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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §58 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Reinisch, über die Beschwerde des E in A, vertreten durch Liebscher, Hübel & Partner, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Paris-Lodron-Straße 19, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Salzburg vom 11. Juni 2001, GZ. RV 498/1- 9/00, betreffend Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für 1996 bis 1998, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 1.172,88 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer betrieb eine Konditorei. Zu einer anonymen Anzeige, dass R.G. durch morgendliche Ausfahrdienste für den Beschwerdeführer 2.000 S wöchentlich "dazuverdiene" und diese Tätigkeit "steuerlich nie erklärt worden" sei, wurde der Beschwerdeführer am 16. Dezember 1999 vernommen. Der Beschwerdeführer gab dazu an, dass R.G. gelegentliche, nicht tägliche Zustelldienste, etwa eine Stunde pro Tag, in den letzten drei bis vier Jahren jedoch nur in den Sommermonaten und das nur gelegentlich bei Bedarf, für ihn durchgeführt habe. Für eine Fahrt bzw. Tag habe er dem R.G. 50 S, später 70 S, bezahlt. Wie viel jährlich insgesamt bezahlt worden sei, könne er nicht mehr beurteilen. Der ihm vorgehaltene Betrag von 2.000 S wöchentlich stelle eine Utopie dar. Diese Niederschrift wurde auch von R.G. mit dem Beisatz unterfertigt, die Angaben des Beschwerdeführers würden bestätigt.
Am 3. März 2000 vom Lohnsteuerprüfer befragt gab der Beschwerdeführer abermals an, dass R.G. gelegentlich Zustelldienste im Ausmaß von etwa einer Stunde, in den letzten drei bis vier Jahren nur in den Sommermonaten, für ihn verrichtet habe und je Fahrt 50 S bis 70 S bezahlt worden seien. Manchmal sei die Entlohnung durch eine Tasse Kaffee und Kuchen erfolgt. Die Zustelldienste seien in seine Filiale in der L-Straße, S, und nach H, E-Straße, erfolgt.
Mit Bescheid vom 31. März 2000 zog das Finanzamt den Beschwerdeführer u.a. zur Haftung für Lohnsteuer heran und setzte den Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen samt Zuschlag und einen Säumniszuschlag fest. Das Finanzamt ging dabei von Bemessungsgrundlagen in Höhe von 14.928 S für jedes der Streitjahre aus.
Dagegen berief der Beschwerdeführer. R.G. habe auf Grund persönlicher Beziehung in seltenen Einzelfällen kleinere Fahrleistungen getätigt. So seien 1996 zehn Fahrleistungen, 1997 vier Fahrleistungen und 1998 eine Fahrleistung, jeweils zu 50 S durchgeführt worden. Da die Lohnsteuerneuberechnung zu hoch gegriffen sei, ersuche der Beschwerdeführer die Lohnsteuer und die Dienstgeberbeitrags-Neuberechnung auf diese Werte zu verringern.
Mit Berufungsvorentscheidung vom 2. Mai 2000 wies das Finanzamt die Berufung ab. Die Tatsache der Arbeitsleistung durch R.G. sei unbestritten. Da bei der beim Beschwerdeführer durchgeführten Lohnsteuerprüfung keine Aufzeichnungen betreffend die Tätigkeit von R.G. gefunden worden seien, sei es zu einer Schätzung mit der Annahme gekommen, dass R.G. sechzehn Mal jährlich Fahrten für den Beschwerdeführer durchgeführt habe. Laut "Lohnvertrag" werde für Aushilfen ein Tageslohn von 933 S bezahlt. Dieser Betrag sei auch bei der Schätzung als Grundlage genommen worden.
Im Vorlageantrag wiederholte der Beschwerdeführer sein Vorbringen aus der Berufung und ergänzte, es sei ihm unverständlich, dass mit fiktiven Tageslöhnen von 933 S gearbeitet werde, weil z.B. eine Fahrt von A nach S in die Filiale nie einen Tag dauern könne und dies auf Grund des angegriffenen Gesundheitszustandes von R.G. gar nicht möglich gewesen sei. Sollte das Finanzamt dem nicht Glauben schenken, ersuche er um Einvernahme des R.G. bzw. wegen dessen schlechten Gesundheitszustandes von dessen Ehefrau. Dem Vorlageantrag legte er eine von Z.G. unterschriebene Bestätigung vor, wonach diese bescheinigte, dass ihr Mann R.G. in der Zeit von 1994/95 einige Male etwa 1 Stunde für seinen Freund (Beschwerdeführer( Mehlspeisen ausgefahren habe. 1995/96 sei ihr Ehemann mit einer schweren Lungenentzündung monatelang krank gewesen, auch 1996/97 habe sich sein Zustand nicht wesentlich gebessert.