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62 Arbeitsmarktverwaltung;Norm
AlVG 1977 §33;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des R in W, vertreten durch Dr. Hans Schwarz, Rechtsanwalt in 1100 Wien, Favoritenstraße 108/3, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 13. März 2001, Zl. LGSW/Abt. 10-AlV/1218/56/2000-3841, betreffend Höhe der Notstandshilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.002,89 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gehen von folgendem unstrittigen Sachverhalt aus:
Der Beschwerdeführer bezog im Jahr 1988 Arbeitslosengeld. Dem Anspruch wurde ein monatliches Entgelt von S 27.130,-- zu Grunde gelegt, für die Ermittlung des Grundbetrages war somit die Höchstbemessungsgrundlage von S 26.400,-- maßgeblich; dies führte zu einem Anspruch auf Arbeitslosengeld von S 355,50 täglich (Lohnklasse 95).
Vom 1. November 1993 bis 9. Jänner 1994 wurde dem Beschwerdeführer der Fortbezug dieses Anspruches auf Arbeitslosengeldes bewilligt; das Entgelt aus 1988 wurde mit dem Valorisierungsfaktor aufgewertet, womit sich wiederum die Höchstbemessungsgrundlage von S 31.800,-- errechnete. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld betrug gemäß der Lohnklasse 113 S 414,50 täglich. Ab dem 10. Jänner 1994 bezog der Beschwerdeführer mit größeren Unterbrechungen Notstandshilfe.
Am 6. Juni 2000 hat der Beschwerdeführer neuerlich einen Antrag auf Gewährung von Notstandshilfe (Pensionsvorschuss) gestellt. Die Höhe dieses Anspruches ist auf seinen Antrag hin mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vom 11. September 2000 mit täglich S 183,-- festgestellt worden. In der Bescheidbegründung wurde nach Gesetzeszitaten ausgeführt, der Grundbetrag des letzten Anspruches auf Arbeitslosengeld sei im Jahr 1988 den Bestimmungen des § 21 AlVG entsprechend mit S 355,50 täglich festgesetzt worden. Da der tägliche Grundbetrag des Arbeitslosengeldes 1/30 des Ausgleichszulagenrichtsatzes (für das Jahr 2000 monatlich S 8.312,--) übersteige, betrage das Ausmaß der Notstandshilfe (vor Einkommensanrechnung) 92 v.H. des Arbeitslosengeld-Grundbetrages, das seien S 370,50 täglich. Das Nettoeinkommen der Ehefrau des Beschwerdeführers sei auf diesen Anspruch anzurechnen, es errechne sich eine tägliche Anrechnung von S 187,54. Unter Berücksichtigung dieser Einkommensanrechnung ergebe sich ein Anspruch auf Notstandshilfe (Pensionsvorschuss) in der Höhe von S 183,-- täglich.
In der Berufung vom 26. September 2000 hat der Beschwerdeführer ausgeführt, die Berechnung seines Anspruches sei unschlüssig und nicht richtig. Sein zuletzt bezogenes Arbeitslosengeld habe S 437,10, nämlich S 414,50 zuzüglich eines Familienzuschlages, betragen. Der Grundbetrag für die danach bezogene Notstandshilfe habe 92 % von 414,50, das seien S 381,30, betragen. Dieser Betrag sei gemäß § 36 Abs. 1 AlVG aufzuwerten. Die Aufwertung führe dazu, dass der Grundbetrag für die Berechnung der Notstandshilfe täglich S 413,70 betrage.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der Berufung keine Folge gegeben und den bekämpften Bescheid bestätigt. In der Begründung hat sie nach Gesetzeszitaten und einer Darstellung des Verwaltungsgeschehens Folgendes ausgeführt: Das Arbeitslosengeld des Beschwerdeführers sei im Jahr 1988 mit S 355,50 täglich bemessen worden. Für das Jahr 2000 wäre sein Anspruch auf Arbeitslosengeld mit S 400,40 täglich festzusetzen. Für die Berechnung der Notstandshilfe werde dieser Anspruch auf 92 % gekürzt, das seien S 368,40 täglich. Dieser Betrag werde nun mit dem Faktor 1,006 (vom Zuerkennungsjahr der Notstandshilfe 1994) dynamisiert, weshalb sich ein Grundbetrag von S 370,50 täglich ergebe. Sodann sei die Einkommensanrechnung vorzunehmen (es folgt eine - im Beschwerdefall unstrittige - Berechnung). Von dem Notstandshilfeanspruch von S 370,50 täglich sei das anrechenbare Einkommen von S 187,50 täglich abzuziehen, weshalb sich der Anspruch auf Notstandshilfe mit S 183,-- täglich ergebe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die der Sache nach Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer hält an seiner in der Berufung vorgetragenen Berechnung seines Anspruches fest. Er macht geltend, dass der tägliche Notstandshilfeanspruch bereits ab dem Jahr 1995 gemäß § 36 Abs. 1 AlVG aufzuwerten sei.
