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24/01 Strafgesetzbuch;Norm
FrG 1997 §37 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des M, geboren 1981, vertreten durch Dr. Wolfgang Zatlasch, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Mariahilferstraße 49, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 26. August 2004, Zl. SD 392/04, betreffend Aufhebung eines unbefristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 26. August 2004 wurde gemäß § 44 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, der Antrag des Beschwerdeführers, eines türkischen Staatsangehörigen, vom 11. Juli 2003 auf Aufhebung des gegen ihn mit Bescheid der belangten Behörde vom 19. September 2002 erlassenen unbefristeten Aufenthaltsverbots abgewiesen.
Der Beschwerdeführer befinde sich seit 1990 im Bundesgebiet und habe seit 9. September 1997 über eine unbefristete Niederlassungsbewilligung verfügt.
Am 2. September 1998 sei er wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung gemäß § 88 Abs. 1 StGB und des Vergehens des versuchten Diebstahls gemäß §§ 15, 127 leg. cit. zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Wochen rechtskräftig verurteilt worden. Dieser Verurteilung liege zu Grunde, dass der Beschwerdeführer am 3. Juni 1997 versucht habe, in einem Kaufhaus sechs Computerspiele zu stehlen. Weiters habe er am 20. November 1997 mit seinem Fahrrad in der Fußgängerzone eine Frau umgefahren und anschließend die Flucht ergriffen.
Mit Straferkenntnis vom 6. September 2000 sei der Beschwerdeführer wegen Lenkens eines Kraftfahrzeuges ohne Lenkerberechtigung rechtskräftig bestraft worden.
Am 13. März 2001 sei der Beschwerdeführer wegen der Verbrechens gemäß § 28 Abs. 2 und Abs. 3 Suchtmittelgesetz (SMG) sowie wegen des Vergehens nach § 27 Abs. 1 leg. cit. zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Jahr rechtskräftig verurteilt worden. In der Folge sei er wegen des teils vollendeten und teils versuchten Verbrechens nach § 28 Abs. 2, Abs. 3 erster Fall und Abs. 4 Z. 3 SMG iVm § 15 StGB sowie wegen des Vergehens nach § 27 Abs. 1 SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren rechtskräftig verurteilt worden. Diesen beiden Verurteilungen liege zu Grunde, dass dem Beschwerdeführer zunächst nur nachgewiesen habe werden können, dass er von Oktober 2000 bis Anfang 2001 3.000 Stück Ecstasy-Tabletten und 1 kg Haschisch (sohin Suchtgift in einer großen Menge im Sinn des § 28 Abs. 6 SMG) gewerbsmäßig verkauft habe. Die bei der Verurteilung vom 13. März 2001 verhängte Freiheitsstrafe sei vom Gericht zunächst gemäß § 39 SMG zur Durchführung einer ambulanten Suchtgiftentwöhnungstherapie aufgeschoben worden. Dennoch habe der Beschwerdeführer bereits im April 2001 seine Suchtgiftgeschäfte mit der Absicht fortgesetzt, sich dadurch neuerlich eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. So habe er im Zeitraum von April 2001 bis Juli 2001 etwa
2.200 Ecstasy-Tabletten an diverse Suchtgiftabnehmer verkauft. Zudem habe dem Beschwerdeführer der gewerbsmäßige Verkauf von insgesamt zumindest 103.100 Ecstasy-Tabletten im Zeitraum von Februar 2000 bis Dezember 2000 sowie der Erwerb und der Besitz von Psylocibine und Speed-Staub nachgewiesen werden können.
Auf Grund dieses Gesamtfehlverhaltens sei gegen den Beschwerdeführer mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 19. September 2002 ein unbefristetes Aufenthaltsverbot verhängt worden. Die dagegen gerichtete Beschwerde sei vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 28. Jänner 2003, Zl. 2002/18/0249, als unbegründet abgewiesen worden.
Am 31. Mai 2003 sei der Beschwerdeführer bedingt aus der Strafhaft entlassen worden und sei weiterhin im Bundesgebiet verblieben.
