TE Vwgh Erkenntnis 2004/10/20 2004/08/0023

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Veröffentlicht am 20.10.2004
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Index

62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §16 Abs1 litg;
AlVG 1977 §16 Abs3 idF 1987/615;
AlVG 1977 §16 Abs3;
AlVG 1977 §23 Abs1;
AlVG 1977 §23 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Köller, Dr. Moritz und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des J in G, vertreten durch Dr. Martina Schweiger-Apfelthaler, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Graf Starhemberg-Gasse 39/12, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Niederösterreich vom 23. Dezember 2003, Zl. LGS NÖ/RAG/12181/2003, betreffend Ruhen des Arbeitslosengeldes gemäß § 16 AlVG, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde dem Ansuchen des Beschwerdeführers, das Ruhen des ihm gemäß § 23 Abs. 1 AlVG vorschussweise gewährten Arbeitslosengeldes für die Dauer eines Auslandsaufenthaltes vom 5. bis 13. Juli 2003 nachzusehen, keine Folge gegeben. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer am 14. April 2001 bei der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten einen Antrag auf Gewährung einer Berufsunfähigkeitspension gestellt habe; gegen den abweisenden Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten habe er Klage beim Landesgericht Wiener Neustadt eingebracht. Am 29. Jänner 2003 habe der Beschwerdeführer den Antrag auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld als Bevorschussung von Leistungen aus der Pensionsversicherung gestellt. Gemäß den gesetzlichen Bestimmungen sei ihm ein Pensionsvorschuss in Höhe von EUR 23,87 täglich zuerkannt und angewiesen worden. Der Beschwerdeführer habe vom 30. Jänner bis 12. Februar 2003, vom 16. Februar bis 14. Juli 2003, vom 14. Juli bis 14. August 2003, vom 25. August bis 17. September 2003 und vom 23. September bis 31. Oktober 2003 Arbeitslosengeld als Pensionsvorschuss bezogen. Per Mail vom 2. Juli 2003 habe der Beschwerdeführer der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Mödling bekannt gegeben, dass er sich in der Zeit vom 4. Juli 2003 bis voraussichtlich 20. Juli 2003 in der BRD aufhalten werde. Er habe darin gebeten, den Pensionsvorschuss auch für diese Zeit nach § 16 Abs. 3 AlVG weiter anzuweisen. Per Mail vom 13. Juli 2003 habe der Beschwerdeführer die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Mödling davon in Kenntnis gesetzt, dass er ab sofort wieder an seinem bekannten Wohnort in G. aufhältig sei. Am 17. Juli 2003 habe der Beschwerdeführer weiters ausgeführt, dass er in der Zeit vom 4. bis 13. Juli 2003 bei seiner Familie in Deutschland (in Verbindung mit dem 60. Geburtstag seines Bruders) aufhältig gewesen sei.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass - auch wenn Pensionswerber nicht zur Suche eines Arbeitsplatzes verpflichtet seien und daher von der Arbeitsfähigkeit, Arbeitswilligkeit und Arbeitsbereitschaft abgesehen werde - für die Gewährung von Pensionsvorschuss die übrigen Voraussetzungen für Arbeitslosengeld gegeben sein müssten. Die Bestimmung des § 16 Abs. 1 lit. g AlVG (Ruhen des Arbeitslosengeldes bei Auslandsaufenthalt) sei auch bei der Bevorschussung von Leistungen aus der Pensionsversicherung anwendbar. Das Ansuchen des Beschwerdeführers, vom Ruhen des Arbeitslosengeldes in der Zeit vom 4. bis 13. Juli 2003 abzusehen, sei nach Anhörung des Regionalbeirates negativ beurteilt worden. Der Auslandsaufenthalt habe nicht auf zwingenden familiären Gründen beruht. Solche zwingenden Gründe seien beispielsweise: Das Ableben und die Teilnahme an der Bestattung eines Elternteiles, des Ehegatten oder Lebensgefährten, einer Schwester bzw. eines Bruders; die eigene Eheschließung, die Entbindung der Ehefrau bzw. der Lebensgefährtin; ein Wohnungswechsel mit eigenem Mobiliar, die Eheschließung eines Kindes, Stief- oder Adoptivkindes; Weihnachten; Ostern; Pfingsten. Die aufgezählten Tatbestände seien analog zu den Regelungen des Kollektivvertrages für das eisen- und metallverarbeitende Gewerbe als zwingende familiäre Gründe anzusehen und könnten zu einer jeweils mit einer Höchstdauer begrenzten Nachsicht vom Ruhen bei Auslandsaufenthalt führen. Diese Höchstdauer betrage beispielsweise anlässlich der eigenen Eheschließung 3 Tage. Der Beschwerdeführer sei jedoch vom 4. bis 13. Juli 2003 wegen des 60. Geburtstages seines Bruders im Ausland aufhältig gewesen. Der Auslandsaufenthalt habe daher ohne den Abreisetag 9 Tage gedauert. Nachsicht sei dann zu gewähren, wenn der Auslandsaufenthalt auf zwingenden familiären Gründen beruhe; dieser Gesetzeswortlaut lasse ein Abstellen auf "bloß persönliche sittliche Verhaltensweisen oder Verpflichtungen" nicht zu. Der

