TE Vwgh Erkenntnis 2004/10/21 2004/06/0106

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Veröffentlicht am 21.10.2004
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Index

L82306 Abwasser Kanalisation Steiermark;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
81/01 Wasserrechtsgesetz;

Norm

B-VG Art10 Abs1 Z10;
B-VG Art15 Abs1;
KanalG Stmk 1988 §4 Abs5;
WRG 1959 §32;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, über die Beschwerde

1. des Dipl. Ing. F F und 2. der M F, beide in T, vertreten durch Dr. Thomas Stampfer, Dr. Christoph Orgler und Mag. Manja Schlossar-Schiretz, Rechtsanwälte in Graz, Schmiedgasse 21, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 24. Mai 2004, Zl. FA13B-12.10 T 122 - 04/16, betreffend Ausnahme von der Kanalanschlussverpflichtung (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde T, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat den Beschwerdeführern zusammen Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführer sind Eigentümer einer Liegenschaft im Gebiet der mitbeteiligten Gemeinde, auf welcher sich ihr Wohnhaus befindet.

Mit Eingabe vom 13. Juni 1994 brachten die Beschwerdeführer bei der Bezirkshauptmannschaft (BH) Graz-Umgebung als Wasserrechtsbehörde einen Antrag um wasserrechtliche Bewilligung einer biologischen Kleinkläranlage auf ihrer Liegenschaft ein. Es heißt in den Projektunterlagen, zur Reduktion von Schwimm- und Feststoffen im Abwasser werde eine mechanische Vorreinigung durch das Filtersacksystem eingesetzt (es folgt eine nähere Beschreibung). Die Filtersäcke seien ein- bis zweimal jährlich der Filtersackkammer zu entnehmen und fachgerecht auf dem eigenen Grundstück zu kompostieren. Der ausgereifte Kompost könne für Baumscheiben, Sträucher, Blumenbeete, jedoch nicht im Gemüseanbau verwendet werden.

Mit Bescheid der BH Graz-Umgebung vom 21. Dezember 1994 wurde den Beschwerdeführern die angestrebte wasserrechtliche Bewilligung zur Errichtung und zum Betrieb einer biologischen Kleinkläranlage auf ihrer Liegenschaft sowie zur Einleitung einer näher umschriebenen Menge biologisch gereinigter Abwässer in einen bestimmten Wasserlauf, befristet bis zum 31. Dezember 2000, mit verschiedenen Vorschreibungen erteilt. Unter Punkt 14. dieser Auflagen heißt es, der Schlamm der mechanischen Stufe sei entweder im Sinne des Stmk. Bodenschutzgesetzes oder auf flüssigkeitsdichter Unterlage gegen Auswaschen durch Niederschlagswässer abgedeckt zu kompostieren.

Mit Bescheid derselben Behörde vom 16. Februar 1996 wurde festgestellt, dass die Anlage mit der erteilten Bewilligung vom 21. Dezember 1994 übereinstimme.

Mit Eingabe vom 13. Februar 1996 an diese BH (eingelangt am 21. Februar 1996) ersuchten die Beschwerdeführer "die Befristung unserer biologischen Kleinkläranlage zu verlängern".

Mit dem vom Vizebürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde gefertigten Schreiben vom 11. März 1997 wurden die Beschwerdeführer davon in Kenntnis gesetzt, dass mit dem Bau eines Anschlusskanales voraussichtlich Mitte März 1997 begonnen werde; sie wurden darauf aufmerksam gemacht, dass ihre Liegenschaft im Anschlussbereich liege (Hinweis auf die Anschlusspflicht nach dem Steiermärkischen Kanalgesetz - in der Folge kurz: KanalG).

Mit Schreiben vom 7. April 1997 an die Gemeinde erwiderten die Beschwerdeführer, sie betrieben seit einigen Jahren eine Kleinkläranlage und würden dies auch zukünftig tun. Sie sähen daher das Schreiben vom 11. März 1997 als gegenstandslos an.

Mit dem erstinstanzlichen Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 23. Juli 1997 wurden die Beschwerdeführer verpflichtet, die Schmutzwässer ihres Wohnhauses auf eigene Kosten über eine Hauskanalanlage in die öffentliche Kanalanlage der Gemeinde abzuleiten.

Dagegen erhoben die Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 31. Juli 1997 Berufung, beantragten zugleich die Erteilung einer Ausnahmebewilligung nach § 4 Abs. 5 KanalG, und brachten dazu unter anderem vor, der Nachweis der schadlosen Entsorgung der Abwässer sei durch die rechtskräftige wasserrechtliche Bewilligung erbracht.

Über Anfrage des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 3. September 1997 gab der Landeshygieniker für die Steiermark (Univ. Doz. Ing. Dr. M. K) eine Stellungnahme vom 10. Oktober 1997 ab.

Darin heißt es, hinsichtlich der Entsorgung der Filtersäcke werde im wasserrechtlichen Einreichprojekt festgehalten, dass die Filtersäcke ein- bis zweimal jährlich der Filterkammer zu entnehmen und fachgerecht auf dem eigenen Grundstück zu kompostieren seien. Der ausgereifte Kompost könne für Baumscheiben, Sträucher, Blumenbeete, jedoch nicht im Gemüseanbau verwendet werden.

Der Frage der Entsorgung von Rückständen aus der Abwasserreinigung, insbesondere bei kleineren Anlagen im ländlichen Bereich, werde heute aus hygienischer Sicht eine zunehmend größere Bedeutung beigemessen als noch vor einigen Jahren. Unter Einbeziehung der hygienischen und umwelthygienischen Aspekte und Grundprinzipien "unserer Regionen" sei zu der angeführten Praxis der Filtersackentsorgung Folgendes festzuhalten:

Entsprechend der Funktionsweise der Abwasserreinigung mittels Filtersack handle es sich bei dem in den Säcken vorhandenen Gut um ein Gemisch aus Fäkalien, Hygieneartikeln und sonstigen in das Abwassersystem gelangenden Stoffen, die aufgrund ihrer Größe den Filtersack nicht passieren könnten. Unabhängig von der Anlagengröße seien gefüllte Filtersäcke aufgrund ihres Inhaltes an Humanfäkalien seuchenhygienisch bedenkliche Abfälle aus der Abwasserreinigung.

Aus hygienischer Sicht sei festzustellen, dass bei der Eigenkompostierung von biogenen Abfällen aufgrund der Verfahrensbedingungen keine Hygienisierung des Rottegutes erfolge. Diese seuchenhygienischen Aspekte hätten bei der Erstellung der gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Eigenkompostierung bereits Eingang gefunden und es sei deshalb das Einbringen von Fäkalien in eine Einzelkompostierung gemäß der Verordnung des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie über die getrennte Sammlung biogener Abfälle, BGBl. Nr. 68/1992, grundsätzlich nicht vorgesehen. In diesem Zusammenhang werde auf den in der Schriftenreihe "der Sektion III vom Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie veröffentlichten Band 33", Abfallwirtschaft, hingewiesen, in dem die fachlichen Grundlagen der hygienischen Aspekte von Einzelkompostierungen ausführlich dargelegt seien.

Weder durch die Eigenkompostierung noch durch die Langzeitlagerung der Filtersäcke auf dem eigenen Grundstück würden die heutigen Anforderungen an eine fachgerechte Entsorgung aus hygienischer Sicht erfüllt.

Da bei der Eigenkompostierung keine Hygienisierung des Rottegutes erfolge, sei davon auszugehen, dass unerwünschte Infektionskreisläufe geschlossen und eine Reihe von Infektionserregern wieder auf den Menschen übertragen werden könnten.

Mit Bescheid vom 23. Jänner 1998 erteilte die BH Graz-Umgebung den Beschwerdeführern die "Wiederverleihung" des Wasserbenutzungsrechtes zum Betrieb ihrer Abwasserentsorgungsanlage sowie zur Einleitung einer näher bezeichneten Menge gereinigter Abwässer in einen bestimmten Wasserlauf, befristet bis zum 31. Dezember 2026, mit verschiedenen Vorschreibungen. In Punkt 10. der Auflagen heißt es: "Der Schlamm der mechanischen Stufe ist entweder im Sinne des Stmk. Bodenschutzgesetzes oder auf flüssigkeitsdichter Unterlage gegen Auswaschen durch Niederschlagswässer abgedeckt zu kompostieren".