Den vorliegenden Antrag habe der Beschwerdeführer damit begründet, schon während der Haft eine Ausbildung als Schlosser absolviert zu haben. Nach Haftentlassung hätte er die Lehre abgeschlossen und sich beim Arbeitsmarktservice gemeldet. Er wäre seit 21. Juli 2003 - mit zwei Unterbrechungen durch Zeiten des Arbeitslosengeldbezuges - als Arbeiter beschäftigt. Überdies würde er sich einer medizinischen Betreuung unterziehen, welche einen neuerlichen Rückfall verhindern sollte. Dazu habe der Beschwerdeführer einen Befundbericht vom 12. Juni 2003 vorgelegt, nach welchem verschiedene Drogentests ein negatives Ergebnis erbracht hätten.
Das Aufenthaltsverbot sei vor allem auf die Straftaten des Beschwerdeführers nach dem Suchtmittelgesetz gestützt worden. Dazu habe der Beschwerdeführer den erwähnten - nicht mehr aktuellen - Befundbericht über seine Drogenfreiheit vorgelegt. Selbst unter der Annahme, dass der Beschwerdeführer tatsächlich nicht mehr suchtmittelabhängig sein sollte, würde er noch keine Gewähr dafür bieten, nicht neuerlich straffällig zu werden. Dies vor allem im Hinblick auf den seit der Tatbegehung verstrichenen Zeitraum von erst etwa drei Jahren unter Berücksichtigung der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wonach die Strafhaft in den Zeitraum des Wohlverhaltens nicht einzubeziehen sei. Daher könne zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch immer keine zuverlässige positive Prognose erstellt werden. Überdies könne von einem Wohlverhalten des Beschwerdeführers insofern keine Rede sein, als er nach der Haftentlassung seiner Ausreiseverpflichtung infolge des gegenständlichen Aufenthaltsverbots nicht nachgekommen sei. Die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme sei daher weiterhin gerechtfertigt. Angesichts des gravierenden Fehlverhaltens, das teils vor und teils nach Erlassung des Aufenthaltsverbots gesetzt worden sei, mache der Beschwerdeführer mit dem Umstand, dass er nunmehr sozialversichert und berufstätig sei, keinen Umstand geltend, der seinen persönlichen Interessen ein größeres Gewicht verleihen würde als den gegenläufigen öffentlichen Interessen. Die nach Haftentlassung absolvierte Lehrabschlussprüfung und die Berufstätigkeit würden dadurch relativiert, dass der zu Grunde liegende Aufenthalt des Beschwerdeführers nicht rechtmäßig sei. Die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbots sei daher nach wie vor zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten (§ 37 Abs. 1 FrG) und erweise sich auch im Grund des § 37 Abs. 2 leg. cit. als zulässig.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 44 FrG ist ein Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann ein solcher Antrag nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit Erlassung des Aufenthaltsverbots die dafür maßgebenden Umstände zu Gunsten des Fremden geändert haben, wobei im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag auch auf die nach der Verhängung des Aufenthaltsverbots eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen ist. Bei der Beurteilung nach § 44 FrG ist maßgeblich, ob eine Gefährlichkeitsprognose im Grund des § 36 Abs. 1 FrG dergestalt (weiterhin) zu treffen ist, dass die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbots erforderlich ist, um eine vom Fremden ausgehende erhebliche Gefahr im Bundesgebiet abzuwenden, und ob die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbots im Grund der §§ 37 und 38 FrG zulässig ist. (Vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom 22. Jänner 2002, Zl. 2001/18/0146.)
2. Der Beschwerdeführer bestreitet den von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt nicht, bringt jedoch vor, dass die belangte Behörde zu Unrecht allein auf Grund der Straftaten auf das Fortbestehen der Gefährlichkeitsprognose geschlossen habe. Die belangte Behörde habe sich mit der Änderung der Persönlichkeit des Beschwerdeführers nach den Straftaten nicht auseinandergesetzt. Im Hinblick auf die - festgestellten - privaten und familiären Interessen hätte jedenfalls die Interessenabwägung gemäß § 37 FrG zu Gunsten des Beschwerdeführers ausgehen müssen.
