TE Vwgh Erkenntnis 2004/10/21 2004/06/0147

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Veröffentlicht am 21.10.2004
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Index

L82000 Bauordnung;
L82007 Bauordnung Tirol;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);

Norm

BauO Tir 2001 §21 Abs2 lita;
BauO Tir 2001 §25 Abs2;
BauO Tir 2001 §26;
BauRallg;
B-VG Art140;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, über die Beschwerde der Dr. U K in W, vertreten durch Dr. Lorenz E. Riegler, Rechtsanwalt in Wien 1, Zelinkagasse 6, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 4. August 2004, Zl. Ve1-8-1/145-1, betreffend eine Bausache (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde K, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Auf Grund des Vorbringens in der Beschwerde und des vorgelegten, angefochtenen Bescheides geht der Verwaltungsgerichtshof von folgendem Sachverhalt aus:

Die Beschwerdeführerin ist Miteigentümerin ("Wohnungseigentümerin") einer Liegenschaft im Gebiet der mitbeteiligten Gemeinde, an welcher Wohnungseigentum begründet ist.

Die Miteigentümer der Liegenschaft suchten bei der Baubehörde um nachträgliche baubehördliche Bewilligung für Änderungen des Verwendungszweckes von Räumlichkeiten und bauliche Veränderungen an Wohnungseigentumseinheiten in dem auf der Liegenschaft errichteten Gebäude an. Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 1. April 2004 wurde auf Grund der Einreichunterlagen vom 5. Februar 2004 die angestrebte Bewilligung erteilt.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung, in welcher sie unter anderem vorbrachte, dass der Abstellraum der Wohnung top Nr. 6, welcher sich unmittelbar über ihrem Schlafzimmer befinde, entgegen der tatsächlichen Nutzung nicht als Nutzfläche ausgewiesen worden sei. Im Zusammenhang damit verwies sie auf auftretende Lärmbelästigungen und beantragte die Durchführung eines Ortsaugenscheines sowie die Einholung eines schalltechnischen Gutachtens.

Mit Bescheid des Stadtrates der mitbeteiligten Gemeinde vom 26. April 2004 wurde die Berufung abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt. Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die Beschwerdeführerin Miteigentümerin der Liegenschaft sei und mit den übrigen Miteigentümern auch als Bauwerberin auftrete. Als Miteigentümerin komme ihr aber nicht die Stellung einer Nachbarin im Sinne des § 25 Abs. 2 der Tiroler Bauordnung 2001 (TBO 2001) zu. Die in der Berufung angesprochenen Fragen seien "auf der Ebene des Wohnungseigentumsgesetzes zu klären" und seien nicht Gegenstand des Bauverfahrens nach der TBO 2001. Ebenfalls nicht Gegenstand des Baubewilligungsverfahrens sei eine spätere, allenfalls konsenswidrige Nutzung eines Abstellraumes als Wohnraum. Eine solche konsenswidrige Nutzung sei im Rahmen eines baupolizeilichen Verfahrens nach § 37 TBO 2001 zu ahnden.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Vorstellung, die mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen wurde.

Zusammengefasst teilte die belangte Behörde die Auffassung der Berufungsbehörde und verwies auch darauf, dass dann, wenn an einer Liegenschaft Wohnungseigentum bestehe, es gemäß § 21 Abs. 2 lit. a TBO 2001 nicht einmal für Neu- und Zubauten einer Zustimmung der anderen Miteigentümer bedürfe. Der Prüfungsmaßstab für die Erteilung der Baubewilligung nach der TBO 2001 sei nicht die privatrechtliche Verfügungsmacht, sondern ausschließlich das dem öffentlichen Recht angehörende Raumordnungs- und Baurecht.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

§ 21 Abs. 1 und 2 der Tiroler Bauordnung 2001, LGBl. Nr. 94

(Wiederverlautbarung), lautet:

"§ 21

Bauansuchen

(1) Um die Erteilung der Baubewilligung ist bei der Behörde schriftlich anzusuchen. Beim Neu-, Zu- oder Umbau von Gebäuden ist im Bauansuchen der vorgesehene Verwendungszweck anzugeben.

