TE Vwgh Erkenntnis 2004/11/4 2002/20/0188

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Veröffentlicht am 04.11.2004
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
FrG 1997 §57;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Sulzbacher, Dr. Berger und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Trefil, über die Beschwerde des S alias J in W, geboren 1980, vertreten durch Dr. Edith Hlawati, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Parkring 2, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 28. Jänner 2002, Zl. 223.568/0- IV/29/01, betreffend §§ 7 und 8 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Indien, beantragte mit Schriftsatz vom 22. Februar 2001 Asyl. Bei seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 26. Juli 2001 gab er im Wesentlichen an, als Sympathisant der Kongresspartei von Mitgliedern der gegnerischen Alkali-Dal-Partei bedroht worden zu sein. Seinem Bruder sei im September 2000 bei einer von Mitgliedern der Gegenpartei veranlassten Rauferei der Fuß gebrochen, der Beschwerdeführer und seine Eltern seien mit dem Umbringen bedroht worden. Die Polizei, bei der Mitglieder der Gegenpartei tätig seien, habe trotz Anzeige nichts unternommen. Etwa zwei Wochen später habe wiederum - anlässlich einer Hochzeit bei einem Nachbarn - eine von Alkali-Dal-Mitgliedern veranlasste Rauferei stattgefunden. Die Parteigegner seien auch zum Haus des Beschwerdeführers gekommen, hätten in die Luft geschossen und der Familie des Beschwerdeführers "Angst gemacht". Die Polizei habe nur "etwas geschrieben" und sich dann wieder entfernt. Überdies sei der Beschwerdeführer im Jahr 1999 im Zuge einer Wahlveranstaltung persönlich bedroht, und im Jahr 2000 von gegnerischen Parteimitgliedern "verbal durch die verschlossene Haustüre bedroht" worden. Daraufhin habe er sich entschlossen, zu seinem etwa 10 km entfernt wohnenden Onkel zu ziehen und sei in der Folge ausgereist.

Das Bundesasylamt wies den Asylantrag des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 26. Juli 2001 gemäß § 7 AsylG ab und stellte gemäß § 8 AsylG die Zulässigkeit seiner Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Indien fest. Es schenkte seinen Angaben keinen Glauben.

In der vom Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wurde - abgesehen von einer Wiederholung des bisherigen Vorbringens und der Wiedergabe von Berichten zur Menschenrechtssituation in Indien - auch vorgebracht, die Parteigegner, die über "Vertrauensleute bei der Polizei" verfügten, hätten ihn durch diese suchen lassen. Er habe also nicht nur Bedrohungen seitens der Alkali-Dal, sondern auch seitens der Polizei zu fürchten. Über diese Berufung führte die belangte Behörde am 17. Jänner 2002 eine mündliche Berufungsverhandlung durch, in welcher der Beschwerdeführer ausführlich einvernommen wurde.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG ab (Spruchpunkt 1.) und traf gemäß § 8 AsylG in Verbindung mit § 57 Fremdengesetz 1997 die Feststellung, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt 2.).

In der Begründung ihrer Entscheidung führte die belangte Behörde bei Darstellung des Verfahrensverlaufes - aktenwidrig - aus, der Beschwerdeführer sei der Berufungsverhandlung unentschuldigt fern geblieben, weshalb die Berufungsverhandlung in seiner Abwesenheit durchgeführt worden sei. Das Bundesasylamt habe das Vorbringen des Beschwerdeführers, die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die Beurteilung der Rechtsfrage "klar und übersichtlich zusammengefasst". Den diesbezüglichen Ausführungen schließe sich die Berufungsbehörde an und "erhebe sie zum Inhalt des gegenständlichen Bescheides".

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten erwogen:

Ausgehend von der - wie oben dargestellt aktenwidrigen - Annahme, der Beschwerdeführer sei zur Berufungsverhandlung nicht gekommen, hat sich die belangte Behörde mit den Ergebnissen der Berufungsverhandlung nicht befasst. Da jedwede Auseinandersetzung mit den vom Beschwerdeführer in der Berufungsverhandlung getätigten, zum Teil vom erstinstanzlichen Vorbringen erheblich abweichenden Aussagen fehlt, ist die belangte Behörde, die eine eigenständige Würdigung des neuen Vorbringens des Beschwerdeführers unterlassen hat, ihrer Begründungspflicht nicht ausreichend nachgekommen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil ein gesonderter Ersatz von Umsatzsteuer im Gesetz keine Deckung findet.

Wien, am 4. November 2004

Schlagworte

Begründung Begründungsmangel Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2002200188.X00

Im RIS seit

30.11.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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