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab. Dass der Beschwerdeführer R.G. für Zustelldienste eingesetzt und entlohnt worden sei und diesbezüglich keine Aufzeichnungen bestünden, stehe außer Streit. Die Behörde sei daher gemäß § 184 BAO zur Schätzung berechtigt. Der Beschwerdeführer habe bei seinen Vernehmungen nicht mehr beurteilen können, wie viel jährlich bezahlt worden sei, in der Berufung dann aber exakte Angaben über Fahrleistungen und Bezahlung gemacht. Glaubwürdige Angaben, die dem Prüfer als Grundlagen für die Berechnung der Lohnsteuer hätten dienen können, seien jedenfalls nicht getätigt worden. Die Aussage, R.G. habe in den letzten drei bis vier Jahren in den Sommermonaten fallweise Zustelldienste geleistet, bestätige, dass solche Leistungen auch schon vor dem Streitzeitraum erbracht worden seien. "Gelegentliche, nicht tägliche" Zustelldienste würden nichts über deren tatsächliche Anzahl und Dauer aussagen. Unglaubwürdig sei es aber jedenfalls, wenn der Beschwerdeführer ursprünglich angebe, nicht mehr zu wissen, wie viel er jährlich bezahlt habe, in der Berufung die genaue Anzahl der Einsätze angebe und von den ursprünglich auch angeführten 70 S als Entlohnung je Tag nichts mehr wisse. Auch die Bestätigung der Frau des R.G. über dessen Erkrankung und darüber, dass jener einige Male für etwa 1 Stunde Mehlspeisen ausgefahren habe, sei keine geeignete Grundlage, um die tatsächliche Entlohnung und damit die Bemessungsgrundlage für die Lohnsteuer festzustellen. Die vom Lohnsteuerprüfer eher behutsam vorgenommene Schätzung habe für etwa vier Monate pro Jahr je viermal 933 S angesetzt (kollektivvertraglicher Tagessatz für "Aushelfer"), wobei dieser Ansatz nur als Richtwert gedient habe und nichts darüber aussage, dass dieser Betrag jeweils an einem Tag verdient worden sei, sondern eben nur, dass pro Woche insgesamt die Gesamtstundenleistung für einen Tag angenommen worden sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 184 Abs. 1 BAO hat die Abgabenbehörde, soweit sie die Grundlagen für die Abgabenerhebung nicht ermitteln oder berechnen kann, diese zu schätzen, wobei alle Umstände zu berücksichtigen sind, die für die Schätzung von Bedeutung sind.
Den behördlichen Feststellungen, der Beschwerdeführer habe R.G. beschäftigt und darüber keine Aufzeichnungen geführt, tritt der Beschwerdeführer nicht entgegen. Er bestreitet somit die Berechtigung der belangten Behörde zur Schätzung nicht.
Ist eine Schätzung grundsätzlich zulässig, muss das Schätzungsverfahren einwandfrei abgeführt werden. Die zum Schätzungsergebnis führenden Gedankengänge müssen schlüssig und folgerichtig sein und das in der Feststellung der Besteuerungsgrundlagen bestehende Ergebnis muss mit der Lebenserfahrung im Einklang stehen. Das gewählte Verfahren muss stets auf das Ziel gerichtet sein, diejenigen Besteuerungsgrundlagen zu ermitteln, welche die größte Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit für sich haben. Dabei muss die Behörde im Rahmen des Schätzungsverfahrens auf alle vom Abgabepflichtigen substantiiert vorgetragenen, für die Schätzung bedeutsamen Behauptungen eingehen (vgl. für viele etwa das hg. Erkenntnis vom 20. April 2004, 2001/13/0204, mwN).
Auf die für die Schätzung bedeutsamen Behauptungen des Abgabepflichtigen ist auch dann einzugehen und die Behörde hat sich damit auch dann auseinander zu setzen, wenn die Richtigkeit der Behauptungen erst durch weitere Erhebungen geklärt werden muss (vgl. das hg. Erkenntnis vom 1. Juli 2003, 98/13/0184, mwN). In dieser Hinsicht zeigt der Beschwerdeführer Mängel des vorliegenden Schätzungsverfahrens auf, bei deren Vermeidung das Ergehen eines im Ergebnis anders lautenden Bescheides nicht ausgeschlossen werden kann:
Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren die genaue Anzahl der von R.G. durchgeführten Fahrten und das dafür bezahlte Entgelt angegeben. Er hat zum Beweis der Richtigkeit seiner Angaben die Befragung des R.G. und dessen Ehefrau begehrt. Die belangte Behörde ist diesem zumindest betreffend die Anzahl und Dauer der Fahrten und den Gesundheitszustand des R.G. als Beweisantrag zu wertenden Vorbringen nicht gefolgt. Welchen Anhaltspunkt die belangte Behörde für die Annahme heranziehen konnte, R.G. habe so viele Fahrten durchgeführt, dass er zusammengerechnet in den vier Sommermonaten jedes Jahres je Woche die Gesamtstundenleistung für einen Tag erbracht habe, und dafür den kollektivvertraglichen Tagessatz erhalten, legt die belangte Behörde nicht dar.
Soweit die belangte Behörde durch Ausführungen in der Gegenschrift den Mangel an Glaubwürdigkeit der Angaben des Beschwerdeführers in der Berufung und im Vorlageantrag begründen möchte, ist sie überdies darauf hinzuweisen, dass sie die fehlende, gemäß § 288 Abs. 1 lit. d BAO erforderliche Begründung mit der Gegenschrift nicht nachholen kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Jänner 2004, 2001/13/0008).
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 28. Oktober 2004
Schlagworte
Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher VerfahrensmangelEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2001150137.X00Im RIS seit
22.11.2004Zuletzt aktualisiert am
27.07.2015