(2) Dem Bauansuchen sind die Planunterlagen (§ 23) in dreifacher Ausfertigung sowie die sonstigen zur Beurteilung der Zulässigkeit des Bauvorhabens nach den bau- und raumordnungsrechtlichen Vorschriften erforderlichen Unterlagen anzuschließen. Diese haben jedenfalls zu enthalten:

a) bei Neu- und Zubauten den Nachweis des Eigentums oder des Baurechtes am Bauplatz oder, wenn der Bauwerber nicht Grundeigentümer oder Bauberechtigter ist, die Zustimmungserklärung des Grundeigentümers bzw. des Bauberechtigten; für Neu- und Zubauten an Liegenschaften, an denen Wohnungseigentum besteht, bedarf es des Nachweises des Miteigentums an der Liegenschaft bzw. der Zustimmungserklärung des betreffenden Miteigentümers, nicht jedoch des Nachweises der Zustimmung der übrigen Miteigentümer;

b) soweit im Hinblick auf den vorgesehenen Verwendungszweck von Gebäuden oder die Art sonstiger baulicher Anlagen eine entsprechende Aufschließung des Bauplatzes erforderlich ist, den Nachweis, dass dieser eine entsprechende, rechtlich gesicherte Verbindung mit einer öffentlichen Verkehrsfläche hat und eine entsprechende Wasser- und Energieversorgung sowie Abwasserbeseitigung sichergestellt ist;

c) ein Verzeichnis der an den Bauplatz angrenzenden Grundstücke einschließlich der Namen und Adressen der Eigentümer und allfälliger Bauberechtigter;

d) den Bewilligungsbescheid der Agrarbehörde, wenn der Bauplatz in ein Zusammenlegungsverfahren oder in ein Flurbereinigungsverfahren einbezogen ist und in der Verordnung über die Einleitung des Zusammenlegungsverfahrens bzw. im Bescheid über die Einleitung des Flurbereinigungsverfahrens bestimmt ist, dass Bauvorhaben der geplanten Art einer Bewilligung der Agrarbehörde bedürfen;

e) im Falle des Abweichens von einzelnen Bestimmungen von Verordnungen über technische Bauvorschriften (§ 18 Abs. 2) eine Beschreibung der Abweichungen unter Anführung der betroffenen Bestimmungen, eine Beschreibung und erforderlichenfalls planliche Darstellung jener Vorkehrungen, mit denen den Erfordernissen nach § 16 Abs. 1 und 2 entsprochen werden soll, sowie ein Gutachten über die Eignung dieser Vorkehrungen; das Gutachten muss von einem staatlich befugten und beeideten Ziviltechniker im Rahmen seiner Befugnis oder von einem allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen erstellt werden;

brandschutztechnische Gutachten müssen von einem allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen auf dem Gebiet des Brandschutzes im Rahmen seines sachlichen Wirkungsbereiches erstellt werden."

§ 25 Abs. 2 TBO 2001 lautet:

"(2) Nachbarn sind die Eigentümer der Grundstücke, die unmittelbar an den Bauplatz angrenzen oder deren Grenzen zumindest in einem Punkt innerhalb eines Abstandes von 15 m zu einem Punkt der Bauplatzgrenze liegen. Nachbarn sind weiters jene Personen, denen an einem solchen Grundstück ein Baurecht zukommt."

Die Beschwerdeführerin bringt zur ihrer behaupteten Berechtigung, die erteilte Baubewilligung zu bekämpfen, zusammengefasst vor, die Rechtsauffassung der belangten Behörde, ihr komme das behauptete Mitspracherecht im Bauverfahren nicht zu, sei unzutreffend. Gemäß der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 16. September 2003, Zl. 2002/05/1040) komme auch einem Wohnungseigentümer im Baubewilligungsverfahren betreffend das in seinem Miteigentum stehende Baugrundstück Parteistellung zu. Es müsse einem Wohnungseigentümer Parteistellung in jenen Bauverfahren zukommen, die "von seinem Wohnungseigentum verschiedene Wohnungseigentumsobjekte" beträfen, damit er zumindest die einem Nachbarn eingeräumten subjektiv-öffentlichen Rechte geltend gemacht werden könne. Vertrete man die Auffassung, dass gemäß § 21 Abs. 2 lit. a TBO 2001 (iVm § 25 leg. cit.) dem vom Bauwerber verschiedenen Wohnungseigentümer weder die Stellung als Nachbar zukomme noch er dem Bauvorhaben zustimmen müsse, wäre § 21 Abs. 2 lit. a TBO 2001 verfassungswidrig (die Beschwerdeführerin regt auch eine entsprechende Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof an).

