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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
BAO §119 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Reinisch, über die Beschwerde der W GmbH in G, vertreten durch Dr. Manfred Aschmann, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Pestalozzistraße 1, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom 14. Februar 2000, GZ RV 107/1-9/98, betreffend Haftung und Zahlung von Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag zum Familienlastenausgleichsfonds und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für 1990 bis 1996, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Im Zuge einer bei der beschwerdeführenden GmbH (im Folgenden: Beschwerdeführerin), einer Werbeagentur, durchgeführten Lohnsteuerprüfung stellte der Prüfer u.a. fest, ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer Werner M (25 % der Anteile) seien im Prüfungszeitraum Überstundenzuschläge steuerfrei gemäß § 68 EStG 1988 ausbezahlt worden. Die Ehefrau des Werner M sei Mehrheitsgesellschafterin (75 %) und ebenfalls Geschäftsführerin der Beschwerdeführerin. Dem Prüfer seien Aufzeichnungen vorgelegt worden, aus denen die Anzahl und die Zeiten, an denen Überstunden geleistet worden seien, hervorgingen. Es seien aber weder die Normalarbeitszeit noch die berufliche Notwendigkeit der Überstunden erkennbar gewesen. Ein Geschäftsführer unterliege keiner Arbeitszeitregelung und habe somit eine freie Zeiteinteilung. Nach ständiger Rechtsprechung könne das "Zusammenkommenlassen" von Arbeit und Erledigen dieser im begünstigten Zeitraum iSd § 68 Abs 1 EStG 1988 zu keiner begünstigten Besteuerung führen. Es wurden vom Prüfer monatlich nur fünf Überstundenzuschläge zu 50 % iSd § 68 Abs 2 EStG 1988 anerkannt.
Das Finanzamt folgte den Prüferfeststellungen und erließ einen Haftungs- und Zahlungsbescheid.
Die Beschwerdeführerin erhob Berufung und brachte im Wesentlichen vor, aus den laufend geführten Aufzeichnungen des Werner M ginge eindeutig Datum, Beginn und Ende der erbrachten Überstunden hervor. Eine Gegenüberstellung der Betriebsleistung mit der Anzahl der Dienstnehmer bzw Dienststunden zeige, dass es nur auf Grund des enormen persönlichen und zeitlichen Einsatzes des Geschäftsführers gelungen sei, zufrieden stellende Betriebsergebnisse zu erzielen. Werner M erbringe seine Normalarbeitszeit während der Öffnungszeiten der Beschwerdeführerin (Montag bis Freitag von 9:00 - 13:00 und 14:00 - 18:00 Uhr). Die Einhaltung der Normalarbeitszeit werde von der Mehrheitsgesellschafterin jederzeit überprüft. Auch unter Fremden sei es unüblich, bei der Möglichkeit der ständigen persönlichen zeitlichen Kontrolle der Dienstnehmer noch zusätzliche Aufzeichnungen über die Normalarbeitszeit zu verlangen. Der Geschäftsführer sei, um vom gewöhnlichen Geschäftsverkehr weitgehend ungestört zu bleiben und eine entsprechende Qualität an Arbeitsleistung zu erbringen, gezwungen, größere Projekte bzw Besprechungen am Wochenende anzusetzen. Seit 1993 sei kein weiterer Dienstnehmer beschäftigt worden. Alle anfallenden Zusatzarbeiten seien nur in Form von Überstunden zu erledigen gewesen.