Dagegen erhob die mitbeteiligte Gemeinde, unter anderem gestützt auf die Stellungnahme des Landeshygienikers vom 10. Oktober 1997 und auf Bestimmungen des Steiermärkischen landwirtschaftlichen Bodenschutzgesetzes, LGBl. Nr. 66/1987, Berufung. Mit der Vorschreibung der Auflage 10 im bekämpften Bescheid scheine eine Entsorgung des Klärschlammes, welcher die Kriterien des Hygienestandards erfülle, nicht gewährleistet zu sein.

Mit Berufungsbescheid der belangten Behörde vom 3. März 1998 wurde die Berufung (mangels entsprechenden Mitspracherechtes) zurückgewiesen.

Mangels Fortganges des Verfahrens (Ausnahmebewilligung nach § 4 Abs. 5 KanalG) auf Gemeindeebene brachten die Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 25. Mai 2003 (eingelangt am 6. Juni 2003) einen Devolutionsantrag ein und begehrten die Entscheidung durch den Gemeinderat.

Über Anfrage des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 23. Juli 2003 antwortete der Landeshygieniker (Univ.- Prof. Ing. Dr. M. Köck) mit Erledigung vom 25. Juli 2003, dass sich hinsichtlich der Ausführungen in der Stellungnahme vom 10. Oktober 1997 betreffend die Filtersäcke und deren Eigenkompostierung aus fachlicher Sicht bis heute nichts geändert habe. Aus umwelthygienischer Sicht seien damit die Ausführungen in der damaligen Stellungnahme nach wie vor aufrecht.

Mit Erledigung vom 4. August 2003 gewährte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde den Beschwerdeführern Parteiengehör unter anderem zu den beiden Stellungnahmen des Landeshygienikers vom 10. Oktober 1997 und 25. Juli 2003.

Die Beschwerdeführer erwiderten mit Eingabe vom 14. August 2003, sie verwiesen auf ihren Devolutionsantrag. Somit sei die Sache der Entscheidungsbefugnis des Bürgermeisters entzogen. Sie stünden dem Gemeinderat für alle diese Angelegenheit betreffenden Fragen zur Verfügung.

Hierauf wurde den Beschwerdeführern mit dem (erstinstanzlichen) Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 11. Dezember 2003 die angestrebte Ausnahmegenehmigung von der Anschlusspflicht gemäß § 4 Abs. 5 KanalG erteilt, allerdings nur bis auf Widerruf und längstens jedoch befristet bis zum 31. Dezember 2026, sowie unter Erteilung folgender Auflagen:

1. Die im Bescheid der BH Graz-Umgebung vom 23. Jänner 1998 aufgrund näher bezeichneter Auflagenpunkte der Wasserrechtsbehörde vorzulegenden Nachweise seien jeweils auch der Gemeinde vorzulegen (diese Nachweise werden näher umschrieben),

2. die Eigenkompostierung und die Langzeitlagerung der Filtersäcke und ihres Inhaltes (der Abwasserentsorgungsanlage der Beschwerdeführer) auf eigenem Grund werde untersagt,

3. jährlich bis längstens 31. Dezember sei der Nachweis der ordnungsgemäßen und unbedenklichen Entsorgung der Filtersäcke und der in den Filtersäcken anfallenden Abfälle zu erbringen.

