RS OGH 2001/3/20 11Os141/00 (11Os19/01), 12Os34/06a, 15Os4/07p

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 20.03.2001
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Norm

MRK Art6 Abs3 litd IV4
StPO §162a
StPO §166a
StPO §229 Abs2
StPO §250 Abs1
StPO §250 Abs3

Rechtssatz

Mit der Einführung verfahrensrechtlicher Zeugenschutzbestimmungen durch das StPÄG 1993 (§ 166a StPO: Vernehmung eines Zeugen unter Wahrung seiner Anonymität und § 229 Abs 2 StPO: Ausschluss der Öffentlichkeit zur Verhinderung der Enttarnung) hat der Gesetzgeber eine Einengung der damit kollidierenden Verteidigungsrechte des Angeklagten im Interesse des Schutzes vitaler Individualrechte des Zeugen bewusst in Kauf genommen (JAB 924 BlgNr XVIII.GP, 35ff). Die dadurch allenfalls erschwerte Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Zeugen wird durch die - einem solchen Zeugen je nach Lage des Falles entweder jegliche Beweiskraft aberkennende oder aber auch diesen Beweis voll akzeptierende - freie Beweiswürdigung ausreichend kompensiert. Eine Verletzung des in Art 6 EMRK verankerten Fairnessgebotes wird dadurch nicht bewirkt, denn das Recht auf Prüfung der Glaubwürdigkeit eines Belastungszeugen findet jedenfalls dort seine Schranken, wo dadurch die Anonymisierung eines solchen Zeugen unterlaufen würde.

Die nach der Neufassung des § 250 Abs 3 StPO durch das StRÄG 1998 vorgesehene (nicht nichtigkeitsbewehrte) Anwendung der Bestimmungen des § 162a Abs 1 letzter Satz und Abs 2 bis 4 StPO schließt die dem freien Ermessen des Gerichtes vorbehaltene Möglichkeit, den Angeklagten während der Vernehmung eines Zeugen aus dem Sitzungssaal zu entfernen (§ 250 Abs 1 StPO), nicht aus.

Entscheidungstexte

  • 11 Os 141/00
    Entscheidungstext OGH 20.03.2001 11 Os 141/00
  • 12 Os 34/06a
    Entscheidungstext OGH 01.06.2006 12 Os 34/06a
    Vgl auch; Beisatz: Die Tatrichter haben die von ihnen angenommene Glaubwürdigkeit des anonymisiert vernommenen verdeckten Ermittlers auf dessen persönlichen Eindruck in der Hauptverhandlung gestützt und auch auf die ihnen gebotene Gelegenheit hingewiesen, das Mienenspiel dieses Zeugen - und solcherart sein Verhalten während der Befragung - zu beobachten. (T1)
  • 15 Os 4/07p
    Entscheidungstext OGH 23.04.2007 15 Os 4/07p
    Auch; nur: Die nach der Neufassung des § 250 Abs 3 StPO durch das StRÄG 1998 vorgesehene (nicht nichtigkeitsbewehrte) Anwendung der Bestimmungen des § 162a Abs 1 letzter Satz und Abs 2 bis 4 StPO schließt die dem freien Ermessen des Gerichtes vorbehaltene Möglichkeit, den Angeklagten während der Vernehmung eines Zeugen aus dem Sitzungssaal zu entfernen (§ 250 Abs 1 StPO), nicht aus. (T2); Beisatz: Die in das Ermessen des Gerichts gestellten prozessleitenden Verfügungen, den Zeugen anonymisiert (§§166a iVm 248 Abs1 erster SatzStPO), abgesondert (§250 Abs3 StPO) oder in Abwesenheit des Angeklagten (§250 Abs1 StPO) zu vernehmen, können grundsätzlich auch miteinander kombiniert werden. (WK-StPO § 247 Rz 77) (T3)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2001:RS0114858

Dokumentnummer

JJR_20010320_OGH0002_0110OS00141_0000000_001
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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