Mit Berufungsvorentscheidung wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, es fehlten Nachweise über die tatsächliche Normalarbeitszeit. Arbeitszeiten im Betrieb seien kein Nachweis über die tatsächlich geleistete Arbeit, solange kein Beweis über den Umfang der gesamten Arbeitsleistung erbracht werde. Die Stundenaufzeichnungen des Werner M hätten gleichzeitig als Reiseaufzeichnungen gedient, denen weder der Zweck der Reise noch das betriebliche Erfordernis der Überstunden zu entnehmen sei. Somit sei nicht schlüssig bewiesen, dass es sich bei den aufgeschriebenen Stunden ausnahmslos um Überstunden handle. Es seien wochentags einschließlich samstags kaum Überstunden geleistet worden. Dies deute auf eine willkürliche Verschiebung der Überstunden in begünstigte Zeiträume hin. Das Gesamtausmaß der geleisteten Normalarbeitszeit und der Überstunden sei aus den Aufzeichnungen nicht erkennbar. Es habe auch nicht eindeutig dargelegt werden können, warum die auf Sonn- und Feiertage verlegte Arbeit nicht an Wochentagen habe erledigt werden können.
In ihrem Vorlageantrag rügte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen, das Finanzamt habe sich weder mit ihrem Vorbringen betreffend die Kontrolle der Normalarbeitszeit des Geschäftsführers durch die Mehrheitsgesellschafterin noch mit jenem über den Vergleich von Betriebsleistung und Anzahl der Dienstnehmer bzw Dienststunden auseinander gesetzt.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, auf Grund der familienhaften Beziehung zwischen Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafterin (Ehegatten) sei nicht anzunehmen, dass die Einhaltung der Normalarbeitszeit einer ernsthaften Überwachung unterliege. Es seien iSd § 68 Abs 1 EStG 1988 nur jene Arbeitnehmer steuerlich zu begünstigen, die gezwungen seien, zu den im § 68 Abs 1 EStG 1988 angeführten begünstigten Zeiten Leistungen zu erbringen. Der zwingende betriebliche Grund müsse nachgewiesen werden. In dem Vorbringen, konzentrierter arbeiten und planen zu können, sei kein zwingender Grund zu erkennen. Neben den Öffnungszeiten verbleibe genügend Zeit, größere Projekte und Besprechungen ungestört vom gewöhnlichen Geschäftsverkehr durchzuführen. Es sei vielmehr das Bestreben zu erkennen, eine begünstigte Besteuerung des Arbeitslohnes des Geschäftsführers durch Verlagerung seiner (Überstunden) Tätigkeit in begünstigte Zeiträume herbeizuführen. Der Vergleich von Betriebsleistung und Anzahl der Dienstnehmerstunden sei im Übrigen nicht geeignet, eine zwingende Arbeitsleistung am Wochenende zu rechtfertigen. Daraus sei lediglich zu erkennen, dass sich die Betriebsleistung - mit Ausnahme des Zeitraumes 1994/95 - gleichmäßig vermindert habe.
Auch nach der Rechtsmeinung des BFH vom 19. März 1997 (I R 75/96) sei eine Überstundenvergütungsvereinbarung mit dem Aufgabenbild eines Geschäftsführers nicht vereinbar, wenn diese von vornherein auf Überstunden an Sonn- und Feiertagen sowie während der Nacht beschränkt seien.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt die Steuerbegünstigung für Überstundenzuschläge nach § 68 EStG 1988 nur in Betracht, wenn die genaue Anzahl und die zeitliche Lagerung aller im Einzelnen tatsächlich geleisteten Überstunden und die genaue Höhe der dafür über das sonstige Arbeitsentgelt hinaus mit den Entlohnungen für diese Überstunden bezahlten Zuschläge feststehen. Nach dem EStG 1988 besteht weiters die Notwendigkeit, auch zwischen "Normalüberstunde" (Überstunde zur Tagesarbeitszeit an Werktagen) und so genannten qualifizierten Überstunden (Überstunden an Sonn- und Feiertagen und in der Nachtzeit) zu unterscheiden, weil § 68 Abs. 1 EStG 1988 neben der auf fünf Stunden "Normalüberstunden" (§ 68 Abs. 2 EStG 1988) beschränkten Steuerbegünstigung in Ansehung Letzterer eine eigene Steuerbegünstigung normiert. In Anbetracht der dem § 68 Abs. 1 EStG 1988 zu Grunde liegenden Intention, nur jene Arbeitnehmer steuerlich zu begünstigen, die gezwungen sind, zu den im § 68 Abs. 1 leg. cit. angeführten Zeiten Leistungen zu erbringen, muss auch der zwingende betriebliche Grund, gerade an diesen Tagen und Zeiten die Tätigkeiten zu erbringen, nachgewiesen werden, hätten es doch sonst Arbeitgeber und Arbeitnehmer weitgehend in der Hand, eine begünstigte Besteuerung des Arbeitslohnes durch Verlagerung der (Überstunden)Tätigkeit in begünstigte Zeiten herbeizuführen. Wenn es in einem Verfahren um die Erwirkung abgabenrechtlicher Begünstigungen geht, tritt der Gedanke der strikten Amtswegigkeit insofern in den Hintergrund, als der eine Begünstigung in Anspruch nehmende Abgabepflichtige selbst einwandfrei und unter Ausschluss jeden Zweifels das Vorliegen jener Umstände darzulegen hat, auf die die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden kann (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 31. März 2004, 2000/13/0073, mwN).
