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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
B-VG Art11 Abs1 Z7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Riedinger, Dr. Handstanger, Dr. Berger und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des U Sportfliegerclubs E, vertreten durch Dr. Werner Walch, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Biberstraße 10, gegen den Bescheid des Umweltsenates vom 8. Juni 2000, Zl. US 9/1999/9-17, betreffend Feststellungsverfahren nach dem Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz (Errichtung eines Hubschrauberlandeplatzes), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Burgenland Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer stellte am 22. Februar 1999 den Antrag auf Erteilung einer Zivilflugplatz-Bewilligung zum Betrieb eines öffentlichen Hubschrauberflugplatzes in Trausdorf. Der Landeshauptmann von Burgenland als für die Durchführung des Verfahrens nach dem Luftfahrtgesetz zuständige Behörde beantragte daraufhin mit Eingabe vom 19. April 1999 die Einleitung eines Feststellungsverfahrens gemäß § 3 Abs. 6 des Bundesgesetzes über die Prüfung der Umweltverträglichkeit und die Bürgerbeteiligung (Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 1993 - UVP-G).
Mit Bescheid vom 22. September 1999 stellte die Erstbehörde fest, dass der Betrieb eines Hubschrauberlandeplatzes auf den Grundstücken Nr. 4797/2 und 4804 KG Trausdorf an der Wulka durch den Beschwerdeführer einer Umweltverträglichkeitsprüfung gemäß dem
2. Abschnitt des UVP-G zu unterziehen sei.
Die dagegen gerichtete Berufung des Beschwerdeführers wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid ab und ging in der Begründung im Wesentlichen davon aus, dass das gegenständliche Vorhaben als Neubau eines Flugfeldes, konzipiert als Hubschrauberlandeplatz, einzustufen sei. Maßgeblich für eine UVP-Pflicht sei daher die Beurteilung des öffentlichen Interesses am Neubau eines Hubschrauberlandeplatzes. Der Begriff des "öffentlichen Interesses" sei innerhalb der Grenzen des Wortlautes der Bestimmung des Anh. 1 Z. 16 vor allem aus dem Zusammenhang und Zweck der jeweiligen Rechtsmaterie (hier des UVP-G) auszulegen. Der Gesetzgeber habe die öffentliche Interessenlage nach dieser Rechtsmaterie ausführlich umschrieben, indem die Pflicht zur Prüfung der Umweltverträglichkeit geregelt werde, und zwar für die in § 3 Abs. 1 definierten und die im Anh. 1 taxativ aufgezählten Vorhaben, bei denen schon tatbestandsmäßig mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt (im Sinne des § 1) gerechnet werde. Somit sei ein grundsätzliches öffentliches Interesse an der Prüfung der Umweltauswirkungen in Form des UVP-G für den Tatbestand "Neubau eines Flugplatzes" klargelegt und die - einzige - Ausnahme, nämlich der Neubau eines Hubschrauberlandeplatzes im öffentlichen Interesse, wohl so zu verstehen, dass diesfalls ein sonstiges (also aus anderen Verwaltungsmaterien) herrührendes öffentliches Interesse das grundsätzliche Interesse an der UVP überwiege. Im zweiten Satzteil von Anh. 1 Z. 16 habe der Gesetzgeber selbst ein einzelnes und gewichtiges sonstiges öffentliches Interesse festgelegt und somit die Abwägung getroffen. Im Tatbestand des ersten Satzteiles von Z. 16 seien die in Frage kommenden sonstigen öffentliche Interessen nicht näher bezeichnet worden, es kämen somit grundsätzlich alle in Betracht. Da aus dem Regelungszusammenhang unzweifelhaft sei, dass eine die UVP-Pflicht überlagernde Ausnahme im öffentlichen Interesse eine gewichtige sein müsse, könne hier das Ergebnis nur in einer Abwägungsentscheidung gefunden werden. Es sei daher davon auszugehen, dass der Gesetzgeber bei der "schlagwortartigen" Aufzählung der Tatbestände in Anh. 1 Z. 16 mit der aus anderen Bestimmungen bekannten Wortfolge "im öffentlichen Interesse" eine diesbezüglich notwendig Abwägungsentscheidung gemeint habe, auch wenn das im Gesetzestext selbst nicht zum Ausdruck gebracht worden sei. Es könne tatsächlich ein (sonstiges) öffentliches Interesse eine Ausnahme auslösen (etwa tatbestandsmäßig aus dem Interessensbereich Sanitätsdienst/Rettungswesen die Einrichtung eines Hubschrauberlandeplatzes bei einer Krankenanstalt). Das sei aber kein Argument gegen eine Abwägungsentscheidung, sondern das Ergebnis nach einer notwendigen Abwägung der Gewichtungen. Irgendein öffentliches Interesse in dem Sinn, dass der geplante Hubschrauberlandeplatz unter irgendwelchen öffentlichen Interessensaspekten mitbenützt werde, könne bei einer Abwägung nicht als überwiegend im öffentlichen Interesse im Sinn dieser Gesetzesbestimmung verstanden werden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 3 des Bundesgesetzes über die Prüfung der Umweltverträglichkeit und die Bürgerbeteiligung (UVP-G), BGBl. Nr. 697/1993, in der hier anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 89/2000, lautet:
"§ 3. (1) Vorhaben, bei denen auf Grund ihrer Art, ihrer Größe oder ihres Standortes mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist und die im Anhang 1 angeführt sind, sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen.