Zusammengefasst wurde dies damit begründet, dass die Kläranlage der Beschwerdeführer nach den im wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren erhobenen Befunden grundsätzlich zur ordnungsgemäßen Schmutzwasserentsorgung geeignet sei. Im Hinblick auf das in den Filtersäcken verbleibende Gut bestünden jedoch, wie aus der Stellungnahme des Landeshygienikers nachvollziehbar und überzeugend hervorgehe (Hinweis auf die Stellungnahmen vom 10. Oktober 1997 und 25. Juli 2003) erhebliche Bedenken, weil keine Hygienisierung des Rottegutes erfolge und damit die Möglichkeit bestehe, dass Infektionskreisläufe geschlossen und Infektionserreger wieder auf den Menschen übertragen werden könnten. Durch die im wasserrechtlichen Bescheid (vom 23. Jänner 1998) erteilte Auflage Punkt 10. würden die notwendigen Kriterien des Hygienestandards nach der überzeugenden Darstellung des Sachverständigen nicht erfüllt. Insofern werde daher durch die Anlage der Beschwerdeführer den Erfordernissen der Hygiene nicht ausreichend entsprochen. Im Hinblick auf die in § 4 Abs. 5 KanalG normierten Erfordernisse sei daher zur Sicherstellung des Hygienestandards die Auflage zu erteilen gewesen, einen Nachweis über die schadlose Entsorgung beizubringen. Die im wasserrechtlichen Bewilligungsbescheid vorgesehene Eigenkompostierung komme daher aufgrund der Bestimmungen des Kanalgesetzes nicht in Frage. Von der Vorschreibung einer bestimmten technischen Entsorgungsart habe allerdings abgesehen werden können, weil dies, soweit die Unbedenklichkeit der gewählten Entsorgungsform nachgewiesen werde, im Ermessen der Beschwerdeführer bleiben könne. Da Ausnahmen gemäß § 4 Abs. 5 KanalG mit Beschränkungen auf eine bestimmte Zeitdauer oder gegen Widerruf zu erteilen seien, die von der Wasserrechtsbehörde "angesetzte Bewilligungsfrist" bis 2026 jedoch "ausgesprochen weitreichend" erscheine, und aufgrund der laufenden technischen Entwicklungen nicht sichergestellt sei, ob die Anlage der Beschwerdeführer auch in der Zeit bis dahin noch den im Gesetz geforderten Erfahrungen der technischen Wissenschaften und den Erfordernissen des Umweltschutzes und der Hygiene entspreche, sei die Bewilligung nur bis auf Widerruf, längstens jedoch bis zum Ablauf der von der Wasserrechtsbehörde gesetzten Frist zu befristen gewesen.

Mit Berufungsbescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom selben Tag wurde der Berufung der Beschwerdeführer gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 10. Dezember 2003 (Kanalanschlussverpflichtung) Folge gegeben und der bekämpfte erstinstanzliche Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG (ersatzlos) behoben, was mit der erteilten Ausnahmebewilligung begründet wurde.

Die Beschwerdeführer erhoben gegen den Bescheid betreffend die Ausnahmebewilligung Vorstellung an die belangte Behörde. Die Erteilung der Ausnahmebewilligung sowohl befristet als auch auf Widerruf sei rechtswidrig. Auch gebe es für einen Widerrufsvorbehalt, für die Befristung und für die Vorschreibung von Auflagen im Beschwerdefall keine Grundlage. Der nach § 4 Abs. 5 KanalG erforderliche Nachweis sei durch die wasserrechtliche Bewilligung erbracht worden, die Gemeindebehörden seien nicht berechtigt, die von der Wasserrechtsbehörde geprüften und bejahten Aspekte nochmals zu hinterfragen. Die Stellungnahme des Landeshygienikers vom 10. Oktober 1997 sei kein naturwissenschaftliches Gutachten, weil es nur unspezifische Bedenken aus der Literatur "und einer sachlich nicht zuständigen Verordnung des Bundesministers für Jugend und Familie (BGBl. 68/1992) referiert." Eine konkrete hygienischbakteriologische Untersuchung des fraglichen Rottegutes aus der Filtersackvorklärung sei niemals vorgenommen worden. Wäre dies geschehen, so hätte sich ergeben, dass im Beschwerdefall durch die mindestens ein Jahr lang dauernde Ablagerung der mit ungelöschtem Kalk bestreuten Filtersäcke und durch die nachfolgende Kompostierung des Inhaltes im Rottegut sehr wohl eine vollständige Hygienisierung der ausgeschiedenen Fäkalien erfolge und der daraus gewonnene Kompost daher auch unbedenklich am Rand ihres Wiesengrundstückes, also außerhalb des für den menschlichen Nährstoffkreislauf genutzten Fläche, in den Boden eingegraben werden könne. Dieser von den Beschwerdeführern betriebene Umfang mit dem Primärschlamm aus Filtersack-Vorkläranlagen sei in seinem unter seuchenhygienischen Gesichtspunkten sehr zufriedenstellenden Ergebnis übrigens auch in der Literatur nachzulesen (Hinweis auf G. Mitterer, Hygienisch-bakteriologische Untersuchungen an Pflanzenkläranlagen, Bericht aus Energie und Umweltforschung 11/1995, hrsg. vom Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst, Wien 1995, 31 ff). Dort komme die Autorin bei Primärschlammkompostierung - selbst ohne Abdeckung der Säcke mit ungelöschtem Kalk! - zur Schlussfolgerung, dass die Kombination von Lagerung und Kompostierung als eine ausreichende Hygienisierung des Filtersackmaterials gewertet werden könne. In dem aus der Untersuchung abgeleiteten "Leitfaden für die Filtersackkompostierung" (aaO Seite 50 ff) werde die Kompostierung unter dem Aspekt einer Kreislaufwirtschaft gar "als die ideale Verwertungsmethode für biogene Abfälle" beschrieben.