Neben der familiären Situation wäre zu berücksichtigen gewesen, dass der Beschwerdeführer bereits am 8. Juli 2003, also nach der bestandenen Lehrabschlussprüfung, beim Arbeitsmarktservice für Lehrlingsstellen angemeldet gewesen und bei einer Personalbereitstellungsfirma in Vormerk genommen worden sei. Neben der Berufstätigkeit hätte auch der Umstand berücksichtigt werden müssen, dass der Beschwerdeführer keine Kontakte mehr mit Suchtgiften habe, was durch eine ärztliche Bestätigung bescheinigt worden sei. Überdies habe der Beschwerdeführer keine Beziehungen mehr zu seinem Geburtsland. Schließlich sei das Gericht bei der Entscheidung über die bedingte Haftentlassung von einer günstigen Prognose ausgegangen.
3. Der Beschwerdeführer hat in der Zeit von Anfang 2000 bis Juli 2001, also über einen Zeitraum von eineinhalb Jahren, Suchtgifte nicht nur erworben und besessen, sondern auch mehrmals weitergegeben. Dabei handelte er in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung derartiger strafbarer Handlungen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (gewerbsmäßig gemäß § 70 StGB). Aus der Verurteilung auch gemäß § 28 Abs. 4 Z. 3 SMG ergibt sich, dass der Beschwerdeführer seine Suchtgiftdelikte in Bezug auf eine Menge von zumindest dem 25-fachen der gemäß § 28 Abs. 6 SMG u.a. unter Bedachtnahme auf die Eignung, eine Gefährdung für das Leben oder die Gesundheit in großen Ausmaß herbeizuführen, festzusetzenden "großen Menge" begangen hat. Trotz Gewährung eines Strafaufschubs zur Durchführung einer Suchtgiftentwöhnungstherapie ist er nach kurzer Zeit neuerlich einschlägig straffällig geworden. Dieses Verhalten stellt eine gravierende Beeinträchtigung des überaus großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung von Suchtgiftkriminalität in dem vom Beschwerdeführer zu verantwortenden großen Stil dar.
Die Verbüßung der Strafhaft ist in den Zeitraum des Wohlverhaltens nicht einzubeziehen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 18. März 2003, Zl. 2002/18/0187). Der seit der bedingten Entlassung aus der Strafhaft am 31. Mai 2003 verstrichene Zeitraum von etwa 15 Monaten ist - auch unter Berücksichtigung des vorgebrachten Umstandes, dass der Beschwerdeführer "keinen Kontakt mehr mit Suchtgiften" hat - viel zu kurz, um auf einen Wegfall oder auch nur eine erhebliche Minderung der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr schließen zu können.
Soweit der Beschwerdeführer die positive Prognoseerstellung durch das Gericht anlässlich der bedingten Entlassung aus der Strafhaft ins Treffen führt, ist ihm entgegenzuhalten, dass es für die von der belangten Behörde zu treffende Prognoseentscheidung nicht von Relevanz ist, von welchen Erwägungen das Vollzugsgericht bei der Entscheidung über eine bedingte Entlassung des Beschwerdeführers ausgegangen ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 12. März 2002, Zl. 2002/18/0022).
Aus allen diesen Gründen kann die Ansicht der belangten Behörde, dass die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme nach wie vor gerechtfertigt sei, nicht als rechtswidrig erkannt werden.
4. Auch die Ansicht der belangten Behörde, dass § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG der Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbots nicht entgegenstehe, ist unbedenklich.
Die aus dem weiteren Inlandsaufenthalt in den fast zwei Jahren seit Erlassung des Aufenthaltsverbots und der vorgebrachten teilweisen Berufstätigkeit in dieser Zeit resultierende Verstärkung der persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet wird dadurch ganz erheblich relativiert, dass sich der Beschwerdeführer bis 31. Mai 2003 in Strafhaft befunden hat und sein Aufenthalt seither unberechtigt ist. Die sohin nur sehr geringe Verstärkung der persönlichen Interessen am Verbleib im Bundesgebiet wird dadurch aufgewogen, dass der unrechtmäßige Aufenthalt des Beschwerdeführers seit der Haftentlassung eine erhebliche Beeinträchtigung des großen öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens darstellt.
Dem Beschwerdevorbringen, der Beschwerdeführer habe zu seiner Heimat "keine Beziehungen" mehr, ist entgegenzuhalten, dass durch § 37 FrG die Führung eines Privat- und Familienlebens außerhalb Österreichs nicht gewährleistet wird (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 5. April 2002, Zlen. 2001/18/0255, 0256).
5. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
6. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Wien, am 3. November 2004
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2004180320.X00Im RIS seit
07.12.2004