Index
19/05 Menschenrechte;Norm
FrG 1997 §104 Abs1 idF 2000/I/034;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des V, geboren 1979, vertreten durch Mag. Nikolaus Bauer, Rechtsanwalt in 1150 Wien, Mariahilferstraße 135, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 3. November 2000, Zl. SD 488/00, betreffend Versagung eines Konventionsreisepasses, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 3. November 2000 wurde der Antrag des Beschwerdeführers, eines rumänischen Staatsangehörigen, vom 28. Februar 2000 auf "Verlängerung (nunmehr Ausstellung)" eines Konventionsreisepasses gemäß § 83 iVm § 81 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, abgewiesen.
Begründend führte die belangte Behörde aus, dass auf Grund der geänderten Gesetzeslage seit 1. Juli 2000 die Verlängerung der Gültigkeitsdauer eines Konventionsreisepasses nicht mehr möglich sei.
Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 2. November 1990 sei der Beschwerdeführer als Flüchtling im Sinn des Asylgesetzes anerkannt worden. Mit Urteil des Amtsgerichtes Laufen (BRD) vom 7. Februar 2000 sei über ihn wegen des Einschleusens von Ausländern eine Jugendstrafe (Freiheitsstrafe) von zehn Monaten rechtskräftig verhängt worden. Dem Urteil sei zu Grunde gelegen, dass er am 12. November 1999 vier rumänische Staatsangehörige über den ehemaligen Grenzübergang Bad Reichenhall - Autobahn von Österreich kommend in die BRD geschleppt habe. Die geschleppten Personen seien nicht im Besitz der für die Einreise in die BRD erforderlichen Aufenthaltsgenehmigungen und Reisepässe gewesen. In Kenntnis dessen habe der Beschwerdeführer diesen Personen Hilfe bei deren unerlaubten Einreise und unerlaubten Aufenthalt geleistet, indem er sie von Wien aus mit einem Fahrzeug nach Deutschland gebracht habe. Für seine Tätigkeit habe er von den geschleppten Personen ATS 15.000,-- (EUR 1.090,09) erhalten. Das deutsche Gericht habe festgestellt, dass der Beschwerdeführer sich zunächst dem Verfahren durch Flucht entzogen habe und erst mehr als zwei Wochen später - als er seinen hinterlegten Reisepass bei der deutschen Polizei habe abholen wollen - festgenommen worden sei. Der Beschwerdeführer sei zum Tatzeitpunkt bereits knapp 21 Jahre alt gewesen. Trotzdem seien im Rahmen der Strafzumessung, einer Empfehlung der Jugendgerichtshilfe folgend, wegen massiver Reifeverzögerungen die Bestimmungen des (deutschen) Jugendstrafrechtes angewendet worden. Auf Grund der Schwere der Schuld habe das Gericht die Verhängung einer Jugendstrafe (Freiheitsstrafe) für zwingend notwendig gehalten. Zu Ungunsten des Beschwerdeführers habe sich bei der Strafzumessung ausgewirkt, dass er vier Personen nach Deutschland eingeschleust habe, und sein äußerst "materiell bezogener Charakter". Das Gericht habe in seiner Urteilsbegründung ausgeführt, dass für den Beschwerdeführer Geld und geldwerte Dinge eine völlig zentrale Stellung einnähmen und deshalb befürchtet werden müsste, dass er auch künftig, wenn er mit seinen Einkünften nicht auskäme, straffällig werden könnte. Dabei wäre zu berücksichtigen, dass er mit ca. ATS 300.000,-- (EUR 21.801,85) verschuldet wäre.
Es sei daher zu befürchten, dass der Beschwerdeführer den Konventionsreisepass verwenden könnte, um sich durch Schleppung illegaler Fremder eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Den die Einreise und den Aufenthalt Fremder regelnden Vorschriften komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein sehr hoher Stellenwert zu. Die durch Schlepperei bewirkte erhebliche Gefährdung der öffentlichen (inneren) Sicherheit stelle ein von den Strafgerichten zu ahndendes Delikt dar, für welches zuletzt die Höchststrafe von drei auf fünf Jahre angehoben worden sei. Allein aus diesem Umstand sei ersichtlich, welchen hohen Stellenwert die Bekämpfung des Schlepperunwesens in der Rechtsordnung einnehme. Darüber hinaus sei die Gefahr einer Tatwiederholung bei der Schlepperei geradezu wesensimmanent. Es sei daher zu befürchten, dass der Beschwerdeführer einen Konventionsreisepass bei Reisen ins Ausland neuerlich zu Handlungsweisen gebrauchen könnte, die die innere Sicherheit der Republik Österreich gefährden könnten.