(2) Wenn ein Vorhaben einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen ist, sind alle nach den Verwaltungsvorschriften, auch soweit sie im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde zu vollziehen sind, für die Ausführung des Vorhabens erforderlichen Genehmigungsverfahren von der Behörde (§ 39 Abs. 1) in einem konzentrierten Verfahren durchzuführen (konzentriertes Genehmigungsverfahren).
(3) Für die im Anhang 1 angeführten Vorhaben und die dort festgelegten Änderungen dieser Vorhaben ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen.
(4) (...)
(5) (...)
(6) Die Behörde hat auf Antrag des Projektwerbers/der Projektwerberin, einer mitwirkenden Behörde oder des Umweltanwaltes innerhalb von drei Monaten mit Bescheid festzustellen, ob für das Vorhaben eine Umweltverträglichkeitsprüfung nach diesem Bundesgesetz durchzuführen ist. Diese Feststellung kann auch von Amts wegen erfolgen. Parteistellung haben der Projektwerber/die Projektwerberin, die mitwirkende Behörde, der Umweltanwalt und die Standortgemeinde.
(7) (...)"
Diese Bestimmung regelt, für welche Vorhaben vor ihrer Errichtung eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist. Grundsätzlicher Ausgangspunkt ist dabei, dass Vorhaben dann einer UVP unterzogen werden sollen, wenn auf Grund ihrer Art, ihrer Größe (insbesondere Kapazität) oder ihres Standortes erhebliche, mehrere Umweltmedien betreffende Auswirkungen auf die Umwelt zu erwarten sind. Hier sollen durch die Gesamtschau insbesondere die Synergismen und Wechselwirkungen erfasst werden (vgl. die Erläuternden Bemerkungen zur RV 269 BlgNR XVIII. GP, S. 18). Zur Schaffung von Rechtssicherheit wurden im Anhang 1 bestimmte Vorhaben, bei denen solche mehrdimensionalen Umweltauswirkungen zu erwarten sind, aufgelistet.
Anhang 1 Z. 16 des UVP-G lautet:
"16. Der Neubau von Flughäfen und Flugfeldern, ausgenommen Hubschrauberlandeplätzen im öffentlichen Interesse, sowie die Neuerrichtung oder Erweiterung von Pisten, ausgenommen die Neuerrichtung oder Erweiterung von Pisten für Zwecke der Militärluftfahrt aus Anlass eines Einsatzes des Bundesheeres gemäß § 2 Abs. 1 des Wehrgesetzes 1990 (WG), BGBl. Nr. 305;"
Im Beschwerdefall ist sohin entscheidend, ob der Neubau des Hubschrauberlandeplatzes in Trausdorf im öffentlichen Interesse liegt.
Der Beschwerdeführer führt hiezu aus, dass sich aus dem Wortlaut des Gesetzes eindeutig ergebe, dass "einzig und allein darauf abzustellen" sei, ob "der beantragte Hubschrauberlandeplatz im öffentlichen - sohin in irgendeinem öffentlichen - Interesse" stehe, wobei der Gesetzgeber "ausdrücklich keine Abwägung allenfalls widerstreitender öffentlicher Interessen" wünsche. Dies führt ihn zu dem Schluss, dass gemäß Anhang 1 Z. 16 UVP-G "Hubschrauberlandeplätze in irgendeinem öffentlichen Interesse oder die Neuerrichtung oder Erweiterung von Pisten für Zwecke der Militärluftfahrt aus Anlass eines Einsatzes des Bundesheeres gemäß § 2 Abs. 1 des Wehrgesetzes 1990 von der UVP-Pflicht ausgenommen" wären, "ohne dass es einer Abwägung mit sich aus Umweltaspekten ergebenden öffentlichen Interessen bedürfte".
