TE Vwgh Erkenntnis 2004/10/21 2003/13/0011

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.10.2004
beobachten
merken

Index

E1E;
E6J;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;
59/04 EU - EWR;

Norm

11992E073B EGV Art73b ;
11992E073D EGV Art73d Abs1;
11992E073D EGV Art73d Abs3;
11997E056 EG Art56;
11997E058 EG Art58 Abs1;
11997E058 EG Art58 Abs3;
62002CJ0315 Lenz VORAB;
EStG 1988 §37 Abs1;
EStG 1988 §37 Abs4;
EStG 1988 §97 Abs1;
EStG 1988 §97 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Fuchs, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Seidl LL.M., über die Beschwerde der D in W, vertreten durch Burger & Gruber Wirtschaftsprüfungsgesellschaft m. b.H. in 1040 Wien, Brucknerstraße 8, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat II, vom 5. Dezember 2002, GZ. RV/486-15/2002, betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2000 und Einkommensteuervorauszahlungen für das Jahr 2002, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von 1.171,20 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

In ihrer Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 2000 und die Festsetzung von Einkommensteuervorauszahlungen für das Jahr 2002 beantragte die Beschwerdeführerin, die von ihr erklärten "ausländischen Dividendenerträge" in Höhe von 2,936.685 S nur mit einem Steuersatz von 25 % - somit im Ergebnis wie inländische Dividendenerträge - zur Einkommensteuer heranzuziehen. Die Anwendung eines höheren Steuersatzes, wie gegenständlich von 46,09 %, verstoße gegen Gemeinschaftsrecht, weil solcherart in- und ausländische Kapitalerträge ungleich behandelt würden.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung mangels gesetzlicher Grundlage des darin gestellten Begehrens ab.

Über die dagegen erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Wie im Verwaltungsverfahren wendet sich die Beschwerdeführerin auch vor dem Verwaltungsgerichtshof gegen die jedenfalls in den Streitjahren nach der österreichischen Rechtslage bestehende Ungleichbehandlung von in- und ausländischen Kapitaleinkünften. Mit Hinweisen auf das Gemeinschaftsrecht und dazu ergangener Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) untermauert die Beschwerdeführerin ihre Bedenken gegen die im Beschwerdefall diskriminierend wirkende Besteuerung der ausländischen Kapitaleinkünfte. Sie verweist auch auf den Beschluss vom 27. August 2002, EU 2002/0004-10 (99/14/0164), mit dem der Verwaltungsgerichtshof dem EuGH folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt hat:

1. Stehen Art. 73b Abs. 1 in Verbindung mit Art. 73d Abs. 1 lit. a und b und Abs. 3 EG-Vertrag (jetzt Art. 56 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 58 Abs.1 lit. a und b und Abs. 3 EG) einer Regelung entgegen, wie sie § 97 Abs. 1 und 4 EStG 1988 in Verbindung mit § 37 Abs. 1 und 4 EStG 1988 vorsieht, nach welcher der Steuerpflichtige bei Dividenden aus inländischen Aktien wählen kann, ob er sie bei einer pauschalen und endgültigen Besteuerung dem Steuersatz von 25% unterwirft oder ob er sie mit einem Steuersatz in Höhe der Hälfte des auf das gesamte Einkommen entfallenden Durchschnittssteuersatzes versteuert, während Dividenden aus ausländischen Aktien stets mit dem normalen Einkommensteuersatz versteuert werden?

2. Ist für die Beantwortung der Frage 1. die Höhe der Besteuerung des Einkommens der Kapitalgesellschaft mit Sitz und Ort der Geschäftsleitung in dem anderen EU-Mitgliedstaat oder dem Drittstaat, an welcher die Beteiligung besteht, von Bedeutung?

3. Falls Frage 1. bejaht wird: Kann der dem Art. 73b Abs. 1 EG-Vertrag (jetzt Art. 56 Abs. 1 EG-Vertrag) entsprechende Zustand dadurch herbeigeführt werden, dass die Körperschaftsteuer, die von Aktiengesellschaften mit Sitz und Geschäftsleitung in anderen EU-Mitgliedstaaten oder in Drittländern in ihrem jeweiligen Ansässigkeitsstaat entrichtet wird, anteilig auf die österreichische Einkommensteuer des Dividendenbeziehers angerechnet wird?

Mit Urteil vom 15. Juli 2004, Rechtssache Lenz C-315/02, hat der EuGH zu den vom Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Fragen zu Recht erkannt:

"1. Die Artikel 73b und 73d Absätze 1 und 3 EG-Vertrag (jetzt Art. 56 EG und 58 Absätze 1 und 3 EG) stehen einer Regelung entgegen, die nur den Beziehern österreichischer Kapitalerträge erlaubt, zwischen einer Endbesteuerung mit einem Steuersatz von 25% und der normalen Einkommensteuer unter Anwendung eines Hälftesteuersatzes zu wählen, während sie vorsieht, dass Kapitalerträge aus einem anderen Mitgliedstaat zwingend der normalen Einkommensteuer ohne Ermäßigung des normalen Steuersatzes unterliegen.

2. Die Weigerung, den Beziehern von Kapitalerträgen aus einem anderen Mitgliedstaat dieselben Steuervorteile wie den Beziehern österreichischer Kapitalerträge zu gewähren, lässt sich nicht damit rechtfertigen, dass die Einkünfte der in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Gesellschaften dort einem niedrigen Besteuerungsniveau unterliegen."

Die dritte Vorlagefrage beantwortete der EuGH nicht.

Aus dem vorliegenden Urteil des EuGH ergibt sich, dass es mit dem Gemeinschaftsrecht nicht vereinbar ist, Kapitalerträge von dividendenauszahlenden Gesellschaften, die ihren Sitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft haben, mit dem allgemeinen Tarif zu versteuern, wenn inländische Dividenden dem Kapitalertragsteuerabzug mit Endbesteuerungswirkung oder dem Hälftesteuersatz des § 37 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 EStG 1988 unterliegen. Die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten gemeinschaftsrechtlichen Bedenken erweisen sich daher als begründet.

Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde keine Feststellungen getroffen, welcher Art die im Jahr 2000 von der Beschwerdeführerin erklärten "ausländischen Einkünfte aus Kapitalvermögen" waren. Es ist daher nicht auszuschließen, dass die Beschwerdeführerin (auch) Kapitalerträge von Gesellschaften bezogen hat, welche ihren Sitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften haben, sodass der angefochtene Bescheid bereits aus diesem Grund aufzuheben ist und dahingestellt bleiben kann, ob Art. 56 EG (Kapitalverkehrsfreiheit) auch eine Gleichbehandlung von Kapitaleinkünften, die aus Drittstaaten bezogen werden, verlangt.

Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 21. Oktober 2004

Gerichtsentscheidung

EuGH 62002J0315 Lenz VORAB

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2003130011.X00

Im RIS seit

19.11.2004

Zuletzt aktualisiert am

31.10.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten