die belangte Behörde annehme, sei umso weniger einsichtig, als jene Verbindlichkeiten, die die Entziehung ausgelöst hätten, ausschließlich dem privaten Bereich des Geschäftsführers entstammten und mit der gewerblichen Tätigkeit der Beschwerdeführerin nichts zu tun hätten. Etwas anderes könnte allenfalls für kapitalistisch strukturierte Kapitalgesellschaften gelten, bei denen die Geschäftsführer möglicherweise beliebig austauschbar seien. Eine danach differenzierende Regelung habe der Gesetzgeber jedoch nicht erlassen. Der Verweis des § 91 Abs. 2 GewO 1994 sei daher verfassungskonform dahin auszulegen, dass er nicht nur die Entziehungstatbestände des § 87 Abs. 1, sondern auch die sinngemäße Anwendung der Ausnahmeregelungen des § 87 Abs. 2 bis 6 GewO 1994 mit umfasse.
Mit diesem Vorbringen vermag die Beschwerdeführerin eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht darzutun.
Gemäß § 13 Abs. 3 GewO 1994 sind Rechtsträger, über deren Vermögen der Konkurs eröffnet wurde oder gegen die der Antrag auf Konkurseröffnung gestellt, der Antrag aber mangels eines zur Deckung der Kosten des Konkursverfahrens voraussichtlich hinreichenden Vermögens abgewiesen wurde, von der Gewerbeausübung als Gewerbetreibende (§ 38 Abs. 2) ausgeschlossen.
Zufolge § 13 Abs. 5 leg. cit. ist eine natürliche Person von der Ausübung des Gewerbes als Gewerbetreibender ausgeschlossen, wenn ihr ein maßgebender Einfluss auf den Betrieb der Geschäfte eines anderen Rechtsträgers als einer natürlichen Person zusteht oder zugestanden ist, auf die der Abs. 3 anzuwenden ist oder anzuwenden war.
Gemäß § 87 Abs. 1 Z. 2 leg. cit. ist die Gewerbeberechtigung (u.a.) von der Behörde zu entziehen, wenn einer der im § 13 Abs. 3 und 5 angeführten Umstände, die den Gewerbeausschluss bewirken, vorliegen.
Zufolge § 91 Abs. 2 leg. cit. hat die Behörde, wenn der Gewerbetreibende eine juristische Person oder eine Personengesellschaft des Handelsrechtes ist und sich die im § 87 angeführten Entziehungsgründe sinngemäß auf eine natürliche Person beziehen, der ein maßgebender Einfluss auf den Betrieb der Geschäfte zusteht, dem Gewerbetreibenden eine Frist bekannt zu geben, innerhalb der der Gewerbetreibende diese Person zu entfernen hat. Hat der Gewerbetreibende die genannte natürliche Person innerhalb der gesetzten Frist nicht entfernt, so hat die Behörde im Falle, dass der Gewerbetreibende der Gewerbeinhaber ist, die Gewerbeberechtigung zu entziehen.
Dem alleinigen handelsrechtlichen Geschäftsführer der Beschwerdeführerin kommt schon im Hinblick auf die rechtliche Organisationsform der Beschwerdeführerin ein maßgeblicher Einfluss im Sinne des § 91 Abs. 2 GewO 1994 zu (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 1997, Zl. 97/04/0004, mwH). Weiters steht unstrittig fest, dass die Beschwerdeführerin ihren alleinigen handelsrechtlichen Geschäftsführer nicht innerhalb der von der Behörde gesetzten Frist entfernt hat.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in dem angeführten Erkenntnis vom 28. Jänner 1997 dargelegt hat, hat die Behörde bei Anwendung des § 91 Abs. 2 GewO 1994 nur zu prüfen, ob einer der im § 87 Abs. 1 leg. cit. genannten Tatbestände auf die natürliche Person, der ein maßgeblicher Einfluss auf den Betrieb der Geschäfte zusteht, sinngemäß zutrifft. Sie hat jedoch nicht prüfen, ob - bezogen auf diese Person - auch Tatbestände des § 87 Abs. 2 bis 6 GewO 1994 bzw. des § 26 GewO 1994 gegeben sind. Von dieser Rechtsprechung abzugehen, sieht sich der Verwaltungsgerichtshof auch aus Anlass des Beschwerdefalles nicht veranlasst. Damit ist aber das auf das allfällige Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen der § 87 Abs. 2 GewO 1994 gerichtete Beschwerdevorbringen nicht geeignet, die Beschwerde zum Erfolg zu führen.
Insoweit die Beschwerdeführerin die Verfassungswidrigkeit des § 91 Abs. 2 GewO geltend macht, ist ihr entgegenzuhalten, dass sie die diesbezüglichen Gründe bereits vor dem Verfassungsgerichtshof vorgebracht hat, dieser Gerichtshof jedoch - wie dargelegt - keine Bedenken gegen die Anwendung der genannten Bestimmung hatte und die Behandlung der Beschwerde ablehnte. Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich zu keiner anderen Betrachtungsweise veranlasst.
Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 20. Oktober 2004
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2004040051.X00Im RIS seit
25.11.2004