Gegenstand des Feststellungsverfahrens ist die Frage, ob für das Vorhaben eine UVP erforderlich ist. Es geht daher um die Auslegung von Tatbeständen des Anhanges 1 (vgl. Raschauer, Kommentar zum UVP-G, Rz. 15 zu § 3). Die Formulierung des § 3 Abs. 1 UVP-G hat programmatische und interpretationsleitende Bedeutung und ist bei der Prüfung der Sachlichkeit der Umschreibung der UVP-pflichtigen Vorhaben wie auch im konkreten Fall bei Feststellungsverfahren nach Abs. 6 von Bedeutung (vgl. auch dazu Raschauer, a.a.O., Rz. 2 zu § 3).
Die Rechtsansicht des Beschwerdeführers, dass das Vorliegen irgendeines öffentlichen Interesses genüge, um für sein Vorhaben eine UVP zu vermeiden, widerspricht damit den Zielvorgaben des UVP-G. Der Gesetzgeber nimmt zwar in Z. 16 des Anh. 1 keine Definition der "öffentlichen Interessen" vor, doch ist in Anbetracht der interpretationsleitenden Definition des § 3 Abs. 1 UVP-G, die auch in Feststellungsverfahren nach Abs. 6 Anwendung findet, eine umfassende Beurteilung der öffentlichen Interessen vorzunehmen. Dass es sich dabei um "gewichtige" öffentliche Interessen handeln muss, ergibt sich auch aus dem Regelungszusammenhang des zweiten Tatbestandes in Anh. 1 Z. 16, bei dem der Gesetzgeber selbst eine Wertung vorgenommen und nur einen Sonderfall des Vorliegens militärischer Interessen besonders umschrieben und von der UVP-Pflicht ausgenommen hat. Damit verbietet sich die (der Argumentation des Beschwerdeführers zugrunde liegende) vom Wortlaut dieser Bestimmung her zwar mögliche, aber keineswegs gebotene und von den Gesetzesmaterialien auch nicht nahegelegte Auslegung des unbestimmten Gesetzesbegriffes auch aus Gründen systematischer Interpretation. Dem steht nicht entgegen, dass der Gesetzgeber in anderen Bestimmungen ausdrücklich eine Abwägung gegenläufiger öffentlicher Interessen vorgeschrieben hat.
Die belangte Behörde hat sich bei der Klärung der Frage, ob das gegenständliche Vorhaben einer UVP zu unterziehen ist, eingehend mit den verschiedenen Stellungnahmen auseinandergesetzt und schließlich eine "gesamthafte Bewertung des öffentlichen Interesses" vorgenommen. Sie ist dabei auf Grundlage der von ihr herangezogenen Stellungnahmen in schlüssiger und nachvollziehbarer Weise zur Ansicht gelangt, dass aus der zusammenfassenden Wertung der einzelnen öffentlichen Interessensaspekte aus den Bereichen öffentliche Sicherheit und Grenzraumüberwachung bzw. Rettungswesen und Verkehrswesen in Verbindung mit Fremdenverkehr geschlossen werden kann, dass eine Mitbenützung eines neuen Hubschrauberlandeplatzes in Trausdorf in Teilbereichen eine Verbesserung bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben bzw. eine infrastrukturelle Verbesserung für einen relativ kleinen Kreis von Nutzern bringen könnte, die aber in keinem Fall so gewichtig ist, dass deshalb der Neubau eines solchen Hubschrauberlandeplatzes aus dem öffentlichen Interesse heraus geboten wäre.
Es kann der belangten Behörde kein rechtswidriges Vorgehen angelastet werden, wenn sie das - durch ihre Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes konkretisierte - öffentliche Interesse im vorliegenden Fall entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers nicht als ein solch gewichtiges qualifizierte, welches im Sinne des Anh. 1 Z. 16 UVP-G die Durchführung einer UVP ausgeschlossen hätte. Der Verwaltungsgerichtshof vermag auch nicht zu erkennen, dass die (untechnisch als Interessenabwägung bezeichneten) Ausführungen der belangten Behörde über eine "Abwägung" mit zu erwartenden gegenläufigen öffentlichen Interessensaspekten des Lärm- sowie Natur- und Landschaftsschutzes zu einem dieser tragenden Rechtsgrundlage widersprechenden Ergebnis geführt hätten. Diese Ausführungen bewirkten somit keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides.
Aus den dargelegten Erwägungen erweist sich die vorliegende Beschwerde als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Da die belangte Behörde in einer Angelegenheit tätig wurde, die nach der Zuständigkeitsregel des Art. 11 Abs. 1 Z. 7 B-VG in den Vollzugsbereich der Länder fällt, waren die Kosten dem Land Burgenland zuzusprechen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 2003, Zl. 2001/03/0194, sowie das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 29. November 2002, A 9/01). Wien, am 4. November 2004
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Auslegung Diverses VwRallg3/5European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2000030244.X00Im RIS seit
30.11.2004