Die Beschwerde ist begründet:
Die Voraussetzungen des Anspruches auf Notstandshilfe sind in § 33 AlVG geregelt. Demnach ist Notstandshilfe auf Antrag zu gewähren, wenn der Anspruch auf Arbeitslosengeld erschöpft ist und der Antrag innerhalb von drei Jahren gestellt wird. Des Weiteren muss der Arbeitslose vermittelbar, arbeitsfähig und arbeitswillig sein und sich in Notlage befinden; außerdem darf kein Ruhensgrund vorliegen.
Die Notstandshilfe wird dem Arbeitslosen so lange gewährt, als die Voraussetzungen für den Bezug gegeben sind. Sie ist aber jeweils für einen bestimmten Zeitraum, höchstens jedoch für 52 Wochen, zuzusprechen. Nach Ablauf dieser Zeit bedarf es eines neuerlichen Antrages und die Behörde hat neuerlich die Erfüllung für Anspruchsvoraussetzungen zu überprüfen.
Das Ausmaß der Notstandshilfe richtete sich im Beschwerdefall zunächst nach § 36 Abs. 1 AlVG in der hier anzuwendenden Fassung BGBl. Nr. 380/1978, Nr. 615/1987, und I Nr. 139/1997:
"§ 36. (1) Der Bundesminister .... erlässt nach Anhörung der gesetzlichen Interessenvertretungen der Dienstgeber und der Dienstnehmer Richtlinien über das Ausmaß der Notstandshilfe. In diesen Richtlinien kann das Ausmaß insbesondere nach Familienstand, Sorgepflicht, Alter des Arbeitslosen und Dauer der Arbeitslosigkeit abgestuft werden. Die Notstandshilfe darf jedoch mit keinem höheren Betrag als dem des Arbeitslosengeldes festgesetzt werden und unbeschadet der Bestimmungen des Abs. 2 nicht unter 75 v.H. des Arbeitslosengeldes sinken. Wurde die Notstandshilfe vor mehr als zwei Jahren zuerkannt, so ist sie mit Wirkung vom 1. Jänner eines jeden darauf folgenden Jahres mit Ausnahme der Jahre 1998 und 1999 mit dem Anpassungsfaktor des betreffenden Kalenderjahres (§ 108f ASVG) zu vervielfachen. Die erste Vervielfachung ist mit Wirkung vom 1. Jänner 1979 vorzunehmen. Die Bestimmung, wonach die Notstandshilfe mit keinem höheren Betrag als dem des Arbeitslosengeldes festgesetzt werden darf, sowie § 21 Abs. 5 finden auf diese Fälle keine Anwendung."
Auf Grund der in dieser Bestimmung festgelegten Verordnungsermächtigung wurde die Verordnung vom 10. Juli 1973 betreffend Richtlinien für die Gewährung der Notstandshilfe (Notstandshilfeverordnung) erlassen. Für die Festsetzung des Ausmaßes der Notstandshilfe ist § 1 dieser Verordnung anzuwenden; diese Bestimmung lautet in der hier maßgebenden Fassung BGBl. Nr. 319/1988, Nr. 388/1989 und Nr. 240/1996 wie folgt:
"(1) Das Ausmaß der Notstandshilfe beträgt:
1. 95 v.H. des in Betracht kommenden Grundbetrages des Arbeitslosengeldes, wenn der tägliche Grundbetrag 1/30 des Richtsatzes gemäß § 293 Abs. 1 lit. a sublit. bb des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes nicht übersteigt;
2. 92 v.H. des in Betracht kommenden Grundbetrages des Arbeitslosengeldes in den übrigen Fällen, wobei 95 v.H. des Richtsatzes nach Z. 1 nicht unterschritten werden darf; zuzüglich gebühren Familienzuschläge gemäß § 20 AlVG.
(2) Für die Ermittlung des täglichen Grundbetrages der Notstandshilfe bei der Bemessung gemäß § 36 Abs. 6 AlVG ist der jeweils anzuwendende Monatsbetrag durch 30 zu teilen."
Im Beschwerdefall ist die Höhe der Notstandshilfe im Sinne des § 36 Abs. 1 und § 1 Notstandshilfeverordnung strittig.