Die belangte Behörde hat ihren Bescheid im Wesentlichen damit begründet, dass zwingende betriebliche Gründe zur Erbringung der Überstunden in den begünstigten Zeiträumen von der Beschwerdeführerin nicht nachgewiesen worden seien. Weder das Vorbringen, in diesen Zeiten konzentrierter arbeiten und planen zu können, noch ein Vergleich von Betriebsleistung und Anzahl der Dienstnehmerstunden wurde dabei als geeignet angesehen, eine zwingende Arbeitsleistung des Geschäftsführers an Sonn- und Feiertagen anzunehmen.
Dem tritt die Beschwerdeführerin im Wesentlichen mit dem Vorbringen entgegen, vor allem Tätigkeiten wie die Umsetzung von Werbekonzepten in der Art eines Grafikers hätten durch Werner M an Wochenenden ausgeführt werden müssen, weil diesem solche Tätigkeiten nach einem "Acht- bis Neun-Stundentag" unter der Woche nicht zumutbar gewesen seien. Auch aus diesem Vorbringen, welches sich auf die mangelnde Zumutbarkeit der Arbeitsleistung für den Arbeitnehmer stützt, lassen sich noch keine zwingenden betrieblichen Gründe für die im Beschwerdefall ausschließlich strittige Erbringung dieser Arbeitsleistungen an Sonn- und Feiertagen entnehmen.
Zum Vorbringen, dass in den Prüfungsjahren auch werktags zahlreiche Überstunden geleistet worden seien, wird auf das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren herrschende, aus § 41 VwGG abzuleitende Neuerungsverbot verwiesen.
Wenn in der Beschwerde die unterlassene Einvernahme der Mehrheitsgesellschafterin gerügt wird, so ist die Beschwerdeführerin darauf hinzuweisen, dass sie im Verwaltungsverfahren weder einen diesbezüglichen noch andere Beweisanträge gestellt hat. Obwohl ihr in der Berufungsvorentscheidung vorgehalten wurde, aus den auch als Reiseaufzeichnungen dienenden Listen sei weder der Zweck der Reise noch das betriebliche Erfordernis der Überstunden zu entnehmen, hat sich die Beschwerdeführerin in ihrem Vorlageantrag im Wesentlichen auf die Wiederholung ihres Berufungsvorbringens beschränkt. Worin nach Auffassung der Beschwerdeführerin eine vorweggenommene Beweiswürdigung durch die belangte Behörde zu erblicken sei, kann der Beschwerde nicht entnommen werden.
Es kann daher nicht als rechtswidrig erachtet werden, wenn die belangte Behörde bereits mangels Nachweises der zwingenden betrieblichen Notwendigkeit der von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Überstunden an Sonn- und Feiertagen deren steuerliche Anerkennung versagt hat. Daher erübrigt sich im Beschwerdefall eine Prüfung dahingehend, ob überhaupt vom Überschreiten einer Normalarbeitszeit des Geschäftsführers der Beschwerdeführerin ausgegangen werden kann.
Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 28. Oktober 2004
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2000150054.X00Im RIS seit
08.02.2005