Insgesamt sei daher der Stellungnahme des Landeshygienikers nicht zu folgen. Wollte man eine derartige Haltung zum allgemeinen Maßstab der Gesetzgebung und des Verwaltungsvollzuges nehmen, so wäre die Abschaffung der seit Jahrtausenden - ohne Aussterben der Menschheit! - betriebenen bäuerlichen Landwirtschaft die logisch notwendige Konsequenz. Im Übrigen würden allein in der Steiermark einige Dutzend dieser Filtersackanlagen mit wasserrechtlicher Bewilligung betrieben. Der Bau einiger dieser Anlagen sei sogar mit Mitteln des Landes Steiermark gefördert worden.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 19. Februar 2004 wurde der Vorstellung Folge gegeben, der bekämpfte Bescheid aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde verwiesen. Tragender Aufhebungsgrund war, dass die Berechtigung zur Vorschreibung des Auflagepunktes 1. aus dem Gesetz nicht ableitbar und daher rechtswidrig sei (im Übrigen erachtete die belangte Behörde die Vorstellung als unbegründet).

Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 25. März 2004 (Ersatzbescheid) wurde den Beschwerdeführern die angestrebte Ausnahmegenehmigung gemäß § 4 Abs. 5 KanalG erteilt, jedoch (abermals) nur bis auf Widerruf und längstens befristet bis zum 31. Dezember 2026, sowie unter Vorschreibung zweier Auflagen, nämlich

1. die Eigenkompostierung und die Langzeitlagerung der Filtersäcke und deren Inhalt auf eigenem Grund werde untersagt, sowie

2. jährlich sei bis jeweils längstens 31. Dezember der Nachweis der ordnungsgemäßen und unbedenklichen Entsorgung der Filtersäcke und der in den Filtersäcken anfallenden Abfälle zu erbringen.

Soweit für das verwaltungsgerichtliche Verfahren erheblich, entspricht die Begründung jener des Bescheides vom 11. Dezember 2003.

Dagegen erhoben die Beschwerdeführer Vorstellung, in welcher sie (soweit hier erheblich) im Wesentlichen ihre Argumentation in der früheren Vorstellung wiederholten.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Vorstellung als unbegründet abgewiesen.

Nach Darstellung des Verfahrensganges und verschiedener gesetzlicher Bestimmungen heißt es begründend zusammengefasst, bereits aus dem klaren Wortlaut des § 4 Abs. 5 KanalG ("der Nachweis des Vorliegens") gehe hervor, dass der Nachweis über die tatsächlich vorhandene schadlose Schmutzwasserentsorgung zum Zeitpunkt der Entscheidung der Gemeindebehörde über die beantragte Ausnahmebewilligung vorliegen müsse und dieser Nachweis vom Ausnahmewerber zu erbringen sei (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 1993, Zl. 92/06/0248).

Die Gemeindebehörde sei mit der Erteilung der Ausnahmebewilligung bis auf Widerruf sowie bis längstens Ende 2026 (Befristung der wasserrechtlichen Bewilligung) auch nicht willkürlich vorgegangen. Der Widerruf könne selbstverständlich nicht willkürlich geschehen, sondern nur im Rahmen des Gesetzes, beispielsweise dann, wenn die wasserrechtliche Bewilligung, aus welchen Gründen auch immer, für die gegenständliche Kläranlage nicht mehr vorhanden sei.

Gemäß § 4 Abs. 5 KanalG könnten Ausnahmen von der Kanalanschlussverpflichtung nur dann erteilt werden, wenn die Schmutzwasserentsorgungsanlage unter anderem den Erfordernissen des Umweltschutzes und der Hygiene entspreche. Nichts anderes habe die Gemeindebehörde getan, als zu prüfen, ob im Beschwerdefall die hygienischen Voraussetzungen gegeben seien. Es sei daher die "Prüfung und Fragestellung" an den Landeshygieniker durchaus gerechtfertigt gewesen. Wie der Landeshygieniker in seinen Stellungnahmen vom 10. Oktober 1997 und 25. Juli 2003 zum Ausdruck bringe, würden weder durch die Eigenkompostierung noch durch die Langzeitlagerung der Filtersäcke auf dem eigenen Grundstück die heutigen Anforderungen an eine fachgerechte Entsorgung aus hygienischer Sicht erfüllt, weil bei der Eigenkompostierung keine Hygienisierung des Rottegutes erfolge und deshalb davon auszugehen sei, dass unerwünschte Infektionskreisläufe geschlossen und eine Reihe von Infektionserregern wieder auf den Menschen übertragen werden könnten. Ein Widerspruch zum wasserrechtlichen Bewilligungsbescheid vom 23. Jänner 1998 sei nicht gegeben. Wie sich nämlich aus dem Auflagepunkt 10. des Bescheides ergebe, befasse sich diese Auflage mit der Kompostierung des Schlammes. Keine Aussage werde darüber getroffen, wie sich dann der Kompost, der in weiterer Folge im Gartenbereich eingearbeitet werde (mit Ausnahme im Gemüsegartenbereich), auf die Hygiene auswirke. Diesbezüglich habe der Landeshygieniker seine Aussagen getroffen. Insbesondere könne den Beschwerdeführern nicht beigepflichtet werden, wenn sie zum Ausdruck brächten, es liege eine wasserrechtliche Bewilligung vor, weshalb "automatisch davon ausgegangen werden könne", dass die Anlage den hygienischen Erfordernissen entspreche und keine weitere Prüfung durchzuführen sei, weil, wie dargelegt, eine Prüfung hinsichtlich der hygienischen Belange durchzuführen sei. Da der Landeshygieniker in seinem Gutachten klargestellt habe, dass bei der Eigenkompostierung keine Hygienisierung des Rottegutes erfolge, sei es entbehrlich gewesen, eine Untersuchung der Filtersäcke vorzunehmen.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und, ebenso wie die mitbeteiligte Gemeinde, in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat ergänzend Einsicht in die Akten der BH Graz-Umgebung betreffend die Kleinkläranlage der Beschwerdeführer genommen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall ist das Steiermärkische Kanalgesetz 1988 (kurz: KanalG), LGBl. Nr. 79, in der Fassung LGBl. Nr. 82/1998, anzuwenden.

Nach § 1 Abs. 1 KanalG sind die im Bauland oder auf sonstigen bebauten Grundstücken anfallenden Schmutz- und Regenwässer nach den Bestimmungen dieses Gesetzes in einer nach den Erfahrungen der technischen Wissenschaften, den Erfordernissen des Umweltschutzes und der Hygiene entsprechenden Weise vom Grundstückseigentümer abzuleiten und zu entsorgen.

§ 4 Abs. 1 leg. cit. trifft nähere Bestimmungen zur Anschlusspflicht.

§ 4 Abs. 5 KanalG lautet:

"(5) Ausnahmen von der Verpflichtung nach Abs. 1 sind von der Baubehörde für Bauten vorübergehenden Bestandes, für untergeordnete Nebengebäude und Bauteile sowie für Bauten mit einer nach den Erfahrungen der technischen Wissenschaften, den Erfordernissen des Umweltschutzes und der Hygiene entsprechenden Schmutzwasserentsorgung zu erteilen, wenn dadurch eine schadlose Entsorgung der Abwässer nach § 1 Abs. 1 gewährleistet ist und eine Schädigung öffentlicher Interessen sowie ein Nachteil für die Nachbarschaft nicht entsteht. Gleiches gilt für Regenwässer, wenn ihre Versickerung auf dem eigenen Grundstück möglich ist oder sie als Betriebsmittel (zum Beispiel zur Bodenbewässerung) Verwendung finden. Der Nachweis des Vorliegens der Voraussetzungen für die Ausnahme von der Verpflichtung nach Abs. 1 obliegt dem Ausnahmewerber. Die Ausnahmen sind mit Beschränkung auf eine bestimmte Zeitdauer oder gegen Widerruf zu erteilen."

Der angefochtene Bescheid ist schon deshalb inhaltlich rechtswidrig, weil § 4 Abs. 5 letzter Satz KanalG die Erteilung der Ausnahmebewilligung befristet oder gegen Widerruf vorsieht, nicht aber sowohl befristet als auch gegen Widerruf. Eine Befristung zusätzlich zum Widerrufsvorbehalt wäre im Beschwerdefall auch gar nicht erforderlich, weil ein Erlöschen der wasserrechtlichen Bewilligung durch Zeitablauf (das war der Grund für die Befristung) auch ein Widerrufsgrund wäre.