60. Geburtstag eines im Ausland lebenden Bruders eines Leistungsbeziehers sei kein berücksichtigungswürdiger Umstand, um Nachsicht vom Ruhen bei Auslandsaufenthalt im Ausmaß von 9 bis 10 Tagen zu gewähren.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Begehren, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 16 Abs. 1 lit. g AlVG ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld während des Aufenthaltes im Ausland, soweit nicht Abs. 3 oder Regelungen auf Grund internationaler Verträge anzuwenden sind. Gemäß § 16 Abs. 3 AlVG ist auf Antrag des Arbeitslosen das Ruhen des Arbeitslosengeldes gemäß Abs. 1 lit. g bei Vorliegen berücksichtigungswürdiger Umstände nach Anhörung des Regionalbeirates bis zu 3 Monate während eines Leistungsanspruches nachzusehen. Berücksichtigungswürdige Umstände sind Umstände, die im Interesse der Beendigung der Arbeitslosigkeit gelegen sind, insbesondere wenn sich der Arbeitslose ins Ausland begibt, um nachweislich einen Arbeitsplatz zu suchen oder um sich nachweislich beim Arbeitgeber vorzustellen oder um sich einer Ausbildung zu unterziehen, oder Umstände, die auf zwingenden familiären Gründen beruhen.

§ 16 Abs. 1 lit. g AlVG ist auch auf das gemäß § 23 Abs. 1 AlVG gewährte vorschussweise Arbeitslosengeld anzuwenden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 1999, Zl. 99/02/0273), auf dessen Entscheidungsgründe diesbezüglich gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird.

In seinem Erkenntnis vom 26. Mai 2004, Zl. 2001/08/0182, hat der Verwaltungsgerichtshof unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien und den Kommentar von Dirschmied/Pfeil zum AlVG ausgeführt, dass nur in Ausnahmefällen familiäre Gründe berücksichtigungswürdige Umstände für die Erteilung der Nachsicht vom Ruhen des Anspruches auf Geldleistungen aus der Arbeitslosenversicherung darstellen können. Nach der vom Verwaltungsgerichtshof zitierten Lehrmeinung schließe die beispielhafte Aufzählung in den Materialien die Nachsicht bei Teilnahme an anderen nach Herkommen und Sitte bedeutenden Familienereignissen nicht aus.

Der Sachverhalt erweist sich als im Wesentlichen jenem gleich gelagert, der dem die selben Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens betreffenden Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom heutigen Tag, Zl. 2003/08/0270, zu Grunde lag; auf dessen Begründung wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333. Das Mehrbegehren war abzuweisen, da im zugesprochenen Schriftsatzaufwand von EUR 991,20 die Umsatzsteuer bereits enthalten ist.

Wien, am 20. Oktober 2004

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2004080023.X00

Im RIS seit

17.01.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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