Dem ist zu entgegnen, dass die Beschwerdeführerin die Rechtsstellung des Miteigentümers im Bauverfahren verkennt. Die Beschwerdeführerin kann als Miteigentümerin der Liegenschaft begrifflich nicht zugleich Nachbarin sein, weil Nachbarn (nach allgemeinen baurechtlichen Grundsätzen wie auch) nach § 25 Abs. 2 TBO 2001 Eigentümer von der zu bebauenden Liegenschaft unterschiedlichen Grundstücken sind (oder denen nach dieser Gesetzesstelle an einem solchen Grundstück ein Baurecht zukommt).

Generell ist darauf zu verweisen, dass eine Baubewilligung die Verleihung des subjektiven öffentlichen Rechts bedeutet, einen Bau nach Maßgabe der bewilligten Pläne zu errichten, und lediglich die Feststellung enthält, dass das geplante Vorhaben vom öffentlich-rechtlichen Standpunkt des Raumordnungsrechts und des Baurechts her zulässig ist. Normativer Gehalt einer Baubewilligung ist nur der Ausspruch, dass dem zur Bewilligung beantragten Bau insofern kein im öffentlichen Recht fußendes Hindernis entgegensteht. Die Baubewilligung sagt nichts darüber aus, ob der bewilligte Bau nicht etwa mit Mitteln des Privatrechtes verhindert werden kann (vgl. dazu etwa das zur Tiroler Bauordnung ergangene Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 6. März 1997, VfSlg. 14.783, oder auch das darin genannte hg. Erkenntnis vom 31. Jänner 1972, Slg. 8161/A).

Der Grund, weshalb fast alle Bauordnungen der Länder als Formerfordernis eines Bauantrages die Zustimmung des Grundeigentümers fordern, liegt offenkundig einerseits darin, dass dadurch ein aufwändiges Verwaltungsverfahren bezüglich eines Vorhabens vermieden wird, welches letztlich mangels Zustimmung des Grundeigentümers nicht realisiert werden kann. Andererseits können verschiedene Verpflichtungen, die sich an eine Baubewilligung knüpfen (wie beispielsweise die Verpflichtung zur Grundabtretung), nur vom Grundeigentümer erfüllt werden (siehe abermals die beiden zuvor genannten Erkenntnisse).

Die Auffassung der belangten Behörde, dass der Beschwerdeführerin in ihrer Eigenschaft als "Wohnungseigentümerin" gemäß § 21 Abs. 2 TBO 2001 kein Zustimmungsrecht zum Vorhaben zukommt, ist nach dem klaren Wortlaut dieser Bestimmung zutreffend. Aus dem von der Beschwerdeführerin genannten hg. Erkenntnis vom 16. September 2003, Zl. 2002/05/1040, ist für sie nichts zu gewinnen, weil dieses Erkenntnis zu einer (auch inhaltlich) anderen Rechtslage nach der Niederösterreichischen Bauordnung ergangen ist. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin kann § 21 Abs. 2 lit. a TBO 2001 nicht als verfassungswidrig angesehen werden, weil diese Bestimmung nur den Nachweis der Zustimmung (hier) der weiteren Wohnungseigentümer entbehrlich macht, nicht aber eine zur Realisierung des Vorhabens zivilrechtlich erforderliche Zustimmung dieser Wohnungseigentümer, welchen es unbenommen bleibt, kraft ihres Eigentumsrechtes eine nach dem Privatrecht unzulässige Bauführung zivilrechtlich zu unterbinden. Vor diesem Hintergrund ist die behauptete Verfassungswidrigkeit dieser gesetzlichen Bestimmung zu verneinen (siehe das hg. Erkenntnis vom 27. April 2000, Zl. 99/06/0056, zu § 21 Abs. 2 lit. a TBO 1998 in der Stammfassung; auch dort erachtete der Verwaltungsgerichtshof gleichermaßen § 21 Abs. 2 lit. a TBO 1998 (in der Stammfassung) nicht als verfassungswidrig; siehe im Übrigen abermals das bereits genannte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 6. März 1997, VfSlg. 14.783, zu einer vergleichbaren Problematik nach der früheren Tiroler Bauordnung, LGBl. Nr. 33/1989, oder auch die hg. Erkenntnisse vom 23. Dezember 1999, Zl. 99/06/0108, zum Salzburger Baupolizeigesetz, und vom 23. September 2002, Zl. 2002/05/0787, zur Oberösterreichischen Bauordnung).

Da sich dies bereits aus dem Vorbringen in der Beschwerde ergibt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 21. Oktober 2004

Schlagworte

Baubewilligung BauRallg6 Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2004060147.X00

Im RIS seit

22.11.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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