Notstandshilfe ist gemäß § 33 AlVG auf Antrag den Arbeitslosen zu gewähren, die den Anspruch auf Arbeitslosengeld erschöpft haben. Unter dem in § 1 Notstandshilfeverordnung verwendeten Begriff "des in Betracht kommenden Arbeitslosengeldes" ist folglich jenes Arbeitslosengeld zu verstehen, dessen Erschöpfung Leistungsvoraussetzung für die Notstandshilfe ist. Im Beschwerdefall ist unstrittig, dass dem Beschwerdeführer zuletzt 1994 Arbeitslosengeld von täglich S 414,50 (Lohnklasse 113) zuerkannt worden ist. Dieser tägliche Anspruch von S 414,50 ist der Grundbetrag im Sinne des § 1 Notstandshilfeverordnung. Die Ermittlung des Ausmaßes der Notstandshilfe gemäß § 1 Notstandshilfeverordnung ist zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens unstrittig mit 92 v.H. dieses Grundbetrages vorzunehmen. § 36 Abs. 1 AlVG in der oben wiedergegebenen Fassung ordnet die Valorisierung des so ermittelten Anspruches auf Notstandshilfe an, wenn die Notstandshilfe vor mehr als zwei Jahren zuerkannt worden ist; die Valorisierung ist - jedoch anders als der Beschwerdeführer meint - mit Ausnahme der Jahre 1998 und 1999 vorzunehmen. Diese Valorisierung wird aber gemäß § 36 Abs. 1 AlVG erst dann wirksam, wenn die Notstandshilfe vor mehr als zwei Jahren erstmals zuerkannt wurde. Im Gegensatz zur Regelung des § 21 Abs. 2 AlVG wird aber nicht das der Berechnung des Grundbetrages zu Grunde zu legende Entgelt aufgewertet und eine Neufeststellung durchgeführt, sondern die bereits gewährte Leistung valorisiert. Diese Valorisierungsbestimmung wurde ab 1. Juli 1978 mit BGBl. Nr. 380/1978 eingefügt. In den Erläuterungen (876 Blg. NR XIV. GP, 3) hiezu ist angeführt:
"Nach den geltenden Bestimmungen ist die Notstandshilfe zeitlich unbegrenzt zu gewähren. Wird die Notstandshilfe längere Zeit bezogen, so tritt im Hinblick auf die gleich bleibende Höhe eine Kaufkraftverminderung ein.
Da die Notstandshilfe, so wie das Arbeitslosengeld, grundsätzlich eine vorübergehende Leistung darstellt, erscheint eine Dynamisierung nach dem ersten Jahr des Bezuges nicht erforderlich. Dauert der Bezug jedoch länger als zwei Jahre, so ist nach den Erfahrungen der Arbeitsmarktverwaltung eine längere Bezugsdauer zu befürchten. Für diese Fälle sieht der Gesetzentwurf eine Dynamisierung der Notstandshilfe vor, derart, dass erstmalig die Notstandshilfe von Personen, die am 1. Jänner 1979 in Bezug dieser Leistung stehen oder im Laufe des Jahres 1979 in den Bezug dieser Leistung treten und ihre Notstandshilfe erstmalig im Jahr 1976 oder früher zuerkannt erhielten, mit der Richtzahl des Kalenderjahres 1979 vervielfacht werden.
Unter Personen, die im Laufe des Jahres 1979 in den Bezug der Notstandshilfe treten, sind jene Personen zu verstehen, die ihren Notstandshilfebezug z.B. wegen Krankheit, vorübergehender Beschäftigung, unterbrochen haben und nunmehr den Fortbezug begehren.
In den folgenden Jahren ist in gleicher Weise vorzugehen."
Die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gehen davon aus, dass der Beschwerdeführer vom 1. November 1993 bis 9. Jänner 1994 Arbeitslosengeld von täglich S 414,50 und ab 10. Jänner 1994 mit größeren Unterbrechungen Notstandshilfe, zeitweise als Pensionsvorschuss, bezogen hat. Dem Beschwerdeführer war daher bereits ab 10. Jänner 1994 Notstandshilfe im Sinne der obigen Ausführungen in dem - insofern unstrittigen - Ausmaß zuzusprechen. Diese einmal bemessene Notstandshilfe ist für jeden neuen Antrag, für den die sonstigen Voraussetzungen, nämlich die in § 33 AlVG genannten, gegeben sind, weiter zu gewähren und nur mehr die Valorisierung gemäß § 36 Abs. 1 vorzunehmen. Der nunmehr in Rede stehende Antrag stammt vom 6. Juni 2000. Der im Sinne des § 36 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Notstandshilfeverordnung berechnete Anspruch auf Notstandshilfe im Jahr 1994 ist daher nach dem
4. Satz des § 36 Abs. 1 AlVG zu valorisieren; dies somit erstmals nach zwei Jahren und mit Ausnahme der Jahre 1998 und 1999, sohin in den Jahren 1996, 1997 und 2000. Von dem so zu errechnenden täglichen Anspruch ist der - im Beschwerdeverfahren unstrittige - Anrechnungsbetrag auf Grund des Einkommens der Ehefrau des Beschwerdeführers in Abzug zu bringen.
Da die belangte Behörde dies verkannt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich - im Rahmen des gestellten Begehrens - auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 20. Oktober 2004
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2001080071.X00Im RIS seit
25.11.2004