Nicht im Recht sind aber die Beschwerdeführer, wenn sie erkennbar meinen, dass mit dem Vorliegen der wasserrechtlichen Bewilligung ihrer Kläranlage die in § 4 Abs. 5 KanalG genannten Voraussetzungen schon als erfüllt anzusehen seien. Die Behörden haben vielmehr in Vollziehung dieser Bestimmung allfällige sich daraus ergebende weitere Gesichtspunkte selbst zu überprüfen (siehe das hg. Erkenntnis vom 16. Oktober 1997, Zl. 97/06/0171). Der Umstand, dass die Wasserrechtsbehörde auf Grundlage des von den Beschwerdeführern vorgelegten Projektes jeweils die angestrebten wasserrechtlichen Bewilligungen (Bescheide vom 21. Dezember 1994 und 23. Jänner 1998) erteilt hat, gibt zwar zu erkennen, dass die Wasserrechtsbehörde die vorgesehene Handhabung mit den Filtersäcken und ihrem Inhalt (bei Einhaltung der diesbezüglich jeweils vorgeschriebenen Auflage, zuletzt Auflage 10) als wasserrechtlich unbedenklich erachtete. Dies ist aber nach dem zuvor Gesagten kein Hindernis, die Frage der "schadlosen Entsorgung" im Sinne des § 4 Abs. 5 KanalG auch nach anderen Gesichtspunkten, hier insbesondere die hygienischen, zu prüfen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt darauf verwiesen (siehe beispielsweise das von der belangten Behörde genannte hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 1993, Zl. 92/06/0248, oder auch das zuvor genannte hg. Erkenntnis vom 16. Oktober 1997, Zl. 97/06/0171, mwN), schon aus dem klaren Wortlaut des § 4 Abs. 5 KanalG ("der Nachweis des Vorliegens") gehe hervor, dass der Nachweis über die tatsächlich schon vorhandene schadlose Schmutzwasserentsorgung bereits zum Zeitpunk der Entscheidung der Gemeindebehörde über die beantragte Ausnahmebewilligung vorliegen müsse. Nun hat im Beschwerdefall die Gemeindebehörde (das war hier der Gemeinderat) den gegebenen Zustand als zwar im Sinne dieser Bestimmung weitgehend, aber nicht gänzlich ausreichend angesehen, und hat deshalb die strittigen zwei Auflagen in Bezug auf die Filtersäcke und ihren Inhalt erteilt. Das heißt, der Gemeindebehörde ging es nicht darum, durch diese Auflagen die Beibehaltung eines bestehenden Zustandes sicherzustellen, sondern den bestehenden Zustand in einer bestimmten Weise (dauerhaft) zu verändern, weil nur so die Voraussetzung des § 4 Abs. 5 KanalG gegeben seien. Davon ausgehend, bedeutete dies aber, dass der Nachweis des Vorliegens der Voraussetzungen des § 4 Abs. 5 KanalG zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Ausnahmebewilligung eben noch nicht erbracht worden wäre. Dem zu Folge hätte dies zur Abweisung des Antrages auf Erteilung der Ausnahmebewilligung führen müssen (ob die Beschwerdeführer aber schon allein deshalb in subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt wurden ("begünstigende Rechtswidrigkeit"), kann hier dahingestellt bleiben).

Inhaltlich geht es in diesem Zusammenhang um die Frage, ob der "bestehende Zustand" ohnedies ausreicht, um die angestrebte Ausnahmebewilligung zu erteilen oder nicht. Der Landeshygieniker hat dies in seinen Stellungnahmen vom 10. Oktober 1997 und vom 25. Juli 2003 verneint. Die Beschwerdeführer bejahen dies und haben sich dabei auf Schrifttum berufen. Damit werden sich die Gemeindebehörden im fortgesetzten Verfahren zu befassen haben (und die Beschwerdeführer gegebenenfalls aufzufordern haben, das bezogene Schrifttum vorzulegen, sofern die Gemeindebehörden nicht ohnedies darüber verfügen sollten).

Nach dem eingangs Gesagten war daher der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 1 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 21. Oktober 2004

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2004060106.X00

Im RIS seit

25.11.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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