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19/05 Menschenrechte;Norm
AVG §45 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde der M, geboren 1981, vertreten durch Mag. Dr. Ingrid Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rotenturmstraße 19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 7. August 2001, Zl. SD 310/01, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 7. August 2001 wurde die Beschwerdeführerin, eine jugoslawische Staatsangehörige, gemäß § 33 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ausgewiesen.
Die Beschwerdeführerin sei am 8. Oktober 2000 mit einem Visum C - ausgestellt von der österreichischen Botschaft in Belgrad, gültig vom 6. Oktober 2000 bis zum 5. November 2000 - nach Österreich eingereist. Am 11. Oktober 2000 habe sie sich in Wien polizeilich gemeldet. Mit Schreiben vom 9. November 2000 habe die Beschwerdeführerin der Erstbehörde mitgeteilt, dass sie nunmehr schwanger wäre. Es handelte sich laut Auskunft des behandelnden Gynäkologen um eine Problemschwangerschaft, weshalb sie nicht reisen dürfe. Nach Ablauf der Gültigkeitsdauer ihres Visums halte sie sich unrechtmäßig in Österreich auf, weil sie weder über einen weiteren Einreise- noch über einen Aufenthaltstitel verfüge. Es würden sohin die Voraussetzungen des § 33 Abs. 1 FrG vorliegen, wonach Fremde - unter Bedachtnahme auf § 37 Abs. 1 FrG - mit Bescheid ausgewiesen werden könnten.
Die Beschwerdeführerin sei verheiratet und ihr Ehemann - der in Wien lebe und bei einer Gebäudereinigungsfirma als Arbeiter beschäftigt sei - verfüge über einen unbefristeten Sichtvermerk. Ihre Schwiegereltern würden ebenfalls im Bundesgebiet leben, wobei ihr Schwiegervater eine Pension beziehe und ihre Schwiegermutter als Reinigungskraft arbeite. Die Beschwerdeführerin, die zwischenzeitig ihr Kind entbunden haben müsste, lebe mit ihrem Mann und offenbar auch mit ihren Schwiegereltern im gemeinsamen Haushalt. Auf Grund ihrer familiären Bindung liege jedenfalls ein mit der Ausweisung verbundener Eingriff in ihr Privat- und Familienleben vor. Dessen ungeachtet sei die Zulässigkeit der Ausweisung im Grund des § 37 Abs. 1 FrG zu bejahen. Gerade den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Befolgung durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein sehr hoher Stellenwert zu. Diese Regelungen seien aber von der Beschwerdeführerin nach Ablauf ihres Visums durch ihren unrechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet in gravierender Weise missachtet worden. Zudem habe sie versucht, den Eindruck zu erwecken, sie sei erst nach Ablauf ihres Reisevisums schwanger geworden. Aus dem von ihr vorgelegten fachärztlichen Befund vom 6. November 2000 - wonach die Beschwerdeführerin sich zu diesem Zeitpunkt bereits in der siebenten Schwangerschaftswoche befunden habe - gehe jedoch eindeutig hervor, dass sie bereits vor ihrer Einreise am 8. Oktober 2000 schwanger gewesen sei.
Auch wenn sie erst nach ihrer Einreise von ihrer Schwangerschaft Kenntnis erlangt habe, sei die von ihr bewirkte Beeinträchtigung des hoch zu veranschlagenden maßgeblichen öffentlichen Interesses an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens jedenfalls von solchem Gewicht, dass die gegenläufigen privaten und familiären Interessen nicht höher zu bewerten seien, als das Interesse der Allgemeinheit an der Ausreise der Beschwerdeführerin aus dem Bundesgebiet. Dazu komme, dass sie unter den gegebenen Umständen nicht in der Lage sei, ihren Aufenthalt vom Inland aus zu legalisieren, weil die Erteilung eines Aufenthaltstitels im Anschluss an ein Reisevisum unzulässig sei.