Dem Versuch des Beschwerdeführers, seine Tathandlung mit einer "günstigen Sozialprognose" bzw. seinen "sozial gesicherten Verhältnissen in Österreich" zu relativieren, stehe die rechtskräftige Verurteilung zu einer Jugendstrafe (Freiheitsstrafe) von zehn Monaten entgegen. Darüber hinaus sei bei Vorliegen der in § 81 Abs. 1 Z. 4 FrG genannten Umstände die Ausstellung eines Konventionsreisepasses zwingend zu versagen, ohne dass der Behörde hiebei Ermessen zukomme.
2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der diese nach Ablehnung ihrer Behandlung dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat (Beschluss vom 27. Februar 2001, B 2375/00).
Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren stellt der Beschwerdeführer den Antrag, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 83 Abs. 1 FrG sind Konventionsreisepässe Flüchtlingen auf Antrag auszustellen, denen in Österreich Asyl gewährt wird. Nach § 83 Abs. 5 leg. cit. gelten für die Festsetzung der Gültigkeitsdauer und des Geltungsbereiches von Konventionsreisepässen sowie der Gültigkeitsdauer der Rückkehrberechtigung in Konventionsreisepässen die Bestimmungen des Anhanges der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge; im Übrigen gelten die §§ 77 bis 82 leg. cit..
Gemäß § 81 Abs. 1 Z. 4 FrG idF BGBl. I Nr. 34/2000 ist die Ausstellung eines Fremdenpasses zu versagen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass durch den Aufenthalt des Fremden im Ausland die innere oder äußere Sicherheit der Republik Österreich gefährdet würde.
2. Die Beschwerde wendet sich gegen die Auffassung der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 81 Abs. 1 Z. 4 FrG verwirklicht sei, und bringt dazu vor, es liege eine günstige Verhaltensprognose hinsichtlich des Beschwerdeführers vor, weil über diesen vom Amtsgericht Laufen keine unbedingte Freiheitsstrafe verhängt worden sei. Auch komme die Verweigerung der Ausstellung eines Konventionsreisepasses einer Doppelbestrafung gleich.
3. Dieses Vorbringen ist nicht zielführend.
3.1. Die Beschwerde bestreitet nicht die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, dass der Beschwerdeführer am 12. November 1999 vier rumänische Staatsangehörige von Österreich kommend in die BRD geschleppt habe, die geschleppten Personen nicht im Besitz der für die Einreise in die BRD erforderlichen Aufenthaltsgenehmigungen und Reisepässe gewesen seien und er in Kenntnis dessen diesen Personen Hilfe bei deren unerlaubten Einreise und unerlaubten Aufenthalt geleistet habe, indem er sie von Wien aus mit einem Fahrzeug nach Deutschland verbracht habe. Für seine Tätigkeit habe er von den geschleppten Personen ATS 15.000,-- (EUR 1.090,09) erhalten.
Im Hinblick darauf vertrat die belangte Behörde die Auffassung, es sei im Hinblick auf das Fehlverhalten des Beschwerdeführers zu befürchten, dass er den Konventionsreisepass verwenden könnte, um sich durch Schleppung "illegaler Fremder" eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, was (gemeint: nach österreichischem Recht) ein Delikt darstelle, für welches die Höchststrafe zuletzt von drei auf fünf Jahre angehoben worden sei. Es sei daher zu befürchten, dass er einen Konventionsreisepass bei Reisen ins Ausland neuerlich zu Handlungsweisen gebrauchen könnte, die die innere Sicherheit der Republik Österreich gefährden könnten.
Mit diesen Ausführungen spricht die belangte Behörde die Novellierung des Straftatbestandes der Schlepperei nach § 104 FrG durch das mit 1. Juli 2000 in Kraft getretene BGBl. I Nr. 34/2000 an. § 104 Abs. 1 und 3 FrG idF dieser Novelle hat folgenden Wortlaut:
"Schlepperei
§ 104. (1) Wer die rechtswidrige Einreise eines Fremden in einen Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder in einen Nachbarstaat Österreichs mit dem Vorsatz fördert, dass dies gegen einen nicht bloß geringfügigen Vermögensvorteil für ihn oder einen anderen geschieht (Schlepperei), ist vom Gericht mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.
...
(3) Wer Schlepperei gewerbsmäßig (§ 70 StGB) oder als Mitglied einer Bande begeht, ist mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren zu bestrafen."
Gemäß § 70 StGB begeht gewerbsmäßig eine strafbare Handlung, wer sie in der Absicht vornimmt, sich durch ihre wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen.
§ 104 Abs. 1 FrG in der Stammfassung hatte folgenden Wortlaut:
"Schlepperei
§ 104. (1) Schlepperei ist die Förderung der rechtswidrigen Ein- oder Ausreise eines Fremden, gleichgültig ob sie vor oder nach dem Grenzübertritt oder während des Aufenthaltes des Fremden im Bundesgebiet gewährt wird."
Da die belangte Behörde nicht festgestellt hat, ob durch den - am 12. November 1999 erfolgten - Grenzübertritt der vom Beschwerdeführer geschleppten Personen neben deutschen Einreisebestimmungen auch österreichische Ausreisebestimmungen verletzt wurden, könnte auf Grund des festgestellten Sachverhaltes nicht beurteilt werden, ob der Beschwerdeführer Schlepperei im Sinn dieser - im Zeitpunkt der Tatbegehung in Kraft stehenden - Bestimmung begangen hat. Nun wurde allerdings mit der Änderung des § 104 FrG durch die genannte Novelle keine Übergangsregelung erlassen. Die belangte Behörde hatte daher in ihrem erst nach dem 1. Juli 2000 (dem Inkrafttreten dieser Novelle) erlassenen angefochtenen Bescheid die von ihr unter dem Blickwinkel der Gefährdung im Sinn des § 81 Abs. 1 Z. 4 FrG relevierte Frage, ob der Beschwerdeführer gewerbsmäßig Schlepperei begangen habe, bereits nach § 104 Abs. 1 und 3 FrG idF BGBl. I Nr. 34/2000 zu beurteilen. Gegen dieses Ergebnis bestehen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken, weil das in Art. 7 EMRK normierte Rückwirkungsverbot nur für Strafen gilt. (Vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom 12. März 2002, Zl. 2001/18/0128, mwN.)
Da es sich bei der Versagung eines Reisedokuments um eine administrativ-rechtliche Maßnahme und keine Strafe handelt, geht auch der Beschwerdevorwurf einer Doppelbestrafung ins Leere.
3.2. In Anbetracht des vom Beschwerdeführer gesetzten Fehlverhaltens, insbesondere der Gewerbsmäßigkeit seines Handelns, kann die Auffassung der belangten Behörde, dass er bei Reisen ins Ausland den Konventionsreisepass zu Handlungsweisen gebrauchen könnte, die die innere Sicherheit der Republik Österreich gefährden könnten, und der Tatbestand des § 81 Abs. 1 Z. 4 FrG verwirklicht sei, nicht als rechtswidrig erkannt werden. Entgegen der Beschwerdeansicht wäre ein psychologisches Gutachten nicht geeignet gewesen, die angesichts dieses Fehlverhaltens des Beschwerdeführers nicht zu beanstandende Prognose der belangten Behörde in Bezug auf die von ihm ausgehende Gefahr zu widerlegen. Im Übrigen lag das Fehlverhalten des Beschwerdeführers bei Erlassung des angefochtenen Bescheides noch nicht so weit zurück, um auf einen Wegfall oder auch nur eine wesentliche Minderung der für die Versagung des Konventionsreisepasses maßgeblichen Gefahr schließen zu können.
4. Wenn die Beschwerde vorbringt, dass weiters der Versagungsgrund nach § 81 Abs. 1 Z. 2 FrG nicht verwirklicht sei, so verkennt sie, dass die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid nicht auf diesen Versagungsgrund gestützt hat.
5. Die Beschwerde erweist sich nach dem Gesagten als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
6. Gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG konnte von der beantragten Verhandlung Abstand genommen werden.
7. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am 3. November 2004
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2001180084.X00Im RIS seit
07.12.2004