Vor diesem Hintergrund und im Hinblick auf das Fehlen besonderer, zu Gunsten der Beschwerdeführerin sprechender Umstände könne ein weiterer Aufenthalt ihrer Person auch nicht im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens in Kauf genommen werden.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, lediglich auf Grund eines Reisevisums in Österreich eingereist zu sein und seit Ablauf der Gültigkeit dieses Visums über keinen Aufenthaltstitel zu verfügen. Es bestehen somit keine Bedenken gegen die Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 33 Abs. 1 FrG erfüllt sei.
2. 1. Rechtswidrig soll der angefochtene Bescheid sein, weil die belangte Behörde - auf Grund eines mangelhaften Ermittlungsverfahrens - die Beurteilung nach § 37 Abs. 1 FrG unrichtig vorgenommen habe. Die belangte Behörde habe tatsachenwidrige Feststellungen getroffen und gegen ihre Pflicht, den entscheidungserheblichen Sachverhalt zu erheben, "nachhaltig verstoßen". Die Beschwerdeführerin habe ihr Kind nicht - wie im angefochtenen Bescheid festgestellt worden sei - in der Zwischenzeit entbunden, sondern sie habe ihr Kind "bereits im Alter von 3 1/2 Monaten" tot geboren. Sie befinde sich deshalb nach wie vor in ständiger ärztlicher Behandlung und benötige in dieser "psychisch schwierigen Situation unbedingt den seelischen Beistand ihrer nächsten Angehörigen". Bei einer Ausweisung aus dem Bundesgebiet wäre ein "gesundheitlicher Nachteil" der Beschwerdeführerin zu befürchten. Sie hätte dies im Verwaltungsverfahren vorbringen können, wenn die belangte Behörde sie vom Ergebnis der Beweisaufnahme gemäß § 45 Abs. 3 AVG in Kenntnis gesetzt und ihr Gelegenheit zu einer Stellungnahme gegeben hätte.
2. 2. Dieses Vorbringen ist nicht zielführend. Bei der erstmals in der Beschwerde aufgestellten Behauptung, die Beschwerdeführerin habe ihr Kind "bereits im Alter von 3 1/2 Monaten" tot geboren und befinde sich deshalb nach wie vor in ständiger ärztlicher Behandlung, die einen weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet erfordere, handelt es sich um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unzulässige und daher unbeachtliche Neuerung (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG). Es lag bei der Beschwerdeführerin, diese Umstände im Verwaltungsverfahren vorzubringen, zumal sie von der belangten Behörde mit Schreiben vom 23. Jänner 2001 vom Ergebnis der Beweisaufnahme verständigt und zur Abgabe einer Stellungnahme aufgefordert wurde. Sie brachte in ihrer Stellungnahme vom 1. Februar 2001 und sogar noch in ihrer Berufung vom 27. März 2001 - als die Schwangerschaft dem nunmehrigen Beschwerdevorbringen zufolge bereits beendet war - vor, dass eine Problemschwangerschaft vorliegen würde und sie nicht reisen dürfe, "um nicht das Kind zu gefährden".
2.3. Die belangte Behörde hat unter Zugrundelegung der - unbestrittenen - Feststellungen über die Dauer des Aufenthaltes und die familiären Bindungen der Beschwerdeführerin zu ihrem Ehemann und ihren Schwiegereltern zutreffend einen mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in ihr Privat- und Familienleben angenommen. Demgegenüber weist das maßgebliche öffentliche Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften durch den Normadressaten aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) einen hohen Stellenwert auf (vgl. aus der ständigen hg. Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 22. Jänner 2001, Zl. 2001/18/0263). Dieses maßgebliche öffentliche Interesse hat die Beschwerdeführerin, die sich lediglich während der Gültigkeitsdauer des ihr erteilten Visums bis zum 5. November 2000 rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat, durch ihren daran anschließenden unrechtmäßigen Aufenthalt von neun Monaten (bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides) maßgeblich beeinträchtigt. Zutreffend hat die belangte Behörde die Auffassung vertreten, dass den persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin an einem weiteren Verbleib in Österreich gegenüber den genannten öffentlichen Interessen keine solche Bedeutung zukomme, dass ihre Ausweisung nicht dringend geboten wäre und § 37 Abs. 1 FrG ihrer Ausweisung entgegen stünde.
4. Die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am 3. November 2004
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2001180198.X00Im RIS seit
07.12.2004